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Saartje Bartmann

ein postkoloniales Frauenbild

Referat
gehalten von Markus Saxinger
am 9. Dezember 2005

im Rahmen des Seminars

Die „Hottentotten-Venus“.
Konstruktionen schwarzer Weiblichkeit zwischen „Kunst“ und „Wissenschaft“

bei Kerstin Brandes

Fachbereich 09 - Kunstwissenschaften
Universität Bremen
Inhaltsverzeichnis

1.1) Intention dieses Referates Seite 3


1.2) Theoretische Grundlage der Arbeit 3

2.1) Nation als Familie 3


2.2) Das Familienbild der Nation 4
2.3) Biologismus als Grundlage der Nationenbildung 4

3.1)„Nation“ glorifiziert die Vergangenheit 5


3.2)„Nation“ strebt nach Fortschritt 6
3.3)Fortschrittsglaube als Legitimation von Rassismus und Kolonialismus 6

4.1)Nation ist gendered 7


4.2)Nation als organisches Wesen 7

5.1)Postkolonialismus – Chance und Herausforderung 8


5.2)Gerndering setzt sich im Postkolonialismus fort 8
5.3)Feministische Theorie des Nationalismus 9

6.1)Das Bild von Saartje Baartman 10


6.2)Beschreibung des originalen Bildes 11
6.3)Die Veränderung am Bild 12
6.4)Der Bildkontext 12

7.1)Der Nationale Frauentag 12


7.2)Nationaler Frauentag wird Saartje Baartman gewidmet 13

8.1)Die Kleidungszeremonie für Saartie Baartman 14


8.2Saartie Baartman wird zur nationalen Symbolfigur 15
8.3)Saartie Baartman als Figur für nationale Einheit 15
8.4)Nach wie vor Bruchstellen in der nationalen Einheit 16

9.)Die Verbreitung des Bildes von Saartie Baartman


9.1)Saartie Baartman Centre for Women and Children 16
9.2)Nationales Kulturerbe in Hankey 16

10)Resumé 17

11)Abschliessende Gedanken 18
1.1) Intention dieses Referates
Mit dem Ende des Apartheid Regimes in Südafrika entstand eine neue 3
Südafrikanische Nation, eine Nation, die nicht mehr wie zuvor eine Minderheit
repräsentieren sollte, sondern ihrem Anspruch nach alle Bewohnerinnen und
Bewohner des Landes. Wie weit die post-apartheid Nation Südafrikas diesem
Anspruch gerecht zu werden vermag, übersteigt die Beurteilung durch eine
einfache Hausarbeit. Jedoch möchte ich in diesem Kontext das Bild einer Frau in
Betracht ziehen, das sehr häufig im Zusammenhang mit dem südafrikanischen
Nationenbildungsprozess steht: ein Bild von Saartje Bartmann. Ich möchte in
diesem Text der Frage nachgehen, welche Frauenrolle mit diesem „Frauenbild“
verkörpert wird und ob ausgehend von diesem Frauenbild in der entstehenden
Nation Frauen eine gleichberechtigte Repräsentation und Partizipation erfahren
können?

1.2 )Theoretische Grundlage der Arbeit


Um dieser Frage nachzugehen, beziehe ich mich auf den Aufsatz „No Longer in a
Future Heaven“: Nationalism, Gender and Race von Anne McClintock. Darin setzt
sie sich kritisch mit „Nationalismus“, bzw. der Bildung nationaler Identitäten unter
dem Zusammenspiel der Geschlechterverhältnisse und der Ethnizität mit dem
besonderen Augenmerk auf die Begriffe „Familie“ und „Zeit“ auseinander. Dabei
schlussfolgert sie, dass die Schaffung einer Nation eine historische Praxis zur
Herausbildung sozialer Unterschiede ist: „Nations are contested systems of
cultural representation that limit and legitimize peoples access to the resources of
the nation-state“1 Ausgehend davon, wie im Bildungsprozess europäischer
Nationalismen Geschlechterverhältnisse in Bezug auf die „Nation“ festgelegt
werden bezieht sie sich auf postkoloniale Theorien. Denn so wie sie feststellt, dass
Frauen im Bildungsprozess der Nationen in Europa praktisch nicht vorkamen und
unsichtbar blieben, kommt sie zu dem Schluss, dass in den postkolonialen
Definitionen von Nationalität das weibliche Geschlecht als Akteur zumeist
ebenfalls unberücksichtigt bleibt, bzw. nicht vorgesehen ist, d.h. die Schemata der
Ausgrenzung, die der europäische Nationalismus vorgenommen hat, existieren
auch im Nationalismus postkolonialer Prägung. Dabei stellt sich Anne McClintock
jedoch nicht grundsätzlich gegen den Postkolonialismus an sich, gleichwohl sie
ihren Aufsatz schon damit beginnt, zu betonen, dass Nationalismen grundsätzlich
„gendered“, d.h. von Geschlechterverhältnissen definiert sind und demnach auch
grundsätzlich Gefahren mit sich bringen. Aber sie kritisiert ebenso die Tatsache,
dass viele „weisse“ Feministinnen Begriffe wie „Ethnizität“ und „Nationalität“
außen vor lassen sondern stellt vielmehr Überlegungen an, wie eine feministische
Theoriebildung in Bezug auf Nationalismus von statten gehen könnte.

2.1)Nation als Familie

Auffällig zeigt sich in McClintocks Aufsatz, dass Nationen zumeist mit


Familienbildern bzw. häuslichen (Familien)Wohnraum bildlich und literarisch
dargestellt werden. Allein schon der Begriff „Nation“ leitet sich vom lateinischen
„natio“- zu deutsch „Geburt“ ab. Anne McClintock benennt hierzu verschiedene

1 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race in Becoming National: A Reader
von Geoff Eley and Ronald Grigor Suny - Seite 260
Begriffszuweisungen wie z.B. „Vaterland“ oder „Mutterland“ oder, wie in der
englischen Sprache gängig, AusländerInnen ein anderes Land „adoptieren“ und
sich in die Nationale „Familie“ integrieren, „Foreigners „adopt“ countries that are
not their native homes and are naturalized into the national „family““2. Für das
Verhältnis der verschiedenen Nationen zueinander steht im englischen der Begriff:
„Family of Nations“. In den USA werden der Präsident und seine Ehefrau als
„First Family“ bezeichnet und in Südafrika galt Winnie Mandela vormals als
„Mutter der Nation“.

