E DITORIAL

Liebe Israelfreunde
Israel befindet sich wegen des geplanten Abzugs aus dem Gazastreifen wieder
einmal in einem Dilemma, vielleicht dem grössten seit der Staatsgründung. Nor-
malerweise ging es für Israel bei Konflikten um Auseinandersetzungen mit einem
äusseren Feind, doch diesmal droht die Räumung von Siedlungen zu einer ernsten
Konfrontation innerhalb des Volkes zu führen, und zwar zwischen den Befürwor-
tern und den Gegnern dieser Massnahme. Für viele handelt es sich dabei auch um
eine Glaubensfrage, nach dem Motto: Darf man einmal in Besitz genommenes
Land, das Gott Israel doch zugesagt hatte, nun einfach wieder aufgeben? Ist ein
solches Handeln nicht sogar ein Akt des Unglaubens?
Auch für viele Israelfreunde stellt sich diese Frage, insbesondere dann, wenn
es um die Fürbitte für Israel geht. Nach menschlichem Ermessen neigt man dazu,
sich auf die Seite der Pioniere zu stellen, die in vorbildlicher Weise das Land wieder
aufgebaut haben. Doch unser Denken ist nicht der Massstab für göttliche Wege.
Als Jesus zu Seinen Jüngern über den vor Ihm liegenden Leidensweg sprach,
reagierte Petrus ebenfalls auf menschliche Art, als er sagte: «Das widerfahre dir
nur nicht!» (Mt 16,22). Jesus gab ihm auf diesen gut gemeinten Rat eine schroffe
Antwort: «Du denkst nicht was göttlich ist, sondern was menschlich ist » (V 23),
und Er bezeichnete ihn dabei sogar als Satan.
Gott will Israel nicht nur in das Land seiner Väter zurückbringen, sondern Er
hat darüber hinaus ein viel höheres Ziel. Er will Sein Volk zu sich zurückführen und
erlösen. Diese Rückführung wird jedoch nicht nach menschlichen Vorstellungen
geschehen, und darum sind unsere eigenen Gedanken darüber auch irreführend.
Das Gebet Jesu in Gethsemane soll uns auch in dieser Hinsicht als Vorbild dienen:
«… nicht mein, sondern dein Wille geschehe» (Lk 22,42). Manchmal meinen wir,
in einer Angelegenheit wie dieser den Willen Gottes genau zu kennen, doch es
Es ist besser, wenn ist besser, wenn wir Gott vertrauen, dass Er keine Fehler macht und diejenigen
wir Gott vertrauen, stärken will, die in Not sind.
Es wäre ein Fehler, die nationale und politische Wiederherstellung Israels als
dass Er keine Fehler die alleinige Absicht Gottes mit Seinem Volk anzusehen, denn Er hat noch etwas
macht und diejeni- viel Grösseres im Sinn. Das muss uns im Hinblick auf das Land und Volk Israel
immer wieder bewusst sein. Problematisch sind auch aus diesem Grund Solidari-
gen stärken will, die tätskundgebungen für Israel, wenn sie sich auf politischer Ebene bewegen, denn
in Not sind Israel hat nicht wie alle anderen Länder eine ausschliesslich politische Dimension,
sondern auch eine göttliche.
Gott ist dabei, Seinen Willen im Hinblick auf das Land und Volk Israel auszufüh-
ren, und zwar genauso, wie er ihn in Seinem Wort ausgedrückt hat. Dabei werden
noch viele Dinge geschehen, die uns unverständlich und unlogisch erscheinen.
Doch am Ende wird auch die territoriale Frage in vollem Umfang gelöst, so wie
es Gott verheissen hat, und dann wird es keinen Widerstand mehr gegen Israel
geben. Doch zuvor will Gott das Verhältnis zwischen sich und Seinem Volk in den
Zustand bringen, wie Er ihn sich vorgestellt hat, als Er es zu Seinem Eigentum
erwählt hatte. Diese Erwählung beinhaltet auch eine grössere Verantwortung
und höhere Anforderungen. Das gilt aber auch für uns als Sein himmlisches
Eigentumsvolk, denn schliesslich sollen wir etwas sein zum Lobe Seines Namens
(vgl. 1.Petr 2,9-16).
In dieser gemeinsamen Verantwortung als Glieder Seines himmlischen Volkes
grüsst Sie mit einem herzlichen Shalom

Ihr Fredi Winkler

3
I N H A LT F E B R U A R 2 0 0 5
Nachrichten aus Israel • 2/2005

Nachrichten aus Israel® Arabische Geizhälse. Der Ölpreis

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14 Arabische Geizhälse
14 Intifada in Zahlen
Eingedenk dessen, dass alle menschliche Erkenntnis Stück-
werk ist (1.Kor 13,9), legen die Autoren eigenverantwortlich 15 Islamischer Dschihad lehnt Abbas’ Politik ab
ihre persönliche Sicht dar.
15 Tourismus erholt sich
Initialen der Autoren und Quellenangaben in dieser Ausgabe:
BH = Brigitte Hahn; ZL = Zwi Lidar; CM = Conno Malgo;
16 Mekkapilger aus Gaza
AN = Antje Naujoks; US = Ulrich Sahm 16 Bahnbrechende Innovationen
Titelbild: NAI 17 Radarsystem «Nautilus»
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21 Ein neuer «Mozart»?
22 Yad Vashem im Internet

4

Israel, Mein Knecht bist du!
Gott hat immer wieder einzelne Menschen zu Seinen Knechten erwählt. Denken wir
nur an Gestalten wie Abraham, Mose, Josua und David. Doch die Erwählung eines
ganzen Volkes zum Knecht Gottes ist in der ganzen Bibel einmalig. Mit diesem Schritt
ging Gott – menschlich gesehen – ein grosses Risiko ein, denn einerseits schloss Er
gleich von Anfang an aus, dass diese Erwählung rückgängig gemacht werden konnte.
Andererseits legte Er damit auch eine riesige Verantwortung auf Sein Volk.
Fredi Winkler
Durch den Propheten Jesaja
hat Gott dem Volk Israel wiederholt
erklärt, dass Er es zu Seinem Knecht
erwählt hat. Die erste, besonders
schöne Aussage dieser Art finden
wir in Jesaja 41,8-9: «Du aber, Israel,
mein Knecht, Jakob, den ich erwählt
habe, Nachkomme Abrahams, meines
Freundes, du, den ich ergriffen von den
Enden der Erde und von ihren fernsten
Gegenden her gerufen habe, zu dem ich
sprach: Mein Knecht bist du, ich habe
dich erwählt und nicht verworfen.»
In unserer modernen Zeit versteht
man vielleicht nicht mehr so richtig,
was es bedeutet, ein Knecht zu sein. In
der Bibel ist der Knecht seinem Herrn
untergeordnet und bedingungslos ge-
horsam. Er hat stets das Wohl seines
Herrn im Auge. Im Hinblick auf die
Erwählung Israels zum Knecht Got-
tes müssen wir sagen, dass diese für
Gott grosse Sorgen mit sich brachte.
So klagt Er über Sein Volk in Jesaja
43,24: «… mir hast du Arbeit gemacht
mit deinen Sünden und hast mir Mühe
gemacht mit deinen Missetaten.» Trotz-
dem sagt der Apostel Paulus über die
Erwählung Israels: «Denn die Gna-
dengaben und die Berufung Gottes sind
unbereubar» (Röm 11,29). Der heilige
Gott musste im Laufe der Geschichte
Sein Volk Israel wegen seiner Sünden
zwar oft bestrafen, doch seine Beru-
fung und Erwählung hat Er nicht
rückgängig gemacht, weil sie zu Sei-
nem Erlösungsplan für die Mensch-
heit gehört. Dafür war Er bereit, den
höchsten Preis zu bezahlen und sogar
Seinen einzigen Sohn hinzugeben.
Israel spielt innerhalb dieses Erlö-
sungsplans für die Menschheit eine
BI BLISC H E BOTSC HAFT
wichtige, ja unentbehrliche Rolle.
Darum bezeichnet Gott Israel sogar
als Seinen Knecht.
Der Messias identifiziert sich
mit Seinem Volk Israel. Israel teilt
diesen von Gott gegebenen Ehrentitel
«mein Knecht» sogar mit dem Mes-
sias, der von Gott dem Vater auch so
bezeichnet wird. Die Verquickung der
beiden ist sogar so eng, dass es im
Buch des Propheten Jesaja oft nicht
eindeutig ist, von wem denn nun die
Rede ist – vom Messias oder von Isra-
el. In Jesaja 49,3
haben wir das
wohl bemerkens-
werteste Beispiel Mein Knecht bist du,
dafür: «Mein
Knecht bist du,
Israel, an dem ich
Israel, an dem ich mich verherrlichen
mich verherrlichen
werde.» Aus dem werde
Zusammenhang
geht hervor, dass
Jesaja 49,3
hier nicht das
Volk Israel gemeint ist, sondern der
Messias als ein Sohn Israels, den Gott
zum Erlöser für Sein Volk eingesetzt
hat. Diese Tatsache zeigt, wie eng der
Messias und Israel, die beide von Gott
als Seine Knechte bezeichnet werden,
miteinander verbunden sind. Deshalb
wird in unserem Textbeispiel der Mes-
sias als «Israel» angesprochen.
Doch Gott hatte Seinen Messias
oder Seinen Gesalbten noch zu viel
Höherem berufen als zum Erlöser für
Israel, denn das wäre eine zu geringe
Ehre für den Sohn Gottes gewesen. Er
ist nach Jesaja 49,6 ausserdem zum
Licht der Nationen berufen. Diese
Bibelstelle, in der zwar der Knecht
Gottes «Israel» genannt wird, aber
eigentlich der Messias gemeint ist, hat
dazu beigetragen, dass die Juden glau-
ben, sie selbst seien dazu berufen, ein
Licht für die Nationen zu sein. Diese
Annahme ist jedoch ein Widerspruch
in sich selbst, denn wie könnte Israel
zugleich der Knecht sein, der nach
Jesaja 49,6 Jakob, also sich selbst,
wieder aufrichten soll? In diesem
Text lesen wir: «Es ist zu wenig, dass
du mein Knecht bist, um die Stämme
Jakobs aufzurichten und die Bewahrten
Israels zurückzubringen. So mache ich
dich auch zum Licht der Nationen, dass
mein Heil reiche
bis an die Enden
der Erde.» Der
Knecht Gottes,
der Israel wieder
zurückbringen
wird, kann nur
der Messias sein,
der auch zum
Licht für die Na-
tionen berufen
ist. Weil jedoch
der Knecht Gottes, der zum Licht für
die Nationen geworden ist, zugleich
ein Sohn Israels ist, wird Er hier mit
dem Namen «Israel» angesprochen.
Trotzdem hat Gott Israel sehr
wohl dazu berufen, für die Nationen
ein Zeugnis von Seiner göttlichen
Wahrheit und Grösse zu sein, so wie
es in 5. Mose 4,6-8 geschildert ist. In
Vers 6 heisst es: «So bewahrt und tut
sie (die Gesetze)! Denn das ist eure
Weisheit und Einsicht in den Augen der
Völker, die all diese Ordnungen hören.
Und sie werden sagen: Ein wahrhaft
weises und verständiges Volk ist diese
grosse Nation!» Bei dieser erhabenen
Aufgabe hat Israel jedoch wiederholt
versagt. Israel selbst ist zwar nicht
5
BI BLISC H E BOTSC HAFT
Nachrichten aus Israel • 2/2005
das Licht, doch Gott hatte es dazu
berufen, ein Abglanz Seines Lichtes
zu sein, so wie der Mond das Licht
der Sonne widerspiegelt. Unter Juden
herrscht jedoch immer noch die Mei-
nung vor, in diesem Bibeltext seien
sie gemeint. Auch in Israel kann man
immer wieder die Feststellung hören,
dass Juden doch dazu berufen seien,
ein Licht für die Nationen zu sein, sie
aber dieser hohen Berufung nicht ge-
recht werden können. Erstens ist das
eine falsche Annahme, und zweitens
können Menschen diesem Auftrag
sowieso nicht gerecht werden. Die-
ses Licht, von dem die Schrift redet,
kann nur der vollkommene Knecht
Gottes, der Messias, sein. In Jesus
Christus hat sich diese Prophezei-
ung im Hinblick auf die Nationen
in vollem Umfang erfüllt. Doch die
Aufrichtung und die vollständige
Zurückführung Israels stehen noch
aus. Aber auch diesen Auftrag wird
der Messias erfüllen, und wir sehen
bereits, dass das heute im Gange ist.
Deshalb erleben wir mit, wie Israel
geschüttelt und gerüttelt wird. Doch
auch die Nationen sind in diesen Pro-
zess verwickelt, denn beide, Israel und
die Nationenwelt, gehören untrenn-
bar zusammen, auch wenn das den
Nationen gar nicht passen will.
Die Identifizierung des Messias
mit Seinem Volk Israel können wir
6
auch aus dem irdischen Dienst Jesu
unter Seinem Volk in der Zeit Seines
ersten Kommens erkennen. Er hatte
sich mit Israel so sehr eins gemacht,
dass Er sagen konnte: «… das Heil ist
aus den Juden» (Joh 4, 22). Damit
wollte Er aber nicht sagen, dass das
Heil durch das jüdische Volk kommt,
sondern dass Er, der das Heil bringt,
ein Jude ist. Diese Tatsache wird auch
heute noch in manchen christlichen
Kreisen gerne verschwiegen. Doch
der Messias ist bekanntlich aus dem
Stamm Juda hervorgegangen. Im
Buch der Offenbarung wird diese
Tatsache triumphierend verkündet:
«Weine nicht! Siehe, es hat überwun-
den der Löwe aus dem Stamm Juda, die
Wurzel David …» (Offb 5,5).
Israel, der blinde Knecht. Im
Buch des Propheten Jesaja finden wir
einen weiteren Text, den man auf den
Messias oder auch auf Israel deuten
kann. Dort wird der Messias nicht
nur in Seiner Rolle als Heilsbringer
mit dem Volk Israel identifiziert,
sondern auch mit Israel in seiner
Blindheit. «Wer ist blind, wenn nicht
mein Knecht, und taub, wenn nicht
mein Bote, den ich sende? Wer ist blind
wie Meschullam (Tur-Sinai: der Voll-
kommene) und blind wie der Knecht des
Herrn»? (Jes 42,19). Es fällt schwer,
diese Aussage auf den Messias zu
beziehen, doch die Bezeichnung «der
Vollkommene» lässt erkennen, dass
damit tatsächlich der Messias gemeint
ist. Trotzdem kann man aus Vers 18
entnehmen, dass dieses Wort auch
auf Israel zu beziehen ist, denn dort
heisst es: «Hört, ihr Tauben! Und ihr
Blinden, schaut
her, um zu sehen.»
Ausserdem wird
von Israel noch
an verschiede-
nen anderen
Stellen gesagt,
dass es blind ist.
Wie lässt sich
nun die Aussage
in Vers 19 in
Beziehung zum
Messias setzen?
Die Antwort ist
wohl in Vers 14
zu suchen: «Seit
Gott hatte Israel dazu berufen, ein Abglanz Sei-
nes Lichtes zu sein, so wie der Mond das Licht
der Sonne widerspiegelt (Bild: FotoDisc)
ewigen Zeiten habe
ich geschwiegen,
war still, habe an
mich gehalten.»
Wie oft spielen wir mit diesem Ge-
danken oder hören, wie andere Leu-
te ihn aussprechen: Wie lange kann
Gott noch zusehen, ohne die Welt zu
richten, bei aller Ungerechtigkeit und
Sünde, die auf dieser Erde geschieht?
Es scheint tatsächlich, als ob Gott
nicht sieht, ja, als ob Er blind wäre.
Doch aus Seinem Wort wissen wir,
dass Gott alles bekannt ist und das
bisherige Ausbleiben einer Reaktion
von Seiner Seite allein Seiner Langmut
und Geduld zuzuschreiben ist.
Bei der Blindheit Israels hingegen
handelt es sich nicht um eine von
Gott gewollte und Israel auferlegte
Schwäche, sondern um eine Folge des
wiederholten Ungehorsams gegenüber
dem Willen Gottes, so wie es zum
Beispiel in Jesaja 29,9-16 geschildert
wird. Der Apostel Paulus, der sein
Leben einsetzte, um seinem Volk die
Augen zu öffnen, der sogar bereit war,
sein eigenes Heil für Israel preiszu-
geben, kam zu der Erkenntnis, dass
allein die Hinwendung zum Herrn die
Decke beseitigen wird, die Israel die
Sicht nimmt und es blind macht für

