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Aussteigen auf Bayerisch: … und plötzlich war ich Hüttenwirtin
Aussteigen auf Bayerisch: … und plötzlich war ich Hüttenwirtin
Aussteigen auf Bayerisch: … und plötzlich war ich Hüttenwirtin
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Aussteigen auf Bayerisch: … und plötzlich war ich Hüttenwirtin

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About this ebook

Stefanie ist dreiunddreißig Jahre alt und arbeitet für ein großes Filmproduktionsunternehmen in München. Ein Traumjob über der Skyline von Schwabing — für andere. Stefanie hasst ihren Bürojob und die Großstadt, sie träumt von einem wilden, freien Leben in den bayerischen Bergen. Sie träumt davon, über bunte Blumenwiesen zu laufen oder vor einem prasselnden Kaminfeuer zu sitzen, wann immer sie möchte.
Ein heißer Sommertag am türkisglitzernden Eibsee bringt die Entscheidung. Ob es das eiskalte Wasser oder der majestätische Anblick der Zugspitze war: Stefanie simst ihrem Chef die Kündigung — und damit beginnt das Abenteuer ihres Lebens. Es führt sie von München über Altötting nach Rosenheim; ihre Begleiter sind verrückte Jobs, lustige Begegnungen und tiefe Existenzängste. In Rosenheim stolpert Stefanie über ihre große Liebe, den urbayerischen Bernhard; er teilt ihren wildromantischen Traum vom Leben am Berg. Als die beiden die Chance bekommen, eine Berghütte im Wendelsteingebiet zu übernehmen, greifen sie sofort zu …
LanguageDeutsch
Release dateDec 19, 2014
ISBN9783738687231
Aussteigen auf Bayerisch: … und plötzlich war ich Hüttenwirtin
Author

Stefanie Sommer

Stefanie Sommer, 1974 in München geboren, lebt mit ihrem Mann irgendwo im Nirgendwo an der Grenze zwischen Bayern und Tirol, hinter den sieben Bergen …

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    3/5
    Auf dieses Buch hatte ich mich richtig gefreut. Die Autorin gab ihren Beruf in einer Filmproduktionsfirma auf, um mehr Zeit für sich, ihre Hunde, das Schreiben und die Berge zu haben. Schließlich wird sie zwei Jahre Hüttenwirtin auf einer Berghüttte im Wendelsteingebirge. Das ist ein schönes Thema und sprach mich auch deswegen an, weil ich selber gern auf Hütten gehe, die Berge liebe und selbst schon einen Sommer in die Berge ausgestiegen bin, allerdings habe ich als Sennerin gearbeitet.Allerdings hatte ich in der ersten Hälfte große Schwierigkeiten mit dem Buch. Mir war die Autorin einfach vom Grund weg unsympathisch. Ich fand ihren Stil viel zu exaltiert und übertrieben. Mir fiel es schwer, das Buch zu lesen. Das ändert sich ein wenig, als sie dann ab der Hälfte des Buches endlich auf die Hütte geht. Die Schreibweise gefiel mir zwar nicht sehr viel besser, aber inhaltlich interessierte mich dieser Teil. Da ich den Hüttenalltag nur als Gast kenne, fand ich das schon sehr erhellend zu lesen. Ich habe wirklich Hochachtung vor dem, was sie und ihr Partner da alleine gestemmt haben.

Book preview

Aussteigen auf Bayerisch - Stefanie Sommer

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Todunglücklich trotz toller Karriere

Mir reicht's, ich kündige! Job und Wohnung!

Und wie finanziere ich meine Stadtflucht?

Ein Hoch auf die Altöttinger Pampa!

Ende Gründungszuschuss, Anfang Jobsuche

Ein lässiges Bewerbungsgespräch

Trotzdem wieder nur ein Bürojob!

Eine heiße Affäre, die zum Dauerbrenner wird

Abschied von Altötting – auf nach Rosenheim!

Schluss jetzt mit den verdammten Bürojobs!

Endlich schreiben! Dafür pleite.

Eine Frage der Autoren-Ehre: Der Taxischein!

März 2010 – ein spannender Monat

Ab in den Puff! Der erste Tag als Taxifahrerin

Inkognito auf der Breitenberghütte

Jetzt auch noch unterwegs als Chauffeurin

Mein 36. Geburtstag: schrecklich! Schön!

Alles neu, macht der Mai!

Was ist ein Unimog?

Der Umzug

Nur noch zehn Tage bis zur Eröffnung!

Der Wahnsinn kann beginnen

Nette Gäste, aber es könnte mehr los sein!

Genug Gäste und nun auch genug Muskeln

Weihnachtszauber und Silvesterwahnsinn

Eine kleine Krise und eine kurze Auszeit

Kein Wasser mehr, kein Bock mehr

Schreiblust, Hüttenfrust und die Uschi-Ära

Adventszauber und Silvesterstimmung

Kündigung, Zukunftsängste, Eiszeit

Der letzte Hütten-Sommer – schön und traurig

Nachwort: Und jetzt?

