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ALTES WISSEN --- VERSCHÜTTET UND VERACHTET!!!

"Was wissen wir über die Tausende von Manuskripten der Bibliothek von Alexandria,
die Ptolemäus Soter gründete — über jene unersetzlichen und
auf ewig verlorenen Dokumente derantiken Wissenschaft?
Wo ist die Asche der 200 000 Werke der Bibliothek von Pergamon?
Was ist aus den Sammlungen des Peisistratos in Athen geworden, aus der Bibliothek
des Tempels zu Jerusalem und aus der des Heiligtums des Phtah
in Memphis?
Welche Schätze enthielten die unzähligen Bücher, die im Jahre 214 v. Chr.
auf Befehl des Kaisers Shih-Huang-Ti aus rein politischen Gründen
verbrannt wurden?"
Wir stehen heute vor den Werken der Antike wie vor den Ruinen eines
riesigen Tempels, von dem nur einige wenige Steine erhalten sind.
Aber die aufmerksame Untersuchung selbst dieser Fragmente läßt uns
Wahrheiten ahnen, die viel zu tief sind, als daß man sie einzig und allein
der Intuition der Menschen des Altertums zuschreiben könnte.

Zunächst einmal müssen wir feststellen, daß entgegen der herrschenden


Ansicht die Methoden des rationalistischen Denkens nicht von Descartes
erfunden wurden. Sehen wir uns die Texte an.
"Derjenige, der nach Wahrheit sucht", schreibt Descartes, "muß, soweit
irgend möglich, an allem zweifeln."

Das ist ein bekannter Satz, dessen Inhalt durchaus modern wirkt.
Aber wenn wir im zweiten Buch der Metaphysik des Aristoteles
nachschlagen, lesen wir:
"Wer sich bilden will, muß zuerst einmal zu zweifeln verstehen, denn der
Zweifel des Geistes führt zur Entdeckung der Wahrheit."

Es läßt sich übrigens nachweisen, daß Descartes nicht nur diesen einen
wesentlichen Grundsatz von Aristoteles entlehnt hat, sondern ebenso die
Mehrzahl seiner berühmten Regeln zur Lenkung des Geistes, die die
Grundlage der Experimentalmethode bilden.
Damit ist jedenfalls bewiesen, daß Descartes Aristoteles gelesen hat — was
sich durchaus nicht von allen modernen Kartesianern behaupten läßt.

Diese könnten im übrigen auch feststellen, daß jemand einmal geschrieben


hat: "Wenn ich mich irre, so schließe ich daraus, daß ich bin, denn derjenige,
der nicht ist, kann sich nicht irren."
Der Verfasser dieser Zeilen ist jedoch nicht Descartes, sondern niemand
anderes als der heilige Augustinus.

Was die einem Beobachter so nötige Skepsis betrifft, so kann man in dieser
Hinsicht wahrhaftig nicht weiter gehen als Demokrit, der als gültig nur die
Erfahrung oder das Experiment ansah, an dem er persönlich teilgenommen
hatte und dessen Ergebnisse durch den Abdruck seines Siegelringes
man bestätigt hatte.
Eine solche Haltung scheint mir in keiner Weise jener Naivität zu entsprechen,
die man der Antike vorwirft.
Gewiß, werden Sie mir entgegenhalten, die Philosophen der Antike verfügten
auf dem Feld des abstrakten Denkens über eine geniale Begabung; aber was wußten
sie tatsächlich auf wissenschaftlichem Gebiet?
Nun, entgegen allen Behauptungen, die heute über diese Fragen aufgestellt werden,
waren es nicht Demokrit, Leukipp und Epikur, die als erste die
Theorien über das Atom fanden und formulierten.
Sextus Empiricus berichtet uns, daß Demokrit seither sie von Moschos dem Phönizier
übernommen habe, welcher — und das ist besonders
bemerkenswert — erklärt haben soll, daß das Atom teilbar ist.
Man beachte, daß wir hier eine Theorie über die Teilbarkeit der Atome vor
uns haben, die nicht nur älter, sondern auch zutreffender ist als die des
Demokrit und der anderen griechischen Denker.
In diesem besonderen Fall scheint es sich nicht so sehr um neue Entdeckungen
zu handeln als vielmehr um eine ungenaue Übernahme sehr alter Erkenntnisse,
die nicht mehr richtig verstanden wurden.

