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DSA 121: Isenborn 2 - Erz: Das Schwarze Auge Roman Nr. 121
DSA 121: Isenborn 2 - Erz: Das Schwarze Auge Roman Nr. 121
DSA 121: Isenborn 2 - Erz: Das Schwarze Auge Roman Nr. 121
Ebook326 pages3 hours

DSA 121: Isenborn 2 - Erz: Das Schwarze Auge Roman Nr. 121

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About this ebook

Glutodem, Tanngrund, Flusswalde: Ein Weiler nach dem anderen fällt unter den Angriffen von Azzgradas Goblinhorden. Für die Überlebenden gibt es nur eine Zuflucht: Isenborn. Doch bald wird auch die Burg belagert. Der Winter hält die Schwarze Sichel in eisernem Griff. Die Vorräte in der Burg werden knapp. Der Magier Cyron, der einen Pakt mit einem Dämon geschlossen hat, leitet die blutdürstigen Rotpelze an. Immer tiefer gerät er in den Pakt hinein, um die Goblins unter Kontrolle zu halten. Die Forderung seiner Herren ist klar: Isenborn muss fallen.
LanguageDeutsch
Release dateJun 21, 2012
ISBN9783868898064
DSA 121: Isenborn 2 - Erz: Das Schwarze Auge Roman Nr. 121

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    Book preview

    DSA 121 - Bernard Craw

    Biografie

    Bernard Craw wurde 1972 in Bramsche geboren. Er ist katholisch, ledig und arbeitet hauptberuflich als Projektleiter in einem internationalen Konzern. Nach einigen Jahren in Münster und Sindelfingen wohnt er seit 2000 in seiner Wahlheimat Köln.

    Craw schreibt vor allem fantastische Literatur. Mit dem Rollenspiel Das Schwarze Auge kam er 1985 in Kontakt, und die geselligen Abende vor Dokumenten der Stärke und Plänen des Schicksals avancierten rasch zur dominierenden Freizeitbeschäftigung. Vor dem Isenborn-Zyklus veröffentlichte er die DSA-Romane Todesstille und Im Schatten der Dornrose.

    Wer sich über Craws literarische Aktivitäten informieren

    möchte, kann dies auf www.bernardcraw.net tun.

    Titel

    Bernard Craw

    Erz

    Isenborn-Zyklus Band 2

    Ein Roman in der Welt von

    Das Schwarze Auge©

    Originalausgabe

    Impressum

    Ulisses Spiele

    Band 11057PDF

    Titelbild: Alan Lathwell

    Aventurienkarte: Ralph Hlawatsch

    Karte von Burg Isenborn: Sabine Weiss

    Lektorat: Werner Fuchs

    Buchgestaltung: Ralf Berszuck

    E-Book-Gestaltung: Michael Mingers

    Copyright ©2012 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems.

    DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE sind eingetragene Marken.

    Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

    Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

    Buch-ISBN 978-3-89064-142-3

    E-Book-ISBN 978-3-86889-806-4

    Hörige

    Tsas Lehren sind wertvoll. Man sollte vieles ausprobieren im Leben, neue Pfade erkunden.

    Doch wenn Eisen auf Stahl schlägt, ist die Zeit gekommen, sich von Tsa abzuwenden. Dann herrscht Rondra, die Leuin. Dann muss jede Ritterin frei von Zögerlichkeit zeigen, auf welcher Seite sie steht.

    Leonida von Rauchwehr, Ritterin

    ***

    Tanngrund, Junkergut Isenborn, Reichsmark Osterfelde, Tobrien.

    15. Tag im Hesindemond, 1021 BF.

    Mucki lief oft weg, obwohl sein Vorderlauf nicht gut verheilt war. Er kam immer zurück, wenn er hungrig wurde. Zu dieser Jahreszeit konnte er hier draußen unter dem Schnee nichts zu fressen finden. Simiale hätte also nur eine oder zwei Stunden warten müssen, spätestens zu Mittag wäre er wieder beim Haus gewesen. Aber ihre Eltern hatten ihr eingeschärft, dass sie für den Rotpüschel verantwortlich war. Simiale glaubte nicht, dass Mucki in eine der Felsspalten fiele, von denen es in der Nähe des Dorfes einige gab, dafür war er zu ängstlich. Die Greifvögel waren aber eine Gefahr. Im Winter hatten auch sie Hunger, und Muckis rotes Fell war im Schnee leicht auszumachen.