Nachtrag am 2. August 2014

Vorwort

Dies ist eine wahre Geschichte. Die Geschichte meines Lebens. Na ja, eigentlich nur die der letzten sieben Jahre, aber ich liebe dramatische erste Worte. Und immerhin geht es nicht um irgendwelche Jahre: Es geht um die ersten Jahre auf meinem Weg in ein wildes, freies Leben. Selbstbestimmt. Mitten in den Bergen. In der Natur, mit den Tieren aber bitte mit möglichst wenig Menschen.

Nicht, dass ich ein Menschenfeind oder Eremit wäre, ich kann sogar sehr gut mit Menschen, aber ich kann nun mal noch besser ohne. Ich ziehe eben zehn Minuten Kühestreicheln jedem stundenlangen intellektuellen Gespräch vor. Ich sitze lieber schweigend vor dem prasselnden Kaminfeuer als plappernd an einer coolen Bar. Ich hasse die Großstadt, dafür liebe ich die Einsamkeit der Berge. Also doch Eremit.

Aber was soll's, dann ist das eben so. Zumal ich mich damit ausgesprochen wohlfühle, darum war mein Ausstieg auch nur konsequent. Und genau genommen war es nur ein kleiner Ausstieg vor der eigenen Haustür. Raus aus München, rein in die bayerische Bergwelt. Beides trennen keine hundert Kilometer, tatsächlich sind es aber zwei Welten, Lichtjahre voneinander entfernt. Die laute Metropol-Welt, in der ich verdammt war zu funktionieren, und die stille Bergwelt, in der ich einfach nur verdammt frei und glücklich bin. Deswegen habe ich meinen Ausstieg keine Sekunde bereut. Ich würde alles genauso wieder tun, auch Existenzängste in Kauf nehmen, weil mir meine Freiheit alles bedeutet. Weil ich lieber für meinen wildromantischen Bergtraum kämpfe, als mit der knallharten Großstadtrealität Frieden zu schließen.

Und ich habe es geschafft. Ich bin nun nicht mehr der armselige Bürozombie, der ich mal war. Ich bin nicht mehr eingesperrt in einem sterilen Großstadtbüro und sehe nicht mehr nur am Wochenende Tageslicht, ich bin endlich frei …!

Also fast. Ich muss noch arbeiten. Nicht, dass mir Arbeit nicht liegt, nur hätte ich gerne die Wahl zu entscheiden, wie viel ich arbeite. Dem ist noch nicht ganz so. Ich arbeite nach wie vor zu viel. Aber dafür schon ziemlich zu meinen Bedingungen, schon ziemlich selbstbestimmt. Mein Weg war für mich der richtige. Streckenweise war er zwar steinig, ungesichert und steil, mitunter ist er das noch immer, aber dafür ist er auch spannend und bunt und die Aussichten sind im wahrsten Sinne des Wortes großartig.

Diese Geschichte ist für all diejenigen, denen es ähnlich geht. Sie soll bewusst machen, dass wir erst einmal nur dieses eine Leben zur Verfügung haben und es nutzen sollten. Sie soll anderen Bürozombies Mut machen auszubrechen und vor allem soll sie unterhalten. So unterhalten, wie mich die letzten sieben Jahre selber unterhalten haben. Also kommt mit, ich lade euch ein. Auf das Abenteuer meines Lebens …

Todunglücklich trotz toller Karriere

Frühjahr 2006

Ich bin dreiunddreißig Jahre alt und müsste eigentlich verdammt glücklich sein. Zumindest sehen meine persönlichen Rahmendaten danach aus. Ich arbeite da, wo viele arbeiten wollen: in der Filmbranche und mitten im Zentrum von München. Mein Job als Projektkoordinatorin und Assistentin eines Filmproduzenten ist meiner Meinung nach klar überbezahlt. Auf der anderen Seite war natürlich auch ich diejenige, die dieses Gehalt ausgehandelt hat. Ein Gehalt, das ich wie alle anderen Gehälter als Schmerzensgeld betrachte. Ein monatliches Schmerzensgeld, von dem man nie genug bekommen kann und entsprechend hart darum kämpfen sollte. Ganz besonders im pervers teuren München.

Das Filmproduktionsunternehmen, für das ich arbeite, hat seinen Sitz im tobenden Schwabing, direkt an der Münchner Freiheit. Das Gebäude ist neu und mein modernes Büro liegt im vierten Stock. Ursprünglich hieß es, ich würde ein eigenes Büro bekommen. Jetzt teile ich mir eines mit einer Kollegin; ein Durchgangsbüro, mit etwa fünf Quadratmetern – also zweieinhalb Quadratmeter pro Person.

