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Dieses eBook ist nicht seitenkonkordant zur angegebenen Ausgabe, das
Layout wurde jedoch – sofern dies möglich war – beibehalten. Fußnoten
wurden an ihrer im Original angegebenen Stelle eingefügt. Optimiert
für doppelseitige Anzeige. Vielen Dank an DubSchmitz für die Korrek-
tur. – Bernd, Juni
edition suhrkamp
Das Buch von Pierre Bourdieu über das Fernsehen und dessen Wirkungs-
weise war selbst ein Fernsehereignis.
Der Autor hielt zwei Vorlesungen am Collège de France über Struktur und
Wirkung des Fernsehens, die vom Fernsehen ausgestrahlt wurden. In der
ersten Vorlesung stellte er die unsichtbaren Zensurmechanismen heraus, die
auf dem Bildschirm gelten, und deckte damit die Geheimnisse der Kunst-
produkte dieses Mediums auf, ihre Bilder und Formulierungen. In der zwei-
ten Vorlesung erklärte Pierre Bourdieu, in welcher Weise das Fernsehen, das
eine zentrale Stellung innerhalb des Journalismus besetzt, den Charakter
der Diskurse beeinflußt und verändert hat: in der bildenden Kunst, Litera-
tur, Philosophie und Politik, ja selbst in Jurisdiktion und Wissenschaft - und
zwar dadurch, daß auch auf diese Gebiete teilweise die Logik der Einschalt-
quoten übergegriffen und die demagogische Unterwerfung unter die Erfor-
dernisse des kommerziellen Plebiszits stattgefunden hat. Pierre Bourdieu
war Professor am Collège de France. Er verstarb am . Januar . Von
ihm liegen im Suhrkamp Verlag vor: Homo academicus (stw ); Die feinen
Unterschiede (stw ); Rede und Antwort (es ); Die politische Ontologie
Martin Heideggers (es ); Sozialer Raum und »Klassen« (stw ); Sozialer
Sinn (stw ); Soziologische Fragen (es ); Zur Soziologie der symbolischen
Formen (stw ); Praktische Vernunft (es ); Reflexive Anthropologie (zu-
sammen mit Loic J. D. Wacquant).
Pierre Bourdieu
Über das Fernsehen
Aus dem Französischen
von Achim Russer
Suhrkamp
Titel der Originalausgabe:
Sur la télévision.
Das Buch erschien als Band
der von Pierre Bourdieu herausgegebenen Reihe
»Liber - Raison d‘agir«.
Zwei Fernsehvorträge 9
Vorbemerkung 10
Nachwort
Journalismus und Politik 121
Zwei Fernsehvorträge
Vorbemerkung1
Bisher habe ich so getan, als wäre der Urheber all dieser
Prozesse der Journalist. Aber der Journalist ist ein abstrak-
tes, nichtexistentes Gebilde; was existiert, sind Journalisten,
die sich durch ihr Geschlecht, ihr Alter, ihre Bildungsstufe,
ihre Zeitung, ihr »Medium« voneinander unterscheiden.
Die Welt der Journalisten ist eine zerrissene Welt, ein Welt
voller Konflikte, Konkurrenz, Feindseligkeiten. Meine
Analyse ist dennoch zutreffend, denn die Produkte der
Journalisten sind, darauf kommt es mir an, letztlich noch
viel homogener, als man glaubt. Noch hinter den deutlichs-
ten Unterschieden – sie haben vor allem mit der politischen
Couleur der Zeitungen zu tun (die übrigens unleugbar
immer mehr jegliche Couleur vermissen lassen...) – stecken
tiefgreifende Ähnlichkeiten, die hauptsächlich auf die von
den Nachrichtenquellen ausgehenden Beschränkungen
zurückzuführen sind und darüber hinaus auf eine ganze
Reihe von Mechanismen, von denen der wichtigste die
Wettbewerbslogik ist. Das liberale Kredo predigt ständig,
daß das Monopol Uniformität und Konkurrenz Vielfalt
hervorbringt. Ich habe natürlich nichts gegen Konkur-
renz, ich stelle nur fest, daß sie sich auf Journalisten und
Journale, die denselben Zwängen, denselben Umfragen,
denselben Anzeigenkunden ausgeliefert sind, homogeni-
sierend auswirkt (man braucht nur daran zu denken, mit
welcher Leichtigkeit Journalisten von einer Zeitung zur
anderen wechseln). Vergleichen Sie bloß die Titelseiten der
Wochenpresse im Vierzehntagerhythmus: Sie finden fast
überall dieselben Aufmacher. Ebenso unterscheiden sich
die Fernseh- oder Radionachrichten der meistverbreiteten
Programme besten- oder schlimmstenfalls in der Reihen-
folge der Meldungen.
Das liegt zum Teil am kollektiven Charakter der Pro-
duktion. Filme zum Beispiel werden von Kollektiven pro-
duziert, der Vorspann führt die Namen auf. Das Kollektiv
aber, das Fernsehsendungen herstellt, besteht nicht nur aus
den Mitgliedern einer Redaktion; es schließt die Gesamt-
heit der Journalisten ein. Immer wieder hört man die Frage:
»Wer ist eigentlich das Subjekt eines Diskurses?« Nie weiß
man wirklich, ob man das Subjekt dessen ist, was man
sagt... Wir sagen viel weniger Originelles, als wir glauben.
Das gilt ganz besonders in Welten, in denen die kollektiven
Zwänge erheblich sind, und vor allem die von der Konkur-
renz ausgehenden Zwänge, insofern sie jeden Produzenten
zu Dingen veranlaßt, die er unterlassen würde, wenn es die
anderen nicht gäbe; Dinge zum Beispiel, die er tut, um vor
den anderen da zu sein. Niemand liest so viele Zeitungen
wie die Journalisten, die im übrigen zu der Ansicht neigen,
daß jedermann sämtliche Zeitungen läse. (Sie vergessen,
daß viele keine Zeitung lesen, und die anderen eine einzige.
Es kommt nicht oft vor, daß man am selben Tag Le Monde,
Le Figaro und Liberation liest, wenn man nicht gerade vom
Fach ist.) Für Journalisten ist Zeitunglesen unerläßlich und
die Presserundschau ein Arbeitsinstrument: Um zu wissen,
was man sagen wird, muß man wissen, was die anderen
gesagt haben. Dies ist einer der Mechanismen, die Homo-
geneität unter den Produkten erzeugen. Wenn Liberation
auf der ersten Seite über ein Ereignis berichtet, muß Le
Monde nachziehen; gleichzeitig wird sich diese Zeitung ein
wenig absetzen, um Distanz an den Tag zu legen und ihrem
Ruf als niveauvolles, seriöses Blatt gerecht zu werden. Aber
diese kleinen Unterschiede, auf die Journalisten subjektiv so
viel Wert legen, verbergen enorme Ähnlichkeiten. In den
Redaktionskonferenzen verbringt man beträchtlich viel
Zeit damit, von anderen Zeitungen zu sprechen, besonders
von dem, »was sie gemacht haben und wir nicht« (»das
haben wir verschlafen!«) und was man – selbstverständlich
– hätte machen müssen, da die anderen es gemacht haben.
Diese wechselseitige Bespiegelung bringt eine schreck-
liche Abkapselung, eine geistige Einzäunung hervor. Ein
anderes Beispiel dieser gegenseitigen Abhängigkeit, die alle
Interviews mit Journalisten bestätigt haben: Den Ablauf der
Mittagsnachrichten im Fernsehen kann man nur gestalten,
wenn man die Nachrichtensendung vom Vorabend gesehen
und die Morgenpresse gelesen hat; Entsprechendes gilt für
die abendlichen Nachrichtensendungen. Das gehört zu den
stillschweigenden Anforderungen des Berufs. Und zwar
gleichzeitig, um auf dem laufenden zu sein und um sich
abheben zu können, und das oft durch verschwindend klei-
ne Unterschiede, denen die Journalisten eine phantastische
Bedeutung beimessen und die vom Fernsehzuschauer völlig
unbemerkt bleiben. (Ein besonders typischer Effekt dieses
Feldes: Man glaubt, den Wünschen des Kunden am besten
zu entsprechen, bezieht sich aber nur auf die Konkurrenz.)
Journalisten sagen zum Beispiel (ich zitiere): »Wir ha-
ben die Nase vorn gehabt«; sie geben damit zu, daß sie in
Konkurrenz stehen und daß ein gut Teil ihrer Bemühungen
der Produktion winziger Unterschiede gilt. »Wir haben
die Nase vorn gehabt«, das heißt: Wir sind ein Sinndiffe-
rential; »sie haben den O-Ton nicht, wir haben ihn«. Vom
Durchschnittszuschauer absolut nicht wahrnehmbare Dif-
ferenzen – er könnte sie nur wahrnehmen, wenn er gleich-
zeitig mehrere Programme verfolgte -, Differenzen also, die
völlig unbemerkt bleiben, sind von den Produzenten aus
gesehen äußerst wichtig, denn wenn sie wahrgenommen
würden – so stellen sich die Produzenten vor -, trügen sie
zu einer höheren Einschaltquote bei, dem verborgenen Gott
dieses Universums, und der Verlust von einem Prozent bei
der Einschaltquote kann schon der Tod der Sendung sein.
Dies ist nur ein Beispiel für die in meinen Augen falschen
Gleichsetzungen zwischen dem Inhalt von Sendungen und
der unterstellten Wirkung.