die Wahrheit der Erlösung durch den
Knecht des Herrn, den Messias Jesus
Christus (vgl. 2.Kor 3,14-16). Die
Blindheit Israels erstreckt sich auch
auf die Erkenntnis über die Ursachen
seiner Nöte und Verfolgungen. Gott
selbst weist durch den Propheten
Jesaja darauf hin: «Wer hat Jakob
der Plünderung preisgegeben und Israel
den Räubern? Nicht der Herr, gegen den
wir gesündigt haben? Und sie wollten
nicht auf seinen Wegen gehen und
hörten nicht auf sein Gesetz. Da hat er
die Glut seines Zornes und die Gewalt
des Krieges über es ausgegossen. Und er
hat es ringsum versengt, aber es kommt
nicht zur Erkenntnis, und er hat es in
Brand gesteckt, aber es nimmt es nicht
zu Herzen» (Jes 42,24-25).
Die Identifizierung des Messi-
as mit Israel – eine Garantie für
seinen Fortbestand. Als Gott Seinen
Knecht, den Messias, sandte, bestand
nach Jesaja 49,5-6 Sein vorrangiger
Auftrag darin, den abgewichenen und
ungehorsamen Knecht Israel wieder
zurückzubringen. Durch diese Tat
sollte Gott verherrlicht und Seine
Ehre wieder hergestellt werden. Vor
diesem Hintergrund können wir die
zunächst schwer verständliche Aussa-
ge Jesu in Matthäus 15,24 verstehen.
Als Er nicht bereit war, der kanaanäi-
schen Frau zu helfen, sagte Er: «Ich bin
nur gesandt zu den verlorenen Schafen
des Hauses Israel.» Dieser vorrangige
Auftrag Gottes an Seinen Knecht, den
Messias, die Stämme Jakobs wieder
aufzurichten und die Bewahrten Is-
raels zurückzubringen, konnte Er da-
mals wegen ihres Unglaubens nicht zu
Ende führen. Doch das, was Gott sich
einmal vorgenommen hat, wird Er
auch ausführen. Diese Prophezeiung
aus Jesaja 49 ist eine der sichersten
Garantien für die Wiederherstellung
Israels, und zwar nicht so sehr für sei-
ne nationale, sondern vielmehr für
seine Wiederherstellung als Knecht
Gottes in Seinem Heilsplan.
BI BLISC H E BOTSC HAFT
nen hatte, aber wegen Israels Unge- Viele Male ruft Gott Israel zu,
horsam nicht zu Ende führen konnte. sich nicht zu fürchten, so wie etwa
Zweifellos wird Er das angefangene im zehnten Vers von Jesaja 41:
Werk, wie es die Schrift sagt, bei «Fürchte dich nicht, denn ich bin mit
Seinem Wiederkommen vollenden. dir! Habe keine Angst, denn ich bin
Die ganze Welt wird dann dieses dein Gott! Ich stärke dich, ja, ich helfe
ausserordentliche Handeln Gottes an dir, ja, ich halte dich mit der Rech-
Israel miterleben, denn dadurch wird ten meiner Gerechtigkeit.» Auch die
Er Seinen Namen vor allen Nationen scheinbar erdrückende Übermacht
verherrlichen (vgl. Hes 39,21-29). der Feinde Israels soll kein Grund
Die Rückführung Israels durch den zur Sorge sein. In den zwei nachfol-
Knecht des Herrn in seine von Gott genden Versen gibt Gott selbst die
vorherbestimmte Segensstellung wird Zusage, die Feinde zugrunde zu rich-
das kommende Ereignis sein, in das ten und in nichts aufzulösen. Dieser
die ganze irdische Welt und darüber gewaltige Streit Gottes für Sein Volk
hinaus die gesamte Himmelswelt mit und nicht etwa die Zerschlagung des
einbezogen sein wird. Staates Israel wird das Ereignis sein,
das die Welt bald zu erwarten hat.
Hat Israel überhaupt eine Über- Für viele Menschen ist heute
lebenschance? Bei Gesprächen mit allein schon die Existenz Israels
Israelis über die Zukunft ihres Landes ein Ärgernis. Für diese ablehnende
äussern diese sich manchmal pessi- Haltung gibt es oft keine rationale
mistisch über das Fortbestehen des Begründung. Den Grund dafür muss
Staates Israel inmitten der erdrücken- man wohl in der Tatsache suchen,
den Überzahl von Arabern und Mus- dass allein schon die Existenz Isra-
limen. Doch in Jesaja 41,8-14, wo die els ein Beweis ist für die Wahrheit
Erwählung Israels zum Knecht Gottes Gottes und Seines Wortes, welche
zum ersten Mal erwähnt wird, ruft heute immer mehr gehasst werden.
ihnen Gott in Vers 14 zur Ermutigung Neben der nationalen Wiederher-
zu: «Fürchte dich
nicht, du Wurm
Jakob, du Häuflein
Israel! Ich, ich hel-
fe dir, spricht der
Herr, und dein Er-
löser ist der Heili-
ge Israels.» Die
Garantie für den
Fortbestand Isra-
els ist nicht seine
zahlenmässige
oder militärische
Stärke, sondern
der Heilige Isra-
els selbst. Wer ist
mit der Bezeich-
«Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuflein
Israel! Ich, ich helfe dir, spricht der Herr, und
dein Erlöser ist der Heilige Israels.» Jesaia 41,14
(Bild: NAI)

In Jesaja 49,5 ist nicht etwa von

der Sammlung und Rückführung
Israels in sein Land die Rede, wie
man auf den ersten Blick vermuten
könnte, sondern von dem Auftrag des
Knechtes des Herrn, Jakob zu Ihm zu-
rückzubringen und Israel zu Ihm zu
sammeln. Dieser göttliche Auftrag ist
eine gewaltige Aufgabe, die Jesus als
Knecht des Herrn damals zwar begon-
nung «Heiliger
Israels» gemeint?
Offenbar nicht
Gott der Vater, der hier redet, sondern
eine andere Person. Es ist der Messias,
der Knecht des Herrn, der hier als der
Heilige Israels bezeichnet wird. Also
ist Jesus Christus der Garant für den
Fortbestand Israels.
stellung Israels, ist jedoch vielmehr
die geistliche Wiederherstellung
Israels das kommende, gewaltige
Ereignis, in das die ganze Welt mit
einbezogen werden wird. Dies wird
zusammen mit der geistlichen Wie-

