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Anmerkungen zum Triebbegriff bei J. G. FICHTE und S. FREUD.

Es ist wohl keine Frage, dass S. FREUD viele philosophisch-metaphysische Grundannahmen


machen musste, die als solche gerade nicht aus neurologischen Messungen oder empirischen
Beobachtungen (seien es Träume, Kinderverhalten, Neurosen, Psychosen, Zwangsvorstellungen,
Wiederholungszwänge, Versprecher, Witze….) stammen konnten.
Allein schon jeder Theorie, die aus induktiver Messung hervorgeht, bedarf
wissenschaftstheoretisch vieler allgemeiner Aussagen und Axiome, der gerade nicht empirisch
festgestellt werden können.
Aber nicht nur eine Theorie bedarf apriorischer Voraussetzungen; selbst auf der untersten, basalen
Ebene der sinnlichen Wahrnehmungen und Beobachtungen liefern die Sinne selbst bereits ein
apriorisches Muster und eine deduktiven Form des Verstehens. 1
Es gibt nicht die sinnliche Erfahrung, die sich von selbst in Erkenntnis und Wissen verwandelt
würde, wenn nicht transzendentallogisch die Sich-Bezüglichkeit des Wissens und damit die
Mannigfaltigkeit der Anschauungs- und Denkformen vorhergingen. Jede Wahrnehmung ist bereits
ein Komplex vieler objektiver wie subjektiver Faktoren.
Die Wahrnehmungen sind apriorisch schon geformt von den
a) individuellen Sinnesvermögen (z. B. Tastsinn, Geschmacksinn, Geruchsinn, Temperatursinn,
Gesichtssinn, Gehör),
b) dem hierarchischen Zusammenhang der Sinne und
c) der sich in ihnen zeigenden Strukturen des theoretischen Vorstellens und praktischen Strebens in
ihrer Zweckgerichtetheit. 2
1) Offensichtlich war Ende des 19. Jhd. in Wien der transzendentale Ansatz des Erkennens
hinlänglich vergessen und verdrängt worden, wenn man nur das philosophische Umfeld von S.
FREUD betrachtet. 3
Dabei ist das methodische Vorgehen der Transzendentalphilosophie mit der Psychoanalyse insofern
verwandt, als von einer Introspektion ausgegangen wird: einmal für den transzendentallogischen
Bereich der reinen Wissbarkeit und Denkbarkeit; dann für den Bereich des psychischen Innenlebens
bei Beobachtung äußerer Phänomene wie Hysterie, Neurose, Psychose, Zwangsvorstellungen,
Wiederholungszwängen etc… Transzendendalphilosophie und Psychoanalyse könnten auch heute
noch ein gutes Gespann abgeben – und mag sein, dass es dazu Literatur gibt. 4
1 Literatur: A. MUES, Die Einheit unserer Sinnenwelt, München 1979, 13 – 16.

2 Wie sinnliche Qualitäten im Wissen bestimmt werden können, siehe dazu FICHTES GRUNDLAGE (1794), und
zwar unter Voraussetzung der Deduktion der Vorstellung im § 4, in den §§ 8 – 11.

3 Siehe z. B. Internet-download: Günter Gödde, Schopenhauer und die Psychoanalyse. Siehe dortige Literaturliste –
Link zum Download - abgerufen 25. 2. 2018