Tatsächlich haben es die gewitzten Architekten hinbekommen, neben einer Eingangstüre gleich zwei weitere Büros abzweigen zu lassen. Es sieht also so aus, dass ich mit keinem Meter Abstand mit dem Rücken zur Eingangstüre sitze. Meine Kollegin sitzt mir in Atemweite gegenüber. Direkt hinter ihr zieht sich eine schmale aber hohe Fensterfront entlang, der Blick nach draußen trifft auf graue Häuser und eine hässliche Seitenstraße. Und will mein Chef in sein Büro, muss er sich hinter mir nach rechts durchquetschen. Will der Chef meiner Kollegin ins Büro, muss er sich nach links durchquetschen. In beiden Fällen eigentlich sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Seit ich hier angefangen habe, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als den Architekten mal so richtig zu verprügeln.

Das Büro ist das Allerletzte. Es hat nicht nur die Größe, sondern auch das Ambiente einer Gummizelle. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die Büros unserer Chefs sind genauso winzig, nur hat jeder eben ein eigenes. Und dann sind die Herren sowieso kaum da. Kann ich verstehen, wäre ich auch nicht, wenn ich die Wahl hätte.

Aber ich habe keine Wahl. Ich bin ein armseliger Bürozombie, wie so viele andere da draußen. Und da ist es scheißegal, ob ich für eine Filmfirma oder eine Schraubenfabrik arbeite: Vollzeit-Büro bleibt Vollzeit-Büro. Ich bin mir sicher, dass keiner der Chefs hier dauerhaft eine Fünf-Tage-Woche á acht Stunden aushalten würde. Aber wir armen Büro-Hühner müssen das – und werden dabei nicht einmal artgerecht gehalten. Nix mit freilaufenden, glücklichen Bio-Mitarbeitern.

Mir ist aber klar, dass ich gar nicht erst nach einem eigenen Büro fragen brauche, geschweige denn darauf bestehen, zumal ich hier ohnehin den Sechser im Job-Lotto gezogen habe: eine der heiß begehrten Parkkarten für die Tiefgarage! Aber was heißt gezogen … wäre mir die blöde Karte nicht vertraglich zugesichert worden, hätte ich den Job nicht angenommen, so einfach. Eine grauenvolle Vorstellung, in München-Schwabing jeden Morgen nach einem Parkplatz zu suchen, der dann auch noch ein Schweinegeld kostet.

Sowohl das Schmerzensgehalt als auch die Parkkarte waren für mich also unverhandelbar. Diese Entweder-so-oder-ich-pfeif-auf-den-Job-Strategie wirkt übrigens erstaunlich gut. Haben Chefs nämlich das Gefühl, du willst den Job mehr als dein eigenes Leben, dann werden sie dich so schlecht bezahlen, dass es für selbiges kaum noch reicht. Und ich wollte diesen supercoolen Jippiyeah-Filmjob eigentlich gar nicht. Ich habe mich dummerweise einfach nur abwerben lassen. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass mein Chef auf meine dreisten Forderungen eingehen würde. Ich dachte, er würde sich lachend abwenden und den Job anderweitig vergeben, aber nein: er ging auf jede unverschämte Forderung ein. Und ich stand nun in der Pflicht, diesen blöden Job anzunehmen, obwohl ich nicht das dringende Bedürfnis hatte, meinen aktuellen Arbeitgeber, ebenfalls eine Filmfirma, zu wechseln. Nicht, weil mir die Arbeit dort so wahnsinnig viel mehr Spaß gemacht hätte. Nur deswegen, weil diese Filmfirma außerhalb Münchens idyllisch an einem großen Wald und in Laufweite zur Isar liegt. Meine Mittagspausen verbrachte ich nicht in der Kantine, ich verbrachte sie fast ausschließlich draußen. Eine belegte Semmel in der Hand wanderte ich im Winter durch den Wald und im Sommer barfuß durch die Isar. Das war es, was ich an diesem Job mochte. Als mir der Wechsel in das andere Unternehmen angeboten wurde, war mein erster Gedanke: Scheiße, Schwabing. Und dann noch jeden Tag durch den Stau. Die Vorstellung, mich täglich durch die Rushhour ins laute, graue Stadtzentrum zu quälen, um dann dort auch noch arbeiten zu müssen, versetzte mich in Panik. Innerlich. Äußerlich war ich eine coole Sau und habe lässig verhandelt. Aber nun ist es wie befürchtet, es ist einfach nur grauenvoll.

Ganz besonders grauenvoll ist es, wenn ich im Stau neben riesigen Werbeplakaten zum Stehen komme, die mit sonnigblumiger Alpenwelt, idyllischen Almhütten und klaren Bergseen für bayerisches Bier oder Joghurt werben. Meine Sehnsucht, genau in diesem Moment genau dort zu sein, ist dann so groß, dass es wehtut. Neben den Architekten würde ich gerne mal diese Werbetypen verhauen. Für die Frechheit, mir das Paradies zu zeigen, mich aber nicht reinzulassen. Und genau deswegen kauf ich den Scheiß auch nicht, Ihr Blödmänner, das ist meine Rache.