Und wenn wir uns dem Gebiet der Kosmologie zuwenden, können wir eine
ebenso erstaunliche Erfahrung machen: obgleich die alten Forscher noch
keine Teleskope zur Verfügung hatten, sind ihre astronomischen Angaben
häufig um so zutreffender, je älter sie sind.
So besteht zum Beispiel die Milchstraße laut Thaies und Anaximenes aus
Sternensystemen, deren jedes eine Sonne und Planeten umfaßt, und diese
Welten wiederum befinden sich in einem unendlichen Raum.
Bei Lukrez findet man die Erkenntnis, daß alle Körper im leeren Raum gleich
schnell fallen, und den Begriff eines unendlichen, von einer Unzahl von
Welten erfüllten Raumes.
Pythagoras hat schon vor Newton das Gesetz aufgestellt, daß bei zwei
Körpern, die sich gegenseitig anziehen, die wirkende Kraft umgekehrt
proportional dem Quadrat des Abstandes der beiden Körper ist.
Plutarch, der den Versuch unternimmt, das Problem der Schwere zu erklären, sucht
seinen Ursprung in einer gegenseitigen Anziehung zwischen allen
Körpern und sieht in dieser Erscheinung den Grund dafür, daß die Erde alle
irdischen Körper anzieht, ebenso wie die Sonne und der Mond alle jene Teile,
die zu ihnen gehören, in Richtung auf ihren Mittelpunkt gravitieren lassen
und vermittels einer Anziehungskraft in ihrer Sphäre festhalten.
Galilei und Newton haben ausdrücklich bekannt, was sie der alten
Wissenschaft verdankten.
Und Kopernikus schreibt in dem an Papst Paul III. gerichteten Vorwort zu
seinen Werken wörtlich, er habe bei seiner Lektüre der antiken Autoren den
Gedanken gefunden, daß die Erde sich bewegt.

Solche Eingeständnisse tun im übrigen dem Ruhm eines Kopernikus, eines Newton und
eines Galilei keinen Abbruch; sie gehörten jener Rasse höherer
Geister an, deren Sachlichkeit und Großzügigkeit ihnen moderne Vorurteile,
wie Autoreneitelkeit und die Sucht nach Originalität um jeden Preis, fremd
erscheinen ließen.
Noch anspruchsloser und doch im tiefsten Grunde ehrlich erscheint mir die Haltung
von Mlle. Bertin, der Putzmacherin Marie Antoinettes.
Als sie mit geschickter Hand einen alten Hut änderte, rief sie:
"Es gibt nichts Neues, nur Dinge, die wir vergessen haben!"

Ein Blick auf die Geschichte der Erfindungen und die der Wissenschaften
genügt, um die Wahrheit dieses Ausspruchs zu beweisen.

"Bei der Mehrzahl der Entdeckungen schreibt Fournier, "geht es um jene


flüchtige Gelegenheit, aus der die Alten eine Göttin gemacht hatten, die sich
jedem, der sie einmal entwischen ließ, auf immer entzog.
Wenn wir den Gedanken, der uns auf die Spur führt, das Wort, das uns den Schlüssel
zu dem Problem liefert, die richtungweisende Tatsache nicht sofort
wie im Fluge packen und festhalten, ist eine Erfindung verloren oder um
mehrere Generationen hinausgeschoben.
Damit sie triumphierend wiederkehrt, bedarf es eines zufälligen neuen
Gedankens, der den alten aus seiner Vergessenheit aufweckt, oder des
glücklichen Plagiats irgendeines Erfinders aus zweiter Hand.
Was die Auswertung der Erfindung betrifft, so hat der erste eben Pech gehabt,
während der zweite Ruhm und Profit erntet."

Derartige Überlegungen sind es, die den Titel meines Exposés bestimmten.
Ich bin nun zu der Überzeugung gelangt, daß es möglich sein müßte, in
weitem Umfang den Zufall durch den Determinismus und das Risiko der spontanen
Eingebung durch die Sicherheit einer umfassenden historischen
Dokumentation zu ersetzen, die sich selbstverständlich auf
Kontrollexperimente stützen müßte.
Zu diesem Zweck habe ich die Einrichtung eines Forschungsdienstes vorgeschlagen,
der sich allerdings nicht lediglich mit der Überprüfung
früherer Patente befassen dürfte, da hier dieQuellen nicht über das
18. Jahrhundert hinausreichen.
Ich denke an einen technologischen Forschungsdienst, der die früheren
Verfahren studieren und versuchen müßte, sie nötigenfalls den Bedürfnissen unserer
heutigen Industrie anzupassen.
Hätte es früher bereits einen solchen Forschungsdienst gegeben, so würde
dieser zum Beispiel auf ein kleines unbeachtet gebliebenes Buch hingewiesen haben,
das 1618 erschien und den Titel trug:
"Histoire naturelle de la fontaine qui brûle près de Grenoble".
Sein Verfasser war Jean Tardin, ein Arzt aus Tournon.