Dass diese Implizierung von Nation mit Familie in keiner Weise harmlos ist, zeigt
die von McClintock herausgearbeitete Feststellung, dass Hierarchien innerhalb der
jeweiligen Nationen durch familiäre Begriffe legitimiert wurden, bzw. als
naturgegeben und deshalb nicht veränderbar dargestellt wurden. „Hierarchies
within the nation could be decipted in familial terms to guarantee social difference
as a category of nature“. Koloniale Herrschaft wurde ebenso mit familiären
Vergleichen legitimiert, indem der „Weisse Vater“ die „Schwarzen Kinder“
beschützen und erziehen müsse „the colony as a „family of black children ruled
over by a white father““3

2.2)Das Familienbild der Nation

In dem Kapitel „The national family of Man: A domestic Genealogy“ wird auf den
paradoxen Umgang mit dem Familienbild im Zusammenhang mit Nationen
hingewiesen. Denn zum Einen betont Anne McClintock: „nations are symbolically
figured as domestic genealogies“4, was den geschichtlichen Verlauf der Nation
untermalt, gleichzeitig stellt sie heraus, dass im westlichen Kulturkreis seit dem 19.
Jhd. die Familie als die Antithese zur Geschichte herausgebildet wurde, d.h. es
wird impliziert, dass die Familie in ihrer bestehenden Form seit jeher existierte und
auch immer in dieser bestehenden Form existieren wird: „The family itself has
been figured as the antithesis of history.“ Anne McClintock betont in diesem
Zusammenhang, dass das Sinnbild „Familie“ eine Schöpfungsgeschichte für die
Nation bietet, während die Familie als Institution von jeglicher Geschichtlichkeit
und damit auch von jeglicher Macht losgelöst wird. Wichtig ist hierbei, was im
weiteren Verlauf dieser Arbeit noch stärker herausgearbeitet wird, die Tatsache,
dass die als ahistorisch betrachtete Institution „Familie“ der Frau zugeordnet wird:
„...the family itself (conventionally the domain of private, female space) was
figured as beyond history.“5

2.3) Biologismus als Grundlage der Nationenbildung

Um 1850, in der Zeit in der in Europa der Nationenbildungsprozess im Gange war


und die entsprechenden Darstellungsweisen und Allegorien für die jeweilige
Nation herausgebildet wurden, entwickelte sich auch der Sozialdarwinismus zu
einer prägenden Ideologie. In diesem Zusammenhang wurde dem
Familienstammbaum eine besondere Rolle zuteil. Die bildliche Darstellung aus der
2 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 262
3 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 262
4 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 262
5 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 262
Biologie für Ahnenfolgen wurde von den derzeitigen Ideologen verwendet, um die
„Evolution des Menschengeschlechts“ in einer Weise darzustellen, die eine neue
Schöpfungsgeschichte zeichnet, in der die Hierarchien als naturgegeben dargestellt
werden. „It offers a „natural“ trope for sanctoning national hierarchy within a
putative organic unity of interests.“6

3.1„Nation“ glorifiziert die Vergangenheit

Im Kapitel „The gendering of nation time“ zeigt McClintock eine ähnliche


Paradoxie wie im Verhältnis von der Nation zur Familie im Verhältnis der Nation
zur Zeit. Die Nation ist einerseits im Zuge des westlichen Fortschrittsgedankens
entstanden, sie sollte sich beständig weiter entwickeln, indem sie den
(ökonomischen und naturwissenschaftlichen) Fortschritt huldigte. Andererseits,
hier greift sie auf Tom Narim zurück, nimmt die Nation Bezug auf ihre
archaischen Wurzeln: „Gazing back into the primordial mists of the past, the other
into an infinitive future“7, oder auch: „For (Walter) Benjamin, a central feature of
nineteenth century industrial capitalism was the „use of archaic images to identify
what was historically new about the 'nature' of commodities.““8 Der Nationalismus
betreibt also eine Nostalgie der „guten alten Zeit“, indem vorindustrielle
Lebensformen hochstilisiert werden, wie es beispielsweise der
Nationalsozialismus mit der „Blut und Boden Ideologie“ betrieb.

Ein eindrucksvolles Beispiel für diese Glorifizierung der Vergangenheit liefert


McClintock im Kapitel: „Inventing the archaic: the tweede (second) trek“ mit der
Beschreibung des „Tweede Trek“, einer Inszenierung des „Großen Trek“, der
Flucht der südafrikanischen Buren vor den Briten in das Hinterland und die darauf
folgenden Massaker an den Zulus. „In 1938, two decades after the recognition of
Africans as a language, an epic extravaganza of invented tradition enfamed
Afrikanerdom into aa delirium of nationalist passion. Dubbed the Tweede Trek
(second trek), or the Eeufees (centenary), the event celebrated the Boers' first
mutinous Great Trek in 1838 away from British laws and effrontery of slave
emancipation. ... Nine replicas of Voortrekker wagons were built in a vovid
example of the reinvention.“9 Zu diesem Ereignis bemerkt McClintock: „The
Tweede Trek was inspired not only by the Nazi creed Blut und Boden but by a
new political style: the Nurenberg politics of fetisch symbol and cultural
persuasion.“10 So wurde ein Ursprungsmythos der Buren als Nation, bzw. des
weissen Südafrikas unter dem Vorzeichen der Apartheid als eigenständige Nation
zelebriert, indem die entbehrungsreiche Vergangenheit, in der mit vorindustriellen
Mitteln das südafrikanische Hinterland erobert und dann besiedelt wurde. Die
Entbehrungen, welche die Trekker sicherlich hatten, werden in Verbindung mit
dem grausamen Massaker an 3000 Zulu Kriegern, um ihren Besitzanspruch über
das Land Geltung zu verschaffen, zu Heldentaten erklärt.