In diesem Moment sitze ich in meiner Bürozelle und schaue auf die in der Sonne glitzernden Dächer Schwabings. Nein, ich schaue eigentlich über sie hinweg und sehnsüchtig hin zu den weit entfernten Münchner Hausbergen. Sie sind so weit entfernt, dass man sie nur bei Föhnwetter sehen kann. Und wenn die mächtige Bergkette dann mal hinter dem Dunst der Großstadt auftaucht, kann ich mich kaum noch von ihr abwenden.

Ich starre durch das Monsterfenster. So gerne würde ich es öffnen … nur ist dieses Scheißfenster durchgeknallterweise nicht dafür konstruiert worden! Ich fasse es nicht. Ich kann also nicht einmal aus dem Fenster springen, wenn mir danach ist. Wahrscheinlich wurden diese Fenster genau deswegen ausgewählt: damit alles sicher wie in einer Klapsmühle ist.

Ich stelle mir vor, wie es mit normalen Fenstern wäre. Dann würde alle paar Minuten der ein oder andere Kollege freudestrahlend an meinem Fenster vorbeisegeln, winkend und mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Aber wahrscheinlich geht es nur mir so. Wahrscheinlich habe nur ich diesen unnatürlichen Freiheitsdrang.

Trotzdem! Scheiß Fenster! Scheiß Job! Beklemmung steigt in mir auf und gerade geht es mir gar nicht gut, ich fühle mich eingesperrt. Ich muss sofort raus hier!

Ich stolpere aus dem Büro und renne los. Den Gang entlang, an Michael Bully Herbig vorbei, der anscheinend gerade einen Termin im Hause hat oder hatte. Ich renne ihn fast um und dann durch die erste Sicherheitstür hindurch zum Aufzug.

Ich will nicht auf den Aufzug warten, der ebenfalls ein beschissener Aufzug ist, weil er regelmäßig hängen bleibt. Ich hatte schon das Vergnügen und klebte erst vor ein paar Tagen für etwa zwanzig Minuten schweißüberströmt innen an der gläsernen Aufzugtür. Nicht noch einmal, vor allem heute nicht! Also renne ich die gefühlten hundert Stockwerke runter und es dauert weitere gefühlte zwanzig Minuten, bis ich endlich im Freien bin.

Ich atme tief durch und schließe kurz die Augen. Besser geht's mir trotzdem nicht. Kein Wunder, ich befinde mich inmitten von Menschenmassen und dem Lärm der Münchner Freiheit.

Ich verziehe mich schnell ein paar Meter weiter zur Terrasse eines italienischen Restaurants. Die Terrasse ist von großen Topfpalmen umgeben. Ich suche mir die sympathischste davon aus und lehne mich kurz an sie. Das Grün ihrer Blätter und der raue Stamm haben irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich; jetzt geht es mir etwas besser. Ich schließe wieder die Augen und atme tief ein.

Und dann zünde ich mir eine Zigarette an – weil der Smog und der Gestank der Stadt noch nicht reichen. Und weil ich leider ohnehin hoffnungslose Stressraucherin bin.

Zurück im Büro überlege ich mir, wie lange ich das wohl noch aushalten werde. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich diesen Job überhaupt angenommen habe. Warum habe ich nicht einfach auf mich selbst gehört? Ich weiß doch eigentlich ganz genau, was ich will und was nicht! Aber ich wusste nicht, dass ich mich auf Kosten meines Lebensglücks und meiner persönlichen Freiheit kaufen lassen würde. Ich Medienflittchen, ich. Und jetzt auch noch ein armseliger Bürozombie. Geistig und körperlich.

Gerade ist es mal wieder mein Rücken, der wie verrückt schmerzt; die ewige Sitzerei tut mir nicht gut. Da hilft auch nicht der schweineteure Hightech-Bürostuhl, der mir vor ein paar Tagen ins Büro geschoben wurde. Die Verspannungen haben seelischen Ursprung, da würden auch keine verschriebenen Massagen helfen.

Was mir helfen würde, wäre eine fristlose Kündigung. Bei dem Gedanken fühle ich mich gleich viel frischer. Aber ich habe gerade eben keine andere Wahl. Ich muss ja von irgendwas leben. Und das, was ich wirklich will, ist für mich halt noch unerreichbar: Ich will endlich all die Bücher schreiben, die ich schon immer schreiben wollte. Abenteuerliches, Lustiges und Romantisches. Und ja, ich möchte davon leben können. Bestenfalls irgendwo auf dem Land oder noch besser in den Bergen. Dumm nur, wenn einem für die Schreiberei ausschließlich die Wochenenden zur Verfügung stehen. Dann dauert so ein Projekt schnell mal ein paar Jahre.