Die Entscheidungen, die im Fernsehen getroffen werden,
sind gewissermaßen subjektlos. Zum Beleg dieser vielleicht
ein wenig übertriebenen Behauptung möchte ich nur die
Auswirkungen des kurz erwähnten Effekts zirkulärer
Zirkulation anführen: Die Journalisten, die im übrigen
viele Gemeinsamkeiten aufweisen, solche der beruflichen
Voraussetzungen, aber auch der Herkunft und Ausbildung,
lesen einander, sehen einander, begegnen sich bei Debatten,
bei denen man immer auf dieselben Gesichter trifft, und
all das führt zu einer Geschlossenheit des Milieus und
– scheuen wir uns nicht, es auszusprechen – zu einer Zensur,
die ebenso wirksam ist wie die einer zentralen Bürokratie,
eines förmlichen politischen Eingriffs, ja wirksamer noch,
weil unauffälliger. (Um die Undurchlässigkeit dieses Teu-
felskreises zu ermessen, braucht man bloß den Versuch zu
unternehmen, eine nicht ins Schema passende Nachricht
über Algerien, über den Status von Ausländern in Frank-
reich oder dergleichen einzuschleusen, in der Hoffnung,
sie würde in die Öffentlichkeit gelangen: Pressekonferenz,
Presseerklärung – nichts hilft; Analysen gelten als langwei-
lig und kommen als Meldung nicht in Frage, es sei denn,
sie sind von einer Berühmtheit unterzeichnet, deren Name
Aufsehen erregt. Um den Teufelskreis aufzubrechen, muß
man in ihn einbrechen, was aber nur möglich ist, wenn man
sich dabei mediengerecht verhält; man muß einen »Coup«
landen, der die Medien interessiert, oder wenigstens eines
von ihnen, dessen Meldung die anderen aufgrund des Kon-
kurrenzeffekts möglicherweise aufgreifen.)
Wenn man sich die naiv scheinende Frage stellt, wie die
Leute sich eigentlich informieren, deren Aufgabe darin be-
steht, uns zu informieren, zeigt sich, daß sie, grob gesagt,
von anderen Informanten informiert werden. Natürlich, es
gibt die Presseagenturen, offizielle Quellen (Ministerien,
Polizei usw.), mit denen die Journalisten auf komplexe Wei-
se zusammenarbeiten müssen, usw. Das Entscheidende aber
an der Information, jene Information über die Information
nämlich, die zu entscheiden ermöglicht, was wichtig, was
übermittelnswert ist, kommt zum großen Teil von anderen
Informatoren.
Und das führt zu einer Art Nivellierung, einer Homoge-
nisierung der Wichtigkeitshierarchien. Ich erinnere mich an
ein Interview mit einem Programmdirektor, der sich seiner
Sache völlig sicher war. Ich fragte ihn: »Warum plazieren
Sie das an erster und jenes an zweiter Stelle?« Er antwortete:
»Das versteht sich von selbst.« Und wahrscheinlich saß er
ebendeswegen an der Stelle, wo er saß; weil nämlich seine
Wahrnehmungskategorien genau den objektiven Anforde-
rungen entsprachen. (Während ich ihm zuhörte, mußte
ich an eine Äußerung Godards denken: »Verneuil ist im
Vergleich zu dem Direktor von FR ein Zigeuner. Naja, im
Vergleich.«) Gewiß, in demselben journalistischen Milieu
finden unterschiedliche Journalisten auf unterschiedlichen
Posten seine Selbstverständlichkeiten in ungleichem Maße
selbstverständlich. Die Programmdirektoren, denen die
Einschaltquote zur zweiten Natur geworden ist, haben
ein Gespür für das Selbstverständliche, das der kleine An-
fänger unter den Reportern nicht unbedingt teilt, der auf
seinen emenvorschlag zur Antwort erhält: »Völlig unin-
teressant...« Man darf sich das Milieu nicht als homogen
vorstellen: Es gibt die kleinen, die jungen, die subversiven
Mitarbeiter, die Quertreiber, die verzweifelt darum ringen,
kleine Keile in den enormen homogenen Brei zu treiben,
den der (Teufels-)Kreis der zirkulär zirkulierenden Infor-
mation Leuten aufnötigt, die – nicht zu vergessen – mit-
einander gemein haben, der Einschaltquote unterworfen zu
sein, wobei die Führungskräfte selbst nur die ausübenden
Organe der Einschaltquote sind.
Die Einschaltquote ist ein Meßinstrument, mit dessen
Hilfe die verschiedenen Sender feststellen können, wieviel
Zuschauer sie erreichen (einige Sender verfügen bereits über
die Möglichkeit, alle Viertelstunden ihre Einschaltquote zu
ermitteln, und sogar – diese Verfeinerung wurde kürzlich
erst eingeführt – die Schwankungen nach groben sozialen
Kategorien). Man weiß also sehr genau, was ankommt und
was nicht. Dieses Meßinstrument ist für den Journalisten
das göttliche Gericht: bis hin in die autonomsten Refugien
des Journalismus – in der französischen Presse mögen sich
vielleicht gerade noch der Canard Enchaine, Le Monde diplo-
matique und ein paar kleine, von idealistischen »Träumern«
redigierte Avantgardezeitschriften dem entziehen – steckt
die Einschaltquote jetzt in allen Köpfen. In Redaktions-
stuben, in Verlagshäusern, allerorten regiert heutzutage
die »Einschaltquotenmentalität«. Überall ist Maßstab der
Verkaufserfolg. Vor knapp dreißig Jahren noch, und das seit
der Mitte des . Jahrhunderts, seit Baudelaire, Flaubert
usw., war der unmittelbare Verkaufserfolg bei Avantgar-
deschriftstellern – also bei Schriftstellern, die von Schrift-
stellern gelesen, von Schriftstellern anerkannt wurden,
und ebenso bei Künstlern, die von Künstlern anerkannt
wurden – verdächtig: als Anzeichen dafür, daß jemand sich
mit den Zeitläufen, mit dem Geld usw. arrangiert hatte.
Gegenwärtig dagegen gilt der Markt mehr und mehr als
legitime Legitimationsinstanz. Das zeigt eine andere neue
Einrichtung deutlich: die Bestsellerliste. Noch heute mor-
gen hörte ich einen Radiosprecher den letzten Bestseller
gelehrt kommentieren: »Die Philosophie ist dieses Jahr
aktuell, denn Sophies Welt hat Exemplare erreicht.«
Als unumstößliches Verdikt, als göttliches Urteil zitierte er
Verkaufsziffern. Über die Einschaltquote schlägt die Logik
des Kommerzes auf die Kulturerzeugnisse durch. Man muß
aber wissen, daß historisch gesehen alle Kulturerzeugnisse,
die ich jedenfalls schätze – ich hoffe, ich bin nicht der einzi-
ge – und die auch noch manch anderer zu den höchsten Er-
rungenschaften der Menschheit zählen mag, Mathematik,
Poesie, Literatur, Philosophie -, daß all das gegen das Äqui-
valent der Einschaltquote, gegen die Logik des Kommerzes
entstanden ist. Daß die Einschaltquotenmentalität selbst
bei Avantgardeverlegern Einzug hält, in wissenschaftliche
Institute dringt, die sich jetzt aufs Marketing verlegen, ist
sehr beunruhigend, denn damit geraten die Voraussetzun-
gen für die Herstellung von Werken in Gefahr, die esote-
risch erscheinen mögen, weil sie der Publikumserwartung
nicht entgegenkommen, sich aber, auf Dauer gesehen, ihr
Publikum schaffen.
Um zu verstehen, was bei TF vor sich geht, muß man alle
Faktoren berücksichtigen, die dazu beitragen, daß TF sich
in einem Universum objektiver Beziehungen zwischen den
verschiedenen Fernsehkanälen befindet, die zueinander
in Konkurrenz stehen, in einer Konkurrenz jedoch, deren
Form, von außen nicht erkennbar, durch Kräfteverhält-
nisse definiert ist, die über Indikatoren wie Marktanteile,
Stellenwert bei den Werbekunden, das von angesehenen
Journalisten verkörperte kollektive Kapital usw. erfaßt
werden können. Anders gesagt, es finden zwischen diesen
Anstalten nicht nur Interaktionen statt, man hat es nicht
nur mit Leuten zu tun, die miteinander sprechen (oder
auch nicht), Leuten, die einander beeinflussen, einander
lesen, all das, was ich bisher erzählt habe; es existieren auch
völlig unsichtbare Kräfteverhältnisse, und das hat zur Folge,
daß, wer verstehen will, was bei TF oder Arte vor sich geht,
die Gesamtheit der objektiven Kräfteverhältnisse berück-
sichtigen muß, aus denen die Struktur des Feldes besteht.
Im Feld der Wirtschaftsunternehmen zum Beispiel kann
ein sehr mächtiges Unternehmen den Wirtschaftsraum
fast völlig umgestalten; es kann die Preise so senken, daß
neue Unternehmen nicht Fuß fassen können, und so eine
Art Zugangsbarriere errichten. Solche Auswirkungen sind
nicht unbedingt gewollt. TF hat die Fernsehlandschaft
einfach dadurch verändert, daß dieser Sender eine Menge
spezifischer Faktoren in sich versammelte, die in diesem
Universum Einfluß haben und sich effektiv in Marktanteile
umsetzen. Diese Struktur wird weder von den Fernsehzu-
schauern noch von den Journalisten wahrgenommen. Sie
nehmen die Auswirkungen wahr, sehen aber nicht, wie
weit der relative Stellenwert der Institution, in der sie sich
befinden, sie selbst, ihre Stellung und ihren Stellenwert
innerhalb der Institution bestimmt. Wenn ein Journalist
verstehen will, was er bewirken kann, muß er sich eine Rei-
he von Parametern bewußt machen: einerseits die Position
seines Unternehmens innerhalb des journalistischen Feldes,
ob er also im Fernsehen oder für eine Tageszeitung arbeitet,
zweitens seine eigene Position im Raum seines Presseor-
gans oder seines Senders.