Wenn dieses Dokument genau studiert worden wäre, hätte man bereits seit
Beginn des 17. Jahrhunderts das Leuchtgas verwenden können.
Jean Tardin nämlich untersuchte nicht nur den natürlichen Gasometer der
Quelle, sondern reproduzierte in seinem Laboratorium die beobachteten
Erscheinungen. Er tat Steinkohle in ein verschlossenes Gefäß, setzte den
Behälter hohen Temperaturen aus und erzielte so jene Flammen, nach deren Ursprung
er suchte.
Er erklärte ganz deutlich, daß die Materie, aus der dieses Feuer sich nährte,
Erdpech sei und daß man es nur in gasförmigen Zustand versetzen müsse,
der dann eine "entzündbare Ausdünstung" ergebe.
Nun meldete aber Philippe Lebon — noch vor dem Engländer Winsor —
seine "Thermo-Lampe" erst im Jahre VII der Republik zum Patent an.

Zweihundert Jahre lang also war eine Entdeckung, die gewiß beträchtliche
industrielle und kommerzielle Folgen hätte haben können, vergessen und
somit praktisch verloren, nur weil niemand sich für die alten Texte
interessiert hatte.

Ein anderes Beispiel:


Etwa hundert Jahre bevor Claude Chappe seinen optischen Telegraphen
erfand (1793), werden in einem Brief, den Fénelon am 26. November 1693
an Johann Sobieski, den Sekretär des Königs von Polen, richtete, gewisse
neue Experimente erwähnt, die nicht allein die optische Telegraphie, sondern
auch eine Fernsprechmöglichkeit vermittels eines Sprachrohrs betreffen.

Im Jahre 1636 untersucht Schwenter, ein sonst unbekannter Autor, in seinen


"Deliciae physico-mathematicae" bereits das Problem der elektrischen
Telegraphie und erwägt die Frage, wie "zwei Individuen vermittels der Magnetnadel
miteinander in Verbindung treten können".
Die Experimente Oersteds über die Abweichungen der Magnetnadel, aber
datieren erst aus dem Jahre 1819.
Auch hier also waren zwei Jahrhunderte des Vergessens verstrichen.

Ich möchte noch kurz auf einige wenig bekannte Erfindungen eingehen:
die Taucherglocke findet sich in einem Manuskript des Alexanderromans
im Königlichen Kupferstich-Kabinett zu Berlin; das Titelblatt nennt das
Jahr 1320.
Ein im Jahre 1190 geschriebenes und in der Bibliothek von Stuttgart
aufbewahrtes Manuskript des deutschen Legendenromans
"Salman und Morolf" enthält die Zeichnung eines Unterseeboots.
Wie die Unterschrift besagt, war dieses aus Kupfer gebaute Fahrzeug in der
Lage, alle Stürme zu überstehen.
Als der Erfinder sich eines Tages von Galeeren umringt sah, tauchte er mit
dem Boot unter und lebte vierzehn Tage lang auf dem Grund des Meeres.
Die zum Atmen nötige Luft wurde ihm durch ein schwimmendes Rohr
zugeleitet.

In einer im Jahre 1510 vom Ritter Ludwig von Hartenstein verfaßten Schrift
kann man die Zeichnung eines Taucherhelms sehen, bei dem in Augenhöhe
zwei Öffnungen angebracht und durch eine Art Brillengläser verschlossen
sind. Ein langer auf dem Scheitelpunkt des Helms befestigter Schlauch, an
dessen Ende sich ein Hahn befindet, läßt die Außenluft einströmen.
Rechts und links von dieser Zeichnung sind die nötigen Hilfsgeräte
abgebildet, die dem Taucher den Abstieg und Aufstieg ermöglichen:
Bleisohlen und eine mit Sprossen versehene Stange.

Und noch ein Beispiel: Ein im Jahre 1729 in Montebourg bei Coutances
geborener unbeachtet gebliebener Schriftsteller veröffentlichte eine Arbeit mit
dem Titel "Giphantie"; das Wort ist ein Anagramm des ersten Teils seines
Namens: Tiphaigne de la Roche.
In diesem Werk nun wird nicht nur die Schwarzweiß-, sondern auch die
Farbphotographie beschrieben. "Die Fixierung der Bilder", so schreibt der
Autor, "vollzieht sich im selben Augenblick, in dem sie die Leinwand treffen.
Man nimmt diese sofort weg und legt sie an einen dunklen Ort. Eine Stunde
später ist der Überzug getrocknet, und man hat ein Bild, das um so wertvoller
ist, als keine Kunst eine so naturgetreue Ähnlichkeit hervorzubringen vermag."
Und er fährt fort: "Es ist erforderlich, erstens die Natur des klebrigen Stoffes
zu studieren, der die Strahlen aufhält und bewahrt, zweitens die Möglichkeit,
diesen Stoff zu erzeugen und anzuwenden, drittens die Einwirkung des Lichts
auf denselben."
Bekanntlich wurde die Erfindung Daguerres erst ein Jahrhundert später,
nämlich am 7. Januar 1839, durch Arago der Akademie der Wissenschaften
bekanntgegeben.
Im übrigen weise ich noch darauf hin, daß die Fähigkeit gewisser metallischer
Körper, Bilder festzuhalten, in dem 1566 erschienenen Traktat von Fabricius
"De rebus metallicis" beschrieben wird.