    Der Schnee hatte andererseits den Vorteil, dass Simiale Muckis Spuren gut erkennen konnte. Er hatte sich unter dem Zaun hindurchgegraben und war dann nach Osten gehoppelt, wo die Sonne jetzt schon über die niedrigen Berge lugte. Eigentlich sollte Simiale nicht allein in den Wald gehen, aber wenn sie sich beeilte, würde Mutter nicht einmal merken, dass sie weg war. Außerdem hatte Marwin ihr verraten, dass es gar keinen Werwolf im Wald gab, wie die Erwachsenen sagten. Das sei nur eine Geschichte, um den Kindern Angst zu machen, meinte Marwin. Simiale hatte mit ihm gestritten und am Ende sogar geweint, weil sie nicht glauben wollte, dass die Erwachsenen sie anlogen. Das war so gemein!

    Marwin hatte sie daran erinnert, dass Onkel Brenn behauptete, der Werwolf habe silbernes Fell und die gleiche Schulterhöhe wie ein erwachsener Mensch, während er in Tante Welhildes Geschichten wie ein Mann aussah, der am ganzen Körper behaart war und dem nur bei Vollmond lange Reißzähne wuchsen. Beides konnte nicht stimmen, wenigstens einer von beiden musste also lügen. Vielleicht hatte Marwin auch recht und beide logen, und es gab gar keinen Werwolf im Wald.

    Jedenfalls stimmten alle Geschichten darin überein, dass Werwölfe nur nachts durch ihr Revier streiften und nach schmackhaften Menschenkindern suchten. Zudem war Vollmond schon lange vorbei, bald wäre wieder Neumond.

    Simiale beschloss also, heute nicht an den Werwolf im Wald zu glauben, sodass sie Mucki folgen konnte, ohne sich in Gefahr zu begeben. Wenn sie den Rotpüschel erst gefunden hätte, würde sie mit ihm auf den Armen schnurstracks wieder nach Hause laufen. Dazu bräuchte sie nur ihren eigenen Spuren zu folgen.

    An den Abdrücken im Schnee sah Simiale genau, dass Mucki die rechte Vorderpfote noch immer wehtat. Er legte selten sein volles Gewicht darauf. Meist gab es zwei lange, tiefe Löcher für seine kräftigen Hinterfüße und ein deutlich eingedrücktes für die linke Vorderpfote, während das für die rechte manchmal fehlte und sonst nicht ganz bis zum Boden reichte. An einer Stelle hatte Mucki im Schnee gescharrt. Vielleicht war er schon hungrig. Simiale war froh, eine Rübe eingesteckt zu haben, sodass sie diesem Problem sofort würde abhelfen können, wenn sie ihn fände. Hier war er jedenfalls leer ausgegangen, an dieser Stelle gab es kein Gras unter dem Schnee, nur schwarzen Schiefer.

    In unmittelbarer Nähe von Tanngrund standen viele niedrige, dünne Bäume, aber keine hohen. Simiales Vater hatte sie vor ein paar Wochen mitgenommen, als die Holzarbeiter Bäume zum Fällen markiert hatten. Ritterin Ronada vom Wolkenstein hatte sie begleitet, die Verwalterin von Tanngrund. Sie bestimmte, welche Bäume gefällt werden durften. Manche waren den Druiden heilig, die man nicht erzürnen wollte. Andere waren wichtig für die Verteidigung von Tanngrund, auch wenn Simiale nicht verstand, wieso. Dann gab es noch solche, die mit ihren Wurzeln die Erde festhielten, sodass sie im Frühjahr nicht vom Schmelzwasser weggespült wurde. Und bei einigen hatte Vater erklärt, dass man sie noch wachsen lassen wollte, bis sie größer und schöner wurden. Das dauerte aber lange. Simiale würde sie fällen, wenn Vater und Mutter alt wären. Simiale lächelte bei dem Gedanken, dass sie einmal stark genug sein würde, um eine große Axt zu schwingen. Derzeit konnte sie sie gerade einmal hochheben, wenn sie die Luft anhielt und sich anstrengte. Aber sie war ja auch erst sechseinhalb. Vater hatte ihr versprochen, dass sie noch viel stärker werden würde. Vielleicht würde sie einmal so stark wie Mama. Die war die Schmiedin von Tanngrund und konnte ihren schweren Hammer mit einer Hand schwingen.