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BI BLISC H E BOTSC HAFT
Nachrichten aus Israel • 2/2005
derherstellung und Erneuerung der
ganzen Welt geschehen und in der
Aufrichtung des Reiches Gottes auf
Erden gipfeln. In diesem Reich wird
Israel in seine von Gott von alters
her vorbestimmte Rolle eingesetzt
werden. Dann erst werden alle
Verheissungen über Israel ihre volle
Erfüllung finden.
Wie wird Gott Sein Volk Isra-
el wiederherstellen? Diese Frage
beschäftigte schon die zurückge-
kehrten Juden aus Babylon. Gott
gab ihnen durch den Propheten
Sacharja diese Antwort: «Nicht
durch Macht und nicht durch Kraft,
sondern durch meinen Geist, spricht
der Herr der Heerscharen» (Sach.
4,6). Im heutigen Israel kann man
immer wieder die Feststellung hören,
dass der Konflikt mit den Palästinen-
sern letztlich unlösbar ist. Obwohl
Israel seinen Feinden militärisch
überlegen ist, gelingt es nicht, auf
militärischem Weg eine eindeutige
Entscheidung herbeizuführen. Isra-
el hat diese schmerzliche Tatsache
eingesehen und sucht heute eine po-
litische Lösung. Doch das ist nicht
der Weg, von dem die Bibel spricht,
sondern hier ist die Rede von einer
geistlichen Erneuerung, die durch
den Geist Gottes geschehen wird.
Mit diesem Vorgang verbindet die
Bibel den Wiederaufbau und die
Fruchtbarwerdung des Landes. Diese
Geschehnisse werden zum Beispiel
in Hesekiel 36,26-38 auf eindrucks-
volle Weise geschildert.
Als Gott am Pfingsttag in Jeru-
salem Seinen Geist auf die Apostel
und die versammelten Gläubigen
ausgoss, setzte nicht etwa parallel
dazu eine fruchtbare Segenszeit für
das Land und das Volk Israel ein,
sondern die Zerstreuung der Juden
und die Verödung des Landes. Die
Schrift redet im oben erwähnten Text
und auch an anderen Stellen klar von
einer zusätzlichen Ausgiessung des
Geistes Gottes über Sein Volk Israel
im Zusammenhang mit dem Wieder-
kommen Jesu Christi, des Knechtes
des Herrn. Somit wird allein Sein
Kommen die geistliche Wiederher-
stellung Israels herbeiführen. Erst
dann wird für Israel der volle Segen
auf irdischer und nationaler Ebene
zur Realität. Dasselbe gilt natürlich
auch für die Nationen.
8
Der gehorsame Knecht Gottes.
Der Messias ist der einzige Knecht
Gottes, gegen den keine Anklage der
Untreue oder des Versagens vorge-
bracht wird. Er nahm aus freiem Wil-
len Knechtsgestalt an. Er erniedrigte
sich selbst und wurde gehorsam bis
zum Tod, ja zum Tod am Kreuz (vgl.
Phil 2,6-8). Wie wir eingangs schon
festgestellt haben, ist der Gehorsam
eine der grundlegenden Eigenschaften,
die man von einem Knecht erwartet.
Diese Erwartung Gottes des Vaters an
Seinen Knecht Jesus Christus hat Er
in vollkommener Weise erfüllt. Die
Auswirkung des Gehorsams Jesu ist
von gewaltigem Ausmass. Sie wird in
Hebräer 5,9 so beschrieben: «… und
vollendet, ist er allen, die ihm gehorchen,
der Urheber ewigen Heils geworden.»
Dieser Gehorsam des Knechtes
des Herrn bedeutet nicht nur für un-
zählige Menschen, die Ihm durch den
Glauben gehorsam geworden sind, das
ewige Heil, sondern wird letzten Endes
auch für den ungehorsamen Knecht
Israel die Wiederherzustellung, ewige
Herrlichkeit und Frieden bringen.
Die Berufung der Gläubigen zu
Knechten Gottes. Auf ergreifende Art
stellt uns Paulus im Kapitel 6 des Rö-
merbriefs vor Augen, was es heisst, Je-
sus nachzufolgen, auch für denjenigen,
der sich auf den Namen Jesu Christi
taufen lässt. Dabei ist es nicht verwun-
derlich, dass von den Nachfolgern Jesu
an erster Stelle Gehorsam erwartet
wird. Unser Gehorsam entscheidet,
wem wir wirklich angehören, so wie
es Paulus in Vers 16 sagt: «Wisst ihr
nicht: wem ihr euch zu Knechten macht,
um ihm zu gehorchen, dessen Knechte seid
ihr und müsst ihm gehorsam sein, es sei
der Sünde zum Tode oder dem Gehorsam
zur Gerechtigkeit?»
Der Gehorsam ist der Prüfstein für
die Echtheit des Glaubens an Jesus. Die
Taufe, von der Paulus in diesem Kapitel
redet, ist lediglich eine Symbolhand-
lung für das, was mit einem Menschen,
der an Jesus glaubt, geschehen ist,
nämlich das Ablegen oder Abwaschen
des alten Menschen der Sünde und
das Anziehen des neuen Menschen in
Christus. Wir müssen uns als Nach-
folger Jesu bewusst sein, dass wir einen
Herrn haben, dem wir als Knechte an-
gehören und dem wir deshalb Gehor-
sam schulden zum Dank für das, was
Er für uns getan hat.
Der Segen des Gehorsams. Vor
Seinem Leiden und Sterben ging es
Jesus vor allem darum, Seinen Jün-
gern noch einmal das Wichtigste
bewusst zu machen, nämlich den
Gehorsam. Das gesamte 15. Kapitel
des Johannesevangeliums ist diesem
Thema gewidmet. Jesus fordert hier
Seine Jünger nicht einfach auf,
Ihm gehorsam zu sein, sondern Er
ermahnt sie, in Ihm zu bleiben. Da-
mit wollte Er sie etwas viel Tieferes
lehren. Der Gehorsam Ihm gegenü-
ber soll nicht auf Furcht gegründet
sein, sondern auf Liebe. Das meint
Er, wenn Er vom «Bleiben in Ihm»
spricht.
Als Vorbild für die Beziehung Sei-
ner Jünger zu Ihm erwähnte Er Sein
Verhältnis zum himmlischen Vater:
«Wenn ihr meine Gebote haltet, so
werdet ihr in meiner Liebe bleiben, wie
ich die Gebote meines Vaters gehalten
habe und in seiner Liebe bleibe» (Joh
15,10). Das Halten Seiner Gebote
soll niemals aus einem Zwang he-
raus geschehen, sondern aus Liebe
zu Ihm. Obwohl Er unser Herr und
Meister ist, will Er doch nicht, dass
unser Verhältnis zu Ihm zwanghaft
ist, wie das zwischen einem irdischen
Herrn und seinem Knecht der Fall
ist, sondern sich so gestaltet wie die
Beziehung zwischen Freunden. Da-
rum sagt Er in Vers 14: «Ihr seid mei-
ne Freunde, wenn ihr tut, was ich euch
gebiete.» Dieses innige Verhältnis ist
auch die Grundlage für ein erfülltes
Glaubensleben, sodass Jesus sagen
kann: «Wenn ihr in mir bleibt und
meine Worte in euch bleiben, so werdet
ihr bitten, was ihr wollt, und es wird
euch geschehen» (V 7). Wenn das in
unserem Leben der Fall ist, dann
werden wir auch nichts von Ihm er-
bitten, was Seinem Wort und damit
Seinem Willen widerspricht.
Die grösste Herausforderung, vor
die Gott uns stellt, ist der Aufruf,
Ihm gehorsam zu sein. Wir können
diesem Auftrag nur gerecht werden,
wenn wir Ihn über alles lieben. Da-
rin liegt das Geheimnis des Segens
verborgen. Jesus, der Knecht Gottes,
ist uns auch darin zum Vorbild ge-
worden. Durch diese Liebe wird der
gehorsame Knecht des Herrn den
ungehorsamen Knecht Israel wieder
zurückführen in die Segensstellung,
in die Er Sein Volk von Anfang an
berufen hatte (vgl. Jes 59,19-21).
 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N AUS ISRAEL

SHARONS DRITTE REGIERUNG IN EINER AMTSPERIODE

Knapper Wahlausgang
Am Morgen des 10. Januars stand fest, dass Mahmud Abbas der neu gewählte Präsident der
Palästinenser ist. Am selben Abend liess Israels Ministerpräsident Sharon seine neue Regierung
vereidigen.

Die Genehmigung der neuen Regierung Sharons durch die

Sharon
Sharon hatte die Arbeitspartei und die Vereinigte Thora-Bewe-
gung in die Regierung berufen, sodass er wieder auf die Stimmen
von 64 Abgeordneten bauen kann. Ohne diese Koalitionsneubildung
hätte Sharon weder den Staatshaushalt noch seinen Trennungsplan
in der Knesseth verabschieden können.
Knesseth fiel mit 58 Pro- und 56 Contra-Stimmen sehr knapp aus.
Aus Sharons Likud-Partei hatten sich 13 Ab-
geordnete gegen die neue Regierung ihres
(Bild: IPGO) Parteichefs gestellt. Somit konnte Sharon
seine Regierung nur mit den Stimmen von
Parlamentariern der Bürgerrechtspartei und
von arabischen Abgeordneten ins Amt einsetzen.
Am 10. Januar wurden acht Minister der Arbeitspartei sowie
Avraham Hershson von der Likud-Partei vereidigt. Für Shimon Peres
wurde ein neues Ministeramt eingerichtet.
Im neuen Koalitionsabkommen wurde festgehalten, dass sich die
Parteien dazu verpflichten, bis zum Ende von Sharons Amtsperiode
im November 2006 in der Regierung zu bleiben. AN
Die vollständige Liste der Minister und Knesseth-Abgeordneten ist
einzusehen unter: www.knesset.gov.il

«ICH BIN BEREIT ZU STERBEN …»

Revolte der Siedler

Die israelische Gesellschaft ist gespalten. Während Ariel Sharon eine neue Regierung gebildet hat,
um über eine Stimmenmehrheit für die Umsetzung seines Trennungsplanes zu verfügen, nahmen die
Räumungsgegner den Kampf auf.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass
die Situation ausser Kontrolle geraten
könnte. Die extremistischen Kreise
der Siedler äussern sich immer radi-
kaler. Darüber hinaus gab es bereits
die ersten Zusammenstösse zwischen
Soldaten und Siedlern. Vor kurzem
wurden zwei Caravan-Siedlungen
geräumt, die als Siedlungsstützpunk-
te in der Nähe von Yitzhar errichtet
worden waren. Als die Soldaten der
israelischen Armee mit der Räu-
mung begannen, stiessen sie auf den
gewalttätigen Widerstand der Bewoh-
ner. Viele Soldaten mussten Schläge
einstecken. Ein Soldat, der in diesem
Siedlungsstützpunkt wohnt, jedoch
gerade auf Urlaub war, baute sich in
Uniform vor den mit der Räumung
betrauten Soldaten auf. Er rief sie
auf, den Befehl zu verweigern und
sich nicht an der Räumung zu be-
teiligen. Eine Frau trat den Soldaten
mit ihrem fünf Monate alten Baby im
Arm entgegen. Sie versuchte, das Kind
als Schutzschild zu missbrauchen. Als
sie sich nicht davon überzeugen liess,
das Kind in die Arme einer anderen
Person zu geben und freiwillig weg-
zugehen, wurde sie von den Soldaten
weggetragen. Das Kind glitt ihr bei-
nahe aus den Armen.
Die Leitung der Siedler hatte
während der letzten Monate ver-
sucht, die radikalen Stimmen intern
zum Schweigen zu bringen und nach
aussen zu verharmlosen. Inzwischen
musste der Siedlerrat einlenken, denn
die extremistischen Elemente, die zum
gewalttätigen Widerstand aufrufen,
scheinen die Oberhand gewonnen
zu haben. Pinchas Wallerstein, ei-
ner der Wortführer der Siedler, der
gegenwärtig als Vorsitzender der Re-
gierung des Kreises Benjamin amtiert,
richtete einen offenen Brief an seine
Mitstreiter. Er rief sie zum physischen
Widerstand gegen die Räumung auf,
auch wenn das zu ihrer Verhaftung
führen könnte (siehe auch Interview
Seiten 10–11). Dieser und andere
Aufrufe fordern zur Übertretung der
geltenden Gesetze auf. Das kürzlich
erlassene «Räumungs- und Entschä-
digungsgesetz» regelt alle Aspekte
der anstehenden Räumungen und
das Strafmass für den Widerstand.
Wallerstein bezeichnete dieses Ge-
setz als «unmoralisch und die Men-
schenrechte missachtend.» Er fügte in
seinem Aufruf hinzu: «Ich bin bereit
zu sterben, wenn ich dadurch die
Räumungen verhindern kann.»
Dieses Schreiben wirkte wie ein
Freibrief für alle radikalen Siedler.
Wallersteins Meinung wurde zur