So wie Walter Benjamin die Benutzung archaischer Begriffe durch den


Nationalimus zur Erklärung des neuen Charakters der warenförmigen Natur der
6 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 262
7 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
8 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
9 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 273
10 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 273
Dinge im Zuge der Entwicklung des Modernen Kapitalismus betonte, kommt
McClintock vor dem Hintergrund des Beispiels Tweede Trek zu der Erkenntnis,
dass die Warenförmige Natur der Dinge neue Möglichkeiten zur Herausbildung
einer suggestiven Einheit bietet: „Indeed the singular power of nationalism since
the late nineteenth century , I suggest, has been its capacity to organize a sense of
popular, collective unity through the management of mass national commodity
spectacle.“11

3.2)Nation strebt nach Fortschritt

Während die Vergangenheit entsprechend hochstilisiert wurde, hatte man mit


McClintocks Worten die Zeit „säkularisiert“, um damit den Fortschritt zu
bemessen, ihm dadurch zu huldigen und entgegen zu eifern. „Säkularisierte Zeit“
bedeutet in diesem Fall, dass Zeit und Zeitspannen wie z.B. Raum vermessen
wurden, so dass sie auf einer Zeittafel bildlich darstellbar wurde. Die Zeit wurde
damit Sichtbar und damit auch vergleichbar. Ebenfalls anhand einer Zeittafel
darstellbar wurde damit „Fortschritt“. Man konnte jetzt mit einer anscheinenden
wissenschaftlichen Grafik darstellen, wie „weit“ eine Nation auf dem Weg in die
Zukunft fortgeschritten ist. Man konnte sich fortan darüber ereifern vergleichbar
wie bei einem sportlichen Wettkampf , wer weit „vorne“ und wer „rückständig“ ist.
„In the process history, especially national and imperial history, took on the
character of a spectacle.“12

3.3)Fortschrittsglaube als Legitimation von Rassismus und Kolonialismus

Zeit wurde nicht nur „säkularisiert“, sie wurde auch „domestiziert“13: Hierbei
kommen wieder Begriffe aus dem Bereich „Familie“ ins Spiel, sowie der bereits
behandelte „Stammbaum“. Der vorherrschende Sozialdarwinismus versuchte die
nationale Politik auf eine Zeitschiene des menschlichen Stammbaumes zu
projizieren, um so den Vergleich zur Familie zu erzielen. Daran sollte die
Überlegenheit der weissen Rasse und der westlichen Nationen dargestellt und
Kolonialismus und Imperialismus gerechtfertigt werden, indem von „erwachsenen“
Nationen geredet wurde, den Nationen, die Kolonien bilden und von den Völkern,
die noch nicht in diesem Stadium, d.h. noch nicht reif seien und sich noch in einem
früheren, d. h. weiter zurück liegenden Stadium befänden.

Die Tatsache, dass nur Europäische Nationen „erwachsen“ sind, d.h.


Kolonialismus betreiben, bot wiederum die Möglichkeit, anhand der
Entwicklungsstammbäume, die jetzt gezeichnet werden konnten, Rassismus
wissenschaftlich zu legitimieren. „The image of the evolutionary progress was
represented as a series of anatomically distinct family types, organized into a linear
Prozession from the „childhood“ of „primitive“ races to the enlightened
„adulthood“ of European imperial nationalism.“14 Die kolonialisierten Völker
werden, weil sie angeblich keinen eigenständigen Fortschritt schaffen konnten auch
als archaische Relikte angesehen, die keine Geschichte haben, also ahistorisch sind.
11 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 273
12 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
13 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 264
14 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 264
Als eine Antithese zum Postkolonialismus liesse sich daraus ableiten, die
kolonialisierten Völker seien gar nicht in der Lage einen eigenen
Nationenbildungsprozess zu führen.

4.2)Nation ist gendered

Das als universalistisch angesehene Konzept von Nationalität mittels einer


Staatsbürgerschaft zeigt sich nach McClintock auch aus Frauenperspektive anders,
weil es ursprünglich die Frauen gar nicht vorgesehen hatte, Frauen hatten keine
Nationalität. Der Code Napopléon war das erste Gesetz, das die Staatsbürgerschaft
und damit auch die Nationalität von Frauen geregelt hat. Demnach sollte die
Staatsbürgerschaft einer Frau nach der Nationalität de Ehemannes festgelegt
werden. Andere Nationalstaaten übernahmen diese Regelung. Hierin sieht
McClintock den unmittelbaren Beweis, dass im Konzept des europäischen
Nationalismus ein Gendering zu Ungunsten der Frauen stattfand: „This chapter is
directly concerned with the consequences for women of this uneven gendering of
the national citizen.“15

Die gerade beschriebene ahistorische Rolle, die den kolonialisierten Völkern


zugeschrieben wurde, hatte man im Bildungsprozess der europäischen Nationen
auch den europäischen Frauen zugeschrieben. „Women are represented as the
atavistic and authentic body of natural tradition (inert backward-looking and
natural), embodying nationalism's conservative principle of continuity.“16 Während
also die Frau, den Part als Bewahrerin der Tradition zugeschrieben bekommt, in
dem sie die Rolle als Hüterin des Hauses übernimmt, wo sie sich um die Familie zu
kümmern hat, die wie bereits erwähnt ebenfalls als geschichtslos, d.h. als ewig
gleich bleibend und archaisch gilt, ist die männliche Zuschreibung die des
fortschrittlichen, zukunftsgewandten Parts. „Men by contrast, represent the
progressive agent of national modernity (forward-thirsting, potent and historic),
embodying nationalism's progressive and revolutionary, principle of
discontinuity.“17

Auch hierfür eignet sich das Beispiel des Tweede Trek hervorragend: McClintock
beschreibt, dass alle nachgebauten Planwagen nach einem (männlichen) Helden
des Tweede Trek benannt wurden und ein Wagen wurde ganz allgemein der Name
„Frau und Mutter“ gegeben. Sie konstatiert dazu: „This wagon, creaking across the
country, symbolized woman's relation to the nation as indirect, mediated through
her social relation to men, her national identity lying in her unpaid services and
sacrifices, through husband and family, to the volk.“18

1. 4.2) Nation als organisches Wesen

Indem das widerspüchliche Zeitverhältnis des Nationalismus den Geschlechtern


zugeschrieben wird, stellt McClintock eine Auflösung dieses Widerspruchs,
zwischen den Streben in die Zukunft bei gleichzeitigem Verhaften an der
15 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
16 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
17 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 263
18 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 273
Vergangenheit, fest: „Nationalism's anomalous relation to time is thus managed as
a natural relation to gender.“ Die Besetzung zweier entgegengesetzter Pole
innerhalb der Nation durch Männer und Frauen, bzw. indem diese Besetzung dieser
Pole durch die Geschlechter zumindest suggeriert wird, vermag die Nation als
Ganzes eben die beiden gegensätzlichen Pole zu besetzten. Noch stimmiger
erscheint diese Annahme, wenn die Geschlechterverhältnisse als naturgegeben
angesehen werden, das Wesen der Nation erscheint dann als ein ebenfalls
naturgegebenes, geradezu organisches Wesen.