Ein Feld ist ein strukturierter gesellschaftlicher Raum,
ein Kräftefeld – es gibt Herrscher und Beherrschte, es gibt
konstante, ständige Ungleichheitsbeziehungen in diesem
Raum -, und es ist auch eine Arena, in der um Verände-
rung oder Erhaltung dieses Kräftefeldes gekämpft wird. In
diesem Universum bringt jeder die (relative) Kraft, über
die er verfügt und die seine Position im Feld und folglich
seine Strategien bestimmt, in die Konkurrenz mit den
anderen ein. Die wirtschaftliche Konkurrenz der Sender
oder Zeitungen um Leser oder Zuschauer oder, wie es
auch heißt, um Marktanteile spielt sich konkret in Form
einer Konkurrenz zwischen den Journalisten ab, und diese
Konkurrenz hat ihre eigenen, spezifischen Ziele: den Scoop,
die Exklusivmeldung, das berufliche Ansehen, und sie wird
nicht als rein wirtschaftlicher Kampf um finanzielle Ge-
winne erfahren und verarbeitet, obwohl sie den Zwängen
unterliegt, die mit der Position eines Informationsmediums
innerhalb ökonomischer und symbolischer Kräfteverhält-
nisse verbunden sind. Es gibt heute objektive, unsichtbare
Beziehungen zwischen Leuten, die sich vielleicht niemals
begegnen – zwischen Mitarbeitern von Le Monde Diplo-
matique und TF etwa, um einen Extremfall zu wählen
-, aber gezwungen sind, bei dem, was sie tun, bewußt oder
unbewußt Zwänge oder Einflüsse zu berücksichtigen, die
sich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Universum
geltend machen. Anders gesagt, wenn ich heute wissen will,
was dieser oder jener Journalist denken oder schreiben wird,
was er einleuchtend oder undenkbar, selbstverständlich oder
seiner unwürdig findet, muß ich die Position kennen, die er
in diesem Raum innehat, das heißt den spezifischen Stel-
lenwert des Mediums, für das er arbeitet und das sich unter
anderem ökonomisch bemißt, in Marktanteilen, aber auch,
und das ist schwerer zu quantifizieren, in seinem symboli-
schen Stellenwert. (Wenn man alles erfassen wollte, müßte
man im Grunde auch die Position des inländischen Me-
dienfeldes innerhalb des globalen Feldes einbeziehen und
zum Beispiel die auf ökonomisch-technischer und vor allem
symbolischer Ebene dominierende Stellung des amerikani-
schen Fernsehens berücksichtigen, das für viele Journalisten
ein Vorbild und eine Inspirationsquelle darstellt, aus der sie
ihre Einfalle, Szenarios, Verfahren beziehen.)
Die heutige Form dieser Struktur läßt sich besser verste-
hen, wenn man die Geschichte des Prozesses nachzeichnet,
aus der sie hervorging. In den fünfziger Jahren spielte das
Fernsehen im journalistischen Feld kaum eine Rolle; wer
von Journalismus sprach, dachte kaum an das Fernsehen.
Die Fernsehleute waren doppelt untergeordnet: Weil man
sie im Verdacht hatte, von politischen Instanzen gesteuert
zu werden, waren sie in ihrem Prestige kulturell, symbo-
lisch untergeordnet, und sie waren zugleich wirtschaftlich
untergeordnet, insofern sie von staatlichen Subventionen
abhingen und also weniger effizient, weniger mächtig waren.
Mit den Jahren (der Prozeß wäre im Detail zu beschreiben)
kehrte sich diese Beziehung vollständig um; heute tendiert
das Fernsehen dazu, im journalistischen Feld ökonomisch
und symbolisch zu dominieren. Das macht vor allem die
Pressekrise spürbar: Zeitungen verschwinden, andere
kämpfen unablässig ums Überleben, um die Gewinnung
oder Wiedergewinnung ihrer Leserschaft, wobei jedenfalls
in Frankreich diejenigen am meisten bedroht sind, die vor
allem Vermischtes und Sport boten und einem Fernsehen
nicht viel entgegenzusetzen haben, das sich immer mehr
auf diese emen hin orientiert, und zwar in dem Maße,
in dem es vom seriösen Journalismus nicht mehr dominiert
wird (der nämlich an erster Stelle, auf der ersten Seite,
Nachrichten aus dem Ausland, politische Meldungen, ja
sogar politische Analysen bringt oder brachte und die »Ver-
mischten Meldungen« und den Sport auf die angebrachten
Plätze verwies).
Mit dieser Beschreibung breche ich die Dinge übers
Knie; man müßte ins Detail gehen, eine Sozialgeschichte
(es gibt sie leider nicht) der Entwicklung der Beziehungen
zwischen den verschiedenen Nachrichtenmedien anferti-
gen (und nicht nur die Geschichte eines Mediums). Das
Wichtigste wird auf der Ebene der Strukturgeschichte der
Gesamtheit dieses Universums deutlich. Was in einem Feld
zählt, ist der relative Stellenwert: Eine Zeitung kann völ-
lig identisch bleiben, sie braucht keinen einzigen Leser zu
verlieren, sich in nichts zu ändern und kann sich nichtsdes-
toweniger völlig transformieren, weil ihr Stellenwert und
ihre relative Position im Raum sich transformieren. Zum
Beispiel hört eine Zeitung auf zu dominieren, wenn ihre
Macht, den sie umgebenden Raum zu gestalten, sich ab-
schwächt, wenn sie nicht mehr den Ton angibt. Man kann
sagen, daß Le Monde im Bereich der Presse den Ton angab.
Es existierten bereits ein Feld und der Gegensatz, den alle
Pressehistoriker feststellen, zwischen den Zeitungen, die
news, Nachrichten, Vermischtes liefern, und denen, die
views, Meinungen, Analysen usw. liefern; zwischen Zei-
tungen mit hoher Auflage wie France Soir und solchen mit
relativ niedriger Auflage, die dafür eine quasioffizielle Au-
torität ausüben. Le Monde stand unter beiden Aspekten gut
da: Die Auflage war hoch genug, um für Anzeigenkunden
eine Macht darzustellen, und zugleich verfügte die Zeitung
über genug symbolisches Kapital, um Autorität auszuüben.
Sie versammelte die beiden in diesem Feld ausschlaggeben-
den Machtfaktoren.
Die Meinungspresse ist im . Jahrhundert aufgekom-
men, und zwar in Reaktion auf die auflagenstarken Blätter,
die einem breiten Publikum Sensationen boten, was bei
gebildeten Lesern immer schon Angst oder Abscheu aus-
gelöst hat. Das Fernsehen, dieses Massenmedium schlecht-
hin, ist als Phänomen, abgesehen von seiner Reichweite,
nicht vollkommen neu. Nebenbei gesagt, eines der großen
Probleme der Soziologen besteht darin, nicht auf eine der
beiden symmetrisch einander entsprechenden Illusionen
hereinzufallen: die Illusion des jamais vu, noch nie dage-
wesen (es gibt Soziologen, die das hinreißend finden, und
es wirkt auch sehr schick, vor allem im Fernsehen, unerhört
Neues, Revolutionäres anzukündigen), und die des toujours
ainsi, alles wie gehabt (das findet sich eher bei konservativen
Soziologen: »Nichts Neues unter der Sonne, immer wird es
oben und unten geben, reich und arm...«). Die Gefahr ist
immer sehr groß und um so größer, als der Vergleich zwi-
schen Epochen äußerst schwierig ist: Nur Strukturen lassen
sich miteinander vergleichen, und man läuft ständig Gefahr,
sich zu täuschen und als unerhört zu beschreiben, was banal
ist – einfach aus mangelndem Wissen. Darin liegt einer
der Gründe dafür, daß Journalisten manchmal gefährlich
sind: Da sie nicht immer wirklich gebildet sind, wundern
sie sich über Dinge, die nicht sehr verwunderlich sind, und
über wirklich Staunenswertes wundern sie sich nicht... Die
Geschichte ist für uns Soziologen unerläßlich; leider wissen
wir in vielen Bereichen, vor allem im zeitgeschichtlichen,
noch nicht sehr viel, vor allem über neue Phänomene wie
den Journalismus.
Die Welt des Journalismus ist ein Feld für sich, das jedoch
vermittels der Einschaltquote unter der Fuchtel des öko-
nomischen Feldes steht. Und dieses zutiefst heteronome,
kommerziellen Zwängen sehr stark unterworfene Feld übt
seinerseits strukturell Druck auf andere Felder aus. Dieser
strukturelle, objektive, anonyme, unsichtbare Effekt hat
nichts zu tun mit dem, was man unmittelbar sieht und was
man gewöhnlich denunziert, das heißt mit dem Eingriff
dieser oder jener Person... Man kann, man darf sich nicht
damit begnügen, die Verantwortlichen namhaft zu machen.
Karl Kraus zum Beispiel attackierte eine Person sehr heftig,
deren Funktion mit der des Herausgebers des Nouvel Obser-
vateur von heute zu vergleichen ist: Unablässig denunzierte
er deren kulturzerstörerischen kulturellen Konformismus,
ihre Gefälligkeit gegenüber dürftigen oder erbärmlichen
Skribenten, ihren geheuchelten Pazifismus, der die pazi-
fistischen Ideen diskreditierte... Fast immer richtet Kritik
sich gegen Personen. Wenn man aber Soziologie betreibt,
erfährt man, daß Männer und Frauen gewiß Verantwor-
tung haben, daß sie in dem, was sie tun können und was
nicht, aber weitgehend definiert sind durch die Struktur,
in der sie stecken, und durch die Position, die sie in dieser
Struktur innehaben. Man kann sich also nicht mit der Kri-
tik an diesem oder jenem Journalisten, Philosophen oder
Journalphilosophen zufriedengeben... Jeder hat seine priva-
ten Zielscheiben, auch ich: Bernard-Henri Levy ist eine Art
Symbol des Medienschriftstellers oder Medienphilosophen
für mich geworden. Aber es ist eines Soziologen unwürdig,
über Bernard-Henri Levy zu sprechen... Denn er ist nur
eine Art Epiphänomen einer Struktur, Ausdruck seines
Feldes, ganz wie ein Elektron. Man versteht nichts, wenn
man das Feld nicht versteht, das ihr hervorbringt und ihm
seine schwache Kraft verleiht.