Ein anderes Exempel: die seit undenklichen Zeiten in einer der Veden, der
Saktaya Grantham, beschriebene Impfung.
Am16. Oktober 1826 zitierte Moreau de Jouet in seiner der Akademie der
Wissenschaften vorgelegten "Mémoire sur la variolide" diesen Text:
"Man nehme die Eiterflüssigkeit auf die Spitze einer Lanzette, stoße diese in
den Arm und vermische so die Flüssigkeit mit dem Blut, wodurch das Fieber
hervorgerufen wird; diese Krankheit wird nur sehr leicht auftreten und
keinerlei Anlaß zu Besorgnis geben."
Anschließend findet man eine genaue Beschreibung aller Symptome.

Und wie steht es mit der Anästhesie?


In dieser Hinsicht hätte man sich nur mit einer Arbeit von Denis Papin zu
befassen brauchen, die er im Jahre 1681 geschrieben und "Le traité des
opération sans douleur" betitelt hat.
Oder man hätte die alten Experimente der Chinesen mit den Extrakten des indischen
Hanfs wiederholen oder auch den im Mittelalter so bekannten
Alraunwurzel-Wein einmal ausprobieren können, der im17. Jahrhundert
völlig in Vergessenheit geriet und dessen Wirkungen Doktor Auriol, ein Arzt
in Toulouse, im Jahre 1823 noch einmal näher untersuchte.

Nie ist es einem Menschen eingefallen, die erhaltenen Resultate nachzuprüfen.

Und das Penicillin?


In diesem Fall können wir zunächst ein empirisches Verfahren nennen,
nämlich die im Mittelalter angewendeten Packungen mit Roquefortkäse, aber
wir können in diesem Zusammenhang auch auf eine viel eigenartigere
Tatsache hinweisen.
Ernest Duchesne, Schüler der milifachärztlichen Schule zu Lyon, legte am
17. Dezember 1897 eine Doktorarbeit vor, die den Titel trug:
"Contribution à l'étude de la concurrence vitale diez les microorganismes
— antagonisme entre les moisissures et les microbes".
(Beitrag zum Studium des Daseinskampfes bei den Mikro-Organismen —
der Widerstreit zwischen Schimmelpilzen und Mikroben.)
In dieser Arbeit wird über Experimente hinsichtlich der Einwirkung des
"penicillum glaucum" auf die Bakterien berichtet.
Die These hat keinerlei Beachtung gefunden.
Es erscheint mir unbegreiflich, wie eine solche Unterlassungssünde in einer
der unseren so nahen Epoche, also mitten im Zeitalter der Bakteriologie,
begangen werden konnte.

Bedarf es noch weiterer Beispiele?


Sie sind zahllos, und jedes von ihnen verdiente, in einem eigenen Vortrag
behandelt zu werden.
So berichtet Chevreul im Journal des Savants vom Oktober 1849, daß bereits
im 15. Jahrhundert ein Alchimist namens Eck de Sulsback die Eigenschaften
des Sauerstoffs untersucht habe.
Im übrigen sagt schon Theophrast, daß das Feuer von einer luftähnlichen
Substanz genährt werde, und auch der heilige Clemens von Alexandrien ist
dieser Meinung.
Ich möchte hier nicht auf die erstaunlichen Antizipationen Roger Bacons,
Cyrano de Bergeracs und anderer eingehen, da man mir entgegenhalten
könnte, sie seien ins Reich der Phantasie zu verweisen.
Ich ziehe es vor, auf dem festen Boden nachweisbarer Tatsachen zu bleiben.