4 Die große Entfremdung zwischen Transzendentalphilosphie und Naturwissenschaft hat wohl Anfang der 19. Jhd.
begonnen, als die abstruse Dialektik der Idealisten gegenüber der Naturphilosophie sich nicht mehr durchsetzen
konnte. Aus den quantitativen und reflexiologischen Bestimmungen des Denkens, wie KANT und FICHTE noch
die Philosophie auffassten, sollten qualitativen Bestimmungen der Phänomene werden. Aus dem denkerischen
Reflexionsgrund wurden materiale Daseinsgründe abgeleitet, aus der transzendental-logischen Analyse der
Besonders für den so wichtigen Begriff des „Triebes“, der bekanntlich bei S. FREUD wie J. G.
FICHTE eine so große Rolle spielt, kann in vielem eine gemeinsame Basis gefunden werden –
wenn auch die weiteren Folgen daraus sich divergierend entwickeln.
2) Mir geht es hier nur um (höchst unvollständige) Anmerkungen zu einer geistigen
Verwandtschaft wie auch großen Unterschiedenheit von Transzendentalphilosophie und
Psychoanalyse bei J. G. FICHTE und S. FREUD. Ich wollte eigentlich die ganze Schrift FREUDS
„Jenseits des Lustprinzips“ transzendental hinterfragen, bin aber wegen der Fülle an
Voraussetzungen kaum über einige Zeilen hinausgekommen.
Zuerst sei auf einige historische und ideengemäße Ursprünge des Triebbegriffes eingegangen:
a) Nach Klaus Hammacher wurde traditionell die „Affektenlehre“ in der deutschen,
schulphilosophischen Tradition in der Ästhetik behandelt. 5
Eine Ausnahme bildet aber bereits MOSES MENDELSSOHN, und wiederum in seiner Tradition
SALOMON MAIMON.
In seinen „Streifereien im Gebiete der Philosophie“ (1793) orientiert S. MAIMON sich an der
Empfindsamkeit. Die Schönheit beziehen wir auf auf die Empfindsamkeit „durch die produktive
Einbildungskraft“ (Über die Ästhetik, in: Salomon Maimon, Gesammelte Werke, Bd. IV, S 81-198)
und einen durch sie „hervorzubringenden Gemüthszustand“.
Die in der KdU KANTS beschworene Angemessenheit oder Harmonie im Geschmacks- und
Schönheitsempfinden wird nicht durch die Angemessenheit an und in den Verstandesformen
erzeugt, sondern „nach den Gesetzen des Willens“.
Die „sinnliche Darstellung einer Verstandesregel“ in den „schönen Künsten“ ist auf die
„Reflexionseinheit“ in der Selbstätigkeit zurückzuführen.6
Damit ist bereits eine starke anthropologische und praktische Komponente in die Urteilskraft und
generell in die Philosophie eingebracht. Die Empfindungen können durch die schönen Künste,
wenn nicht direkt hervorgebracht, so doch modifiziert werden, weil sie ja auf die geistige
Selbsttätigkeit des Menschen zurückbezogen und nach der Angemessenheit mit dem Willen
bestimmt werden.
Das ist aber jetzt keine Kleinigkeit, das erstmals nachgewiesen wurde, dass der Wille ein geistiges
Vermögen und ein Streben (als inneres Handeln) darstellt.
b) FICHTE knüpft jetzt an S. MAIMON (siehe auch im Zusammenhang der Gebhard-Rezension) an
– und deutlich ist das in der 2. Auflage der OFFENBARUNGSCRITIK (1793) bereits fassbar, und
in weiterer Folge in den Urformen der WL in den EIGNEN MEDITATIONEN und der

Anschauung wurden begriffliche Interpretationen der Realität. Die formale Dialektik des Denkens war zu einer
interpretierenden materialen Dialektik verkommen. Siehe dazu K. HAMMACHER, Fichtes transzendentale
Dialektik und Hegels phänomenologische Dialektik. Eine transzendentale Rekonstruktion. In: Transzendentale
Theorie und Praxis. Zugänge zu Fichte. Fichte Studien, Supplementa. Atlanta 1996, 49-65.