Das ist wichtig, um die Analyse zu entdramatisieren und
um rational zu handeln. Ich bin wirklich der Überzeugung,
daß Untersuchungen wie diese (und daß ich sie im Fernse-
hen vortrage, zeigt es) vielleicht zum Teil dazu beitragen
können, die Dinge zu ändern. Alle Wissenschaften erheben
diesen Anspruch. Auguste Comte sagte: »Aus Wissenschaft
folgt Prognose, aus Prognose folgt Handlung.« Die Sozial-
wissenschaft darf diesen Ehrgeiz ebenso hegen wie alle
anderen. Wenn der Soziologe einen Raum wie den Journa-
lismus beschreibt – wobei er zunächst Instinkte, Gefühle,
Leidenschaften einbringt, Instinkte und Leidenschaften,
die sich durch die Untersuchungsarbeit sublimieren -, dann
hat er eine gewisse Hoffnung darauf, Wirkungen auszulö-
sen. Zum Beispiel kann er, indem er das Bewußtsein der
Mechanismen erhöht, dazu beitragen, Menschen, die von
diesen Mechanismen manipuliert werden, ob Journalisten
oder Fernsehzuschauern, ein wenig mehr Freiheit zu geben.
In Klammern gesagt: Ich denke, daß Journalisten, die sich
hier gewissermaßen »objektiviert« fühlen können, dann,
wenn sie mir gut zuhören, sagen werden – so hoffe ich je-
denfalls -, daß ich, indem ich Dinge durchleuchte, die sie in
etwa erahnen, aber lieber nicht genau wissen wollen, ihnen
Befreiungsinstrumente gebe, mit denen sie diese Mechanis-
men meistern können. In der Tat sind zeitungsübergreifen-
de Allianzen denkbar, die manche der von der Konkurrenz
ausgelösten Effekte auszuschalten in der Lage wären. Wenn
ein Teil dieser unheilvollen Effekte aus Struktureffekten
hervorgeht, die Konkurrenzsituationen erzeugen, die ih-
rerseits den Zeitdruck auslösen, der wiederum zur Jagd
nach dem Scoop zwingt, die dazu führen kann, extrem
gefährliche Meldungen zu lancieren, bloß um einen Kon-
kurrenten außer Gefecht zu setzen, ohne daß das auch nur
ein Zuschauer mitbekommt – wenn das alles so läuft, dann
kann die Tatsache, daß diese Mechanismen bewußt und ex-
plizit gemacht werden, zu einer gegenseitigen Abstimmung
führen mit dem Ziel, die Konkurrenz zu neutralisieren (in
etwa so, wie es in Extremsituationen, bei Kindesentfüh-
rungen zum Beispiel, manchmal geschieht, könnte man
sich vorstellen – oder erträumen -, daß die Journalisten
sich darauf einigen, Politiker, die für – und durch – ihre
fremdenfeindlichen Äußerungen bekannt sind, nicht mehr
einzuladen, bloß weil er die Einschaltquote hochtreibt; was
sehr viel wirksamer wäre als alle scheinheiligen »Proteste«
zusammengenommen). Ich mache hier wirklich in Utopie,
und ich bin mir dessen auch bewußt. Aber denen, die dem
Soziologen immer seinen Determinismus und Pessimismus
vorwerfen, möchte ich nur entgegenhalten, daß ein Be-
wußtsein von den strukturellen Mechanismen, aus denen
unmoralisches Verhalten hervorgeht, es ermöglichen würde,
etwas zu ihrer Kontrolle zu unternehmen. In diesem hoch-
gradig zynischen Universum ist viel von Moral die Rede.
Als Soziologe weiß ich, daß Moral nur effizient ist, wenn
sie sich auf Strukturen, auf Mechanismen stützt, durch die
Menschen an der Moral Interesse gewinnen. Und wenn so
etwas wie moralische Unruhe aufkommen soll, dann muß
sie in dieser Struktur selbst Stützpunkte und Verankerun-
gen, muß sie Anerkennung finden. Diese Anerkennung
könnte auch vom Publikur ausgehen (wenn es aufgeklärter
wäre und sich die Manipulationen bewußt machen würde,
denen es zum Opfer fällt).
Ich denke also, daß gegenwärtig alle Felder der Kultur-
produktion dem strukturellen Druck des journalistischen
Feldes ausgesetzt sind – und nicht diesem oder jenem
Journalisten, diesem oder jenem Programmdirektor, die
selber von den in diesem Feld wirkenden Kräften überrollt
werden. Und dieser Druck übt auf alle Felder sehr ähnliche
Effekte aus. Das journalistische Feld wirkt als Feld auf die
anderen Felder ein. Anders gesagt, ein Feld, das selbst
immer stärker von der kommerziellen Logik dominiert ist,
übt immer mehr Druck auf andere aus. Durch den von der
Einschaltquote ausgehenden Druck wirkt die Wirtschaft
auf das Fernsehen ein und durch die Bedeutung des Fernse-
hens für den Journalismus auf alle Presseerzeugnisse, auch
auf die »reinsten«, und auf die Journalisten, die sich nach
und nach vom Fernsehen die emen vorgeben lassen. Und
in gleicher Weise lastet er durch den Stellenwert, den die
Gesamtheit des journalistischen Feldes innehat, auf allen
Feldern der Kulturproduktion.
In einem Heft der Actes de la recherche en sciences sociales,
das wir dem Journalismus gewidmet haben, ist ein sehr
schöner Artikel von Remi Lenoir erschienen, der zeigt,
wie hohe Justizbeamte, Angehörige des Felds der Recht-
sprechung, die sich den internen Normen ihres Universums
nicht immer sehr verpflichtet fühlen, das Fernsehen dafür
einspannen konnten, das Kräfteverhältnis innerhalb ihres
Feldes zu ändern und die internen Hierarchien auszuschal-
ten. Was in manchen Fällen sehr gut sein, aber auch einen
hart erarbeiteten Stand kollektiver Rationalität gefährden
kann, oder genauer: was von der Autonomie eines Univer-
sums der Rechtsprechung gesicherte und gewährleistete
Errungenschaften in Frage stellen kann – Errungenschaf-
ten eines Universums, das in der Lage ist, dem intuitiven
Gerechtigkeitssinn, dem gesunden Menschenverstand, der
für puren Anschein oder Leidenschaften anfällig ist, seine
eigene Logik entgegenzusetzen. Man hat das Gefühl, daß
der Druck von Journalisten – mögen sie ihre Sicht oder ihre
eigenen Werte formulieren oder in bestem Glauben als
Sprachrohr »in der Bevölkerung verbreiteter Emotionen«
oder der »öffentlichen Meinung« auftreten – die Arbeit der
Richter bisweilen sehr stark beeinflußt. Manche sprachen
schon von einer förmlichen Übertragung der richterli-
chen Gewalt. Parallelen dazu lassen sich bis ins Feld der
Naturwissenschaften verfolgen, wo, wie die von Patrick
Champagne untersuchten »Affären« gezeigt haben, es
ebenfalls vorkommt, daß die Logik der Demagogie – die
der Einschaltquote – sich an die Stelle der Logik interner
Kritik setzt.
Das alles mag sehr abstrakt scheinen; ich werde versu-
chen, es noch einmal und einfacher zu sagen. In jedem Feld,
im Feld der Universitäten, der Historiker usw., dominieren
nach Maßgabe der internen Werte des Feldes einige, andere
werden dominiert. Ein »guter Historiker« ist jemand, von
dem die guten Historiker sagen, daß er ein guter Historiker
ist. Das ist zwangsläufig zirkulär. Die Heteronomie fängt
aber an, wenn einer, der selber nicht Mathematiker ist,
intervenieren kann, um seine Ansicht über Mathematiker
kundzutun, wenn einer, der nicht als Historiker anerkannt
ist (ein Fernsehhistoriker zum Beispiel), seine Ansicht über
Historiker kundtun und Gehör finden kann. Mit der »Au-
torität«, die ihm das Fernsehen verleiht, sagt Herr Cavada
Ihnen, daß der größte französische Philosoph Herr X ist.