9
H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
offiziellen Haltung des Siedlerrates
und des Ausschusses der Rabbiner in
Judäa, Samaria und Gaza deklariert.
Bisher hatten diese Einrichtungen eine
gemässigte Politik vertreten. Sie hatten
Gewalt für unzulässig erklärt. Zudem
hatten sie die israelische Bevölkerung
zur Beteiligung am gewaltfreien Wider-
stand aufgerufen. Als sie jedoch nicht
die Mehrheit der israelischen Bürger
mobilisieren
konnten, setzte
ein Umschwung
ein. Es wurde ein
Operationsaus-
schuss gegründet,
der eine aggressive
Politik befürwor-
tet. Dabei wird
sogar in Kauf
genommen, dass
dieser aggressive
Kampf die Sym-
pathie weiter Teile
der Bevölkerung
kosten könnte.
Bewaffnete Siedler leisten Widerstand
(Bild: Reuters)
Obwohl das in Kauf genom-
men wird, versuchen die Siedler
dennoch, in der Öffentlichkeit ein
anderes Bild zu schaffen. So wurden
etliche Siedler, die vor der Knesseth
demonstrierten, angewiesen, ihre
Kippa – die traditionelle Kopfbede-
ckung eines religiösen Juden – abzu-
nehmen, um den Eindruck zu erwe-
cken, dass nicht nur Siedler an der
Demonstration teilnehmen. Doch
auch solche Massnahmen wurden
schliesslich verworfen. Die Siedler
entschieden sich, ihren Kampf mit
AUS ISRAEL
aller Macht auszutragen und nicht
auf ihr Image und die öffentliche
Meinung Rücksicht zu nehmen.
Meinungsumfragen unter den Sied-
lern reflektieren diese Veränderun-
gen: 44 Prozent der Befragten gaben
an, sich physisch einer Räumung zu
widersetzen. Elf Prozent der Siedler
sprachen sich für den «Einsatz aller
zur Verfügung stehenden Mittel des
Widerstandes»
aus.
Avi Dichter,
der Direktor
des israelischen
Inlandsge-
heimdienstes
«Shabak», legte
dem Knesseth-
Ausschuss für
Aussenpolitik
und Sicherheit
einen Bericht
vor, der ein
negativeres Bild
aufzeigt, als das
ursprünglich für
die Räumungen
vorhergesehene.
Demnach gebe
es unter den Siedlern einen harten
Kern der vor nichts zurückschre-
cke. Diese Extremisten würden es
auf Provokationen anlegen. Es sei
beispielsweise bekannt, dass sie
die Soldaten provozieren wollen,
bis einer schliesslich zur Waffe
greifen und schiessen wird. Diese
Siedler würden darauf bauen, dass
so etwas die Bevölkerung in einen
Schockzustand versetze. Wenn erst
einmal Blut geflossen sei, würden
die ideologischen Klüfte schwin-
den und die Bevölkerung hinter
den Siedlern stehen.
Auch Moshe Karadi, der Oberbe-
fehlshaber der israelischen Polizei,
schliesst sich Dichters Sichtweise der
Lage an. Seiner Meinung nach wer-
den die gegenwärtigen Räumungen
viel traumatischer verlaufen als die
Räumung von Yamit Ende der 1970er-
Jahre. Der Polizei sei bekannt, dass
sich viele Siedler Waffen besorgt hät-
ten. Um Provokationen vorzubeugen,
erliess er den Befehl, dass Polizisten
die Räumungen «mit leeren Händen»
ausführen sollen.
Auch in der israelischen Armee
hört man viele Stimmen, die Angst
vor einem Bürgerkrieg haben. Andere
denken öffentlich darüber nach, ob
die Regierung und die Armee über-
haupt in der Lage sind, mit dieser
Situation fertig zu werden. Der Ge-
neralstabschef hingegen ist standhaft.
Einer der leitenden Offiziere des Ge-
neralstabes sagte: «Die Armee wird
alle Befehle der Regierung ausfüh-
ren. Wir leben in einer Demokratie
und in einem Rechtsstaat. Sollte die
Räumung, über die im demokratisch
gewählten Parlament unseres Landes
entschieden wurde, aus irgendeinem
Grunde nicht umgesetzt werden, ist
das das Ende unserer Demokratie.»
Dennoch sind sich weder Parla-
ment noch Regierung in dieser Sa-
che einig. Finanzminister Benjamin
Netanjahu bezeichnete die aktuellen
Ereignisse bereits als «Tragödie». Er
distanziert sich von Sharons Tren-
nungsplan. Dennoch ruft er nicht
zum Widerstand auf. In seinen
Augen liegt die Lösung immer noch
woanders: «Unser Volk steht an ei-
nem Scheideweg. Es zeichnet sich
eine unüberbrückbare Kluft ab, die
man nur durch eine Volksbefragung
abwenden kann.» ZL

INTERVIEW MIT PINCHAS WALLERSTEIN

Siedlungsräumungen: «Lasst das Volk entscheiden!»

Pinchas Wallerstein (56) lebt seit 1975 in der Siedlung Ofra. Er ist nicht nur am Kampf gegen
Sharons Trennungsplan beteiligt, sondern er ist einer der namhaften Wortführer der Siedler.

Pinchas Wallerstein war einer der Ersten, der diesem Kampf in den
letzten Wochen eine andere Ausrichtung gab. Als das Räumungs- und
Entschädigungsgesetz zum zweiten Mal in der Knesseth zur Abstimmung
kam, richtete er an seine Mitstreiter eine bewegende persönliche Bot-
schaft. In einem offenen Brief teilte er mit, dass er dieses Gesetz für «un-
moralisch und die Menschenrechte missachtend» hält. Zudem hielt er fest:
«Ich bin bereit zu sterben, wenn ich dadurch die Räumungen verhindern
kann.» Der Funke sprang über, sodass der Kampf inzwischen an allen
Fronten ausgetragen wird. Einige nahmen diese Worte so ernst, dass im
Land inzwischen eine bürgerkriegsähnliche Atmosphäre herrscht.

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 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
NACHRICHTEN AUS ISRAEL*: Es scheint, dass Sie
mit ihrem Aufruf einen Bürgerkrieg eingeleitet ha-
ben, oder sind Sie da anderer Meinung?
PINCHAS WALLERSTEIN: Nein. Es stimmt zwar, dass aus den linken
Kreisen plötzlich immer mehr Stimmen zu hören sind, die einen sol-
chen Krieg vielleicht sogar für notwendig halten, um die Demokratie
in Israel zu retten. Aber ich glaube nicht, dass es zu so einem Krieg
kommen wird. Dennoch wird die Kluft breiter, und es wird eine Spal-
tung geben. Ich glaube nicht, dass die israelische Gesellschaft nach
der Entwurzelung von Juden aus ihren Siedlungen noch die gleiche
sein wird wie zuvor.
Was glauben Sie, wird passieren?
Ich kann das nicht vorhersagen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es
der zionistischen, national-religiösen Gesellschaft ergehen wird. Ich
weiss nicht, mit welchen Gefühlen diese Gesellschaft eine Räumung
überstehen wird. Man muss sich fragen, ob diese Gesellschaft danach
noch eine Bindung an den Zionismus empfinden wird. Vielleicht wird
sich diese Gesellschaft entscheiden, sich aus der Teilnahme am staatli-
chen Leben zurückzuziehen. Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass die
jetzigen Vorgänge fürchterlich sind.
Was schlagen Sie vor? Schliess-
lich hat die Knesseth das Gesetz
mit einer Stimmenmehrheit ver-
abschiedet. Es war also eine de-
mokratische Entscheidung.
Versuchen Sie sich vorzustellen, was pas-
siert wäre, wenn die erste Regierung von
Sharon ein solches Gesetz verabschiedet
hätte. Was wäre
geschehen, wenn
diese Regierung Pinchas Wallerstein (Bild: AP)
mit einer Stim-
menmehrheit über
die Verlegung eines arabischen Dorfes be-
funden hätte. Wer nur etwas Verstand hat,
weiss, dass solche Dinge anders geregelt
werden müssen.
Was schlagen Sie vor?
Wir wollen, dass eine Volksabstimmung durchgeführt wird. Das
Volk soll entscheiden, ob die Räumungen stattfinden sollen oder nicht.
Wenn man eine Spaltung des Volkes verhindern will, dann muss man
alle Bürger befragen. In dieser Angelegenheit stimmt uns fast jedes
Mitglied der Knesseth zu. Zugleich sagen sie, dass Sharon auf seinem
Plan besteht. Ich verstehe das nicht. Ich bin bereit, das Risiko einzu-
gehen, dass wir es nicht schaffen, die Mehrheit des Volkes davon zu
überzeugen, gegen eine Räumung zu stimmen. Wenn Sharon sich so
sicher ist, dass das Volk hinter ihm steht, warum lässt er dann keine
Volksabstimmung zu? Warum hat er Angst davor, den Bürgern des
Landes diese Frage zu stellen?
Es fällt mir schon schwer, Sie zu verstehen. Ei-
nerseits sagen Sie, dass Ihr Kampf, der Kampf der
Siedler, in erster Linie um die Zukunft des Landes
Israel ausgetragen wird und Sie ausschliesslich der
Halacha gehorchen. Wieso ist es dann so wichtig,
was das Volk denkt? Sie akzeptieren die jüdischen
AUS ISRAEL
Religionsgesetze als oberste Autorität. Warum darf
sich dann das Volk gegen den Befehl der Thora ent-
scheiden?
Ich komme gerade von einer Sitzung des Siedlerausschusses in
Judäa, Samaria und Gaza. Wir haben vier Stunden lang über diese
Frage diskutiert. Einige Mitglieder des Ausschusses haben genau das
gesagt, was Sie gerade angeführt haben. Zum Abschluss unserer Dis-
kussion haben wir entschieden, eine neue Kampagne zu starten. Sie
soll unter dem Motto stehen: «Lasst das Volk entscheiden!» Wir würden
eine solche Kampagne gar nicht erst ins Leben rufen, wenn sich die
Mehrheit unserer Mitglieder nicht mit einer solchen Entscheidung
einverstanden erklären könnte.
Und dennoch: Wie stehen Sie dazu?
Ich bin nicht die Mehrheit. Das ist ein echtes Dilemma, und ich
arbeite gerade an der Formulierung einer weiteren persönlichen
Stellungnahme. Ich könnte darauf pochen, dass ich ein Bürger des
Landes bin, dass ich ein religiöser Jude und ein Zionist bin. Ich spalte
mich nicht von diesem Volk ab, selbst wenn ich die Entscheidung des
Volkes für verrückt halte.
Was halten Sie vom Aufruf zur
Befehlsverweigerung? Werden
Sie die Soldaten der israelischen
Armee dazu aufrufen, Befehle zu
verweigern?
Ich bin nicht bereit, den israelischen
Soldaten etwas zu sagen, zu raten oder gar
zu befehlen. Jeder Soldat hat seine eigenen
Werte und Normen. Jeder muss mit sich
selbst ausmachen, wie er zu diesen schwie-
rigen Aufgaben steht. Sie leisten ihren Dienst
in der Armee nicht wegen solcher Aufgaben,
aber das ist Sache eines jeden Soldaten.
Sie haben diese Frage nicht
beantwortet. Wenn Sie von einer
Spaltung des Volkes reden, die Sie
verhindern möchten, sollten Sie sich dann nicht lieber
gegen die Befehlsverweigerung stellen?
Ich habe Ihnen schon gesagt, was ich denke. Ich bin dagegen, zur
Befehlsverweigerung aufzurufen. Ich bin dagegen, die Soldaten ein
Formular zur Befehlsverweigerung unterzeichnen zu lassen. Wenn
jedoch ein Soldat vor seinem eigenen Haus oder dem Haus eines
Verwandten oder Freundes steht und es räumen soll, dann ist dieser
Soldat nur seinem eigenen Gewissen verantwortlich. Wenn ihn die
Armee zu einer solchen Tat zwingen sollte, wäre das schrecklich. Wir
bräuchten viele Jahre, um eine derartige Kluft zu überbrücken.
Sollte tatsächlich noch eine Volksabstimmung er-
folgen und die Siedler unterliegen, würden Sie dann
immer noch darauf bestehen, dass jeder Soldat nach
seinem eigenen Gewissen handeln darf?
Nein, in einem solchen Fall würde ich trauern und vielleicht gegen
die Räumungen demonstrieren. Ich würde aber keinen Soldaten zur
Befehlsverweigerung auffordern.
* Das Gespräch führte Zwi Lidar, unser Korrespondent in Jeru-
salem.
11
H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
DEUTSCHE MEDIEN UND DER NAHE OSTEN
Israels Hilfe für Tsunami-Opfer in Europa kaum erwähnt
Die Spendenbereitschaft der Länder der Welt hat schon zu politischen Kontroversen geführt.
Den Amerikanern wird vorge-
worfen, viel zu spät aufgewacht zu
sein. Der deutsche Kanzler wurde
kritisiert, nicht vorhandene Gelder
versprochen zu haben. Den reichen
Ölstaaten wurde Geiz nachgesagt.
Die UNO gab Listen der Geberländer
aus und die Nachrichtenagentur ap
verbreitete diese Angaben. Die Tages-
schau der ARD berichtete fleissig aus
den Katastrophengebieten. Zu sehen
waren Männer mit Atemschutzmas-
ken in gelben Kitteln mit hebräischer
Aufschrift.
(Bild: Reuters)
Jene ausländischen Helfer helfen
als Experten, die Leichen zu identifi-
zieren. Das dürfte einer der schwie-
rigsten Jobs nach dem Tsunami
sein. Woher diese Männer mit den
exotischen Zöpfen an ihren Schläfen
kamen, verschwieg die Tagesschau. Sie
kamen aus dem einzigen Land, das
auf der Landkarte der Geberländer
genauso spurlos verschwunden bleibt
wie auf arabischen Landkarten oder
wie einst in den «Flugbegleitern», die
Lufthansa auf Flügen in arabische
Ländern austeilte.
Jenes nicht existente Land habe
nach Angaben eines Sprechers des
Aussenministeriums neben privaten
12
AUS ISRAEL
Spenden Hilfe im Wert von etwa
600 000 US Dollar geleistet. Nicht
mitgerechnet sind die laufenden
Kosten für medizinische Teams und
technisches Personal.
Mit dieser Summe, die in Wirk-
lichkeit höher liegt als angegeben,
müsste dieses nicht-existente Land
in der Liste der Geberländer zwischen
Tschechien, Iran und Ungarn vorkom-
men. Obgleich es nicht angeführt
wird, spendet es mehr als europäische
Länder wie Griechenland, Luxemburg
oder Monaco. Dieses Land mit Sitz in
der UNO und ei-
ner grossen Bot-
schaft in Berlin
Grunewald, Au-
guste-Viktoria-
Strasse 74-76, ist
normalerweise
einer der gröss-
ten Lieferanten
«schlechter
Nachrichten» in
den Medien, wird
aber ausgespart,
wenn es «positi-
ve» Schlagzeilen
liefern könnte. Es
war eines der ers-
ten Länder über-
haupt, das schon
am 28.12.04 ein
Frachtflugzeug
mit 82 Tonnen
medizinischer
Ausrüstung sowie ein neunköpfiges
medizinisches Team und Medika-
mente im Wert von 20 000 US-Dollar
nach Sri Lanka entsandte. Dazu stellt
die Kibbuzbewegung jenes Landes eine
Feldküche zur Verfügung, die 1 000
warme Mahlzeiten pro Tag ausgeben
wird. Für das Personal und das Essen
sorgt die Kibbuzbewegung.
Dieses Hilfsangebot machte eine
böswillige Schlagzeile. Ausgerechnet
der Vatikan meldete, dass Sri Lanka
diese Hilfe entrüstet zurückgewiesen
habe. Der «Heilige Stuhl» musste sich
entschuldigen und gab einen «Über-
setzungsfehler» als Ursache für die
Falschmeldung an.
Gespendet wurden Trinkwasser,
Zelte, Decken und medizinische
Ausrüstung.
Die Pharmafirma «Teva» lieferte
Medikamente und der Staat stiftete
weitere Medikamente im Wert von
300 000 US-Dollar. Nach Thailand
wurden 13 Ärzte, Krankenschwestern,
19 Pathologen und «Zaka»-Mitarbei-
ter entsandt. Diese ultraorthodoxen
Männer, die sich in Thailand wegen
ihrer Religionsgesetze nur vom Saft
der Kokusnüsse und Litschis ernäh-
ren können und vor Ort einen Lei-
chensack als Tischdecke bei ihrem
Mahl am Freitagabend verwenden
müssen, helfen bei der Identifizierung
der Leichen. 3 300 Leichensäcke, 500
Gasmasken und Medikamente im
Wert von 40 000 US-Dollar wurden
nach Thailand geflogen. Eine weitere
Medikamentenlieferung im Wert von
300 000 US-Dollar wird vorbereitet.
Ein Psychologenteam wird einheimi-
sche Psychologen schulen, traumati-
sierte Opfer zu behandeln.
Inzwischen haben Bürger dieses
Landes Hunderte Tonnen Lebensmit-
tel, Kleidung und Decken gesammelt.
DNS-Experten helfen federführend
bei der Zusammenstellung einer
gemeinsamen Datenbank über die
Opfer, um die noch vermissten Thais
und Touristen aus aller Welt zu iden-
tifizieren. Die Hilfsbereitschaft kam
spontan und hat schon eine lange
Tradition. Expertenteams sind vor
Jahren schon in Erdbebengebiete in
Guatemala, Mexiko, Armenien und
in die Türkei geschickt worden und
halfen in Kenia, die Verschütteten
nach einem El Kaida-Anschlag auf
die amerikanische Botschaft auszu-
graben. Dank ihrer grossen Erfahrung
mit Terror haben sie ganz spezielle
Techniken etwa bei der Identifizierung
von Leichen entwickelt, die jetzt den
Hinterbliebenen der Opfer in Thai-
land zugute kommen. Dabei sind die
Bürger dieses Landes relativ glimpflich
davongekommen. Nur zwölf seiner
Bürger wurden als Tote identifiziert
und zum Begräbnis in ihre Heimat
geflogen. US
 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N AUS ISRAEL