    Während das Mädchen Muckis Spur folgte, die noch immer grob nach Osten führte, dachte es bei sich, dass es zwar heute nicht an den Werwolf glauben wollte, aber trotzdem ganz normale Wölfe durch den Wald streiften. Simiale hörte ihnen gern zu, wenn sie nachts den Mond anheulten, was sie natürlich vor allem dann taten, wenn er schön voll und rund am Himmel stand. Dieser Wolfsgesang trug sie zu besonders schönen Träumen, in denen die Klänge Mucki und sie zu den Wolken hinaufschweben ließen, wo sie von einem dieser federweichen Gebilde zum nächsten hüpften und an den Sternen klingelten.

    Im echten Leben fraßen Wölfe aber gern Rotpüschel. Simiale lief schneller, als sie sich vorstellte, dass Mucki von einer Meute gehetzt wurde, bis sie ihn umstellten und ihm wehtaten. Falls das wirklich geschähe, würde sie ihn aus der Gewalt der Wölfe befreien müssen. Sie las einen Schieferstein auf, der so groß war, dass sie ihn gerade noch greifen konnte, ohne dass er aus der Hand rutschte. Leider konnte sie ihn nicht fest umfassen, weil ihre Finger in Wollfäustlingen staken. So ein harter Stein konnte schmerzhaft sein, wie Simiale aus eigener, leidvoller Erfahrung mit wundgeschürften Knien wusste. Sie dachte auch an die Waffenübungen, die Ritterin Ronada vor allem im Rondramond mit den Dörflern abhielt. Die Erwachsenen konnten sicher gut gegen Wölfe kämpfen, und ein Spieß war eine bessere Waffe als ein Stein. Aber sie hatte keinen Spieß, und die Äste, die hier auf dem Boden lagen, waren zu krumm und außerdem zu sehr vom Schnee aufgeweicht. Wenn sie stärker gewesen wäre, hätte sie einen, der besser geeignet war, von einem Baum abbrechen können, aber so blieb ihr nur der Stein.

    Sie hörte Axtschläge. Die Waldarbeiter waren wohl in der Nähe. Sie waren bei Sonnenaufgang losgezogen. Jetzt war die beste Zeit, um Holz zu schlagen. Die weiße Sorte, aus der man so schöne Möbel zimmern konnte, war besonders gut, wenn Schnee lag. Außerdem brauchte man die Kälte, um die Stämme heil nach unten zu schaffen. Tanngrund war das am höchsten in den Bergen gelegene Dorf. ›Wir haben hier die beste Luft von ganz Isenborn, und dem Herrn Praios sind wir auch am nächsten‹, hatte Mama ihr lächelnd erklärt. Dabei hatte sie eigentlich den Herrn Ingerimm viel lieber als den Herrn Praios, aber natürlich war es schön, der Sonne so nah zu sein. Simiale freute sich schon auf den nächsten Sommer, wenn die Strahlen wieder auf der Nase kitzeln würden.

    Jetzt war aber erst einmal Winter, und da schlug man das Holz, weil man die Stämme auf dem Schnee und dem Eis hinunterbringen konnte. Dabei hatte Simiale letztes Jahr mitgemacht. In Glutodem gab es natürlich keinen Schnee, da war der Boden ja immer warm. Dort konnte man die Stämme aber auf Karren verladen, die sie bis nach Flusswalde brachten, und dann warf man sie einfach in den Ferrom, band sie zusammen und flößte sie flussabwärts. Das hatte Simiale aber noch nicht erlebt, Vater und sie waren wieder umgekehrt. Das war Simiale ganz recht gewesen, das Essen auf der Reise hatte viel schlechter geschmeckt als das zu Hause. Vater hatte ihr erklärt, dass alles viel schneller gegangen wäre, wenn die Bäche hier oben groß genug gewesen wären, um die Stämme in ihnen zu flößen. Aber das ging nicht. Die breiten Gebirgsbäche hatten zu viele Stromschnellen, die hätten die Stämme splittern lassen. Deswegen ging es nur mit Schnee und Eis. Also musste man am Anfang und am Ende des Winters arbeiten. Mitten im Winter, im Firun, wurde es zu kalt. Schon jetzt trug Simiale zwei dicke Pullover und einen Umhang aus schwerer Wolle.