Kann man sich vorstellen, daß eine Meinungsverschieden-
heit zwischen zwei Mathematikern, zwei Biologen oder
zwei Physikern durch ein Referendum oder durch eine
Debatte entschieden wird, deren Teilnehmer Herr Cavada
auswählt? Aber die Medien greifen ständig mit ihren Ver-
dikten ein. Die Wochenmagazine lieben das förmlich: das
verflossene Jahrzehnt bilanzieren, die zehn größten »Intel-
lektuellen« des Jahrzehnts designieren, die des Monats, die
der Woche, die »Intellektuellen«, die zählen, die im Kurs
steigen oder fallen... Warum hat das solchen Erfolg? Weil
dies Instrumente sind, mit denen man die intellektuellen
Börsenwerte beeinflussen kann, Instrumente, deren die
Intellektuellen, das heißt die Aktionäre (oft Kleinaktio-
näre, die aber im Journalismus oder im Verlagsgeschäft
Einfluß haben), sich bedienen, um den Kurs ihrer Aktien
hochzutreiben. Auch Nachschlagewerke (über Philosophen,
über Soziologen oder Soziologie, über Intellektuelle usw.)
spielen hier ihre Rolle. Sie sind und waren immer schon
Instrumente der Machtausübung, der Bestätigung einer
Karriere. Nun besteht eine weitverbreitete Strategie darin,
zum Beispiel Personen aufzuführen, die (nach spezifischen
Kriterien) davon ausgeschlossen werden könnten oder
müßten, oder Personen auszuschließen, die aufgenommen
werden könnten oder müßten, oder auch, wie es in einer
dieser »Starparaden« geschieht, Claude Levi-Strauss und
Bernard-Henri Levy, also einen undiskutierbaren Wert und
undiskutierbar diskutierbaren Wert, nebeneinander aufzu-
führen, um so die Bewertungsstruktur zu verändern. Die
Zeitungen greifen aber auch ein, um Probleme zu stellen,
die dann umgehend von Medienintellektuellen aufgegriffen
werden. Der Antiintellektualismus, eine (überaus verständ-
liche) strukturelle Konstante der journalistischen Welt,
treibt die Journalisten zum Beispiel immer wieder dazu, pe-
riodisch nach den Irrtümern der Intellektuellen zu fragen
oder emen aufzuwerfen, die nur Medienintellektuelle
mobilisieren können und die oft nur dazu da sind, diese in
die Lage zu versetzen, sich eine »Marktnische« zu erobern
und in der Medienwelt zu existieren.
Diese Eingriffe von außen sind sehr bedrohlich, und zwar
vor allem, weil sie Uneingeweihte täuschen können, die im-
merhin soweit von Belang sind, als die Kulturproduzenten
Hörer, Zuschauer, Leser brauchen, die zum Verkaufserfolg
der Bücher beitragen, und über den Verkauf auf die Verleger
Einfluß nehmen, und über die Verleger auf die künftigen
Möglichkeiten zu veröffentlichen. Bei der heutigen Ten-
denz der Medien, kommerzielle Produkte zu feiern, die für
die Bestsellerlisten verfertigt wurden, und Seilschaften zwi-
schen Journal-Schriftstellern und Schriftstellerjournalisten
zu etablieren, werden junge Autoren mit Auflagen von
Exemplaren, ob Poeten, Romanautoren, Soziologen oder
Historiker, immer weniger Publikationschancen haben. (In
Klammern gesagt: Die Soziologie, und ganz besonders die
Intellektuellensoziologie, hat, denke ich, zu dem Stand der
Dinge, den wir heute im intellektuellen Feld Frankreichs
beobachten, paradoxerweise wohl selbst beigetragen. Völlig
ungewollt hat sie zwei entgegengesetzte Lesarten ihrer Er-
gebnisse möglich gemacht: eine zynische, die darin besteht,
daß man die Kenntnis der Gesetze der verschiedenen Sozi-
almilieus dazu einsetzt, um die Effizienz seiner Strategien
zu verbessern, neben der anderen, die man die klinische
nennen könnte und die darin besteht, die Kenntnis von Ge-
setzen oder Tendenzen zu nutzen, um diese zu bekämpfen.
Ich bin der Überzeugung, daß eine Reihe von Zynikern
– Propheten des Regelverstoßes, Fernseh-fast-thinkers und
Medienhistorikern, Autoren von Nachschlagewerken oder
von mit dem Tonbandgerät erstellten Bilanzen zeitgenös-
sischen Denkens – sich bewußt der Soziologie bedienen –
oder dessen, was sie davon verstehen -, um Coups zu landen,
Handstreiche im intellektuellen Feld zu verüben. Ähnlich
sind die möglicherweise wirklich kritischen Elemente im
Denken von Guy Debord zweckentfremdet worden – heute
dient der große Denker der Bildwelt, zu dem er aufgebaut
wurde, einem unechten, zynischen, verharmlosenden Radi-
kalismus als Alibi.)
Ich möchte jetzt noch ein paar Worte über die Frage der
Beziehungen zwischen Hermetik und Elitismus sagen. Ein
Problem, mit dem sich alle Denker seit dem . Jahrhundert
abgemüht und in dem sie sich manchmal verfangen haben.
Mallarme zum Beispiel, das Symbol des hermetischen,
reinen Dichters schlechthin, der nur für wenige schreibt
in einer Sprache, die der gemeine Sterbliche nicht versteht,
hat sich sein Leben lang gefragt, wie er die Entdeckungen
bei seiner schriftstellerischen Arbeit allen zugänglich ma-
chen könne. Hätte es die heutigen Medien gegeben, hätte
er sich die Frage gestellt: »Soll ich im Fernsehen auftreten?
Wie kann ich den jeder wissenschaftlichen oder überhaupt
geistigen Tätigkeit immanenten Anspruch auf >Reinheit<
vereinbaren mit der demokratischen Bemühung darum,
die Ergebnisse möglichst vielen zugänglich zu machen?«
Ich habe darauf hingewiesen, daß das Fernsehen zweierlei
Effekte produziert. Es senkt den Eintrittspreis in einer ge-
wissen Reihe von Feldern, der Philosophie, Juristerei usw.:
Es kann zu Soziologen, Schriftstellern, Philosophen usw.
Leute ernennen, die unter dem Gesichtspunkt der internen
Definition der Zunft den Eintrittspreis nicht bezahlt haben.
Andererseits ist es in der Lage, das breitestmögliche Publi-
kum zu erreichen. Schwer zu rechtfertigen scheint mir aber,
daß man sich auf die große Reichweite beruft, um den Ein-
trittspreis in dem entsprechenden Feld zu senken. Man wird
mir vorwerfen, daß ich hier elitäre Dinge von mir gebe, daß
ich die belagerte Zitadelle der Wissenschaft und der Hoch-
kultur verteidige oder sogar dem Volk den Zugang verbiete
(indem ich versuche, den Zugang zum Fernsehen denen zu
verbieten, die sich trotz ihrer phantastischen Honorare und
ihrer luxuriösen Lebenshaltung manchmal zu Sprechern
der Bevölkerung ernennen, nur weil sie es fertigbringen,
sich ihr verständlich zu machen, sich von der Einschaltquo-
te akklamieren zu lassen). In Wirklichkeit verteidige ich die
notwendigen Voraussetzungen zur Produktion und Vertei-
lung der höchsten Schöpfungen der Menschheit. Will man
der Alternative zwischen elitärer Haltung und Demagogie
entkommen, muß man für die Beibehaltung, ja Erhöhung
des Eintrittspreises zu den Produktionsfeldern eintreten
– wie ich gerade gesagt habe, wäre es mir lieb, wenn dies mit
der Soziologie geschehen würde, deren Unglück überwie-
gend daher kommt, daß der Eintrittspreis hier zu niedrig
ist – und gleichzeitig die Verpflichtung unterstreichen, sich
zu äußern sowie für eine Verbesserung der Voraussetzungen
und Mittel dazu einzutreten.
Man beschwört die drohende Nivellierung (ein immer
wiederkehrendes ema des reaktionären Denkens, das sich
vor allem bei Heidegger findet). In Wirklichkeit kann sie
aus dem Eindringen der Forderung nach medienadäquater
Präsentation in das Feld kultureller Produktion resultieren.
Es gilt, sowohl für die jedem Avantgardismus (zwangs-
läufig) immanente Hermetik einzutreten, als auch für die
Notwendigkeit, das Hermetische aufzubrechen und dafür
zu kämpfen, daß die entsprechenden Mittel zur Verfügung
stehen. Anders gesagt, man muß dafür kämpfen, daß die
zur Förderung des Universellen notwendigen Produkti-
onsbedingungen bereitgestellt werden, und gleichzeitig
an der Verallgemeinerung der Zugangsbedingungen zum
Universellen arbeiten, damit immer mehr Menschen die
Voraussetzungen erfüllen, sich das Universelle anzueignen.
Je komplexer ein Gedanke ist, weil er in einem autonomen
Universum erzeugt wurde, um so schwieriger ist seine Wei-
tergabe. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, müssen
die Produzenten aus ihrer kleinen Zitadelle ausbrechen und
um gute Verbreitungsmittel, um das Eigentum an ihren
Verbreitungsmitteln kämpfen, und zwar kollektiv; und in
Verbindung mit Lehrern, Gewerkschaften, Verbänden usw.
auch darum kämpfen, daß die Adressaten so ausgebildet
werden, daß ihre Kompetenz steigt. Man vergißt oft, daß
die Gründer der Französischen Republik im . Jahrhundert
das Ziel der Schulbildung nicht nur darin sahen, daß man
lesen, schreiben, rechnen lernt, um ein guter Arbeiter zu
werden, sondern auch darin, daß man die Voraussetzungen
erwirbt, ein guter Staatsbürger zu sein, die Gesetze zu
verstehen, seine Rechte zu verstehen und zu verteidigen,
gewerkschaftliche Vereinigungen ins Leben zu rufen... Es
gilt, an der Universalisierung der Zugangsbedingungen
zum Universellen zu arbeiten.