WIE EIN WUNDER

Nur wenige israelische Tsunami-Opfer

Wieder einmal waren die Israelis trotz der politischen und ideologischen Auseinandersetzung in
Not und Leid vereint. Sie verfolgten das Schicksal ihrer Landsleute in Südostasien und halfen, wo
sie konnten.

Zum Zeitpunkt des Erdbebens und der Tsunami-Flutwelle hielten
sich etwa 3 000 Israelis im Katastrophengebiet auf. Als in den ersten 24
Stunden danach bekannt wurde, dass der Krisenstab des israelischen
Aussenministeriums 2 400 Anfragen bearbeitete, waren die meisten
israelischen Bürger überzeugt, dass man unter den israelischen Rei-
senden mit Hunderten von Toten rechnen musste.
Wie überall auf der Welt sassen auch die Menschen in Israel vor den
Fernsehern und an den Radios. Man verfolgte jede Meldung und jedes
Bild mit zunehmendem Schrecken. Dabei standen selbstverständlich
auch die zahllosen israelischen Eltern, die nach ihren Kindern suchten,
im Mittelpunkt des Interesses. Nicht nur das Aussenministerium be-
schäftigte sich mit der Suche nach Vermissten, sondern auch die Medien
stellten sich den Eltern und Angehörigen als Forum zur Verfügung.
Das Aussenministerium entsandte sofort diplomatische Mitarbeiter
in die Region, um bei der Suche vor Ort zu helfen. Viele Verwandte
In den Tagen nach der Tsunami-Katastrophe stellte sich heraus,
dass die Zahl der israelischen Todesopfer weit hinter dem befürchteten
Ausmass zurückblieb. Insgesamt fanden zwölf Israelis den Tod. Die
anderen Vermissten konnten ausfindig gemacht werden. Einige waren
zwar verletzt, die meisten jedoch glimpflich davon gekommen.
Obwohl man in Israel erleichtert aufatmete, beruhigten sich die
Gemüter ebenso wenig wie in anderen Ländern. Israelis wissen, wie
wichtig Solidarität ist. Auch die Regierung hat den betroffenen Staa-
ten weitere Hilfsmassnahmen zugesagt. Zudem ist eine medizinische
Sondereinheit der israelischen Armee in die Region aufgebrochen.
Psychologen haben sich freiwillig gemeldet, um Hinterbliebenen,
Kranken und Waisen zu helfen. ZL
Kommentar: Ist es nicht interessant, dass Israel eines der Län-
der ist, das bei dem Seebeben in Südostasien am wenigsten Opfer
zu beklagen hat? Dies, obwohl es auch einige tausend israelische
Touristen in den Unglücksgebieten gab, ähnlich wie bei mehreren
Nationen Europas. Nur haben diese Länder mehrere hundert Tote,
während Israel lediglich 12 Tote zu beklagen hat. Es gibt dafür keine

Ein Satellitenfoto zeigt die Situation vor dem

Tsunami (l.) und nach dem Tsunami (r.) (Bild: WEB)
von Vermissten machten sich ebenfalls auf
den Weg. Sie suchten entlegene Inseln und
das offene Meer ab, gingen Hinweisen nach, um unter Trümmern zu
suchen und inspizierten die endlosen Reihen von Leichen.
Parallel dazu entsandte Israel die ersten Hilfsgüter und Rettungs-
mannschaften in die betroffenen Regionen. Ein israelisches Flugzeug
mit mehreren Dutzend Tonnen Hilfsgütern gehörte zu den ersten
Hilfstransporten in Sri Lanka. Doch Israel schickte nicht nur Hilfsgüter,
sondern auch Ärzte, Sanitäter, Psychologen und Bergungsspezialisten.
Unter diesen Hilfskräften waren auch Freiwillige einer ultraorthodo-
xen Organisation, die auf die Bergung und Identifizierung von Toten
spezialisiert ist.
Diese schnelle Hilfe aus Israel wurde im Ausland kaum bemerkt
und gelobt. Eine Ausnahme waren ausgerechnet die schwedischen
Medien, die Israel in den letzten Jahren wiederholt angegriffen haben;
sie äusserten sich positiv über die Hilfsbereitschaft der Israelis.
logische Erklärung, denn die israelischen Touristen hielten sich an den
gleichen Orten wie die andern auf. Inzwischen werden auch keine
Israelis mehr vermisst. Die einzige Erklärung für dieses Phänomen ist
der Gott Israels, der Sein Volk bewahrte. Nicht dass die Israelis besser
wären als andere Menschen, es gibt in Israel genauso viel Gottlosigkeit
wie bei uns. Aber Israel ist nach wie vor Gottes auserwähltes Volk;
und Gott erfüllt in, mit und durch Israel Seine Verheissungen; dazu
gehört auch die zukünftige Bekehrung Israels. CM
Mehr Angaben zur Arbeit des Krisenstabes im israelischen Aus-
senministerium und zu den Hilfeleistungen des Staates Israel unter:
www.mfa.gov.il/mfa

13
H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
AUS ISRAEL
DIE REICHSTEN UND IHRE AUSREDEN

Arabische Geizhälse
«Wir sind reich. Wir müssen mehr geben. Der Ölpreis hatte sich in den vergangenen Monaten ver-
doppelt. Wir haben keine Ausrede», schrieb Walid al-Nusif, Chefredakteur der kuwaitischen Zeitung
«Al Qabas». In der arabischen Welt löste er damit eine öffentliche Diskussion über arabischen Geiz
aus.
Das Ölscheichtum Kuwait,
wo ganze Heere von Frauen aus Sri
Lanka als Kindermädchen arbeiten,
stellte zunächst nur zwei Millionen
US-Dollar zur Verfügung. Von 2,25
Millionen Einwohnern sind 1,29
Millionen Ausländer, die zumeist
(Bild: FotoDisc)
aus den von der Flutwelle betrof-
fenen Regionen stammen. Nach
der öffentlichen Kritik erhöhte das
kuwaitische Kabinett die Summe
auf 20 Millionen. Dabei rechnet
man in Kuwait für das Jahr 2004
mit einem Haushaltsüberschuss in
Höhe von 10 Milliarden US-Dollar.
Weil die Regierung nicht wusste,
wohin mit dem Geld, verteilte sie
kürzlich 700 Millionen US-Dollar
an die kuwaitische Bevölkerung.
Saudi-Arabien stiftete zunächst
ganze 10 Millionen US-Dollar.
Der amerikanische TV-Sender
CNN zeigte Bilder von einer Ga-
laveranstaltung in Saudi-Arabien
vor einem Jahr, bei der an einem
Abend 220 Millionen US-Dollar für
die Angehörigen palästinensischer
Selbstmordattentäter gesammelt
wurden. Die Saudis haben so-
gar eine triftige Ausrede für ihre
Schwierigkeiten, Spendengelder
einzusammeln. Die Amerikaner
hätten vielen wohltätigen Verei-
nen die Konten gesperrt, weil sie
verdächtigt werden, Gelder für Ter-
ror gesammelt zu haben. Nachdem
die arabischen Staaten bemerkten,
dass sie das Schlusslicht der Spen-
derstaaten bildeten, erhöhte Saudi-
Arabien, der grösste Ölproduzent
der Welt, seine Geldspende auf 30
Millionen US-Dollar.
Doch nicht nur der «unverständ-
liche» Geiz der arabischen Welt
stiess auf Empörung. So wurde in
Kuwait zunächst nur für muslimi-
sche Flut-Opfer gesammelt. «Wieso
nur Muslime, wenn Katastrophen
nicht zwischen der Religion ihrer
Opfer auswählen?» fragte Mu-
hammad Mousaed al-Saleh in einem
Kommentar in «Al Qabas». Vor-
sorglich veröffentlichte die Zeitung
den Richtspruch eines Geistlichen,
wonach es Muslimen durchaus er-
laubt sei, auch für Nicht-Muslime
zu spenden. US/AN

UNERMESSLICHES LEID

Intifada in Zahlen
Zu Beginn des Jahres 2005 veröffentlichte Avi Dichter, der Direktor des Inlandgeheimdienstes
«Shabak», neueste Statistiken zur Intifada. Das Leid, das sich hinter diesen Zahlen verbirgt, ist un-
endlich gross.

• 1 025 Israelis kamen im Laufe der
vier Jahre dauernden Intifada ums
Leben. 70 Prozent dieser Todesopfer
sind Zivilisten.
• 5 735 israelische Bürger wurden
verletzt.
• 5 Prozent der israelischen Todesop-
fer kamen bei Terroranschlägen ums
Leben. Die Mehrheit der Terroristen
stammte – vor dem Bau des Tren-
nungszaunes – aus der Region von
Samaria.
• Im Jahr 2004 gingen auf isra-
elischem Hoheitsgebiet 1 231
Mörsergranaten nieder. Zudem
schlugen in der Stadt Sderoth
123 Kassam-Raketen ein. Insge-
samt gingen 186 Kassam-Rake-
ten auf israelischem Staatsgebiet
nieder.
• Im Laufe des Jahres 2004 konnten
365 palästinensische Terroristen vor
der Durchführung ihrer geplanten
Selbstmordattentate verhaftet wer-
den.
• 46 Anschläge wurden in allerletzter
Minute verhindert. ZL

14
 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N AUS ISRAEL

«EIN JÜDISCHER STAAT IN PALÄSTINA IST FÜR UNS NICHT AKZEPTABEL»

Islamischer Dschihad lehnt Abbas’ Politik ab

Ob der neue Palästinenserpräsident einen Wandel im Nahen Osten herbeiführen kann, wird
massgeblich von den Extremisten auf Seiten der Palästinenser abhängen.