Was das Automobil betrifft, so möchte ich nur kurz erwähnen, daß im
17. Jahrhundert ein Mann namens Johannes Hotsch in Nürnberg einen sogenannten
"Schwungkraft-Wagen" konstruierte.
Im Jahre 1645 wurde ein derartiges Fahrzeug im Innenhof des Temple in
Paris ausprobiert; soviel mir bekannt ist, konnte die Gesellschaft, die zur
Auswertung dieser Erfindung gegründet wurde, aus irgendwelchen Gründen
nicht in Aktion treten.
Vielleicht ergaben sich hier ähnliche Schwierigkeiten wie seinerzeit für die
erste Pariser Transportgesellschaft, die, wie ich hervorheben möchte, auf
Veranlassung Pascals gegründet wurde und für die einer seiner Freunde, der Herzog
von Roannes, die Schutzherrschaft übernahm und finanzielle Unterstützung gewährte.

Aber auch bei viel bedeutsameren Entdeckungen als den eben genannten übersehen wir
meistens, welchen Einfluß die aus alten Zeiten überlieferten Erkenntnisse auf sie
hatten.
Christoph Kolumbus hat ehrlich bekannt, was er den Gelehrten, Philosophen
und Dichtern der Antike verdankte.
Die wenigsten wissen, daß Kolumbus zweimal den Chor aus dem zweiten Akt
der Medea, einer Tragödie des Seneca, abschrieb, in dem der Verfasser von
einer Welt spricht, deren Entdeckung künftigen Jahrhunderten vorbehalten sei. Man
kann diese Abschrift im Manuskript "Las profecías" sehen, das in der Bibliothek
von Sevilla aufbewahrt wird.
Ebenso erinnert sich Kolumbus an einen Satz des Aristoteles, der in seinem
Traktat "De Caelo" über die Kugelgestalt der Erde spricht.

Hatte Joubert nicht recht, wenn er erklärte, daß "nichts die Geister so
unvorsichtig und töricht macht wie die Unkenntnis der Vergangenheit
und die Verachtung der alten Bücher"?

Genau wie Rivarol so großartig schrieb:


"Jeder Staat ist ein geheimnisvolles Schiff, das im Himmel verankert ist",
könnte man auch hinsichtlich der Zeit sagen, daß das Schiff der Zukunft im Himmel
der Vergangenheit verankert sei.
Nur erwächst uns aus unserer Vergeßlichkeit die Gefahr schwerer Schiffbrüche.

Einen Höhepunkt in dieser Richtung bildet die Geschichte der Goldminen


von Kalifornien.
Im Juni 1848 entdeckte Marshall zum erstenmal Goldklumpen am Ufer
eines Wasserlaufs, an dem unter seiner Aufsicht eine Mühle gebaut wurde.
Nun war aber schon Hernán Cortés hier durchgekommen, als er in Kalifornien nach
Mexikanern forschte, die, wie ihm berichtet worden war, ungeheure
Schätze bei sich hatten.
Cortés zog durch das ganze Land und durchstöberte jede Hütte, aber er dachte nicht
daran, ein wenig im Sand zu schürfen.
Dreihundert Jahre lang zogen die spanischen Truppen und die jesuitischen
Missionare über den goldhaltigen Sand und suchten in immer ferneren
Gegenden nach dem Dorado, dem Goldland.

Dabei hätten schon im Jahre 1737, also mehr als hundert Jahre vor Marshalls
Entdeckung, die Leser der Gazette de Hollande wissen können, wie die Gold-
und Silberminen von Sonora zu erschließen seien, da ihre Zeitung ihnen die genaue
Lage dieser Minen angab.
Etwas später, im Jahre 1767, konnte man in Paris ein Buch mit dem Titel
"Histoire naturelle et civile de la Californie" kaufen, dessen Verfasser, ein
gewisser Buriell, die Goldminen beschrieb und die Berichte verschiedener Seefahrer
anführte, die in jenem Bezirk Goldklumpen gefunden hatten.
Kein Mensch beachtete den erwähnten Zeitungsartikel oder das Buch, niemand
zog einen Schluß aus diesen Tatsachen, die ein Jahrhundert später den
"Goldrausch" entfesselten.
Aber wer liest zum Beispiel heute noch die alten Reiseberichte aus den
arabischen Ländern?
Dabei würde man in ihnen bestimmt für den Bergbau äußerst wertvolle
Hinweise finden.

Es gibt kein Gebiet, das von diesem Fluch des Vergessens verschont geblieben wäre.
Eingehende Forschungen und genaue Nachprüfungen haben mich zu
der Überzeugung gebracht, daß Europa Schätze besitzt, die praktisch nicht
ausgebeutet werden: die alten Dokumente seiner großen Bibliotheken.

Nun sollte sich aber jede industrielle Technik nach drei Faktoren ausrichten:
dem Experiment, der Wissenschaft und der Geschichte.