Man kann und muß im Namen der Demokratie gegen
die Einschaltquote kämpfen. Das scheint sehr paradox,
denn die Parteigänger der Einschaltquote behaupten, daß
es nichts Demokratischeres gebe (das Lieblingsargument
der zynischsten unter den Anzeigenkunden und Werbe-
agenturen, das einige Soziologen übernehmen, ganz zu
schweigen von gedankenarmen Essayisten, die die Kritik
an Umfragen – und an Einschaltquoten – mit der Kritik am
allgemeinen Stimmrecht gleichsetzen), daß man den Leu-
ten die Freiheit lassen müsse, zu urteilen, zu wählen (»Bloß
eure elitär intellektuellen Vorurteile lassen euch all das als
verächtlich erscheinen«). Die Einschaltquote ist die Sank-
tion des Marktes, der Wirtschaft, das heißt einer externen
und rein kommerziellen Legalität, und die Unterwerfung
unter die Anforderungen dieses Marketinginstruments ist
im Bereich der Kultur genau dasselbe wie die von Mei-
nungsumfragen geleitete Demagogie in der Politik. Das
unter der Herrschaft der Einschaltquote stehende Fernse-
hen trägt dazu bei, den als frei und aufgeklärt unterstellten
Konsumenten Marktzwängen auszusetzen, die, anders als
zynische Demagogen glauben machen wollen, mit dem
demokratischen Ausdruck einer aufgeklärten, vernünftigen
öffentlichen Meinung, einer öffentlichen Vernunft, nichts
zu tun haben. Die kritischen Denker und die Organisati-
onen zur Wahrnehmung der Interessen der Dominierten
sind noch weit davon entfernt, dieses Problem klar zu sehen.
Was nicht wenig dazu beiträgt, all die Mechanismen zu
verstärken, die zu beschreiben ich versucht habe.
Angaben zu den beiden Fernsehvorträgen
Literatur
Ich hielt es für nützlich, diesen bereits in den Actes de la rechercbe en sci-
ences sociales veröffentlichten Text hier einzurücken, da er die meisten der
oben in einer zugänglicheren Version behandelten emen auf striktere,
kontrolliertere Weise resümiert.
Der Einfluß des journalistischen Feldes, und durch es
der Marktlogik, auch noch auf die Felder der autonoms-
ten Kulturproduktion hat nichts umwerfend Neues: Mit
Texten von Schriftstellern des vergangenen Jahrhunderts
ließe sich mühelos ein durchaus realistisches Bild der ge-
nerellsten Effekte zusammenstellen, die er innerhalb dieser
geschützten Welten heute hervorbringt. Man sollte den
spezifischen Charakter der gegenwärtigen Situation aber
nicht übersehen, die über solche aus homologen Effekten
hervorgehende Übereinstimmungen hinaus praktisch nie
dagewesene Merkmale zeitigen. Die von der Entwicklung
des Fernsehens im journalistischen Feld ausgelösten Konse-
quenzen, die dieses Feld in alle anderen Felder der Kultur-
produktion weiterträgt, sind an Intensität und Reichweite
ungleich nachhaltiger als diejenigen, die das Auftreten der
industrialisierten Literatur (der Massenpresse und des Fort-
setzungsromans) hervorrief und die bei den Schriftstellern
Davon überzeugt das Werk von Jean-Marie Goulemot und Daniel Oster,
Gens de lettres. Ecrivains et Bohemes, das überaus zahlreiche Beispiele von
Beobachtungen und Bemerkungen enthält, aus denen sich jene spontane
Soziologie des literarischen Milieus zusammensetzt, zu der die Autoren
gelangen, ohne indes ihres Prinzips innezuwerden, vor allem nicht, wenn
sie sich bemühen, ihre Gegner oder die Gesamtheit dessen zu objekti-
vieren, was ihnen in der literarischen Welt nicht gefällt (vgl J.-M. Gou-
lemot und D. Oster, Gens de lettres. Ecrivains et Bohemes, Minerve, ).
Aber der intuitive Sinn für Homologien kann auch zwischen den Zeilen
einer Untersuchung des literarischen Feldes in . Jahrhundert eine
Beschreibung des versteckten Funktionierens des heutigen literarischen
Feldes erkennen (wie bei Philippe Murray geschehen, »Des regles de l‘art
aux coulisses de sa misère«, Art Press, , Juni ,S.-).
zu jenen entrüsteten, empörten Reaktionen führten, aus de-
nen Raymond Williams zufolge die modernen Definitionen
von «Kultur» hervorgingen.
Das journalistische Feld erzeugt in den verschiedenen
Feldern kultureller Produktion eine Menge von Effekten,
die in Form wie Durchschlagskraft an seine eigene Struktur
gebunden sind, das heißt an den Stellenwert der verschie-
denen Presseorgane und Journalisten nach Maßgabe ihrer
Autonomie gegenüber externen Kräften, denen des Leser-
und denen des Anzeigenmarktes. Die Autonomie eines
Presseorgans läßt sich gewiß daran messen, wie weit es von
Werbung und Staatssubventionen (in Form von Anzeigen
oder Geldzuweisungen) unabhängig ist, und auch an der
Konzentration der Anzeigenkunden. Was die Autonomie
eines einzelnen Journalisten angeht, so hängt sie zunächst
einmal vom Konzentrationsgrad der Presse ab (bei Verrin-
gerung der Anzahl potentieller Arbeitgeber steigt die Unsi-
cherheit des Arbeitsplatzes); sodann von der Position seines
Periodikums im Raum der Presse, das heißt, ob näher am
»intellektuellen« oder am »kommerziellen« Pol; ferner von
seiner Position bei dem Presseorgan (Angestellter, freier
Mitarbeiter usw.), die für die verschiedenen (vorwiegend
an Bekanntheit gebundenen) ihm zur Verfügung stehenden
Statusgarantien entscheidend ist, auch für seine Entlohnung
(ein Faktor, der für die sanften Formen von Öffentlichkeits-
arbeit weniger zugänglich machen kann und unabhängiger
von bloß dem Broterwerb dienenden, bestellten Arbeiten
– ein Einfallstor für externe Auftraggeber); schließlich
seine Fähigkeit zur autonomen Erzeugung von Informa-
tion (Journalisten aus den Bereichen Populärwissenschaft
oder Wirtschaft zur Beispiel arbeiten unter besonders
heteronomen Bedingungen). Klar ist, daß verschiedene In-
stitutionen, und besonders die der Regierungen, nicht nur
ökonomischen Druck einsetzen, sondern auch alle mög-
lichen anderer Pressionen, die ihr Monopol an legitimer
Information – durch offizielle Quellen vor allem – zuläßt;
dieses Monopol liefert zunächst den Regierungs- und Ver-
waltungsbehörden, der Polizei zum Beispiel, aber auch den
juristischen, wissenschaftlichen usw. Einrichtungen Waf-
fen für den Kampf mit den Journalisten, einen Kampf, bei
dem sie versuchen, Informationen oder Übermittler von In-
formationen zu manipulieren, während die Presse ihrerseits
versucht, die Besitzer von Informationen zu manipulieren,
um sich in deren Besitz zu bringen und sich die exklusive
Verfügung darüber zu sichern. Wobei die außerordentliche
symbolische Macht nicht vergessen werden sollte, die darin
besteht, daß die obersten staatlichen Behörden in der Lage
sind, durch ihre Aktionen, ihre Entscheidungen und ihre
Interventionen im journalistischen Feld (Interviews, Pres-
sekonferenzen usw.) die Tagesordnung und die Hierarchie
von Ereignissen zu bestimmen, denen sich die Presse nicht
entziehen kann.
Wie im literarischen Feld, so stellt auch hier die Rangfolge nach dem
externen Kriterium, dem des Verkaufserfolgs, ungefähr die Umkehrung
der Rangfolge dar, die sich bei Anwendung des internen Kriteriums
ergibt, des journalistisch »Seriösen«. Und die Komplexität der aus dieser
chiastischen Struktur (die auch die des literarischen, künstlerischen oder
juristischen Feldes ist) sich ergebenden Verteilung wird dadurch noch
verdoppelt, daß sich innerhalb jedes Presseorgans, jedes Rundfunk- oder
Fernsehprogramms, die selbst alle wie Unter-Felder funktionieren, der
Gegensatz zwischen einem »kulturellen« und einem »kommerziellen«
Pol als Organisationsprinzip herausstellt, so daß man mit einer Serie
ineinander verschachtelter Strukturen (des Typs a:b:b:b) zu tun
hat..- (deutsch: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaft-
lichen Urteilskraft, Frankfurt/M., Suhrkamp, stw, , S. -).
verborgen und werden überhaupt nur von den Konkur-
renten wahrgenommen (da die Journalisten die einzigen
sind, die sämtliche Zeitungen lesen...). In der Struktur
und den Mechanismen des Feldes verankert, erfordert und
begünstigt die Konkurrenz um den Zeitvorsprung Akteure,
deren berufliche Einstellung sie dazu prädisponiert, alle
journalistische Praxis unter das Gebot der Geschwindig-
keit (oder Übereilung) und der permanenten Innovation
zu stellen – Dispositionen, die die Zeitgebundenheit der
journalistischen Praxis selbst unaufhörlich verstärken. Die-
se Praxis verpflichtet nämlich dazu, ständig von der Hand
in den Mund zu leben und zu denken und eine Nachricht
auf ihre Aktualität hin zu bewerten (der »Aufmacher« bei
den Fernsehnachrichten), und begünstigt damit eine Art
permanenter Amnesie, die Kehrseite der Begeisterung für
das Neue, und auch eine Neigung dazu, die Beurteilung von
Produzenten und Produkten nach dem Gegensatzschema
»neu – überholt« vorzunehmen.
Ein anderer, völlig paradoxer, der Ausübung kollektiver
oder individueller Autonomie entgegenstehender Effekt des
Feldes: Die Konkurrenz verleitet dazu, die Tätigkeit der
Über den oft willkürlich verhängten Zeitdruck wirkt sich die strukturelle
Zensur auf die Äußerungen von Studiogästen im Fernsehen praktisch
unerkannt aus.