5.1) Postkolonialismus – Chance und Herausforderung

Nun liegt der Nationenbildungsprozess in Europa rund 150 Jahre zurück.


Pseudowissenschaften wie der Sozialdarwinismus gelten nicht mehr unbedingt als
fundierte Wissenschaft und auch die biologische Determination der anscheinend
bipolaren Geschlechterrollen gilt in der aktuellen Wissenschaft eher als
zweifelhaft. Demnach ergäbe sich auch die Möglichkeit, dass in heute
stattfindenden nationalen Formationsprozessen die beschriebenen Ausgrenzungen
keine Wiederholung finden.

Der Postkolonialismus liefert die theoretische Grundlage für die


Nationenbildungsprozesse in den von den europäischen Nationen kolonialisierten
Ländern, die in den vergangenen Jahrzehnten von statten gingen und immer noch
stattfinden. Dabei steht die Überwindung der auf Grundlage von Rassismus, bzw.
der bereits geschilderten von den europäischen Nationen suggerierten
Überlegenheit über andere Völker, geschaffenen ökonomischen Ausbeutungs- und
der kulturellen Unterdrückungsstrukturen. Postkolonialismus versucht quasi die
Antithese zum europäischen Rassismus zu bilden.

Wichtig ist noch einmal zu betonen, dass mit der Herausbildung nationaler Einheit
einer Nation auch der Ausschluss derer die nicht dazugehören einhergeht. Das hat
das erwähnte Beispiel des Tweede Trek eindrucksvoll darlegen können. Indem eine
Nation weisser Siedler begründet wird, werden alle, anderen Bewohner des Landes
ausgeschlossen. Für die schwarze Bevölkerung Südafrikas bedeutet das eine
ideologische Verdichtung der Kolonialerfahrung.Sie werden per Definition der
neuen weissen Nation und mit der Erringung deren unabhängigen Nationalstaates
zu quasi Fremden im eigenen Land deklariert. Dies erfordert nach dem Ende des
Apartheitsregimes erhebliche Anstrengungen, um eine neue Nation herauszubilden,
die keine Bevölkerungsgruppe mehr ausschliesst.

5.2)Gerndering setzt sich im Postkolonialismus fort

Doch wie sieht der Nationenbildungsprozess in Bezug auf die Rolle der Frauen im
Postkolonialen Kontext aus? McClintock konstatiert in dem Aufsatz: „Yet with
the notable exeption of Frantz Fanon, male theorists have seldom felt moved to
explore how nationalism is implicated in gender power.“ Und alle Klassiker des
postkolonialen Theorien waren Männer. Auch bei dem gerade gelobten Frantz
Fanon stellt McClintock letztendlich fest, dass er zwar das Prinzip der gendered
power erkannt, aber keine praktischen Rückschlüsse gezogen hat. So bringt sie ein
Beispiel von Fanon, wo er die Wünsche des „native“ beschreibt; „...to sit at the
settlers table, to sleep in the settlers bed, with his wife if possible“19 und
schlussfolgert: „For Fanon both colonizer and colonized are here unthinkingly
male and the Manichean agon of decolonization is waged over thr territoriality of
female, domestic space.“20

Die praktische Grundlage für den Nationenbildungsprozess war zweifellos der


Kampf um Nationale Befreiung, in Form von politischen, kulturellen und in vielen
Fällen auch bewaffneten Wiederstandes. In sämtlichen Formen der nationalen
Befreiungskämpfe haben Frauen aktiv mitgewirkt. Diese aktiv kämpfenden Frauen
nicht in Betracht zu ziehen, ist eine fatale Verfälschung historischer
Begebenheiten. Tatsächlich gilt aber bis heute, wie McClintock feststellt: „Women
are typically constructed as the symbolic bearers of the nation, but are denied any
direct relation to national agency.“21 Dies lässt bzgl. Nationalimus Cynthia Enloe,
zu folgender Feststellung kommen: „Typically sprung from masculinized
humliation and masculinized hope.“22, wie sie in McClintocks Aufsatz zitiert wird.

5.3)Feministische Theorie des Nationalismus

Anne McClintock schlussfolgert daraus die Notwendigkeit, eine feministische


Theorie des Nationalismus zu entwickeln. Für diese Theoriebildung sieht sie in den
folgenden vier Punkten eine Herausragende Bedeutung:

1.„investigating the gendered formation of sanctioned male theories“23, d.h. wie in


dem Beschriebenen Beispiel von Fanon zu Verdeutlichen, dass die Sichtweise
einer Frau darin nicht vorkommt.

2.„bringing into historical visibility women's active cultural and political


participation in national formations“24, es bedarf also einer Geschichtsschreibung,
die explizit die akive Partizipation von Frauen benennt.

3.„bringing nationalist institutions into critical relation with other social structures
and institutions“25, d.h. das Verhältnis der nationalen Institutionen zu z.B.
Familienstrukturen, Ethnizität oder Religion, sowie politische und kulturelle
Organisationen und die Auswirkungen auf diese, bedürfen einer besonderen
Aufmerksamkeit.

