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Artgerechte Buchhaltung (Detlef Mix)

Am Donnerstag, den 23. April 2009 begehen wir den Welttag des Buches.
Ist es schon wieder soweit?, durchzuckt es mich. Haben wir eine weitere bedrohte
Spezies zu beklagen, die es nun gilt, mit vereinten Kräften vor dem Aussterben zu
bewahren? Ziehen wieder Scharen durch’s Land, die im Namen der Kirche oder
sonstiger Passivdenker, Massenkeulungen von Büchern veranstalten? Rückfall in
finsterstes Mittelalter, wo Buch und Selbstdenker auf dem Scheiterhaufen verheizt
wurden? Immer noch liegt der Brandgeruch in der Luft von Büchern freidenkender
Literaten, die auf den braunen Haufen ferngesteuerter Analphabeten scheiterten.

Doch das Buch ist im heutigen Elektronikzeitalter ganz anderen Gefahren


ausgesetzt. Die Zahl der bildungsresistenten Videoten nimmt ständig zu und damit
auch die Gleichgültigkeit gegenüber Büchern. Manche wissen bestenfalls noch, dass
man Bücher zum Ausgleichen von Höhendifferenzen bei Möbeln oder zum
Nivellieren von Beamern und anderen Projektoren nutzen kann. Sie kokettieren
damit, dass sie Bücher nach ihrem Brennwert bei Grillparties beurteilen. Herr
Nowotni mit einem T, der bei einem Musikquiz des Südwestfunks reihenweise Preise
einheimste, meinte auf die Frage ob er lieber Gutscheine für Bücher oder für CDs
haben wolle, dass er sich für die CDs entscheiden würde, da er ja bereits EIN Buch
habe. Auch eine großangelegte Werbekampagne der Verlage, die uns glauben
machen wollte, dass es einen anhaltenden Trend hin zum Zweitbuch gäbe, verpuffte
weitgehend im denkfreien Raum. Blödia-Markt – Was bin ich doch blöd!

Die KRISE hat nun offenbar auch die Buchindustrie in ihrem Würgegriff. Schon denkt
man über die Gewährung einer Abfackelprämie für Altbücher nach, die
selbstverständlich an den Erwerb eines Neubuches gekoppelt sein muss. Aufgrund
der bisherigen Erfahrung auf dem Automarkt, fürchtet man indes, dass dies nur den
Absatz von billigen Taschenbüchern und Groschenromanen in die Höhe treiben wird.
Große Literatur wird davon nicht profitieren. Schwierig gestaltet sich dabei auch der
Nachweis, dass der Käufer das abzufackelnde Buch auch tatsächlich gelesen hat.
Auch der Gebrauchtbuchmarkt würde zwangsläufig einknicken. Kleinanzeigen wie:
„Vielseitiges (538 S.) Buch sucht neues Zuhause. Nur in gute Hände abzugeben“
werden dann auch der Vergangenheit angehören. Dies bringt uns jedoch zu der
Überlegung: Was ist eigentlich eine artgerechte Buchhaltung?

Spätestens seit militante Buchschützer Bücher aus Lesebatterien befreit haben, ist
die Diskussion über dieses wichtige Thema in vollem Gange. Gibt es Gründe, die
gegen eine Massenbuchhaltung sprechen? Wir befragten hierzu die Teilnehmer am
Projekt „Betreutes Lesen“ in Buchheim. Die Meinungen fielen dabei sehr
unterschiedlich aus. Viele sprachen sich jedoch generell gegen die, in arabischen
Ländern noch weit verbreitete Einzelbuchhaltung aus, da es sich bei Büchern eher
um gesellige Wesen handeln würde. Auch empfand man es als widernatürlich, würde
man mehrere Werke des selben Autors willkürlich trennen. Der erste Band einer
Trilogie lässt beispielsweise erahnen, dass noch weitere Bände folgen werden.
Wieviele Bände werden es schließlich sein, und wird der Platz in meinem Billyregal
dafür ausreichen? Der Projektleiter, Prosa von Raunheim, klärt uns über die
gesetzlichen Mindestbestimmungen, die Vor- und Nachteile bei Freihand- und
Bodenhaltung, sowie die Bedingungen zur Beantragung von Buchstützen auf.
Bücher sind ihrerseits nur Teile eines empfindlichen Ökosystems, dessen Störung
unwillkürlich weitere Opfer nachsichziehen wird. Äusserst gefährdet scheint hier der
gemeine Bücherwurm (Vermis librii), bei dem es sich keinesfalls um einen Parasiten
handelt. Er lebt vielmehr in enger Symbiose mit seinem Wirtsbuch, und es ist
manchmal nur schwer zu erkennen, wer von beiden mehr von dieser
Zweckgemeinschaft profitiert.