Mit Khaled El Batsh (45), Sprecher des Palästinensischen Islami-
schen Dschihads in Gaza, sprach Eva Eusterhus.
FRAGE: Sind Sie ein Terrorist?
KHALED EL BATSH: Nein, im Gegenteil. Ich bin ein Anti-Terrorist. Das
ist etwas ganz anderes. Ein Terrorist ist jemand, der Unehrenwertes tut.
Jemand, der unschuldige Menschen tötet, jemand, der Menschen entführt,
der sie quält, sie benutzt.
Der Palästinensische Islamische Dschihad tötet isra-
elische Männer, Frauen, Kinder, Babys. Das ist Terroris-
mus.
Nennen Sie das, was wir tun, wie Sie wollen. Für uns ist das, was wir
tun Widerstand. Widerstand gegen die Besatzung.
Mahmud Abbas (bwz. Abu Mazen) hat zur Beendigung
der «militärischen Intifada» aufgerufen. Ein Aufruf, der
auch ihrer Organisation galt.
Ob Abu Mazen zu einem Ende der militärischen Intifada aufruft, oder
nicht, das betrifft uns nicht. Der Widerstand des palästinensischen Volkes
muss weitergehen, und zwar solange wie die Okkupation Palästinas nicht
beendet wird.
Ist der Konflikt ein religiöser oder ein nationa-
ler?
Die Juden sind Anhänger eines Glaubens. Sie sind kein Volk,
keine Nation.
Das heisst, selbst eine Zwei-Staaten-Lösung wür-
de den Terror von ihrer Seite aus nicht beenden?
Ein jüdischer Staat im historischen Palästina ist für das palästi-
nensische Volk wie für die Gemeinschaft der Muslims unter keinen
Umständen zu akzeptieren. Aber nochmals, Sie wollen mich nicht
verstehen: Wir sind keine Terroristen. Wir leisten Widerstand. Genau-
so wie Charles de Gaulle und alle Franzosen Widerstand gegen die
Besetzung ihres Landes durch Sie, die Deutschen, geleistet haben.
Wollen ausgerechnet Sie als Deutsche dem Palästinensischen Volk
das Recht auf Widerstand absprechen? Oder sind Sie Jüdin?
Der Palästinensische Islamische Dschihad wird
vom Iran mit Geld versorgt.
Auf der staatlichen Ebene begrenzt sich die Unterstützung auf
die politische, die ideologische. Auf der Ebene der karikativen, reli-
giösen Spenden erfreuen wir uns über ausgesprochen grosszügige
Summen.

Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Israel muss die Be-
satzung beenden? Fordern Sie einen Rückzug Israels hin-
ter die Grenzen von vor 1967 oder einen Rückzug Israels
aus ganz Palästina, vom Mittelmeer bis zum Jordan?
Letzteres natürlich. Wir akzeptieren den israelischen Staat, als fait
accompli, als etwas, das wir einzig aufgrund seiner militärischen Stärke
akzeptieren müssen. Niemals werden wir Muslims Israel als einen jüdischen
Staat respektieren. Kein Muslim kann einen jüdischen Staat respektieren.
Die Juden sind im Gegensatz zu uns Muslims unrein, weil sie Alkohol trinken,
weil sie rauchen, weil sie Mischehen eingehen, weil sie der Fleischeslust ver-
fallen sind. Abraham war der erste Muslim, denn er war der erste Mensch,
der an den einen Gott, an Allah, geglaubt hat. Die Juden haben die heilige
Botschaft, die ihnen Allah als Ersten offenbart hat, gefälscht.
Wohin fliessen diese Gelder?
An Notleidende in Palästina.
Ist ein Dschihad-Kämpfer Not leidend, wenn er
keine Waffen, keinen Sprengstoff mehr hat?
Dazu sage ich nichts. Ich müsste sonst lügen.
Es gilt als unbestritten, dass auch die libanesi-
sche Hisbollah ihre Organisation mit Waffen, mit
Sprengstoff ausrüstet.
Wir nehmen jede Hilfe unserer kämpfenden Brüder an. Natürlich
tun wir das. DW
© WELT.de 1995 – 2005

PILGER IM HEILIGEN LAND SOLLEN VON ISRAEL UNTERSTÜTZT WERDEN

Tourismus erholt sich

Das israelische Tourismusministerium rechnet mit 15 000 christlichen Pilgern allein aus Nigeria
– das wären doppelt so viele wie im Vorjahr. Tourismusminister Gideon Esra redet von einer Erho-
lung des Tourismus mit insgesamt 1,5 Millionen Besuchern aus dem Ausland.

Um diesen Trend zu fördern, unternehmen vom israelischen Tou- unterhalten. Das gelte für Länder
will Israel Charterflüge subventi- rismusministerium pro Flug erhalten, wie Südafrika oder Skandinavien,
onieren. Bis zu 15 000 US-Dollar wenn sie von Orten starten, die keine aber durchaus auch für deutsche
Subventionen können Charterflug- direkte Flugverbindung nach Israel Städte wie Stuttgart.

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H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
AUS ISRAEL
(Bild: FotoDisc)
Rafi Schalev, der europäische Mar-
ketingdirektor des Tourismusministe-
riums, bestätigte, dass Israel tatsäch-
lich aus den Katalogen der deutschen
Tourismusgrossunternehmer wie TUI
verschwunden sei. Nur noch kleinere
Unternehmen bieten weiterhin Rei-
sen nach Israel an. Doch weil sich
der Tourismus langsam erhole, gelte
es jetzt, die Gelegenheit zu nutzen.
Aus diesem Grund habe das Touris-
musministerium rund zwei Millionen
Euro bereitgestellt, um Charterflüge
zu fördern.
Shalev erklärte, dass sich diese Sub-
vention für den Staat Israel auf jeden
Fall lohne. Denn gerade jetzt gelte es,
die lukrativste Deviseneinnahmequel-
le, den Tourismus, wieder anzukurbeln.
Zudem gelte bei Charterflügen die
Regel, dass ihre Kunden mindestens
sieben Tage im Land bleiben, also Ho-
tels, Busse, Touristenführer, Restau-
rants und andere Dienstleistungen in
Anspruch nehmen. Die Ankurbelung
des Tourismus gilt in Israel auch als ein
wichtiges Mittel zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit. US/AN

RELIGIONSFREIHEIT FÜR MUSLIME?

Mekkapilger aus Gaza

Der israelische Militärsprecher verkündete, dass 4 500 Palästinenser aus dem Gazastreifen trotz
der geschlossenen Grenze zu Ägypten nach Saudi-Arabien ausreisen könnten, um an der jährlichen
Pilgerreise nach Mekka teilzunehmen.

Im Rahmen einer «besonderen humanitären Mission» sei
beschlossen worden, Wege zu suchen, die «Religionsfreiheit für
Muslime» zu gewähren. In der offiziellen Erklärung heisst es weiter,
dass die Pilger zum Grenzübergang Erez im Norden des Gazastreifens
kommen müssten. Von dort würden sie in militärisch eskortierten
Bussen reisen, vermutlich über israelisches Gebiet, etwa 100 Kilo-
meter weit bis zur heiss umkämpften «Philadelphia-Achse», um zum
ägyptischen Grenzübergang zu gelangen. Der israelische Grenzüber-
gang bei Rafah, wo üblicherweise die Sicherheits- und Passkontrollen
erfolgen, ist vor einem Monat von palästinensischen Extremisten der
Hamas-Terrororganisation durch einen sprengstoffgefüllten Tunnel
mit 150 Kilo TNT zerstört worden. Dabei wurden fünf Beduinen-
Soldaten der israelischen Armee getötet. Bis zum Wiederaufbau
des Grenzübergangs haben Palästinenser des Gazastreifen keine
Möglichkeit, ins Ausland zu verreisen. Ebenso kann niemand von
Ägypten aus auf dem Landweg nach Gaza einreisen. Israel erlaubt
«aus Sicherheitsgründen» auch keine Aus- oder Einreise über isra-
elisches Territorium. US/AN

ISRAELISCHE HIGHTECH-FIRMEN VON WELTRUF

Bahnbrechende Innovationen
Im November 2004 zeichnete die namhafte Zeitschrift «Wallstreet Journal» zwei israelische High-
tech-Firmen mit den jährlich verliehenen Technologiepreisen aus. Sie wurden zusammen mit einer
Firma, die den ersten Platz belegte, zu den weltweit wichtigsten Technologiefirmen des Jahres 2004
erklärt.
Die beiden israelischen Firmen – «Given Imaging» gen des Magen- und Darmtraktes diagnostizieren. Diese Form
und «InSighTec» – haben ihren Sitz im Norden Israels, in der Untersuchung ist nicht nur äusserst zuverlässig, sondern
Yokneam und in Tirat HaCarmel. Sie belegten auf der vom stellt für den Patienten zudem kaum eine Belastung dar.
«Wallstreet Journal» erstellten Weltrangliste Platz zwei und Die in Tirat HaCarmel ansässige Firma «InSighTec» be-
drei. Insgesamt wurden annähernd 600 Firmen begutachtet. schäftigt sich ebenfalls mit medizinisch-technologischen
In diese Rangliste werden nur Firmen aufgenommen, die be- Innovationen und entwickelte ein neuartiges Verfahren,
deutende und bahnbrechende technologische Innovationen das unter dem Namen «ExAblate 2000» bekannt wurde.
entwickelten. Mit Ultraschall können Tumore zerstört werden, sodass
Die Firma «Given Imaging» beschäftigt sich mit Entwick- sich der Patient keinem operativen Eingriff unterziehen
lungen im Bereich der Medizin und wurde für ihre «PillCam» muss. ZL
mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Bei dieser Innovation
handelt es sich um eine winzige Kamera, die ein Patient wie Mehr über die Innovationen dieser Firmen unter:
eine Tablette schluckt. Damit lassen sich mehrere Erkrankun- www.givenimaging.com / www.insightec.com

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 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N AUS ISRAEL
WIRKSAME HILFE GEGEN KASSAM-RAKETEN

Radarsystem «Nautilus»
Das Radarsystem, das einer israelisch-amerikanischen Kooperation entsprang und eigentlich für die
Abwehr gegen Katjuscha-Raketen gedacht war, wird jetzt gegen Kassam-Raketen und Mörsergrana-
ten eingesetzt.

Einige israelische Städte in der
Nähe des Gazastreifens – vor allem
jedoch die Stadt Sderoth – werden
inzwischen fast täglich aus den auto-
nomen Gebieten des Gazastreifens mit
Kassam-Raketen
oder Mörsergra-
naten beschossen.
Das Radarsystem
«Nautilus» wur-
de entwickelt, um
den Bewohnern
im Norden des
Landes einen
besseren Schutz
vor den Katju-
scha-Raketen zu
bieten. Während
der 1990er-Jahre
wurde Israel von der libanesischen
Hisbollah-Miliz ständig mit diesen
Raketen beschossen. Das Radarsystem
wurde vorrangig für die Ortung solcher
Raketen konzipiert, doch auch tief flie-
gende Flugzeuge und Hubschrauber sol-
len damit ausfindig gemacht werden.
«Nautilus» wurde mehrfach in den
USA getestet. Da alle Tests erfolgreich
verliefen, erklärten die Militärs das Sys-
tem vor Kurzem für einsatzbereit.
Kassam-Raketen sind inzwischen
zu einer wichtigen Waffe der paläs-
tinensischen Intifada geworden. Die
Terroristen nutzen vor allem private
Wohngegenden des Gazastreifens für
den Abschuss der Raketen und miss-
brauchen so Zivilisten als Schutzschilde
gegen Vergeltungsangriffe der israeli-
schen Armee. Seit Beginn der zweiten
Intifada wurden Hunderte von Kassam-
Raketen auf israelische Siedlungen im
Gazastreifen sowie Städte im Kernland
abgefeuert. Betroffen sind vor allem die
israelischen Städte in der Negev-Wüs-
te, die in Reichweite dieses Raketentyps
liegen. Kassam-Raketen sind zwar pri-
mitive Kriegsmittel, aber sie richten
dennoch grossen Schaden an. Vor
allem in Sderoth, wo sie fast täglich
einschlagen, sind viele Bewohner am
Rande eines Nervenzusammenbruchs,
sodass die psychologische Kriegsfüh-
rung der Palästinenser durchaus «er-
folgreich» ist.
In Israel wurden verschiedene
Systeme zur Abwehr der Kassam-Ra-
keten erprobt. Dazu gehörte auch ein
zeitweiliger Einmarsch der israelischen
Armee im Gazastreifen. Die Soldaten
versuchten, Produktionsstätten und
möglichst viele mobile Abschussram-
pen zu finden und
zu zerstören. Die-
ser Militäreinsatz
brachte zwar eine
Besserung, die
allerdings nicht
lange vorhielt. In-
zwischen geht der
Raketenbeschuss
unvermindert
weiter.
Fast jeden Tag werden Kassam-Raketen auf
Sderoth abgefeuert (Bild: WEB)
Der Einsatz des «Nautilus»-Ra-
darsystems ist ein weiterer Versuch,
diese Situation in den Griff zu be-
kommen. Das System ist nicht in
der Lage, die Rakete zu erfassen.
Darüber hinaus kann weder die
Flugbahn bestimmt noch die Rakete
zerstört werden. Dennoch kann ein
Abschuss mit grosser Genauigkeit
registriert werden, sodass die Be-
wohner über Lautsprecher gewarnt
werden können. Ihnen bleiben dann
bis zum Einschlag 30 Sekunden, um
Deckung zu suchen. ZL

VIKTOR JUSCHTSCHENKO LOBT GESUNDHEITSSYSTEM IN ISRAEL

Israelische Ärzte sind sehr

gefragt
Im Januar kursierte in Israel das Gerücht, dass Viktor Juscht-
schenko, der die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im zwei-
ten Wahlgang gewann, zu einer medizinischen Behandlung nach
Israel kommen möchte.