4.„paying scrupulous attention to the structures of racial, ethnic and class power
that continue to bedevil privileged forms of feminism“26, d.h. andere Herrschafts-
und Unterdrückungsverhältnisse ausser acht zu lassen, würde den Feminismus
entwerten. Sie Kritisiert in diesem Zusammenhang auch Europäische
Feministinnen mit dem Vorwurf: „Issues of ethnicity and nationality have tended to

19 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
20 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
21 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
22 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 260
23 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
24 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
25 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
26 „No Longer in a Future Heaven“ Nationalism, Gender, and Race – Seite 261
be ignored.“

6.1) Das Bild von Saartje Baartman

Vor diesem Hintergrund möchte ich mich nun diesem Frauenbild zuwenden, das an
verschiedenen Stellen des heutigen Südafrika auftaucht:

Es ist ein Bild von Saartje Bartmann, die unter der Bezeichnung „Hottentotten
Venus“ bekannt wurde. Bartmann war eine Khoi Frau, die Ende des 18. Jhd. noch
als Teenager von Südafrika nach Europa, zuerst nach England und dann nach
Frankreich, gebracht wurde. Dort wurde sie als Kuriosität öffentlich ausgestellt und
viele Wissenschaftler der Zeit, wie z.B. Pasteur oder Cuvier, betrachteten sie als
Untersuchungsobjekt. Das Bild ist der Onlineausgabe von Sephadi27 entnommen,
dem Mitteilungsmagazin des ANC, der vorherigen Dachorganisation des
Wiederstands gegen das Apartheid Regime und der heutigen Regierungspartei
Südafrikas.Das Bild basiert auf folgender Illustration aus dem Jahr 1815:

6.2)Beschreibung des originalen Bildes

27http://www.anc.org.za/ancdocs/pubs/sephadi/2002/3rd-term/
Bei dem Bild, ursprünglich entnommen aus einer biologischen Abhandlung
„Histoire naturelle des mammiferès“, gemalt von einem unbekannten Künstler,
handelt es sich um eine wissenschaftliche Illustration -eine Zeichnung ausgefüllt
mit Wasserfarben auf Pergament, im Hochformat.

Am unteren Ende des Bildes befindet sich ein in Schreibschrift gehaltener


französischer Text, der mit einer darüberliegenden Abbildung illustriert wird. Für
mich erkennbar ist dabei aber nur der Titel Femme de race Bôchisman. Dargestellt
wird vordergründig eine nackte Frauengestalt, stehend, frontal dem Betrachter
zugewandt, in der Normalperspektive. Die Figur -formatfüllend- erstreckt sich im
Wesentlichen über das ganze Bild.

Der Hintergrund ist ausgespart. Ein Untergrund auf dem sie platziert ist, leicht
angedeutet in einer felsartigen mit gräulich-naturfarbenen Wasserfarben
ausgefüllten Schraffur, versehen mit einigen angrenzenden groben, lockeren grünen
Pinselstrichen.

Auf dem nur schematisch angedeuteten Untergrund ist eine Frauengestalt


positioniert. Diese hebt sich sowohl vom Untergrund als auch vom Hintergrund
durch Ihre deutlichen dunklen Konturen und Ihrem mit brauntönigen Wasserfarben
ausgefüllten Körper sehr stark ab. Die Frauist sehr detailliert, in großer
anatomischer Genauigkeit dargestellt. Ihr Körper erscheint in einer enormen
Plastizität. Muskeln und einzelne
Körperpartien sind sehr deutlich nachgezeichnet, unterstützt und verstärkt durch
den Einsatz starker Schattierungen. Die Frau selbst ist von stämmiger Natur, mit
ausladenden Hüften und großen Brüsten und Brustwarzen. Im Mittelpunkt des
Bildes ist Ihre Scham. Das Gesicht ist emotionslos. Sie schaut den Betrachter
nahezu ausdruckslos an, mit locker herabhängenden Armen. Der Mund ist
geschlossen. Ihr Haar ist sehr kurz geschnitten, dunkel und lockig.

In Auftrag gegeben wurde die Abbildung von dem französischen Zoologen und
Paläontologen Frederic Cuvier und seinem Landsmann dem Zoologen Etienne
Geoffroy Saint-Hilaire für obig genannte „Abhandlung“ über Säugetiere.

Saartje Bartmann scheint komplett entpersonifiziert. Dargestellt wird allein Ihr


nackter Körper, ganz im naturwissenschaftlichen Stil, reduziert auf seine reine
Anatomie im Stil naturwissenschaftlicher Darstellungen wie wir sie aus
Biologiebüchern von Lebewesen oder Pflanzen kennen. Möglicherweise sind Ihre
ausladenden Proportionen sogar leicht überzogen dargestellt, um markante
Merkmale Ihrer „Spezies“ herauszuarbeiten. Der Blick bleibt beim Betrachten des
Bildes vor allem im Bereich der Hüften und der Brüste hängen, ihr Gesicht spielt
dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die Tatsache, dass Saartje Bartmann in völlig entpersonifizierter Weise in einem


Buch über Säugetiere illustriert wurde, bedarf meines Erachtens keiner weiteren
Kommentierung mehr.

6.3)Die Veränderung am Bild


Die heutige Darstellung Baartmans ist nur der Kopf der ursprünglichen Abbildung.
Das Augenmerk steht in ihrem Gesicht. Man sieht nicht mehr, dass sie nackt ist,
bzw. ursprünglich nackt gemalt wurde. Der Kopf ist nicht in Farbe, sondern in
Schwarz-Weiß (wobei einige Internet Seiten auch den Farbigen Kopf der
Illustration verwenden). Der Charakter einer anatomischen Illustration
verschwindet dadurch.

Bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, dass in der modernen Version der Kopf
runder ist, als in der ursprünglichen Illustration. Ansonsten ist die
Übereinstimmung sehr groß. Ich nehme an, dass es keine einfache Kopie der
Illustration aus dem 19 Jhd. ist, diese aber zum Vorbild genommen wurde, weil es
das Aussehen der Saartje Bartmann anscheinend sehr überzeugend getroffen hat
(ohne dass man heute wissen kann, wie sie wirklich ausgesehen hat).