Nach wie vor gibt es natürlich Buchhalter, die Bücher primär zum Lesen benutzen, so
wie es vereinzelt noch Handybenutzer geben soll, die Ihr Multifunktionsgerät zum
Telefonieren gebrauchen, obwohl sie damit fotografieren, filmen, Musik hören,
spielen, föhnen, bügeln und sonstwas könnten. Hier müsste man beim Buch noch
deutlich agressiver bewerben, dass nicht nur das Bücherinnere buchstäblich
vielseitig ist, sondern auch seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten. Bücher
eigenen sich hervorragend als Staubfänger. Häufig merkt man erst nach Jahren,
wieviele Stäube so ein Buch gefangen hat, obwohl wir dachten, es würde nur so
rumstehen. In der wärmeren Jahreszeit, wenn Fliegen und Mücken vermehrt in
unseren Lebensraum eindringen, erweisen sich Bücher als hervorragende
Nachschlagewerke. Mancher Brummer der soeben eine unsaubere Buchlandung
hingelegt hat, fühlt sich kurz darauf von unserer Bildungsoffensive regelrecht
erschlagen. Auch das früher weit verbreitete Trocknen von Grünzeug zwischen den
Buchseiten, könnte eine Renaissance erfahren. Versuchen Sie das mal mit einem
E-Book.

Bücher wollen Ihre treuen Gefährten sein. Lassen Sie sie deshalb an Ihrem Leben
teilhaben. Stellen Sie sie nicht bloß zu Dekorationszwecken ins Bücherregal im
Wohnzimmer. Bald schon, nachdem Sie ein neues Exemplar erworben haben,
werden Sie feststellen, das auch Bücher ihre Vorlieben haben. Kochbücher sind zwar
beispielsweise trotz des etwas irreführenden Namens nicht unbedingt kochfest, aber
sie lieben es, mitten im Küchendunst zwischen Zwiebelschalen und
Hackfleischbällchen zu liegen. Sie fühlen sich gebraucht, ernstgenommen, wenn Sie
sie selbst bei Routinearbeiten, wie dem Kochen von Teewasser, gelegentlich zu Rate
ziehen. Sie scheuen keine Befleckung durch Pastasoße oder Margarine. Ein
zärtliches Blättern in ihnen, und ein gelegentliches Lob dafür, dass nach ihrer
Anleitung selbst ein Küchenchaot wie Sie etwas Genießbares zustande bringt, macht
sie unbeschreiblich glücklich. Manchmal sollten Sie ihnen auch einen kleinen Ausflug
auf’s Klo genehmigen. Wie in jeder Hausgemeinschaft können auch hier beide
voneinander profitieren. Sie erhalten weiteren Input für Ihre kommenden
kulinarischen Projekte, während ihr Buch erfährt, dass der Output ihrer letzten
gemeinsamen Koch- und Bratmaßnahme in der sensorischen Prüfung mit dem
Eingangsprodukt nur noch entfernt übereinstimmt. Sie werden auch solche
Buchgattungen finden, die sich in ihrem Schlafzimmer wohlfühlen. Sie sorgen dafür,
dass Sie sanft entschlummern, während Sie bereits die Rollen der Romanvorlage für
Ihr Kopfkino mit Ihren Stars besetzen. Während Ihr Casting noch in vollem Gange ist,
steckt der Film für Ihre Traumpremiere bereits im Kasten, und Sie schnarchen
zufrieden Ihren eigenen Soundtrack dazu. Wer braucht schon eine Hollywood-
Verfilmung? Für den Fall, dass sich Ihre Augendeckel nicht vor den Buchdeckeln
schließen - das eine oder andere Buch, „Kamasutra für Heimwerker“ oder „Kuscheln
nach Zahlen“ bietet sich schließlich für eine spontane Uraufführung in ihrem Bett an.
Selbst wenn die einzelnen Einstellungen erst nach der zehnten Klappe zu Ihrer
Zufriedenheit ausfallen sollten, haben sie die Regieanweisungen stets griffbereit auf
Ihrem Nachttisch.
Gewisse Unterarten, wie etwa Reisebücher, wollen überall dabei sein und dürfen
dabei ruhig auch einmal etwas mitgenommen aussehen. Wenn Sie erst kürzlich mit
dem Halten von Büchern angefangen haben, werden Sie sich langsam an die
Umsetzung der hier gegebenen Ratschläge begeben wollen und kontinuierlich
Fortschritte machen. Sie werden sehen, artgerechte Buchhaltung ist garnicht so
schwer. Wenn Sie sich weitergehend informieren wollen, beachten Sie bitte die unten
aufgeführten Ratgeber.

Viel Erfolg!

Buchempfehlungen:

„Buchstabensuppe für die Seele“


eine kleine Anekdotensammlung über das glückliche Zusammenleben
von Mensch und Buch von James Booklet jr.

„If Books could kill“


eine schonungslose Reportage über die häufigsten Fehler in der Buchhaltung
von Samantha Bookworm

„Vom Paperback zur Enzyklopädie“


eine schrittweise Einführung in das fachkundige Halten von Büchern
von Hanni B. Lektor

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