Wenn die Behauptung »das ist überholt« heute so oft und weit über
die Grenzen des journalistischen Feldes hinaus alles kritische Argu-
mentieren ersetzen kann, so auch deshalb, weil eilige Nachrücker ein
ganz natürliches Interesse an der Geltung dieses Bewertungsprinzips
haben, das dem zuletzt Gekommenen, das heißt dem Jüngsten, einen
unbestreitbaren Vorteil einräumt und, da es in etwa auf das nahezu leere
Gegensatzpaar vorher – nachher hinausläuft, ihnen die Mühe abnimmt,
ihre Fähigkeiten erst einmal unter Beweis zu stellen.
Konkurrenten permanent zu überwachen (was bis zu ge-
genseitigem Ausspionieren gehen kann), um ihr Scheitern
zu nutzen, ihre Fehler zu vermeiden, ihre Erfolge zu kon-
terkarieren, wobei versucht wird, die Instrumente zu ent-
lehnen, von denen angenommen wird, daß sie zum Erfolg
führten: emen von Sondernummern, die zu übernehmen
man sich verpflichtet fühlt, von anderen besprochene Bü-
cher, »über die man sprechen muß«, Interviewpartner, die
man einzuladen hat, Gegenstände, über die zu berichten
ist, weil andere sie entdeckt haben, und sogar Journalisten,
die man sich streitig macht, nicht nur, um sie wirklich zu
haben, sondern ebensosehr, damit die Konkurrenz sie nicht
bekommt. Auf diesem Gebiet wie auf anderen tendiert
Konkurrenz – die keineswegs automatisch Originalität
und Abwechslung hervorbringt – oft zur Uniformisierung
des Angebots, wovon sich leicht überzeugen kann, wer den
Inhalt der großen Wochenzeitschriften oder der an ein
breites Publikum gerichteten Radio- oder Fernsehsendun-
gen miteinander vergleicht. Dieser Wirkungsmechanismus
führt aber auch dazu, der Gesamtheit des Feldes unmerk-
lich die »Entscheidungen« der den Verdikten des Marktes
am unmittelbarsten und vollständigsten unterworfenen
Medien, etwa des Fernsehens, aufzunötigen, was dazu bei-
trägt, die ganze Produktion auf die Bewahrung etablierter
Werte auszurichten, wie zum Beispiel deutlich wird, wenn
die periodisch erscheinenden Empfehlungslisten, über
die Medienintellektuelle versuchen, ihre Sicht des Feldes
(und die Anerkennung von ihresgleichen – in Erwartung
einer Gegenleistung ...) durchzusetzen, fast immer Autoren
hochverderblicher Kulturprodukte, die sich dank solcher
Unterstützung ein paar Wochen lang in den Bestsellerlisten
halten, neben anerkannten Schriftstellern aufführen, die als
»Klassiker« geeignet sind, den guten Geschmack derer zu
bestätigen, die sie ausgewählt haben, und überdies selbst zu
den Longsellern zählen. Womit gesagt ist, daß die Mecha-
nismen, denen das journalistische Feld unterliegt, und die
Effekte, die sie in anderen Feldern auslösen, in ihrer Inten-
sität und Richtung durch die Struktur bestimmt sind, die es
kennzeichnet, mögen sich jene Effekte auch fast immer nur
durch das Handeln einzelner vollziehen.
Die Intrusionseffekte
Es reicht dazu aus, Probleme eines Journalisten (wie die Wahl zwischen
TF und Arte) in einer journalistisch klingenden Sprache zu formulie-
ren: »Kultur und Fernsehen: zwischen Kohabitation und Apartheid« (D.
Wolton, Eloge du grand public, Paris, Flammarion, , S. ). Es mag
erlaubt sein, im Vorbeigehen darauf hinzuweisen, wie unumgänglich
notwendig der Bruch mit den Vorformulierungen und Voraussetzungen
der gewöhnlichen Sprache, und insbesondere der journalistischen, ist,
wenn der Gegenstand wissenschaftlich adäquat konstruiert werden soll.
Soviel zur Rechtfertigung der möglicherweise schwierigen, ja schwerfäl-
ligen Züge des vorliegenden Textes.
Das journalistische Feld gewinnt in den Feldern kulturel-
ler (vor allem philosophischer und sozialwissenschaftlicher)
Produktion hauptsächlich durch den Eingriff kultureller
Produzenten an Boden, die zwischen dem journalistischen
Feld und den spezialisierten (literarischen, philosophischen
usw.) Feldern zu situieren sind – wo genau, ist schwer zu sa-
gen. Diese »Medienintellektuellen«, die sich ihrer Doppel-
zugehörigkeit bedienen, um den spezifischen Anforderun-
gen beider Welten aus dem Weg zu gehen und in jede ihren
in der anderen mehr oder weniger wohlerworbenen Status
einzubringen, sind in der Lage, zweierlei Effekte hervorzu-
rufen: zum einen die Einführung neuer Formen kultureller
Produktion irgendwo auf halbem Wege zwischen den eso-
terisch-universitären und den exoterisch-journalistischen
Erzeugnissen; zum zweiten die Durchsetzung anderer Be-
wertungsprinzipien kultureller Produkte dadurch, daß sie,
die »Medienintellektuellen«, den Sanktionen des Marktes
namentlich durch ihre kritischen Urteile einen Schein
intellektueller Autorität verleihen und somit die spontane
Neigung bestimmter Verbraucherkategorien zur Allodo-
xia verstärken, was den Einfluß der Einschaltquoten und
Bestsellerlisten auf die Rezeption kultureller Produkte und,
indirekt und auf Dauer gesehen, auch auf deren Produk-
Dieser Text ist die Kurzfassung eines bei der Jahresversammlung der
Philosopbical Society for the Study of Sport am . Oktober in Berlin
gehaltenen Vortrags.
dergabe besitzen, den sportlichen Wettkampf unter Athle-
ten aus aller Welt in eine Konfrontation von Vorkämpfern
(im Sinne ordnungsgemäß beauftragter Protagonisten) ver-
schiedener Nationen.
Wollte man diesen Prozeß symbolischer Transmutation
verstehen, wäre zunächst einmal die soziale Konstruktion
des olympischen Schauspiels zu untersuchen, die der Wett-
bewerbe selbst, aber auch all der Kundgebungen, die sie
einrahmen, wie der Eröffnungsaufmarsch und die Schluß-
zeremonie. Sodann wäre die Produktion der Bilder zu un-
tersuchen, die das Fernsehen von diesem Schauspiel liefert
– Bilder, welche, da von Werbespots unterbrochen, zu einem
kommerziellen, der Marktlogik gehorchenden Produkt
werden und daher so konzipiert werden müssen, daß sie das
breiteste Publikum erreichen und seine Aufmerksamkeit so
lange wie möglich fesseln: Nicht nur müssen sie in den öko-
nomisch dominierenden Ländern zu den Hauptsendezeiten
geliefert werden, sie müssen sich auch Publikumserwar-
tungen unterwerfen und den Präferenzen von Zuschauern
unterschiedlicher Nationen für diesen oder jenen Sport und
sogar ihren nationalen oder nationalistischen Hoffnungen
entgegenkommen, was voraussetzt, daß eine umsichtige
Auswahl unter den Sportarten und Wettkämpfen Erfolge
für die Mitglieder ihrer jeweiligen Nationalmannschaft
und damit die Befriedigung nationalistischer Gefühle
garantiert. Daraus folgt zum Beispiel, daß der relative
Stellenwert der verschiedenen Sportarten bei den internati-
onalen Sportveranstaltungen immer mehr von ihrem Fern-
seherfolg und den entsprechenden ökonomischen Profiten
abhängt. Die mit den Fernsehübertragungen verbundenen
Zwänge beeinflussen auch mehr und mehr die Auswahl
der olympischen Sportarten, der Ausstragungsorte und des
Zeitpunkts, und sogar den Verlauf der Wettkämpfe und
der Zeremonien. So wurden bei den Spielen in Seoul die
Abschlußwettkämpfe in der Leichtathletik (nach Verhand-
lungen, bei denen es um enorme Finanzzusagen ging) so
gelegt, daß sie in den Vereinigten Staaten am frühen Abend
gesehen werden konnten, wenn die meisten Zuschauer zu
erwarten waren.
Gegenstand der Untersuchung müßte daher das gesamte
Feld der Produktion der Olympischen Spiele als Fernseh-
veranstaltung (oder besser, nämlich in der Marketingspra-
che: als »Kommunikationsinstrument«) werden, das heißt
die Gesamtheit der objektiven Beziehungen zwischen
Akteuren und Institutionen, die um die Produktion und
Kommerzialisierung der Bilder und Diskurse zu den Spie-
len konkurrieren: das Internationale Olympische Komitee
(IOK), das, dominiert von einer kleinen Kamarilla von
Sportfunktionären und Vertretern großer Industrieunter-
nehmen (Adidas, Coca-Cola usw.), die den Verkauf der
Übertragungsrechte (für Barcelona auf Milliarden
Dollar geschätzt) und der Sponsorenrechte sowie auch die
Wahl der Austragungsorte kontrolliert, sich nach und nach
in ein kommerzielles Großunternehmen mit einem Jahres-
budget von Millionen Dollar verwandelt hat; die großen
Fernsehgesellschaften (vor allem die amerikanischen), die
(auf nach Staaten oder Sprachräumen unterschiedener
Ebene) um die Übertragungsrechte konkurrieren; die
multinationalen Unternehmen (Coca-Cola, Kodak, Ricoh,
Philips usw.), die um die Exklusivrechte konkurrieren, ihre
Produkte (als »offizielle Lieferanten«) mit den Olympischen
Spielen in Verbindung bringen zu dürfen und schließlich
die Produzenten von Bildern und Kommentaren für Fern-
sehen, Rundfunk und Presse ( ooo waren es in Barcelona),
die in Konkurrenzbeziehungen untereinander stehen, die
ihre individuelle und kollektive Arbeit an der Konstrukti-
on der Darstellung der Spiele – Auswahl, Einstellung und
Montage der Bilder, Ausarbeitung des Kommentars – aus-
richten. Und schließlich wären die vom Fernsehen über die
Planetarisierung des olympischen Schauspiels ausgehenden
Auswirkungen auf die Intensivierung des Wettbewerbs
unter den Nationen zu untersuchen, etwa die Entstehung
einer auf internationale Erfolge ausgerichteten Sportpolitik
der Staaten, die symbolische und ökonomische Ausnutzung
der Spiele und die Industrialisierung der Sportproduktion
mit ihrem Rückgriff auf Doping und autoritäre Trainings-
formen.