6.4)Der Bildkontext

Der Kontext in dem das Bild auf der Internet Seite von Sephadi steht, ist die
Zeremonie um die Rückführung der sterblichen Überreste der Saartje Bartmann im
Vorfeld des 9. August 2002. Der 9. August ist der nationale Frauentag Südafrikas.
Der offizielle Rahmen zur Begehung des nationalen Frauentages ist im Jahr 2002
die Beisetzung der Saartje Bartmann. Im selben Text des Sephadi befindet sich
weiter unten das selbe Bild der Saartje Bartmann mit einem roten Festband
eingelegt, das den Schriftzug „National Womens Day 9thAug“ trägt. Das Bild
mutete wie ein offizielles Plakat zum Frauentag an:

7.1)Der Nationale Frauentag

Der 9 August wurde zum nationalen Frauentag erkoren, im Gedenken daran, dass
im Jahr 1956: „... about 20,000 women marched to the Union Buildings in Pretoria
to protest against the proposed amendments to the Urban Areas Act of 1950. This
Act was meant to "tighten up control of movement of African women to town,
registration of their service contracts, and a compulsory medical examination for
all African women town-dwellers" (Walker; 1982: p.129). This Act was also meant
to extend passes to African women in a form of reference books . The march was
organised under the banner of the Federation of South African Women, and
challenged the idea that 'a women's place is in the kitchen', declaring it instead to
be everywhere'.“28 Anlässlich des 50. Jahrestags dieses Protestes wurde das Jahr
28http://www.sahistory.org.za/pages/specialprojects/womens-struggle/frameset.htm
2006 zum "Year of the Women in South Africa"29 erkoren.

7.2) Nationaler Frauentag wird Saartje Baartman gewidmet

Der Text zu dem Nationalen Frauentag 2002 trägt die Überschrift: „Sarah
Bartmann dignity finally restored“ und er leitet ein mit: „History has always been
harsh to Africans but to Sarah Bartmann, a daughter of the soil, it was even worse.
A sober atmosphere filled the National Assembly as parliamentarians put aside
their differences and paid tribute to our ancestor on the 8th of August 2002.“30
Saartje Bartmann wird mit dieser Aussage zum Sinnbild für die Rassistische
Ausbeutung und Unterdrückung aller Menschen Afrikas stilisiert. Ihr leidvolles
Schicksal wird zu einem Ursprungsmythos des Südafrikanischen Volkes erkoren
und gleichzeitig (wohl weil sie vor über zwei Jahrunderten lebte) vom Autor des
Textes zu „unserer Vorfahrin“ ernannt.

Am Ende zitiert er den südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki aus seiner Rede
zum Nationalen Frauentag. „We cannot undo the damage that was done to her. But
at least we can summon the courage to speak the naked but healing truth that must
comfort her whenever she may be. I speak of courage because there are many in
our country who would urge constantly that we should not speak of the past. They
pour scorn on those who speak about who we are and where we come from and
why we are where we are today. They make bold to say the past is no longer, and
all that remains is a future that will be. But, today, the gods would be angry with us
if we did not, on the banks of the Gamtoos River, at the grave of Sarah Bartmann,
call out for restoration of the dignity of Sarah Bartmann, of the Khoi-San, of the
millions of Africans who have known centuries of wretchedness.“31 Ich stimme
zweifellos zu, dass es bedeutend ist, sich über die eigene Vergangenheit und die
eigenen Ursprünge bewusst zu sein, um sich die Gegenwart zu erklären. Interessant
hierbei ist jedoch, dass in diesem Fall eine Frau, die Saartje Bartmann, vergleichbar
wie in McClintock's Analyse, als Synonym der archaischen Vergangenheit der
Nation herangezogen wird. Der Wesentliche Unterschied ist hierbei, dass nicht
neben der Frau, die für den Ursprung steht, der Mann im Streben nach Fortschritt
in diesem Nationalen Kontext in den Vordergrund tritt, sondern die
entpersonalisierte archaische Frau als Opfer eben dieses nach Fortschritt
strebennden Mannes einer anderen Nation - Europas. Dieser Mann, bzw. die
Männer, die für ihr Schicksal verantwortlich sind, sind eindeutig personalisierbare
Männer. Man weiss, wer sie ausgestellt, wer sie untersucht und wer über sie
geschrieben hat. Die Namen dieser Männer sind bekannt und viele Schriften von
ihnen und über sie sind überliefert – sie haben Geschichte gemacht. Aber man
weiss in diesem Fall gar nicht, wer diese Frau eigentlich war. Über sie persönlich
ist nichts überliefert, ausser dass sie ein Opfer von Rassismus und von Sexismus
war.

Abschliessend sagt Mbeki: „Today we celebrate our National Women's Day. We


therefore convey our congratulations and best wishes to all women of our country.
We mark this day fully conscious of the responsibility that falls on us to ensure that
29http://www.capegateway.gov.za/eng/directories/projects/15148/127784
30http://www.anc.org.za/ancdocs/pubs/sephadi/2002/3rd-term/
31http://www.anc.org.za/ancdocs/pubs/sephadi/2002/3rd-term/
we move with great speed towards the accomplishment of the goal of creation of a
non-sexist society. ... It will never be possible for us to claim that we are making
significant progress to create a new South Africa if we do not make significant
progress towards gender equality and the emancipation of women.“32 Hierzu
möchte ich zuerst anerkennen, dass ein Staatschef die Notwendigkeit zur
Überwindung von Sexismus betont und sagt, dass ohne dessen Überwindung kein
neues Südafrika geschaffen werden könne. Im weltweiten Vergleich sind solche
Äusserungen durch die Staatsspitze zwar nicht einzigartig, aber doch in vielen
Ländern z.Z. nicht denkbar. Dass Mbeki solche Worte anlässlich eines Nationalen
Frauentages spricht, ist das Resultat davon, dass die Frauen in Südafrika für ihre
Rechte gekämpft haben und immer noch für ihre Rechte eintreten, und dass der
Kampf der Frauen ein Teil des Kampfes gegen die Apartheid war, der das neue
Südafrika, von dem Mbeki spricht, erst ermöglicht. Die Frauen Südafrikas haben
sich so eine politische Macht erkämpft, die nicht mehr ignoriert werden kann.