Es ist ein Zeichen von Überheblichkeit und Naivität, wenn man den letzten
Faktor ausschaltet oder vernachlässigt.
Man beweist damit, daß man sich lieber auf die vage Möglichkeit verläßt,
etwas zu finden, was noch nicht existiert, als daß man sich bemühte, das,
was bereits vorhanden ist, auf vernünftige Weise zu verwerten, um das
erwünschte Ergebnis zu erzielen.
Bevor ein Industrieller kostspielige Investitionen macht, muß er sämtliche
technologischen Einzelheiten eines Problems genau kennen.
Um aber den genauen Stand einer Technik zu einem gegebenen historischen
Zeitpunkt zu ergründen, genügt es selbstverständlich nicht, daß man lediglich
die bisherigen auf diesem Gebiet angemeldeten Patente überprüft.

Die Industrien sind sehr viel älter als die Wissenschaften; darum sollten die
Männer der Industrie genauestens über die Geschichte der ihr Gebiet
betreffenden Produktionsverfahren informiert sein.
Sie sind es jedoch in weit geringerem Maße, als sie annehmen.
Die Alten kamen mit sehr einfachen Mitteln zu Ergebnissen, die wir zwar
reproduzieren, aber trotz all unserer theoretischen Kenntnisse kaum erklären
können. Die hervorstechendste Eigenschaft der antiken Wissenschaft war
ihre Unkompliziertheit.

Gut und schön, werden Sie mir sagen, aber wie steht es, mit der Kernenergie?
Auf diesen Einwand kann Ich Ihnen mit einem Zitat antworten, das uns doch etwas
nachdenklich stimmen sollte. In einem sehr seltenen, selbst vielen Spezialisten
unbekannt gebliebenen Buch, das vor unter dem Titel
"Les Atlantes" erschien, legte ein Autor, der sich unter dem Pseudonym Roisel
verbarg, die Ergebnisse einer sechzigjährigen Forschungsarbeit über die
antike Wissenschaft dar.
Bei der Behandlung der wissenschaftlichen Kenntnisse, die er bei den
Bewohnern von Atlantis vermutet, schreibt Roisel die folgenden für seine
Epoche außergewöhnlichen Zeilen nieder:
"Die Folge dieser unermüdlichen Aktivität ist die Untersuchung der Materie,
jenes anderen Gleichgewichts, dessen Aufhebung unerhörte kosmische Phänomene nach
sich ziehen würde. Wenn aus einem unbekannten
Grunde unser Sonnensystem sich zersetzte, so würden seine nun unabhängig
gewordenen Atome unmittelbar aktiv werden und den Raum mit einem blendenden Licht
erhellen, das in weiten Fernen eine schreckliche Zerstörung
und die Hoffnung auf eine neue Welt ankündigte."

Ich glaube, dieses letzte Beispiel genügt, um die ganze Tiefe des Ausspruchs
von Mlle. Bertin zu verstehen:
"Es gibt nichts Neues, nur Dinge, die wir vergessen haben."

Wenn ich behaupte, daß man sich den alten Dokumenten mit äußerstem
Interesse zuwenden sollte, so befürworte ich damit keineswegs eine reine
Gelehrtenarbeit. Ich erkläre lediglich, daß man dort, wo sich der Industrie ein
konkretes Problem bietet, die alten wissenschaftlichen und technischen
Dokumente überprüfen sollte, um festzustellen, ob in ihnen interessante
Tatsachen oder auch in Vergessenheit geratene Verfahren erwähnt werden,
die sich unmittelbar auf die aufgeworfene Frage beziehen.

Die Kunststoffe, deren Erfindung nach unserer Meinung allerjüngsten Datums


ist, wären sehr viel früher entdeckt worden, wenn man auf den Gedanken gekommen
wäre, gewisse Experimente des Chemikers Berzelius zu
wiederholen und weiterzuentwickeln.
"Was die Metallurgie betrifft, so möchte ich hier von einer recht interessanten
Erfahrung erzählen. Zu Beginn meiner Untersuchungen über bestimmte
chemische Verfahren früherer Zeiten war ich recht überrascht, weil es mir
nicht gelang, einige metallurgische Experimente, deren Beschreibung mir
durchaus klar erschien, in meinem Laboratorium zu wiederholen.
Ich hatte die Anweisungen genau befolgt und auch die vorgeschriebenen
Mengen genommen und bemühte mich nun vergebens, die Ursachen dieses Mißlingens zu
ergründen. Schließlich wurde mir klar, daß ich trotz alledem
einen Fehler gemacht hatte.
Ich hatte chemisch reine Schmelzungsmittel benutzt, während die Alten sich
unreiner Substanzen bedient hatten, nämlich bestimmter aus Naturprodukten
gewonnener Salze, die infolgedessen geeignet waren, eine katalytische
Wirkung zu erzeugen.
Weitere Experimente bestätigten mir die Richtigkeit dieser Überlegung.
Die Spezialisten werden verstehen, welch außerordentliche Perspektiven sich
aus diesen Beobachtungen ergeben.
Man würde große Mengen an Brennstoff und Energie einsparen können, wenn man sich
in der Metallurgie bestimmter früher angewendeter Verfahren
bediente, die fast alle auf der Wirkung der Katalysatoren beruhen.
Meine Erfahrungen in dieser Richtung wurden übrigens von zwei Seiten
bestätigt: einmal durch die Arbeiten Dr. Ménétriers über die katalytische
Wirkung der Oligo-Elemente und zum zweiten durch die Untersuchungen des deutschen
Forschers Mittasch über die Katalyse in der Chemie der Alten.