Wie mein erstes Drehbuch, an dessen Geschichte ich nun schon seit drei Jahren feile. Ich würde alles dafür geben, Vollzeit daran arbeiten zu können. Stattdessen betreue ich anderer Leute Drehbücher, von der Entwicklung bis zur Produktion. Mal bessere, mal schlechtere – und mal so richtig beschissene. Aber sie machen mich alle gleichermaßen rasend, weil sie mich alle von meiner eigenen Schreiberei abhalten.

Ein paar Wochen nach meinem Arbeitsbeginn kann ich meine Situation nun schon differenzierter einschätzen. Anfahrtsweg: scheiße. Bürosituation: scheiße. Kollegen: verdammt viele Bürozombies. Arbeitssituation: total beschissen.

Mir ist langweilig. Ich habe kein Burn-out, ich habe ein fieses Bore-out und das Gefühl, meine Zeit nur abzusitzen. Es gibt in der produktionsfreien Phase wenig bis nichts zu tun, das war ich bisher nicht gewohnt. Und ich wusste nicht, wie verdammt zäh und lang ein Arbeitstag werden kann, wenn man morgens um zehn schon alles abgearbeitet hat. Wenn man händeringend auf Aufgaben wartet, die nicht kommen. Ich kann von Glück reden, wenn ich die ein oder andere Reisekostenabrechnung oder Kopierarbeit zu machen habe. Und das, obwohl auch die mich rasend machen.

Vor ein paar Tagen habe ich für mich mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angefangen. Ich werte Studien deutscher Filmförderanstalten aus und fasse sie für mich beziehungsweise für meine Abteilung zusammen. Dann beschäftige ich mich mit filmwissenschaftlichen Theorien zum Thema Kinoerfolg. Interessant, aber zu theoretisch, um meinen Chef damit zu belästigen.

Warum ich nicht einfach die toten Bürozeiten nutze, um meine privaten E-Mails zu checken und im Internet zu surfen? Klar ist das nicht erlaubt und klar machen das alle. Ich würde es selbstverständlich auch tun, geht aber nicht, mein Monitor ist für absolut alle Kollegen einsehbar. Jeder, der auch nur an meinem Büro vorbeiläuft, hat volle Einsicht in das, was ich gerade am Rechner mache. Für den Fall, dass ich es noch nicht erwähnt habe: was für ein beschissener Scheiß-Arbeitsplatz! Und umstellen lassen sich die Büromöbel auch nicht. Die Türen zu schließen ist ebenfalls nicht zu empfehlen. Erstens, weil alle Kollegen ihre Türen offen haben. Zweitens, weil die Kollegen, die sie geschlossen halten, für Freaks gehalten und auch entsprechend behandelt werden. Und drittens, weil selbst dann, wenn ich die Türe geschlossen habe (ich bin gerne Freak), diese ungefähr sekündlich von Kollegen und Chefs aufgerissen wird und ich jedes Mal einen halben Herzinfarkt bekomme. Schicksal eines Durchgangsbüros.

Ich könnte ausrasten, dass ich nicht eine einzige Stunde für mich habe! Abgesehen von meiner Mittagspause natürlich, die kann ich alleine genießen und sie ist das Highlight eines jeden Tages. Dafür setze ich mich ins Auto und fahre in den nahegelegenen Englischen Garten, in den hintersten Winkel, wo es ruhig ist, wo sich keine Menschenmassen durchwälzen. Gerade denke ich an meine beiden Hunde, die jetzt wahrscheinlich im Garten unter einem schattigen Baum liegen und so tun, als würden sie das Gelände bewachen. Was für ein Hundeleben. Ich beneide die beiden, denen die Natur den ganzen Tag lang vergönnt ist. Ich hingegen habe nur diese knappe Dreiviertelstunde Mittagspause. Aber die nutze ich dafür richtig!

Heute ist ein brüllheißer Sommertag. Auf der Leopoldstraße flimmert die Hitze, die Innenstadt glüht, die Passanten sehen noch gestresster aus als sonst und vor dem Eiscafé an der Münchner Freiheit stapeln sich die Leute. Ich fliehe in den Englischen Garten, dort ist die Hitze gut auszuhalten.

Ich bin gerade an dem kleinen Bach angekommen, der durch den hinteren Teil des Parks führt. Dort schlüpfe ich aus meinen Sandaletten, kremple meine Jeans hoch und wate durch das kühle Wasser. Ich genieße das Vogelgezwitscher und die Sonne auf meinem Gesicht. Es gelingt mir, für einen Moment zu verdrängen, dass ich gleich wieder zurück ins Büro muss. Eigenartig, wie kurz eine halbe Stunde in Freiheit und wie lang die gleiche halbe Stunde hinter Arbeitsmauern ist.

Auf dem Rückweg höre ich im Auto wie immer laut Musik, heute mal wieder Lenny Kravitz. Irgendwas mit Where are we runnin und Keep on working 'til we're dead. Recht hast du, Lenny, nur dass dich dieses Los nicht ereilt. Du hast die Kohle, dein Leben frei zu gestalten, also heul nicht rum.