5 K. Hammacher, Die Vollendung der WL in einer Affektenlehre. Eine ungenutzte Chance. Fichte-
Studien Nr. 11, 379 – 396.
6S. Maimon, ebd., Bd, IV, S 157. zitiert nach K. Hammacher, ebd. Vgl. dort Anm. 7, S 381.
PRACTISCHEN PHILOSOPHIE (1793/1794) und natürlich in allen späteren
WISSENSCHAFTSLEHREN (abk.=WL).
Fichte argumentiert wie folgt:
Da einerseits der Affekt der Achtung (durch sein Herkommen aus der reinen Spontaneität) sich
nicht dem Rezeptivitätsvermögen und der Sinnlichkeit allein verdanken kann, andererseits aber
doch auf die Sinnlichkeit wirken soll, muss es ein synthetisches Vermögen geben, worin sowohl die
Seite der Über-Sinnlichkeit wie der Sinnlichkeit synthetisch vermittelt sind, d. h. so vermittelt sind,
dass weder die Rezeptivität der Sinnlichkeit verloren geht, noch die Spontaneität des freien Willens.
Dies ist die synthetisch bestimmte Bestimmbarkeit eines sowohl beschränkten wie freien Wollens –
der sinnliche Trieb. (J. G. FICHTE, OFFENBARUNGSCRITIK, 1791/92, SW V, S 17)
Der Wille, aufgenommen in eine bestimmte sinnliche und/oder übersinnliche Form, d. h. also
eingeschränkt in eine Form, das ist die Form des Triebes als anthropologische Bedingung der
Freiheit.
In der Diktion Fichtes:
Es muss nemlich ein Medium seyn, welches von der einen Seite durch die Vorstellung, gegen
welche das Subject sich bloss leidend verhält, von der anderen durch Spontaneität, deren
Bewusstseyn der ausschliessende Charakter alles Wollens ist, bestimmbar sey; und dieses Medium
nennen wir den Trieb. (….)
Der Trieb ist also, in|sofern
er auf eine Sinnenempfindung geht, nur durch das Materielle derselben, durch das in dem
V18

Afficirtwerden unmittelbar empfundene, bestimmbar. Was in der Materie der Sinnenempfindung