Juschtschenko ist seit einigen Er soll den Wunsch geäussert ha-

Wochen schwer entstellt, da er un- ben, in Israel medizinisch behandelt
ter einer Dioxin-Vergiftung leidet. zu werden. Juschtschenko soll dabei

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H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
gegenüber Freunden und Beratern
nicht nur das hervorragende isra-
elische Gesundheitssystem gelobt,
sondern auch auf Erfahrungen der
Israelis mit Dioxin hingewiesen ha-
ben. Es hiess, Juschtschenko habe
in diesem Zusammenhang an den
Anschlag israelischer Geheimdiens-
AUS ISRAEL
tagenten auf den jordanischen
Hamas-Anführer Chaled Maschal
erinnert. Maschal sollte mit einer
Dioxin-Spritze ermordet werden,
um auf diese Weise die Todesursa-
che zu verschleiern. Der 1997 von
Mossad-Agenten verübte Anschlag
war jedoch fehlgeschlagen und
daher der Öffentlichkeit bekannt
geworden.
Juschtschenko wusste zudem zu
berichten, dass viele ehemalige und
amtierende russische Politiker sowie
hochrangige Regierungsvertreter zu
medizinischen Behandlungen nach
Israel reisen. ZL

FRANKREICHS BOTSCHAFTER IN ISRAEL IM KREUZFEUER DER KRITIK

Antisemitismus aus Frankreich

Gerard Araud, der französische Botschafter in Israel, griff kürzlich die israelische Öffentlichkeit
wegen ihrer «Frankreichfeindlichkeit» an. In seinen Ausführungen bezichtigte er die Israelis «psy-
chologischer Störungen» und einer «nationalen Neurose, was Frankreich angeht».

Zudem kritisierte Gerard Araud hef- Frankreich Israel immer die kalte Schulter
tig eine israelische TV-Satire, in der nach gezeigt. In einer Rede habe Charles de Gaul-
seiner Ansicht der französische Präsident le die Israelis als «herrschsüchtiges Volk» be-
Chirac verunglimpft worden sei. «Wenn zeichnet. Die israelischen Regierungsvertre-
wir uns in Frankreich so über den israeli- ter erinnerten ihren französischen Kollegen
schen Ministerpräsidenten und die Bürger auch an die Zeit, als Frankreich freiwillig
Israels geäussert hätten», schlussfolgerte Juden an Nazi-Deutschland auslieferte. Als
er, «dann hätte man uns Antisemitismus letzten Beweis für die schlechten Beziehun-
vorgeworfen.» gen zwischen beiden Staaten verwiesen die
Seine Äusserungen riefen unter den Bür- israelischen Mitarbeiter des Aussenministe-
gern Israels grosse Empörung hervor. Das riums auf die Mithilfe Frankreichs beim Bau
israelische Aussenministerium legte offiziell des irakischen Atommeilers, den Israel Mitte
Beschwerde ein. Dabei wurde auch auf die der 1980er-Jah-
schlechten Beziehungen zwischen beiden re durch einen
Gerard Araud (Bild: WEB)
Staaten hingewiesen. Mit Ausnahme einer Luftangriff zer-
sehr kurzen Zeit der Zusammenarbeit habe stört hatte. ZL

ES IST SCHWER, ES ALLEN RECHT ZU MACHEN …

Israel zwischen den Fronten

Die USA haben Israel mit Nachdruck aufgefordert, die unbemannten Flugzeuge, die China zu Repa-
raturen nach Israel überstellt hat, nicht zurückzugeben. Die Flugzeuge stammen aus israelischer Pro-
duktion und wurden vor einiger Zeit gegen den Willen der USA vom Staat Israel an China verkauft.

Hinter dieser Forderung der
USA stehen das Aussen- sowie das
Verteidigungsministerium. Würde
Israel dieser Forderung nachkommen,
würde es gegen den mit den Chinesen
unterzeichneten Vertrag verstossen.
China hat die von Israel erworbenen
unbemannten Flugzeuge bereits für
militärische Zwecke eingesetzt und
vorerst zur Wartung und Reparatur
nach Israel geschickt.
Schon im Falle eines anderen
Verkaufs von Kriegsmitteln an Chi-
na hatte sich Israel die Kritik seines
engsten Verbündeten zugezogen.
Damals hatten die Amerikaner Israel
gezwungen, den Verkauf von «Fal-
con»-Kampfjets an China rückgängig
zu machen. Für Israel hatte die Auf-
lösung des Kaufvertrages einen enor-
men finanziellen Verlust bedeutet.
Dennoch hatte man sich dem Wil-
len der Amerikaner gebeugt, denn ein
Grossteil der technischen Ausrüstung
dieses Kampflugzeuges stammte aus
amerikanischer Produktion. Die USA
wollten auf keinen Fall zulassen, dass
ein Land, das immer noch als poten-
zieller Feind gilt, in den Besitz dieser
sensiblen Kriegstechnologie gelangt.
Im Hinblick auf die unbemannten
Flugzeuge gestaltet sich die Situation
jedoch anders. Die Drohnen stam-
men aus rein israelischer Produktion,
sodass Israel sich das Recht vorbehält,
sie an Staaten seiner eigenen Wahl zu
verkaufen.
Aus dem Pentagon verlautete, dass
Israel immer wieder gegen Waffen-
verkäufe der USA Einspruch erhebt
und die Amerikaner bittet, keine
Waffen an Staaten zu verkaufen, die
Israel feindlich gesinnt sind. Daher
behalten sich die USA ebenfalls vor,
an Israel die Forderung heranzutra-

18
 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N AUS ISRAEL
gen, keine Waffensysteme an Staaten ten uns jedoch
zu veräussern, die von den USA als davor hüten, in
potenzielle Kriegsgegner eingestuft unseren Herzen
werden. antisemitische
Wegen der unbemannten Flug- Gefühle aufkom-
zeuge ist ein heftiger Streit zwischen men zu lassen.
den beiden Verbündeten entstanden. Vielleicht er-
Dabei sitzt Israel zwischen den Stüh- innern uns diese
len, denn einerseits ist Israel auf die Tatsachen auch
Unterstützung und finanzielle Hilfe an den Beitrag
aus den USA angewiesen, andererseits von Fredi Wink-
kann ein Verstoss gegen den Vertrag ler auf Seite 4ff.,
mit den Chinesen zu einer schweren in dem er unter
Krise zwischen anderem die enge
Israel und China Verbindung zwi-
führen – mit den Schon im Falle eines Verkaufs von Falcon-Kampf- schen Jesus und
jets an China hatte sich Israel die Kritik seines
entsprechenden Israel aufzeigt.
engsten Verbündeten zugezogen (Bild: WEB)
wirtschaftlichen seneinkünfte zu Vor diesem Hintergrund sind Jesus
Folgen. ZL erhalten, ist die und Israel untrennbar miteinander
andere Seite. In diesem Licht gesehen verbunden, denn auch Jesus wurde
Kommentar: Was muss Israel wird Israel heute schon von fast der am Ende von allen allein gelassen.
nicht alles erleiden! Es wird von ganzen Welt kritisiert oder abgelehnt. Freund und Feind wandten sich von
Freund und Feind unter Druck gesetzt Ausserdem hört man, wie Christen, Ihm ab, alle Jünger verliessen Ihn. Je
oder bekämpft. Dass die Antisemiten die bisher als Freunde Israels galten, mehr wir in der Endzeit fortschrei-
Israel hassen, ist eine Seite. Aber Israel immer häufiger massiv kri- ten, erlebt Israel Ähnliches. Sein
dass Israel auch von den USA immer tisieren und beschuldigen. Damit Weg erinnert uns immer stärker an
wieder gemassregelt wird, wenn es wollen wir nicht sagen, dass Israel das Leben Jesu, des grössten Sohnes
Waffenverkäufe tätigen will, um auf alles richtig macht und man keine Israels und gleichzeitig des Sohnes
diese Weise dringend benötigte Devi- berechtigte Kritik üben darf; wir soll- Gottes. CM

SCHULTERRAKETEN ZUR FLUGABWEHR

Bedrohung vom Boden aus

Die israelischen Nachrichten- und Sicherheitsdienste haben darauf hingewiesen, dass aus dem Ga-
zastreifen eine neue Gefahr droht. Die Palästinenser verfügen über Schulterraketen zur Flugabwehr,
die aus russischer Produktion stammen.

Solche Schulterraketen haben
eine Reichweite von bis zu drei Kilome-
tern und sind mit Sensoren ausgestattet,
die auf die Wärme des Flugzeugmotors
reagieren, sodass sie sehr zielgenau sind.
Aus den Beständen der ehemaligen Ro-
ten Armee wurden Tausende solcher Ra-
keten verkauft. Eine Schulterrakete soll
auf dem Schwarzmarkt um die 2 000
US-Dollar kosten.
Israel weiss, dass Terror-Kreise im
Gazastreifen bereits über russische
Schulterraketen verfügen. Zudem be-
mühen sie sich auch um den Erwerb
ähnlicher Waffen aus amerikanischer
Produktion. Bei diesem Typ der Schul-
terraketen zur Flugabwehr, die unter
dem Namen «Stinger» bekannt sind,
handelt es sich um eine äusserst ef-
fektive Waffe, die grossen Schaden
anrichten kann. Früher rüstete der
amerikanische Geheimdienst CIA die die palästinensischen Terroristen im
afghanischen Taliban-Kämpfer mit Gazastreifen: «Wir werden mit bei-
solchen Schulterraketen aus, um ih- spielloser Härte auf den Einsatz solcher
nen einen Vorsprung im Kampf gegen Waffen reagieren. Unsere Reaktion wird
die sowjetischen Besatzer ihres Landes alle bisherigen israelischen Massnah-
zu verschaffen. Seitdem kann man men im Gazastreifen in den Schatten
solche Waffen auf dem Schwarzmarkt stellen.» ZL
erwerben.
Israelischen Sicherheitsexperten zu-
folge ist es nur eine Frage der Zeit, bis
die Palästinenser
solche Waffen
gegen Kampf-Jets Ariel Sharon: «Wir werden mit beispielloser Här-
und Hubschrauber te auf den Einsatz solcher Waffen reagieren. Un-
sere Reaktion wird alle bisherigen israelischen
der israelischen Massnahmen im Gazastreifen in den Schatten
Armee einsetzen stellen.» (Bild: Reuters)
werden. Auch die
zivile Luftfahrt ist
in Gefahr. Um einem solchen Szenario
vorzubeugen, richtete Ministerpräsident
Ariel Sharon bereits eine Drohung an

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H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
AUS ISRAEL
ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEM IRAK UND ISRAEL

Unmögliches wurde möglich

Seit einiger Zeit sind acht Israelis im Irak als Berater tätig, um in dem fast vollkommen zerstörten
Land beim Wiederaufbau wichtiger Industriezweige zu helfen.