Diese Übereinstimmung scheint mir zu beweisen, daß in der Technologie der


Zeitpunkt gekommen ist, an dem man sich über die fundamentale Bedeutung
des Qualitätsbegriffs und seine Rolle bei der Erzeugung aller quantitativ
beobachtbaren Erscheinungen klarwerden sollte.
Die Menschen früherer Zeiten kannten auch metallurgische Verfahren, die
heute in Vergessenheit geraten sind, wie zum Beispiel die Härtung des Kupfers
durch Eintauchen in bestimmte organische Lösungen.
Sie konnten auf diese Weise außerordentlich dauerhafte und scharf
schneidende Instrumente herstellen.
Desgleichen verstanden sie sich darauf, dieses Metall selbst in oxydiertem
Zustand zu schmelzen.
Ich möchte hierfür ein Beispiel anführen. Einer meiner Freunde, ein
Bergbauingenieur, entdeckte eines Tages mitten in der Sahara nordwestlich
von Agades kupferhaltige Minerale, die Spuren eines Schmelzprozesses
aufwiesen, sowie Schmelztiegelböden, an denen noch etwas Metall haftete.
Jedoch handelte es sich hier nicht um eine Schwefelwasserstoffverbindung, sondern
um ein Oxyd, eine Verbindung also, deren Herstellung für die
heutige Industrie Probleme aufwirft, die sich keinesfalls auf einem einfachen
Nomadenfeuer lösen lassen."

Auch auf dem für die gegenwärtige Industrie so wichtigen Gebiet der
Legierungen gibt es wenig wesentliche Tatsachen, die den Menschen der
früheren Zeiten entgangen wären.
So verstanden sie sich nicht allein darauf, aus komplexen Mineralien
Legierungen mit ganz besonderen Eigenschaften herzustellen — ein Problem,
dem übrigens die sowjetische Industrie größte Aufmerksamkeit widmet — sondern sie
verwendeten auch gewisse Leichtmetallegierungen, wie das sogenannte Elektron, das
wir bisher noch nie ernstlich untersucht haben,
obgleich seine Herstellungsformeln uns bekannt sind.

Die Gebiete der Pharmazeutik und Medizin möchte ich hier nur kurz streifen.
Sie sind in dem von mir erwähnten Sinne noch kaum erforscht und bieten
die allergrößten Möglichkeiten.
Ich verweise nur auf die Bedeutung der Behandlung von Brandwunden, die
heute, wo die Auto- und Flugzeugunfälle uns ununterbrochen vor diese
Fragen stellen, schwerwiegender ist denn je.
Nun hat aber keine Epoche bessere Heilmittel gegen Verbrennungen entdeckt
als das Mittelalter, dessen Städte immer wieder von Feuersbrünsten verwüstet
wurden; die Rezepte jener Zeit jedoch sind heute vergessen.
Man muß in diesem Zusammenhang wissen, daß bestimmte Erzeugnisse der
alten Apothekerkunst nicht allein die Schmerzen linderten, sondern auch die
Narbenbildung verhinderten und eine Regeneration der Zellen bewirkten.

Was schließlich die Farbstoffe und Lacke betrifft, so erübrigt es sich wohl,
auf die außerordentliche Qualität der nach den alten Verfahren hergestellten
Produkte hinzuweisen.
Die Rezepte jener wunderbaren von den Malern des Mittelalters benutzten
Farben sind nicht etwa verloren, wie man allgemein annimmt; ich kenne
zumindest ein Manuskript, in dem ihre Zusammensetzung angegeben wird.