Ich nehme die Einfahrt in die Tiefgarage und hoffe, dass die restlichen fünf Stunden bis zum Feierabend schnell vergehen.

Aber diese Hoffnung ist genauso sinnlos wie die Hoffnung, im Filmbiz mehr Menschen mit Herz und Humor zu treffen, als solche, die über ihre Karrieregeilheit den Spaß am Leben verloren haben. Und ihre Manieren. So gibt es erstaunlich viele Kollegen, die nicht einmal auf ein »Guten Morgen!« reagieren, also im Sinne von überhaupt nicht reagieren. Und wenn doch, dann werfen sie einem mitleidig-abfällige Blicke zu. Das sind dann auch die Kollegen, die interne Telefonate und E-Mails unfreundlich beginnen und grußlos beenden. Ein Problem fast ausschließlich auf Assistenzebene, warum auch immer. Nach oben wird gebuckelt und nach unten getreten.

Diese vergiftete Atmosphäre nimmt mir die Luft zum Atmen. Da ändern auch die vielen netten Kollegen nichts dran, mit denen die Zusammenarbeit ein Vergnügen ist – soweit für mich Büroarbeit überhaupt ein Vergnügen sein kann. Und es sind wirklich viele, mit denen es richtig lustig ist. So stürmte vor ein paar Wochen eine nette blonde Kollegin aus einer anderen Abteilung mein Büro, packte kommentarlos meine Hand und zerrte mich mit sich, den Gang entlang, ins Treppenhaus, hoch ins obere Stockwerk, dann die kleine Wendeltreppe hoch und auf die Dachterrasse. Die letzten Meter hält sie sich den Mund zu, als könne sie es nicht abwarten, endlich laut zu schreien. Ich weiß, was kommt, muss grinsen und halte dann auch meinen Mund zu. Wir lassen die schwere Terrassentüre hinter uns zufallen, sind mit zwei Schritten am Geländer und brüllen in der nächsten Sekunde los. Wir lassen alles raus, unser kurzer Urschrei mit all unserem Frust schallt über Schwabing. Und dann lachen wir uns schlapp. Gott tut das gut! Und auch schön, dass ich nicht die einzige Durchgeknallte bin. Wir umarmen uns, bestätigen uns gegenseitig wie cool wir sind und raffen uns wieder auf in unsere Büros.

Vor ein paar Wochen teilte mir diese süße Kollegin mit, dass sie gekündigt hat. Und ich stelle mir mittlerweile fast täglich die Frage, wie lange ich das noch aushalte, wann ich wohl kündigen werde.

Mir reicht's, ich kündige! Job und Wohnung!

Sommer 2007

Ich habe lange ausgehalten, aber jetzt kann ich nicht mehr. Ich mache immer mehr Minusstunden, weil ich mich oft nicht ins Büro aufraffen kann oder früher verschwinde, als es meine Arbeitszeit erlaubt. Es ist kurz vor acht und ich muss eigentlich los, wenn ich es noch bis neun ins Büro schaffen will.

Ich stehe im Badezimmer vor dem Spiegel und denke an den Stau, der mich erwartet. Überhaupt denke ich an alles, was mich erwartet – besser gesagt: nicht erwartet. Und ich grüble darüber nach, wie lange ich wohl noch mit diesem kreisrunden Ausschlag um meinen Mund rumlaufen werde. Ich habe ihn zwar überschminkt, weiß aber, dass er da ist. Der Arzt faselte was von einer perioralen Dermatitis, ich nenne das eine stressbedingte Hackfresse. Wäre ich glücklich, heiter und gelassen, dann würde ich jetzt nicht so aussehen.

Ich schau vom Spiegel weg ins Waschbecken und stütze mich mit beiden Händen darauf ab. Ich kann nicht mehr. Und ich kann und will heute nicht ins Büro! Den Tag stehe ich nicht durch. Ja. Ich mach heute blau. Ich MUSS blaumachen! Auch zum Schutze meiner Kollegen, da ich heute stark amoklaufgefährdet bin.

Ich rufe eine Freundin an und überrede sie, ebenfalls blauzumachen. Ich weiß. Macht man eigentlich nicht. Aber sie ist erstaunlich schnell mit dabei, wir sind uns nach zehn Sekunden einig.

Eine Stunde später befinden wir uns auf der Autobahn Richtung Garmisch. Ich hole aus meinem Twingo alles raus: bergab und mit Rückenwind 185 km/h. Party im Auto, diesmal mit Christina Aguileras Candyman. Wir haben Bock auf die Berge und freuen uns diebisch, einmal aus unserem Bürozombie-Dasein auszubrechen. Ein Sommertag in Freiheit! Ja! Das haben wir uns verdient! Und nein! Ein schlechtes Gewissen müssen wir nicht haben. – Reden wir uns zumindest ein.