Die Ankunft dieser Israelis, die lem in der Notfallmedizin und bei vom israelischen Aussenministeri-
über ein Land im Mittelmeerraum der Behandlung von Opfern von um initiiert. Das irakische Aussen-
in den Irak ein- minister ium
reisten, wurde hatte die Koor-
mit den iraki- dination dieser
schen Behörden Zusammen-
abgestimmt. arbeit für die
Sie reisten auf irakischen Ärzte
Einladung der übernommen.
Amerikaner, die Die irakischen
in dieser An- Ärzte – zwei
gelegenheit die Chirurgen, zwei
notwendigen Orthopäden
Vereinbarun- und je ein Gy-
gen mit den näkologe und
Irakern trafen. ein Internist
Zunächst war – wurden vor
die Reise dieser dem Treffen
israelischen darüber infor-
Berater streng miert, dass sie
geheim gehalten mit israelischen
worden, da man Kollegen zu-
um ihr Leben sammentreffen
fürchtete.
Doch inzwi-
schen hat Israel Im Rahmen dieser Zusammenkunft wurden
nicht nur Vorträge gehalten, sondern auch
dem Irak auch
praktische Übungen in einem Krankenhaus
humanitäre Hilfe zukommen Terroranschlägen ausgebildet. Das veranstaltet (Bild: FotoDisc)
lassen. So haben israelische Ärzte Zusammentreffen der Ärzteteams
mehrere irakische Kollegen vor al- fand in Osteuropa statt und wurde
werden. Obwohl keiner von ihnen
ein Problem damit hatte, baten sie
ISRAELISCHE CHEMIEANLAGEN FÜR INDIEN ihr Aussenministerium dennoch
um Anonymität. Sie befürchteten,
100 Millionen-Euro-Geschäft dass man sie und ihre Familien
nach ihrer Rückkehr in den Irak
angreifen könnte. Auch die Iden-
Die Israelische Militärindustrie, auf Hebräisch kurz «TAAS»
tität der israelischen Ärzte wird
genannt, gewann die Ausschreibung eines Grossauftrages zum geheim gehalten.
Bau von fünf Chemieanlagen in Indien. Für 100 Millionen Im Rahmen dieser Zusammen-
Euro sollen die Fabriken in nur zwei Jahren fertig gestellt wer- kunft wurden nicht nur Vorträge
den. gehalten, sondern auch praktische
Übungen in einem Krankenhaus
Die Ausschreibung des Bauauftrages die wichtigsten Chemiebetriebe in Israel veranstaltet. Beide Seiten waren sich
hatte das indische Verteidigungsministeri- funktionieren. Brigadegeneral a.D. Arieh einig, dass es ein besonders bewe-
um vorgenommen. Neben «TAAS» hatten Misrachi, der Vorsitzende des «TAAS»- gendes Treffen war. Einer der israeli-
sich vorwiegend international angesehe- Direktoriums, fügte hinzu, dass «TAAS» schen Ärzte sagte zusammenfassend:
ne Firmen mit Sitzen in Europa und den den Indern im Rahmen dieses Auftrages «Es war sowohl auf persönlicher als
USA beworben. Da «TAAS» den Auftrag nicht nur sein Wissen und die modernste auch nationaler Ebene ein sehr be-
erhalten hat, werden die Chemieanla- Technologie, sondern auch seine jahr- wegendes Ereignis. Es dauerte einige
gen nunmehr nach dem israelischen zehntelange Erfahrung zur Verfügung Zeit, bis das Eis gebrochen war; dann
Modell gebaut, auf dessen Grundlage stelle. ZL jedoch ergab sich eine wunderbare
Zusammenarbeit.» ZL

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 H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
«DAS GRÖSSTE MUSIKALISCHE TALENT SEIT 200 JAHREN»
Ein neuer «Mozart»?
Jay Greenberg, der die Welt der klassischen Musik derzeit Kopf stehen lässt, ist gerade einmal zwölf
Jahre alt. Er ist Israeli, lebt jedoch in den USA.
Trotz seines Alters hat er bereits
fünf Symphonien komponiert. Fach-
leute sind sich einig, dass Jay Green-
berg «das grösste musikalische Talent
seit 200 Jahren» ist. Im vergangenen
Monat strahlte der amerikanische
TV-Sender CBS einen Bericht über
Jay Greenberg aus.
Jay Greenberg studiert an der
angesehenen Musikakademie «Juil-
liard» in New York. Im CBS-Bericht
erwähnte sein Lehrer und Mentor
Sam Zyman: «Jay hat bereits jetzt die
Fähigkeiten der besten klassischen
Komponisten, die die Musikwelt
nachhaltig beeinflusst haben. Ich
meine Komponisten wie Mozart und
Mendelssohn.» Darüber hinaus be-
richtete er, dass Jay äusserst schnell
komponiere. «Er kann in nur 25
Minuten wunderbare Klavierstücke
schreiben. An einer vollständigen
Symphonie arbeitet er nur ein paar
Stunden.»
Das CBS-Team zeichnete für den
Bericht ein Konzert in New York
auf, bei dem die von Jay Greenberg
komponierte Symphonie «Storm»
gespielt wurde. Das Publikum geriet
vor Begeisterung ausser Rand und
Band. Es gab minutenlange stehende
Ovationen für den jungen Kompo-
nisten, der in einem Frack auf der
AUS ISRAEL
Bühne erschien,
um den Applaus
persönlich entge-
genzunehmen.
Das CBS-
Team besuchte
und filmte den
Jungen auch zu
Hause. Dort gab
er ihnen eine
Im Alter von drei Jahren schrieb Jay Greenberg
seine ersten Noten auf und begann kurz darauf
zu komponieren (Bild: CBS)
Kostprobe, wie er
an seinem Com-
puter komponiert
und dirigiert. Seine Finger sausen mit aufschreiben. «Irgendwie lasse ich
unglaublicher Geschwindigkeit über ihnen in Lichtgeschwindigkeit die
die Tastatur. Dem TV-Team berichtete Noten und Anweisungen zukommen.
Jay, dass sein Computer andauernd Das ist alles. Ich habe zwar immer
abstürzt, «weil ich einfach zu schnell den Eindruck, dass ich bereits vor-
für ihn bin». Trotz der Geschwindig- handene Stücke umschreibe, doch
keit, mit der Jay komponiert, muss er nachher stellt sich immer heraus,
seine Werke nicht überarbeiten. Dazu dass ich vollkommen neue Stücke
meinte er trocken: «Die Noten sitzen verfasst habe.»
im Allgemeinen perfekt. Ich muss da Jays Mutter Orna Greenberg ist Is-
nichts mehr korrigieren.» Weiter raelin. Sie heiratete einen amerikani-
erzählte er, dass er beim Komponie- schen Sprachwissenschaftler, der auf
ren alle Instrumente in seinem Kopf slawische Sprachen spezialisiert ist. In
höre, er müsse lediglich die Noten dem TV-Bericht erzählte sie, dass Jay
im Alter von zwei Jahren eines Tages
ein Cello gezeichnet habe, obwohl er
noch niemals im Leben ein solches
Instrument gesehen hatte. «Ich war
sehr überrascht», sagte Orna Green-
berg, «wir haben keinerlei Bezie-
hung zu Streichinstrumenten. Auch
klassische Musik spielt in unserem
Leben nur eine ganz normale Rolle.
Deshalb war ich total erstaunt, dass
Jay ein Cello zeichnete und mit seinen
zwei Jahren auch
noch das richti-
Jay erhielt für seine selbstkomponierte Sympho- ge Wort neben
nie «Storm» minutenlange «Standing-Ovation».
seine Zeichnung
Vor Begeisterung geriet das Publikum ausser
Rand und Band (Bild: CBS)
schrieb.»
Doch dabei
blieb es nicht.
Nachdem Jay ein Cello gezeichnet
hatte, bat er seine Eltern, ihm ein sol-
21
H I N T E R G R U N D I N F O R M AT I O N E N
Nachrichten aus Israel • 2/2005
ches Instrument zu kaufen. Sie gingen
mit ihm in ein Musikgeschäft. Dort
stürzte sich der Junge sofort auf ein
Minicello und begann zu spielen. Im
Alter von drei Jahren schrieb er seine
ersten Noten auf und begann kurz
darauf zu komponieren. Dazu mein-
te seine Mutter: «Er schrieb beständig
Noten nieder. Es war ganz egal, wo
wir waren. Zudem wurde er immer
schneller. Als er endlich eingeschult
wurde, wussten seine Lehrer nicht,
was sie mit ihm machen sollten.»
Jay selbst erzählte in dem CBS-
Bericht, dass er nicht das Gefühl
habe, die Musik in seinem Kopf zu
beherrschen. Darüber hinaus höre
er mehr als «nur einen Musikkanal».
Jay meinte: «In meinem Kopf spielen
AUS ISRAEL
mehrere Musikkanäle zugleich, so ist
das allerdings auch mit den Stimmen
meiner Umgebung. Ich höre vieles
parallel.»
Im Alter von zehn Jahren schickten
seine Eltern ihn auf das angesehene
New Yorker Musikkonservatorium.
Sein Klavierlehrer gilt als einer der
besten Virtuosen dieses Instruments,
gab jedoch gegenüber CBS zu: «Schon
damals konnte ich kaum spielen, was
er komponierte. Es war einfach zu
kompliziert. Eines Tages überraschte
Jay mich dann erneut, denn er spiel-
te eine Symphonie von Beethoven
rückwärts. Ich war nicht im Stande,
meinem Schüler zu folgen.»
Jays Mentor Sam Zyman fügte
hinzu: «Wenn man Musik kom-
poniert, muss man Tausende von
Fragen beantworten. Welche Noten
muss die Oboe spielen? Welchen
Rhythmus muss ein anderes Instru-
ment haben? Wann sollen die Geigen
einsetzen usw. Man muss sehr viele
Informationsbruchstücke zusam-
mensetzen, damit ein ansehnliches
Endprodukt herauskommt. Sehr
begabte Komponisten schaffen es,
im Laufe ihres Lebens fünf bis sechs
Symphonien zu komponieren. Jay hat
das bereits mit seinen zwölf Jahren
erreicht.» ZL
Unter dem Stichwort «greenberg»
kann der Bericht auf der Homepage
des Senders CBS eingesehen werden:
www.cbsnews.com

ÜBER 400 000 INTERNETBESUCHER IN DEN ERSTEN 24 STUNDEN

Yad Vashem im Internet

Vor einem Jahr beging die nationale israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ihr 50. Jubi-
läum. Nun ist ihre Datenbank auch im Internet vertreten.

Schon seit vielen Jahren arbeitet man in le der Namen ist ein
Yad Vashem an einer zentralen Datenbank, in weiterer kleiner Sieg
der Holocaust-Opfer erfasst sind. Darin sind gegen das Verges-
«Zeugenblätter» registriert, die von Ver- sen», sagte Alexan-
wandten, Freunden und Nachbarn ausgefüllt der Avraham, der
werden. Das erklärte Ziel von Yad Vashem ist Direktor der «Halle
es, insbesondere jene Opfer namentlich zu der Namen»; dort
erfassen, über die wenig oder gar nichts be- können Zeugen,
kannt ist. Da während des Holocausts oftmals Überlebende und
ganze Familien vernichtet wurden, ist man auf andere Personen
die Angaben von überlebenden Freunden und in Fragebögen
Nachbarn angewiesen. In den «Zeugenblät- Angaben zu ihnen
tern» werden die wichtigsten persönlichen Da- bekannten Toten
ten sowie Angaben zu Leidensweg, Todesort machen.
und -umstände zusammengetragen. Auf diese Wer die Daten-
Weise konnte Yad Vashem im Laufe der letzten bank (in englischer
Jahre rund zwei Millionen Opfer verzeichnen. oder hebräischer
Die Namen von einer weiteren Million wurden den Archivdokumenten Sprache) anklickt, muss einen beliebigen Namen angeben, wobei
entnommen, die in Yad Vashem lagern, oder dank der Kooperation die korrekte Schreibweise nebensächlich ist. Die Suchmaschine findet
mit anderen Archiven erfasst. Somit sind in dieser Datenbank gegen- auch Namen, die ähnlich klingen, aber unterschiedlich buchstabiert
wärtig rund drei Millionen Namen von Holocaust-Opfern verzeichnet. werden, da viele Namen in unterschiedlichen Schriften, etwa nur auf
Im November 2004 stellte Yad Vashem diese Datenbank erstmals der Hebräisch oder Kyrillisch, erhalten sind und eine eindeutige Umschrift
Weltöffentlichkeit vor und machte sie im Internet für jeden Besucher in lateinischen Buchstaben nicht möglich war.
zugänglich. Durch die Freigabe der Datenbank im Internet erhofft sich Yad Vas-
Das Interesse an der Datenbank, in der bisher noch nicht einmal die hem weitere Informationen über Juden, die während des Holocausts
Hälfte aller Holocaust-Opfer verzeichnet ist, war enorm. Innerhalb der ermordet wurden, zumal es immer weniger Überlebende gibt. Der
ersten 24 Stunden wurden über 400 000 Internetbesucher verzeichnet. Datenbank im Internet ist auch ein Fragebogen angehängt, den man
Yad Vashem gab bekannt, dass diese Zahl rund zehn Mal höher lag ausfüllen kann, wenn man etwas über verschleppte oder tote jüdische
als erwartet. Nachbarn weiss. ZL
Mit der Veröffentlichung der Namen soll die Erinnerung an jeden
Einzelnen «wiederbelebt» werden. «Jeder zusätzliche Name in der Hal- Sehen Sie die Datenbank ein unter: www.yadvashem.org

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