Aber es ist noch niemand auf den Gedanken gekommen, diese Verfahren zu übernehmen
und nachzuprüfen. Leider.
Wenn jedoch unsere heutigen Maler in hundert Jahren noch am Leben wären, würden
sie ihre Bilder nicht mehr wiedererkennen, da die von ihnen benutzten Farben
diesen Zeitraum nicht überstehen.
Im übrigen haben, wie es scheint, auch die Gelbtöne van Goghs schon jetzt
jene außerordentliche Leuchtkraft, die sie seinerzeit charakterisierte, eingebüßt.

Noch ein Wort über den Bergbau.


Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die enge Verbindung zwischen
der medizinischen Forschung und diesem Gebiet.
Die therapeutische Verwendung von Pflanzen, also die bei den Alten wohlbekannte
Phytotherapie, läßt sich heute mit einer neuen Wissenschaft,
der Biogeochemie, verknüpfen.
Diese Disziplin hat sich die Aufgabe gestellt, positive Anomalien in den
Pflanzen zu untersuchen, die aus Spuren von Metall resultieren und auf die
Nähe von Erzlagern hinweisen.
So läßt sich eine besondere Vorliebe bestimmter Pflanzen für bestimmte
Metalle feststellen, und diese Entdeckung wiederum ist sowohl für den
Bergbau wie für die Therapeutik wertvoll.

Wir haben hier ein bezeichnendes Beispiel für jene Erscheinung, die mir die
wichtigste in der heutigen Geschichte der Technik zu sein scheint:
das Zusammenwirken verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, aus dem
sich immer wieder neue Synthesen ergeben.

Nennen wir rasch noch einige andere Gebiete der Forschung und der
industriellen Verwertung.
So haben die Menschen früherer Zeiten zum Beispiel ausgezeichnete
Düngemittel hergestellt, über die wir heute fast nichts mehr wissen.
Ich denke da vor allem an die sogenannte "Fruchtbarkeitsessenz", eine
Mischung bestimmter Salze mit Dung.

Auch über die Glasfabrikation der Alten ist uns recht wenig bekannt.
Dabei wissen wir, daß die Römer bereits Glasfußböden hatten.

Ich bin überzeugt, daß ein gründliches Studium der alten Techniken uns bei
der Lösung ultramoderner Probleme wertvolle Hilfe leisten würde.
Wir könnten zum Beispiel erfahren, wie man seltene Erden und Palladium
dem Glas beimischt und auf diese Weise in schwarzem Licht fluoreszierende
Röhren herstellt.

Was die Textilindustrie betrifft, so sollte diese sich trotz des Triumphs der
Kunststoffe oder aber gerade deswegen für die Herstellung besonders
hochqualifizierter Gewebe interessieren, die man vielleicht nach antiken
Rezepten einfärben könnte und die sicherlich auch auf dem heutigen
Luxusmarkt Absatz fänden.
Oder man könnte auch versuchen, jenen einzigartigen, unter .dem Namen
Pilema bekannten Stoff herzustellen, ein mit besonderen Säuren behandeltes Leinen-
oder Wollgewebe, das, wie es heißt, der Schneide eines
Eiseninstrumentes wie der Einwirkung des Feuers widerstand.
Übrigens sollen auch die Gallier dieses Verfahren gekannt und bei der
Herstellung von Rüstungen angewandt haben.

Die Möbelindustrie könnte, vor allem im Hinblick auf den noch sehr hohen
Preis der heutigen Kunststoffverkleidungen, erheblichen Nutzen aus der Übernahme
bestimmter früherer Verfahren ziehen, durch die in einer Art Härtungsprozeß die
Widerstandsfähigkeit des Holzes gegen verschiedene
physikalische und chemische Einwirkungen beträchtlich erhöht würde.

Die Firmen für Hoch- und Straßenbau sollten sich einmal mit den
Zementsorten befassen, deren Zusammensetzung in Werken des 15. und 16.
Jahrhunderts angegeben wird und die in mancher Hinsicht dem heute
verwendeten Zement weit überlegen waren.

Die sowjetische Industrie bedient sich in letzter Zeit bei der Fabrikation von
Schneidewerkzeugen einer keramischen Masse, die härter ist als Metall.
Auch diese Härtung ließe sich im Lichte früherer Herstellungsweisen genauer
untersuchen.

Ohne näher auf dieses Problem eingehen zu wollen, möchte ich schließlich
noch ein Spezialgebiet der physikalischen Forschung nennen, auf den das
Studium der früheren Ergebnisse weitgehende Folgen haben könnte.
Ich spreche von den Arbeiten über den Erdmagnetismus.
Auf diesem Gebiet liegen sehr alte Beobachtungen vor, die trotz ihres
unbestreitbaren Interesses noch nie ernstlich nachgeprüft worden sind."

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