In Garmisch angekommen halten wir nicht an, wir fahren weiter. Durch das malerische Grainau durch und hoch Richtung Zugspitze bis zum Eibsee. Bis zu Deutschlands wahrscheinlich höchst gelegenstem Badesee. Für mich der schönste See auf der ganzen Welt. Türkisgrün, kristallklar und lagunenähnlich, mit kleinen Inseln und einem atemberaubenden Blick auf die Zugspitze.

Ich kenne den Eibsee schon seit Kinderzeiten. Ich habe hier zusammen mit meinen Geschwistern und Eltern unzählige glückliche Tage verbracht. Zu jeder Jahreszeit. Im Winter schlitterten wir auf dem gefrorenen See herum, im Sommer überquerten wir ihn mit einem Kajak und einem Schlauchboot, um eine der kleinen Inseln für uns zu beanspruchen. Seitdem weiß ich, wie sich Freiheit anfühlt; hier am Eibsee kann ich sie sogar hören und riechen; sie durchströmt mich, noch bevor ich aus dem Auto aussteige.

Wir packen unsere Rucksäcke und die beiden Hundeleinen, an deren anderen Enden meine Hunde hängen. Ronja, mein dreibeiniger kluger Colliemix, und Bubi, die dumme aber nette Riesendogge. Dann marschieren wir los, den Seeweg entlang, und nach etwa einer halben Stunde haben wir fernab des Weges unseren Badeplatz gefunden. Ein paradiesisches Fleckchen bayerischer Erde. Eine kleine uneinsehbare Bucht mit weichem Kieselstrand. Mit ohne Menschen.

Wir legen unsere Handtücher aus und unsere Klamotten ab. Dann stoßen wir mit einer Flasche eiskaltem Radler aufs Blaumachen an. Ich nehme einen Schluck, stelle die Flasche zwischen zwei größere Steine und lege mich zurück.

Ich schließe die Augen und höre meine Freundin, wie sie meinen Hunden Unsinn erzählt. Sie würden gleich Planschi-Planschi machen, und ob sie denn gute Seehunde wären und anderen Schmarrn. Ich muss grinsen, aber dann blende ich ihr freundliches Gebrabbel langsam aus und genieße den Moment.

Ich weiß nicht, wie lange dieser Moment gedauert hat. Ich weiß nur, dass er mir ewig schien, obwohl es nur ein paar Minuten gewesen sein können. Und danach ist alles anders.

Ich setze mich auf und mir ist klar, dass ich meinen Job kündigen muss. Und kündigen werde. Und zwar jetzt. Ja. Ich will und muss es jetzt tun. Meine Freundin planscht noch mit den Hunden im Wasser, ein schönes Geräusch, klingt nach Urlaub. Ich hole mein Handy aus dem Rucksack und tippe ohne nachzudenken: Lieber Chef ich kündige. Die förmliche Kündigung folgt in den nächsten Tagen. Ich bitte um Verständnis für meine Entscheidung und grüße Sie herzlich. Noch während meine Freundin fragt, wem ich da was schreibe, drücke ich auf Senden.

Mitteilung gesendet.

Ich schreie einen langen lauten Glücksschrei. Meine Freundin zuckt zusammen und schaut mich kariert an. Dann platzt es aus mir raus und ich juble los: »Jaaaaa! Gekündigt! Ich hab grad gekündigt! Aahaa-haaa, ich hab gekündigt, ich hab's echt getan! Jahahaaa …!« Dann fange ich an zu singen »Iiich hab ge-küüündigt, iiich hab ge-küüündigt!«

Ich renne zum Ufer und stürze mich mit einem Hechtsprung in die kalten Fluten. Unterwasser wird mein Kopf dank der Eiseskälte des Bergsees noch einmal klarer. Ich tauche auf und schwöre beim majestätischen Anblick der Zugspitze, mich nie, nie wieder in einem Büro versklaven zu lassen! Lieber würde ich putzen oder Taxi fahren gehen und das meine ich genau wie ich es sage, das meine ich vollkommen ernst.

Zurück zu Hause setze ich mich an den Computer und tippe die Kündigung – mit einem kranken Vergnügen und einem Gefühl tiefster Befriedigung. Die Kündigung wird zwei verdammte Seiten lang. Ich schreibe mir alles von der Seele und habe einen Mordsvergnügen dabei.

***

Was ich meinem Chef soeben überreicht habe, ist nicht das zweiseitige Pamphlet, sondern sein unmutiges Pendant, der feigförmliche Kündigungs-Dreizeiler. Und ich frage ihn auch gleich, ob ich für heute das Büro verlassen kann. Er lässt mich gehen.

Meine Hunde sind überrascht, dass ich so ungewohnt früh eintreffe. Ich feuere meine High Heels von mir, schmeiße mich in meine zerfetzte Jeans und mein Freedom-or-death-T-shirt, dann gehe ich barfuß mit meinen Hunden los, quer durch den Wald und dorthin, wo ich noch nie jemanden getroffen habe. Es ist eine kleine sonnendurchflutete Lichtung in einem Mischwäldchen. Auch die Hunde kennen diesen Platz. Sie wissen, dass wir hier jetzt eine Weile verbringen werden.