Aber der Alltag der südafrikanischen Frauen zeigt davon leider wenig. Von den
40% Arbeitslosen in dem Land sind 57% Frauen. Ein nicht unerheblicher Teil von
diesen sind alleinerziehende Mütter33, D.h. die Armut in Südafrika ist weiblich. In
dem Land finden 1,5 Millionen Vergewaltigungen pro Jahr statt, eine der höchsten
Raten weltweit34.
Dass Mbeki vor diesem Hintergrund behauptet, das Land würde sich mit hoher
Geschwindigkeit auf eine nicht-sexistische Gesellschaft zubewegen, erscheint fast
zynisch.

Vor diesem Hintergrund Frage ich mich auch, ob eine inszenierung einer Frau als
Opfer sinnvoll ist, wo doch so viele Frauen Opfer sind. Wäre nicht eine Frau die
Kämpft, eine Frau, die sich wehrt ein Symbol, das südafrikas Frauen erheblich
mehr Kraft und Inspiration geben könnte. Denn letztendlich vermittelt die
Regierung den Eindruck, da sie die Würde des Opfers wieder hergestellt hat:
verlasse Dich auf Deine Regierung.

8.1)Die Kleidungszeremonie für Saartie Baartman

Das bereits beschriebene Bild der Saartie Baartman erscheint noch an anderen
Stellen. So war es auch auf einer großen Tafel bei einer sogenannten
Kleidungszeremonie abgebildet, die im Vorfeld von Baartmans Beerdigung, nach
Vorgaben der Khoi Riten am 4. August 2002 in der Stadthalle von Kapstadt
stattfand.

Folgendes Foto ist in der Onlineausgabe der Zeitung Dispatch35 anlässlich dieses
Ereignisses abgebildet worden:

32http://www.anc.org.za/ancdocs/pubs/sephadi/2002/3rd-term/
33http://www.socialistworld.net/eng/2006/03/01iwd_02.html
34http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/4080162.stm
35http://www.dispatch.co.za/2002/08/05/southafrica/BART.HTM
Es trägt die Bildunterschrift: „Thought-Provoking: Khoisan leader John Little
listens to tributes to Sarah Bartmann at her enrobement ceremony“.

8.2)Saartie Baartman wird zur nationalen Symbolfigur

In dem Zugehörigen Artikel über die Kleidungszeremonie schreibt der Autor, dass
Südafrikas Botschafter in Frankreich Thuthu Skweyiya (die sterblichen Überreste
Baartmans wurden aus einem Museum in Frankreich überführt) dort sagte: „...she
was a symbol of the emancipation of South Africans and also a symbol of freedom
for Africa.“36 Die Frage an diesem Punkt ist allerdings, warum ist sie ein Symbol
für Freiheit und Emanzipation? Sie wird sich möglicherweise nach Freiheit und
Emanzipation gesehnt haben – wie die meisten Menschen. Dass gerade Sie zu
diesem Symbol wird liegt schlichtwegs daran, dass sie im Zuge dieser, von der
politischen Elite des Landes beigewohnten Zeremonie, dazu gemacht wurde.
Warum wurde ausgerechnet Sartie Baartman zu diesem Symbol gemacht, wo von
ihr doch hinsichtlich Befreiung oder gar Emanzipation gar nichts überliefert ist?

Die Frau zu wählen, die eine jede Frau Südafrikas zu jedem Beliebigen Zeitpunkt
in der Vergangenheit hätte sein können, weil man eben nichts über sie weiss, ist ein
bequemer Schritt. Man muss ihre Taten und ihre Worte nicht rechtfertigen – es gibt
sie nicht. Alle können sich so mit ihr identifizieren, indem sie wie in Sephadi zu
unser aller Vorfahr erklärt wird. Man muss nicht rechtfertigen, warum man statt
dessen der einen oder der anderen Gruppe bzw. Vertretern der Gruppe diese
Symbolhaftigkeit zuspricht. Der einzigen Gruppe, der man sie tatsächlich
zuspricht, sind die Khoi, eine der Marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen des
Landes.

8.3)Saartie Baartman als Figur für nationale Einheit

Darauf bezieht sich der Artikel im nächsten Absatz, indem er Themba Wakashe,
den Vize General-Direktor des Department of Arts and Culture bezgl. der
Zeremonie mit den Worten „apropriate and affirming to the Khoisan community“
zitiert, und er er fährt fort: „It is more than symbolic; it is an articulation of the
constitutional principles of this country. It's about nation building.“37 Saartie
Baartman soll eine Figur bilden, die als Symbol für die Befreiung und
Emanzipation des Landes symbolisiert und hinter der alles Bevölkerungsgruppen
stehen. Indem sie als eine Vertreterin der Khoi zu dieser Figur Gewählt wurde,
sollen die Khoi in die gemeinsame Nation integriert werden. Die Gedanken, die
mit dem Foto von John Little vor Baartmans Bildnis provoziert werden sollen,
sind vor allem die, dass mit dieser Zeremonie Südafrika einschließlich der
36http://www.dispatch.co.za/2002/08/05/southafrica/BART.HTM
37http://www.dispatch.co.za/2002/08/05/southafrica/BART.HTM
marginalisiertesten Gruppen als Nation zusammen geschlossen wird.

8.4)Nach wie vor Bruchstellen in der nationalen Einheit

Dass dieser Prozess des Nation Building dennoch nicht so einfach von statten geht,
zeigt sich aus einem Artikel der South African Broadcasting Corporation, der am 3.
Mai 2002, dem Tag von Baartmans Rückführung nach Südafrika erschien. Dort
heißt es, die Khoi Gemeinschaft im Northern Cape werfe der Regierung
Frankreichs und dem Department of Arts and Culture vor, sie nicht am Prozess der
Rückführung zu beteiligen. Und führt aus: „However, the Northern Cape
Department of Arts and Culture denies the charge. While the return of Baartman's
remains is being hailed by many, some members of the Khoisan community are
unhappy. They claim they were excluded even though they originally initiated the
campaign, and the Khoisan leaders, believe an explanation is still necessary as to
why this was so.“38 Interessant ist, das in dieser Internet Seite das vollständige Bild
Baartmans, wie es im Französischen Buch über Säugetiere abgebildet ist dargestellt
wird.