    Simiale hoffte, dass Mucki nicht zu den Waldarbeitern rannte. Ihr Vater würde bestimmt mit ihr schimpfen, wenn er herausfände, dass sie allein durch den Wald lief. Was sollte sie tun, wenn Muckis Spur auf eine Lichtung führte, auf der die Dörfler mit dem Entasten der Stämme beschäftigt wären? Sie könnte sich natürlich hinter einem Busch verstecken, obwohl die Sträucher, ihrer Blätter beraubt, kaum als Deckung taugten. Bei den Kindern des Dorfes waren deswegen, wenn es um das Versteckspiel ging, im Winter andere Winkel beliebt als im Sommer. Trotzdem traute sich Simiale zu, sich gut genug verbergen zu können, damit die Erwachsenen sie nicht erspähten. Erwachsene konnten schlechter suchen als Kinder. Die Frage war aber, ob ihr das etwas nützte. Schließlich wollte sie Mucki zurückholen. Wenn er also bei den Waldarbeitern wäre, müsste sie wohl auch dorthin. Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, was geschähe, wenn die Holzfäller Hunger hätten und ihr Mittagsmahl mit einem Rotpüschel aufbessern wollten. Eigentlich war das auch eine unberechtigte Sorge, denn Simiales Vater kannte Mucki natürlich und würde niemals zulassen, dass ihrem langohrigen Spielgefährten etwas Schlimmes geschähe.

    Muckis Fährte kreuzte eine andere Spur. Simiale sah sofort, dass diese Abdrücke älter waren als Muckis, denn in ihnen lag schon wieder etwas Schnee. Sie stammten nicht von Tieren, aber nach den Stiefeln der Waldarbeiter sahen sie auch nicht aus. Simiale hockte sich hin, um sie genauer zu betrachten. Hier waren eine Menge Leute gegangen, von Nordwesten nach Südosten. Die Umrisse waren größer als die, die Simiales Füße hinterließen, aber ungewöhnlich klein für Erwachsene.

    Jedenfalls wären sie das gewesen, wenn sie von Menschen verursacht worden wären, doch an einem dornigen Zweig entdeckte Simiale eine Haarsträhne. Nein, nicht Haar. Schmutzverkrustetes Fell. Sie zauste es auseinander und hielt es in die Sonne. Es war etwas dunkler als Muckis Winterpelz, schimmerte rotbraun.

    »Goblins«, flüsterte Simiale. Ihr wurde mulmig zumute. Zwar verstieß sie schon gegen Mutters Verbot, indem sie allein durch den Wald lief, aber im Gegensatz zu dem Werwolf waren die Goblins etwas, an dessen Existenz man nicht zweifeln konnte. Simiale hatte oft welche gesehen, wenn sie in kleinen Gruppen nach Tanngrund gekommen waren, um zu tauschen. Sie fand sie unheimlich mit ihren äffischen Gesichtern und den dreifach geschlitzten Ohrläppchen. Die meisten von ihnen trugen Kleidung, die ihnen nicht richtig passte, sie kreischten und spuckten, ohne dass man verstand, warum sie das taten. Viele konnten auch nicht richtig sprechen. Wenn sie sich miteinander unterhielten, klang es so, als hätte jemand etwas im Hals und versuche, es herauszuhusten. Vor allem waren sie immer bewaffnet. Ihre Klingen waren schartig und rostig. Manche hatten auch nur Holzspieße. Jedenfalls bestritt noch nicht einmal Marwin, dass man sich von ihnen fernhalten musste, wenn man ein Kind war. Das galt natürlich umso mehr, wenn man ein Kind war, das allein durch den Wald wanderte.

    Nachdenklich kaute Simiale auf ihrer Unterlippe. Wenn sie das mit den Goblins erführe, würde Mutter sehr böse werden. Für den Ausflug in den Wald wäre Simiale nur ausgeschimpft worden, aber für die Goblin-Sache würde Mutter ihr wenigstens einen Tag verbieten, mit den anderen Kindern zu spielen. Dabei wollten sie heute Nachmittag Schneefiguren bauen! Marwin behauptete, er könne einen Wolf machen. Simiale glaubte das nicht, aber sie wollte dabei sein, wenn er es versuchte.

    Andererseits war da immer noch Mucki. Simiale spürte die Rübe unter ihrem Pullover und rief sich ins Gedächtnis, dass ihr Rotpüschel bestimmt schon sehr hungrig wäre. Außerdem war die Gefahr für ihn noch gestiegen, wenn es Goblins in der Gegend gab. Goblins waren eigentlich immer hungrig, vor allem im Winter. Sie aßen gern Rotpüschel, wenn sie welche kriegen konnten, und Mucki war so zutraulich, dass er selten Reißaus nahm.