Ich setze mich auf die warme Wiese, Ronja und Bubi legen sich sogleich neben mich. Ich sehe meine Hundlinge an und habe plötzlich ein schlechtes Gewissen. Ich habe Verantwortung für die beiden, muss ja schließlich ihr Hundefutter verdienen und will ihnen ein schönes Hundeleben bieten. Die armen Flauschies haben noch keine Ahnung, was ihnen blüht. Und ich auch nicht.

Himmel … Für einen Moment wird mir ganz elend und kalt. So etwas habe ich doch noch nie gemacht? Ich bin doch sonst auch eher der sicherheitsliebende Typ! Und jetzt habe ich gekündigt und alles hingeschmissen, so ganz ohne Plan B. Ich gratuliere mir zu meiner eigenen Dummheit, muss dabei aber schon wieder grinsen. Weil … irgendwie spüre ich, dass dieser Weg trotzdem der richtige Weg für mich ist. Keine Ahnung, wie er dann genau aussieht. Verdammt steinig wahrscheinlich, aber das nehme ich für meine Freiheit in Kauf. Ich sollte also nicht an meiner Entscheidung zweifeln …

… tu ich aber:

Es ist kurz nach Mitternacht und ich kann vor Sorgen nicht schlafen. Ich wälze mich nervös hin und her und grüble. Es ist doch wahnwitzig, einen Job wie diesen aufzugeben! Unbefristet und mit einem fetten Gehalt. Und was ist mit dem Kredit, den ich monatlich bedienen muss? Und wo ziehe ich hin? Klar, dass ich mir mein kleines Mietshäuschen in München dann nicht mehr leisten kann. Bekomme ich schnell genug einen neuen Job? Und was für einen überhaupt? Und vor allem: wo? Und wie überbrücke ich die drei Monate, in denen ich kein Arbeitslosengeld bekomme, weil ich blöde Kuh selber gekündigt habe?

Ich versuche mich zu beruhigen: Alles ist besser, als dieses Leben, in dem ich nur noch herumschleiche wie ein Zombie – alles! Und durch die Kündigung habe ich schließlich überhaupt erst die Chance, in meinem Leben etwas zu verändern. Und verdammt noch mal … jetzt wird es wenigstens auch mal richtig spannend! Ich weiß nicht, was auf mich wartet und das ist mal ein ganz neues, irres Gefühl. Es fühlt sich an, als würde da draußen endlich ein Leben auf mich warten, zumindest die Hoffnung darauf. Es ist meine vermessene Hoffnung, den Sinn des Lebens und die Lebensfreude wiederzufinden. Und ich weiß, wie sich beides anfühlt, deswegen will ich es wiederhaben. Und deswegen werde ich darum kämpfen! Ich werde das hinbekommen!

Wieder muss ich grinsen. Ich komme mir gerade vor wie Scarlet O'Hara in Vom Winde verweht. Wie in der Szene, in der sie vor ihrem abgebrannten Familiensitz steht, auf die Ruinen und den kriegsroten Hintergrund blickt und dabei schwört: Ich werde das überstehen! Und wenn alles vorbei ist, dann werde ich nie wieder hungrig sein! Und wenn ich stehlen oder lügen müsste! Bei mir müsste es dann heißen: Ich werde das überstehen! Und wenn alles vorbei ist, dann werde ich nie wieder eingesperrt sein! Und wenn ich putzen oder Taxi fahren müsste!

Ich glaube, ich bin grinsend eingeschlafen.

Und wie finanziere ich meine Stadtflucht?

Oktober 2007

Wochenlang habe ich mir den Kopf zermartert, wie ich diesen Wahnsinn finanzieren könnte. Die genaue Aufgabenstellung lautete: Finden Sie ein Zuhause auf dem Land und legen Sie dar, wie Sie von dort aus Ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen. Diese Frage hat mich nächtelang wachgehalten und fast wahnsinnig gemacht. Für einen kurzen verzweifelten Moment hatte ich mir sogar überlegt, mich mit einem Imbisswagen oder eBay-Shop selbstständig zu machen. Und das hätte ich auch getan – wenn mir nicht gerade schlagartig klar geworden wäre, dass die Lösung doch eigentlich einfach ist: Ich werde schreiben! Ich werde einen Existenzgründungszuschuss beantragen, aufs Land, besser noch in die Berge ziehen und an meinem Drehbuch arbeiten! Parallel werde ich mir überlegen, was ich nach Ablauf der neunmonatigen Unterstützung durch die Gründungsgelder mache; weil die Wahrscheinlichkeit, dass die Drehbuchhonorare pünktlich nach neun Monaten fließen, keine Wahrscheinlichkeit sondern Utopie ist. Aber Hauptsache, mal mit dem anzufangen, was ich wirklich

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