9.)Die Verbreitung des Bildes von Saartie Baartman


9.3)Saartie Baartman Centre for Women and Children

Dass das Ansinnen Saartie Baartman als Symbol für Freiheit und Emanzipation in
Südafrika Akzeptanz findet, zeigt sich daran, dass es auch jenseits der offiziellen
Veranstaltung dafür Verwendung findet. Ein Beispiel hierfür ist das Saartie
Baartman Centre for Women and Children, einem Frauenhaus, in dem Frauen seit
1999 Zuflucht vor sogenannter häuslicher Gewalt finden. Im Projektbericht39, der
die Ergebnisse der Arbeit von 1999 – 2004 auf 48 Seiten darlegt befindet sich das
gleiche Bild der Saartie Baartman auf dem Deckblatt umrundet von dem „o“ der
Überschrift „The Story“.

9.2)Nationales Kulturerbe in Hankey

Dieses Bild taucht in Südafrika noch in einem ganz anderen Zusammennhang auf:
In einer Internetseite für Tourismus in der Region Bavianns40, auf der Seite, die
über den größten Ort der gegend namens Hankey berichtet. Hier wird der Kopf der
Saartie Baartman in den original Farben neben diversen Fotografien der dortigen
Landschaft gezeigt. Das Bild kann angeklickt werden und man kommt auf eine
Seite, auf der das selbe Bild noch einmal großformatig erscheint und in der
Baartmans Geschichte kurz dargestellt wird. Man erfährt, dass sie in der Nähe von
Hankey begraben wurde. Nicht ohne Stolz endet der Text mit der Bemerkung, dass
Präsident Mbeki den Friehof zum nationalen Kulturerbe erklärt hat.

38http://www.sabcnews.com/politics/the_provinces/0,2172,33518,00.htm
39http://www.preventgbvafrica.org/Downloads/SBaartmanFINAL.july05.pdf
40http://www.baviaans.net/hankey.htm
10)Resumé

Es hat sich gezeigt, dass bei der Verwendung dieses Bildes der Saartie Baartman
im Kontext des nationalen Frauentags nationale Einheit und Würde wieder
herzustellen und gleichzeitig ein Symbol der südafrikanischen Emanzipation und
für die Freiheit des afrikanischen Kontinents zu schaffen viele der Muster
wiederholt werden, die Anne McClintock am Beispiel des europäischen
Nationenbildungsprozesses wiederholt werden. Vor allen, dass ein Frauenbild
benutzt wird, das ein Ideal einer archaischen vergangenheit Verkörpert und selber
auch ahistorisch ist, in dem Sinne, dass sie zwar opfer bestimmter historischer
Begebenheiten wurde, selber aber keine bestimmte Zeit verkörpert. Man weiß
nichts über sie als Person. Stattdessen betrachtet man sie als gemeinsame Urahnin
der Nation.

Abschliessend möchte ich noch einmal die vier Punkte, die McClintock zur
feministischen Theoriebildung in Bezug auf Nationalismus als bedeutend ansieht,
in Bezug auf die Verwendung von Saartie Baartman als Frauenbild für Südafrika
anwenden.

1. „investigating the gendered formation of sanctioned male theories“ Dieser Punkt


ist an dieser Stelle am schwierigsten in Verbindung zu bringen, weil in dem
Zusammenhang keine Theorien aufgestellt wurden, sondern Pressemeldungen und
Reden von Politikern vorliegen. Jedoch möchte ich anmerken, dass die Regierung
in diesem Zusammenhang den nationalen Frauentag, der den Rechten der Frauen
gewidmet sein sollte, versucht für einen Ereignis zur allgemeinen Herausbildung
der nationalen Einheit zu nutzen, was letzendlich auf Kosten des Anliegens der
Frauen geht.
2. „bringing into historical visibility women's active cultural and political
participation in national formations“ Dieser Punkt ist eindeutig: Saartie Baartman
ist in keiner Weise in diesem Zusammenhang geeignet. Zwar basiert der nationale
Frauentag explizit auf den historischen Käpfen der Frauen, diese verlieren jedoch
hinter dem Bild einer allgegenwärtigen Saartie Baartman ihr Gesicht, ihr Gedenken
wird entwertet.
3. „bringing nationalist institutions into critical relation with other social structures
and institutions“ In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Beitrag der South
African Broadcasting Corporation verweisen, der zu bedenken gibt, dass sich Teile
der Khoi Gemeinschaft aus einem Prozess, der eigentlich mit ihnen im Einklang
verlaufen sollte, aussen vor gelassen fühlen.
4. „paying scrupulous attention to the structures of racial, ethnic and class power that
continue to bedevil privileged forms of feminism“ Baartmans Bild und auch der
Kontext iher Rückführung und Beerdigung ermöglichen feministische Diskurse
und sie finden durchaus auch statt. Aber diese Diskurse vermögen keine Antworten
auf den schwierigen Alltag eines großen Teils der Frauen Südafrikas, geprägt duch
Armut und Gewalt, zu geben. Dass die Ehre einer Frau, die seit fast 200 Jahren tot
ist, wieder hergestellt wurde, hilft einer Frau, die von sexualisierter Gewalt
traumatisiert wurde nicht unbedingt weiter. Es vermag höchstens einen
vermeintlichen Altruismus privilegierter Frauen zu fördern, weniger privilegierten
Frauen unter dem Bild der Saartie Baartman zu helfen, nach dem Motto: Auch
diese Frau könnte Saartie sein . Aber es ändert nichts an den Strukturen, die
Frauen zu Opfern machen.
11.)Abschliessende Gedanken

Es bedarf nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, wie sich der unbekannte Künstler,
der einst die Illustration der Hottentotten Venus für ein Buch über Säugetiere malte,
von der Tatsache geehrt fühlen würde, dass seine Illustration gut 200 Jahre später
die gestalterische Grundlage für ein Nationalsymbol einer neu entstandenen Nation
werden würde. Und sein Model? Wie hätte Saartie Baartman den Gedanken
gefunden, während sie gemalt wurde, dass dieses Bild das von ihr Angefertigt
wurde, in einer 200 Jahre später entstehnenden Nation in ihrer fernen Heimat von
Millionen von Menschen betrachtet wird?

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