    Simiale erinnerte sich an etwas anderes, was Mutter einmal gesagt hatte: ›Freunde müssen immer zusammenhalten.‹ Das gab den Ausschlag. Mucki und sie waren Freunde. Nicht so, wie die Kinder des Dorfes untereinander Freunde waren, ein Rotpüschel war ja kein Mensch und konnte nicht reden, aber sie spielten oft zusammen. Wenn Mucki ihr Freund war, musste sie ihm helfen. Das würde auch ihre Mutter bestimmt einsehen.

    Froh, ihr Dilemma gelöst zu haben, setzte Simiale den Weg fort. Wenn sie den Goblins wirklich begegnete, konnte sie laut schreien, dann kämen ihr die Waldarbeiter zur Hilfe. Oder sollte sie doch lieber erst versuchen, allein mit den Rotpelzen klarzukommen? Schließlich wollte sie auch nicht von ihrem Vater erwischt werden, am besten wäre es nach wie vor, wenn sie unbemerkt mit Mucki nach Hause zurückkehren könnte.

    Zum Glück blieb die Spur deutlich. Mucki hatte sich unter einem Busch hindurchgezwängt. So etwas machte er gern. Wenn er ins Haus durfte, kroch er dort auch immer in die engen Winkel. Simiale war klein genug, um ihm zu folgen. Es erwies sich sogar als Glücksfall, dass er diesen Weg eingeschlagen hatte, denn das Gebüsch wurde immer enger, sodass Mucki schließlich selbst nicht weitergekommen war. Der Rotpüschel hockte zwischen den engen Zweigen und zitterte mit der Nase.

    »Da bist du ja!«, rief Simiale. »Komm her!«

    Mucki schien tatsächlich erschöpft. Sein Fell war voller Schnee und die Ohren lagen schlaff auf dem Rücken.

    Allerdings hatte nicht nur er ihre Aufforderung vernommen. »Wer da?«, fragte eine kräftige Stimme.

    Sofort erstarrte Simiale. Mucki dagegen störte sich nicht an dem Ruf. Er hoppelte in ihre ausgestreckten Arme. Sie merkte, dass nicht nur seine Nase zitterte. Er war ganz kalt.

    »Was hast du gehört?« Die Stimme einer Frau.

    Immerhin waren das sicher keine Goblins. Aber Vater hatte ihr auch erklärt, dass es böse Menschen gab, die schlimme Dinge mit Kindern machten. Was das für Sachen waren, hatte er zwar nicht gesagt, aber Simiale glaubte, dass es noch übler war, als wenn Mama ihr verböte, mit den anderen Kindern im Dorf zu spielen. Zu den Holzarbeitern gehörten diese Stimmen bestimmt nicht, die hätte Simiale erkannt. Also waren es Fremde.

    »Hier hat jemand gerufen«, antwortete der Mann.

    »Bist du sicher? Könnte es nicht der Wind gewesen sein? Oder ein Tier im Gebüsch?«

    »Nein, Herrin. Ich bin mir sicher: Da hat jemand gerufen.«

    Simiale hielt den Atem an, als Stiefel in ihr Sichtfeld stapften. Sie wagte nicht aufzuschauen, hörte nur, wie ein Schwert mit metallischem Schleifen aus der Scheide gezogen wurde. Der Mann stand nicht auf der Seite, an der sie unter das Gebüsch gekrochen war, sonst hätte er sofort ihre Spuren gesehen.

    »Nochmals: Wer da? Wer immer du bist, erkläre dich!«

    Ein Pferd schnaubte. In Tanngrund gab es auch ein paar Pferde, sie wurden gebraucht, um die Baumstämme zu ziehen.

    Das Gebüsch war hier wirklich sehr dicht. Anscheinend konnte der Mann sie nicht sehen. Die Stiefel entfernten sich wieder.

    Dafür war ein metallisches Klappern zu hören. »Also gut, wir durchsuchen das Unterholz!« Eiserne Stiefel traten in Simiales Blickfeld.

    Das Mächen war so erstaunt, dass es jetzt doch aufsah. Eiserne Stiefel hatte sie bislang nur an den isenborner Rittern gesehen. Das waren edle Menschen, die kühne Taten vollbrachten und die Hörigen beschützten.