Vgl. Pierre Bourdieu, Les regles de l‘art, Paris, Editions du Seuil, .
Ein brutaler Indikator für den realen Wert der verschiedenen Akteure
des olympischen »Showbusineß« waren die von den koreanischen Be-
hörden verteilten Geschenke: von Dollar für die Athleten bis zu
Dollar für die lOK-Mitglieder (vgl. V. Simson und A. Jennings, Mains
basses sur les JO, op, dt., S. ).
Untersuchung und Reflexion bewußt machten. Damit trü-
gen sie auch zur Entfaltung der in den Olympischen Spielen
angelegten, heute vom Verschwinden bedrohten Potentiale
des Universalismus bei.
Man könnte zum Beispiel an eine Olympische Charta denken, in der die
Grundsätze zu definieren wären, auf die sich die mit der Produktion der
Veranstaltungen und ihrer Wiedergabe befaßten Akteure zu verpflich-
ten hätten (angefangen natürlich bei den Leitern des Olympischen
Komitees, die als erste von der Überschreitung des Gebots materieller
Interesselosigkeit profitieren, dessen Einhaltung sie überwachen sollen),
oder an einen Olympischen Eid, der nicht nur die Athleten in die Pflicht
nehmen würde (indem er ihnen zum Beispiel nationalistische Schaustel-
lungen verböte wie die, sich bei der Ehrenrunde in ihre Nationalfahne
zu hüllen), sondern auch diejenigen, die die Bilder ihrer Leistungen
produzieren und kommentieren.
Nachwort
Vgl. James Fallows, Breaking the News. How Media Undermine American
Democracy, New York, Vintage Books, .
Vgl. Patrick Champagne, »Le journalisme entre precarite et concurrence«,
Liber , Dezember .
Aufmerksamkeit auf ein spektakuläres Ereignis (oder einen
Skandal) umzulenken, ohne daß dies explizit gewollt sein
muß – oder, subtiler noch, die sogenannte »Aktualität« auf
eine Abfolge unterhaltsamer Ereignisse zu reduzieren, die
oft, wie beispielhaft bei dem Prozeß gegen O.J. Simpson,
auf halbem Weg zwischen der »Vermischten Meldung« und
der Show liegen; auf eine ungereimte Abfolge von Ereignis-
sen, die nichts miteinander zu tun haben und bloß von den
Zufällen chronologischer Koinzidenz zusammengebracht
werden, ein Erdbeben in der Türkei und die Vorstellung
von Kürzungen im Staatshaushalt, ein Sieg im Sport und
ein Sensationsprozeß, und die man dadurch vollends ad ab-
surdum führt, daß man sie auf das herunterbringt, was sie
augenblicklich, aktuell vorstellen, und sie von ihrer ganzen
Vorgeschichte wie von ihren Konsequenzen abschneidet.
Daß jedes Interesse für unmerkliche Veränderungen fehlt
– für alle Prozesse nämlich, die, wie das Auseinanderdriften
der Kontinente, lange unbemerkt bleiben und ihre Aus-
wirkungen erst mit der Zeit ganz offenbaren -, vermehrt
die Effekte der strukturellen Amnesie, der die Logik eines
Denkens Vorschub leistet, das nur von einem Tag zum
anderen reicht, und die Konkurrenz, die dazu zwingt, das
Wichtige mit dem Neuen (dem Scoop) zu identifizieren,
und die Journalisten, diese Tagelöhner des Alltäglichen,
zur Produktion einer Wiedergabe der Welt verurteilt, die
sie als diskontinuierliche Abfolge von Momentaufnahmen
erscheinen läßt. Aus Mangel an Zeit und vor allem an In-
teresse und Information (sie informieren sich meist nur an-
hand zu demselben ema bereits erschienener Pressearti-
kel) können sie die Ereignisse (zum Beispiel eine Gewalttat
in einer Schule) nicht wirklich verständlich machen, wozu
es ja erforderlich wäre, sie in das System von Beziehungen
zu stellen, in das sie gehören (etwa die Familienstruktur,
die mit dem Arbeitsmarkt zusammenhängt, der wiederum
mit der Steuerpolitik zu tun hat usw.) – worin sie gewiß
durch die Tendenz der Politiker bestärkt werden (vor allem
der Regierungsmitglieder, die sie ihrerseits wiederum be-
stärken), bei ihren Entscheidungen und deren Bekanntgabe
die kurzfristigen Aktionen herauszustreichen, ein »Ankün-
digungseffekt«, dem meist nicht viel folgt, und Unterneh-
mungen ohne sofort sichtbaren Effekt zu vernachlässigen.
Dieser enthistorisierte und enthistorisierende, atomisier-
te und atomisierende Blick findet seinen paradigmatischen
Ausdruck in dem Bild, das die Fernsehnachrichten von der
Welt geben: eine Abfolge scheinbar absurder Geschichten,
die sich schließlich alle ähneln, ununterbrochene Aufmär-
sche dem Elend anheimgegebener Völker, eine Reihenfolge
von Ereignissen, die, unerklärt aufgetaucht, ungelöst ver-
schwinden werden, heute der Kongo, gestern Biafra, mor-
gen der Sudan, und die, jeder politischen Zwangsläufigkeit
enthoben, allenfalls ein vages humanitäres Interesse auszu-
lösen vermögen. Diese zusammenhanglosen Tragödien, die
einander ablösen, ohne je historisch eingeordnet zu werden,
unterscheiden sich eigentlich nicht von Naturkatastrophen,
Tornados, Waldbränden, Überschwemmungen, die eben-
falls in den Fernsehmeldungen einen wichtigen Stellenwert
einnehmen, sind es doch traditionelle journalistische e-
men, um nicht zu sagen rituelle, und vor allem: es ist leicht,
darüber zu berichten, und kostet nicht viel. Die Opfer
sind, kaum anders als von Zugentgleisungen und anderen
Unfällen Betroffene, nicht geeignet, politische Solidarität
oder Empörung hervorzurufen. Somit liegt es durchaus in
der Logik des journalistischen Feldes, namentlich durch die
besondere Form, die hier die Konkurrenz annimmt, und die
Routinen und Denkgewohnheiten, die es unausgesprochen
durchsetzt, eine Vorstellung von der Welt zu produzieren,
in der Geschichte als absurde Serie von unverständlichen
und unbeeinflußbaren Desastern erscheint. Diese von eth-
nischen Kriegen und rassistischem Haß, von Gewalt und
Verbrechen überfüllte Welt ist derart unbegreiflich und
angsteinflößend, daß man sich vor ihr nur zurückziehen
und in Sicherheit bringen kann. Und das durch den Jour-
nalismus vermittelte Weltbild ist um so weniger geeignet,
zu mobilisieren und zu politisieren, wenn es (wie dies im
Zusammenhang mit Afrika oder der banlieue oft geschieht)
mit ethnozentrischer oder offen rassistischer Verachtung
einhergeht – im Gegenteil: Es werden xenophobe Ängste
geschürt, ganz wie der trügerische Eindruck, Verbrechen
und Gewalt nähmen ständig zu, die Beklemmungen und
Phobien bestärkt, von denen sich das Sicherheitsdenken
nährt. Das Gefühl, die Welt, wie das Fernsehen sie zeigt,
biete dem gewöhnlichen Sterblichen keine Handhabe,
verbindet sich mit dem Eindruck, daß das politische Spiel
ähnlich wie der Hochleistungssport mit seiner scharfen
Trennung zwischen Praktizierenden und Zuschauern eine
Sache für Profis ist, und bestärkt vor allem bei wenig Po-
litisierten die fatalistische Ablehnung jeden Engagements,
die natürlich der Konservierung der bestehenden Verhält-
nisse dient. Man muß schon ein sehr zähes Vertrauen in
das (unleugbare, aber doch begrenzte) Potential des Volkes
zum »Widerstand« haben, um mit einer gewissen »postmo-
dernen Kulturkritik« davon auszugehen, der Zynismus der
Fernsehproduzenten, die sich in ihren Arbeitsbedingungen,
ihren Zielen (dem Ringen um maximale Vermehrung des
Publikums, um das »gewisse Plus«, das ausmacht, daß
etwas »sich besser verkauft«) und ihrer ganzen Denkweise
immer mehr den Werbeagenten nähern, fände seine Grenze
oder sein Gegengift in dem aktiven Zynismus der Zuschau-
er (den vor allem das zapping illustriert): Die Fähigkeit, bei
strategischen Spielen des Typs »Ich weiß, daß du weißt, daß
ich weiß« reflexiv und kritisch mitzuhalten und die vom
manipulatorischen Zynismus der Fernseh- und Werbe-
produzenten angebotenen »ironischen und metatextuellen«
Botschaften auf einer dritten und vierten Verstehensebene
zu überbieten, als universell gegeben voraussetzen, heißt
nämlich, einer der perversesten Formen der scholastischen
Illusion in ihrer populistischen Fassung aufsitzen.
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