    Tatsächlich stand da eine Ritterin. Simiale wusste sogar, welche es war. Sie erkannte sie am Schild: oben blau, unten weiß und in dem Weiß ein schwarzer Stern. Das war Leonida von Rauchwehr.

    Die Ritterin setzte dazu an, mit ihrem Schwert auszuholen. Dann erkannte sie, dass nur ein Mädchen unter dem Gebüsch hockte, und ließ die Waffe sinken. »Na, wen haben wir denn da?«, fragte sie freundlich. »Warum verkriechst du dich unter dem Busch?«

    »Ich wollte Mucki holen«, erklärte Simiale und drehte sich so, dass die Ritterin den Rotpüschel erkennen konnte, den sie an der Brust barg.

    Leonida lächelte. »Dann komm einmal heraus.«

    Simiale gehorchte, was gar nicht so einfach war, weil der Umhang beim Rückwärtskriechen an den Zweigen hängen blieb und sich über ihren Kopf schob, wogegen sie wenig tun konnte, da sie Mucki nicht loslassen wollte. Er wirkte zwar ganz ruhig, aber das konnte täuschen. Vielleicht hatte er Angst vor den fremden Menschen und liefe weg, wenn sie ihn nicht festhielte.

    Klappernd hockte sich Leonida vor sie. Ihr Begleiter, ein deutlich leichter gerüsteter Mann, hielt die beiden Pferde am Zügel.

    »Kommst du aus Tanngrund?«

    Simiale nickte.

    »Waren die Goblins schon hier?«

    Simiale überlegte. Eigentlich hatte sie nur die Spuren gesehen, aber da sie Fußabdrücke hinterlassen hatten, mussten sie ja hier gewesen sein. Deswegen nickte sie noch einmal.

    Leonida warf ihrem Begleiter einen besorgten Blick zu. »Hat es Kämpfe in Tanngrund gegeben?«

    Von Kämpfen wusste Simiale nichts. Sie schüttelte den Kopf.

    Leonida leckte sich über die Lippen. »Wir sind auf dem Weg zu eurem Dorf, weißt du? Wir haben die Geräusche gehört und glauben, dass sie von den Holzfällern kommen, die hier arbeiten.«

    »Ja, das ist mein Vater mit seinen Freunden.«

    Jetzt lächelte Leonida wieder. »Du hast aber wirklich einen niedlichen Rotpüschel.« Sie kam mit ihrer gepanzerten Hand näher. »Darf ich ihn streicheln?«

    Simiale fand, dass die eisenüberzogenen Finger ziemlich hart aussahen, nicht so, als wolle man sich davon streicheln lassen, aber sie nickte, weil eine Ritterin gefragt hatte. Leonida streichelte Mucki auch gar nicht richtig, sie stupste ihn nur ein bisschen an. Es gefiel ihm trotzdem nicht.

    »Was meinst du, wollen wir zu deinem Vater gehen?«

    »Ich darf eigentlich nicht alleine in den Wald laufen, aber ich habe es trotzdem gemacht, weil ich doch Mucki suchen musste.«

    Die Ritterin stand auf. »Schon gut. Dein Vater wird bestimmt nicht böse sein. Wir gehen jetzt zu ihm und dann schnell nach Tanngrund. Wir haben nicht viel Zeit.«

    Simiale überlegte, warum die Ritterin es wohl eilig hatte. Auch der Mann sah jetzt ganz nett aus. Er versuchte nicht, Mucki zu streicheln. Bestimmt war er ein Waffenknecht, für einen Knappen war er zu alt, obwohl auch er ein Pferd hatte. Unter dem Wappenrock trug er einen dunklen Lederpanzer, auf den Plättchen aus Eisen genäht waren. Von so etwas hielt Mama nichts. Sie hatte mehrmals die Vollrüstung von Ritter Bermar aus Glutodem weiter gemacht. Das war gar nicht einfach, hatte sie erklärt, denn die Gelenke mussten beweglich bleiben. Simiale hatte ihre Augen bei dieser Arbeit leuchten sehen. Mama liebte Eisen.

    Jetzt hätte es wohl keinen Sinn mehr gehabt, schnell nach Hause zu laufen. Leonida würde Vater bestimmt erzählen, dass sie Simiale allein im Wald getroffen hatte. Also fügte sie sich, als die Ritterin ihr ein aufmunterndes »Komm!« zurief. Außerdem war Simiale gespannt, was die beiden hierherführte. Sie sahen müde aus, und auch die Pferde wirkten erschöpft. Der Weg nach Tanngrund war steil und anstrengend.

    Sie ließen sich von den Geräuschen der Äxte leiten und trafen bald auf die Arbeiter. Zu fünft waren diese damit beschäftigt, die Stämme von den Ästen zu befreien und sie anschließend aufzustapeln. Als sie die Ritterin sahen, nahmen sie ihre Hüte ab, grüßten und senkten die Köpfe.

    »Wie viele Goblins sind hier in der Gegend, ihr guten Leute?«, fragte Leonida.

    »Wir haben seit Wochen nur Spuren gesehen, von Angesicht zu Angesicht sind wir schon lange keinem Rotpelz mehr begegnet.« Um Bestätigung heischend blickte Vater die anderen Arbeiter an.

    Leonida beugte sich zu ihr herunter. »Hast du auch nur Spuren gefunden?«

    »Aber wenn Spuren da sind, dann müssen doch auch Goblins da sein!«, verteidigte sich Simiale. Sie schämte sich, weil ihre Stimme kiekste und die Erwachsenen darüber lachten.

    Leonida richtete sich wieder auf. »Es gibt Ärger. Eine Menge. Es ist ernst. Der Freiherr schickt mich, um euch nach Burg Isenborn zu holen.«

    Die Erwachsenen sahen erschrocken aus.

    »Wir haben unser Holz noch nicht zu Tal gebracht«, wandte Vater ein.

    »Glutodem besteht nun aus rauchenden Trümmern«, versetzte Leonida. Sanfter fuhr sie fort: »Die meisten Bewohner konnten wir retten. Aber es ist wirklich gefährlich. Die Goblins sind nicht allein, ich erkläre es euch später. Jetzt müssen wir nach Tanngrund und den Leuten sagen, dass sie alles zusammenpacken müssen, was sie nicht entbehren können.«

    Mit bedauernden Blicken auf die schönen Stämme machten sie sich auf den Weg. Leonida und ihr Waffenknecht führten ihre Pferde am Zügel, obwohl das Gelände hier gar nicht mehr zu steil zum Reiten war.

    Mucki kratzte an Simiales Schulter. Ihr fiel ein, dass sie ihm noch gar nicht die Rübe gegeben hatte. Das holte sie sofort nach. Schließlich war sie für ihn verantwortlich, da musste sie sich auch um ihn kümmern.

    Als sie in Tanngrund ankamen, war Mucki eingeschlafen. Wenn er träumte, machte er immer leise, quietschende Geräusche. Simiale fand das lustig.

    Mama sah allerdings bestürzt aus. »Wo bist du denn gewesen?«, war das Erste, was sie sagte. Dann sah sie Vater und die Ritterin, beugte das Haupt und murmelte: »Herrin.«

    »Schon gut«, sagte Leonida. »Du bist wohl die Mutter. Deiner Tochter ist ja nichts passiert, und dem Rotpüschel auch nicht. Aber, wie ich deinem Gemahl schon sagte: Wir haben ein großes Problem. Ruft die Leute zusammen. Wir müssen das Dorf verlassen.«

    Während die anderen Erwachsenen auseinanderliefen, brachte Mama Simiale ins Haus. Sie musste andere Sachen anziehen, bevor sie Mucki trocken rubbeln durfte. Das gefiel dem Rotpüschel gar nicht, aber zum Ausgleich durfte er im Haus bleiben. Er wurde in den kleinen Raum gesperrt, in dem Mama die halbfertigen Stücke aufbewahrte.

    Dann erklang auch schon die Glocke von Ronadas Haus. Sie gingen nach draußen, wo sich bereits alle um den Brunnen versammelt hatten.

    Die beiden Ritterinnen standen in dem Förderkorb, der sie von Ronadas Haus herunterbrachte. Ein solches Heim gab es nur einmal in Tanngrund. Es stand nicht auf dem Boden, sondern klebte wie ein Schwalbennest in zehn Schritt Höhe an einer Felswand. Simiale wollte es gern einmal von innen sehen.

    Weil es keinen Keller hatte, gingen kleine Stollen in den Fels hinein, wo die Ritterin ihre Vorräte lagern konnte, behauptete Marwin.

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