von der Art ist, dass es den Trieb bestimmt, nennen wir angenehm, und den Trieb, insofern er
dadurch bestimmt wird, den sinnlichen Trieb: welche Erklärungen wir vor der Hand für nichts
weiter, als für Worterklärungen geben. (Sc. Anmerkung 1
*[1] Es sind nemlich, bei der charakteristischen Beschaffenheit endlicher Wesen leidend afficirt zu
werden, und durch Spontaneität sich zu bestimmen, bei jeder Aeusserung ihrer Thätigkeit
Mittelvermögen anzunehmen, die von der einen Seite der Bestimmbarkeit durch Leiden, von der
anderen der Bestimmbarkeit durch Thun fähig sind. )
Wie nebenbei kommt Fichte hier zu einer Bestimmung der Urteilskraft, die, in deutlicher
Unterscheidung zu einer zweigeteilten ästhetischen wie teleologischen Urteilskraft bei KANT, mit
der Empfindung beginnt, und, insofern die Weiterbestimmung des Triebes nach notwendigen
Verstandesregeln erfolgen soll, „das gegebene Gesetz auf gegebenen Stoff anwendet.“
Die Weiterbestimmung des Triebes nach Gesetzen (in den späteren Wln oder z. B. in der SL von
1798 zum Thema gemacht) hört sich nach der Diktion FICHTES so an:
Soll von der anderen Seite dieser Trieb durch Spontaneität bestimmbar seyn, so geschieht diese
Bestimmung entweder nach gegebenen Gesetzen, die durch die Spontaneität auf ihn bloss
angewendet werden, mithin nicht unmittelbar durch Spontaneität; oder sie geschieht ohne alle
Gesetze, mithin unmittelbar durch absolute Spontaneität.
Für den ersteren Fall ist dasjenige Vermögen in uns, das gegebene Gesetze auf gegebenen Stoff
anwendet, die Urtheils|kraft:
V19folglich müsste die Urtheilskraft es seyn, die den sinnlichen Trieb den Gesetzen des Verstandes
gemäss bestimmte. — Dies kann sie nun nicht so thun, wie die Empfindung es thut, dass sie ihm
Stoff gebe, denn die Urtheilskraft giebt überhaupt nicht, sondern sie ordnet nur das gegebene
Mannigfaltige unter die synthetische Einheit.
Soweit Fichte auf der Ebene der Rezeptivität bleibt, führt die erste synthetische und mediale
Bestimmtheit des Triebes somit zum Begriff des (qualitativ-empfindbaren) Angenehmen (ebd. S
19). Erst durch die Vermittlung im Trieb kann eine transzendentallogische Bestimmung der
Empfindung - FICHTE sagt ursprünglich „Gefühl“ - wirklich gegeben sein. Man bedenke hier
ebenfalls die epistemologische Herleitung der Bedeutung der empirischen Begriffe! Der
Empirismus setzt das Verstehen von angenehm, unangenehm, süß, sauer, heiß, kalt…. einfach
voraus. Er setzt die Sich-Bezüglichkeit des apriorischen Wissens voraus, behauptet aber, dass alle
Erkenntnis von den Sinnen ausgehe!?
Der Qualität nach ist das zu beurtheilende durch die Empfindung unmittelbar gegeben; es ist positiv
das angenehme, welches ebenso viel heisst, als das den sinnlichen Trieb bestimmende, und keiner
weiteren Zergliederung fähig ist. Das Angenehme ist angenehm, weil es den Trieb bestimmt, und es
bestimmt den Trieb, weil es angenehm ist. Warum etwas der Empfindung unmittelbar wohlthue, und
wie es beschaffen seyn |
V20müsse, wenn es ihr wohlthun solle, untersuchen wollen, hiesse sich geradezu widersprechen;
denn dann sollte es ja auf Begriffe zurückgeführt werden, mithin der Empfindung nicht unmittelbar,
sondern vermittelst eines Begriffes wohlthun. Negativ, das unangenehme; limitativ, das indifferente
für die Empfindung.
Es folgen in der OFFENBARUNGSCRITIK (1792/93) nach der Kategorientafel Kants die
quantitative, relationale und modale Weiterbestimmung dieses Angenehmen, (ebd. S 20); es folgt z.
B. auch eine analytische Bestimmung des Begriffs vom „Glück“ (ebd. S 20) u. a. m. Ich will sagen,
nicht ein unbewusster, blinder Wille (wie SCHOPENHAUER und in Folge auch S. FREUD) steht
hinter den Gefühlen und Empfindungen dieser Welt, sondern der Trieb, der eine qualitative
Bedeutung und Bewertung abgibt, d. h. eine sinnliche Bestimmung, ist eine ausdrückliche Seite der
Wirksamkeit der Spontaneität des Willens, wenn auch einer gehemmten Spontaneität.
Diese gehemmte Spontaneität kann im weiteren in eine natürliche, spontane Reaktionsweise des
Willens (der sinnliche Trieb) und in eine freie Reaktionsweise des Triebes (der übersinnliche,
geistige Trieb) unterschieden werden, synthetisiert durch eine „absolute“ (ebd. S 25) und „rein
geistige“ (ebd. S 26) Wirksamkeit.7
Fichte argumentiert wie folgt:

7 M. a. W., aber dem Text entlang, die einschränkende Bedingung eines sinnlich Angenehmen ist eine „negative
Affection — eine Niederdrückung, eine Einschränkung desselben“ (ebd. S 25) und mithin wird der Trieb (und die
Triebkraft) selber dadurch differenziert in einen „sinnlichen Trieb“ und einen, nennen wir ihn kurz und allgemein,
geistigen Trieb. Mit der späteren GRUNDLAGE (1794) gesprochen: Das Ich soll sich durch die Aufgabe als durch
sich selbst gesetzt gegeben sein. Das geschieht durch dialektisches Gegensetzen. Dafür muss es aber einen,
zumindest der Denkvoraussetzung nach, einen realen Grund mit innerem Streben angeben, den Trieb. (GA, I/2 411;
SW I, 280).
Nun aber ist das Empfindungsvermögen, insofern es |
V26blosse Receptivität ist, weder positiv noch negativ durch die Spontaneität, sondern bloss durchs
Gegebenwerden eines Materiellen afficirbar; folglich kann die postulirte negative Bestimmung
überhaupt nicht die Receptivität betreffen (etwa eine Verstopfung oder Verengerung der Sinnlichkeit
an sich seyn); sondern sie muss sich auf die Sinnlichkeit beziehen, insofern sie durch Spontaneität
bestimmbar ist (s.oben), sich auf den Willen bezieht, und sinnlicher Trieb heisst.
Insofern nun diese Bestimmung auf die absolute Spontaneität zurückbezogen wird, ist sie bloss
negativ — eine Unterdrückung der willensbestimmenden Anmaassung des Triebes; — insofern sie
auf die Empfindung dieser geschehenen Unterdrückung bezogen wird, ist sie positiv, und heisst das
Gefühl der Achtung. Dieses Gefühl ist gleichsam der Punct, in welchem die vernünftige und die
sinnliche Natur endlicher Wesen innig zusammenfliessen. (ebd. S 26)
c) Der Trieb wird nicht mehr wie bei Spinoza und Leibniz als „conatus“ konstatiert, sondern
transzendental erschlossen aus der einzigen Fähigkeit, durch die wir über die natürliche Ausstattung
hinausragen und darin besteht, in unserem Begehren durch „Spontaneität“ bestimmbar zu sein.
(GA I, 1, 142; SW V S 17 ff). (Das Wort „Spontaneität“ hat sein Erbe von Leibniz und müsste in der
Frage nach der Freiheit jetzt erst ausgeführt werden!)
Es folgt das Gefühl des Dürfens zur Legitimation des Glücks (mit Gott verbunden führt das zur
„Glückseligkeit“) und das Gefühl des erlaubten Vergnügens aus der Nichtbefriedigung als
Selbstachtung. Die Beziehung solcher Empfindungen auf den Willen ist dabei nicht ästhetisch,
sondern praktisch. Sie ist eine Aufgabe.8
Nach der Sicht HAMMACHERS, worauf es mir aber hier nicht so ankommt, versteht FICHTE
diese „Aufgabe“ tlw. nur theoretisch, d. h. als theoretische Forderung (Postulat), einen
Ableitungsgrund transzendentallogisch zu finden, anstatt praktisch das Postulat als einzuübende
Idee des Verhaltens auszuwerten und zu bestimmen. Deshalb seine Ansicht, die WL hätte durch
eine Affektenlehre vollendet werden können, wäre sie praktisch-ethisch in den höchsten Prinzipien
interpretiert worden. FICHTE bemühte sich sozusagen zu einseitig, zu theoretisch, um eine

8 FICHTES Dialektik könnte so beschrieben werden: Eine Bestimmung (oder Sache) wird negiert – durch einen
impliziten Begriff einer diese Bestimmung umgebenden Sinnidee. Die Bestimmung ist zuerst das, was alles andere
nicht ist, und das verschieden andere ist alles das, was es selbst nicht ist. Seine Dialektik, so könnte man sagen, ist
ein Negationsverfahren teilweiser Ausschließung (klassenlogisch). Ein bestimmtes Gefühl ist eine
bestimmte„Hemmung“, welche Hemmung in ihrem Begriff durch Negation weiterbestimmt werden soll. Eine Idee,
ein unendliches Urteil, ein Begriff umgreift als Sinnidee oder Aufgabe die Bedeutung eines Bezeichneten.

Bis auf das Äußerste exerziert FICHTE dieses dialektische Verfahren - er sagt "analytisch-synthetische" Verfahren -
durch – siehe EIGNE MEDITATIONEN und PRACTISCHEN PHILOSOPHIE (GA II, 3) oder § 4 der
GRUNDLAGE (SW I)

Bei S. Maimon verläuft es nicht so streng analytisch-synthetisch: Er versucht durch „nach und nach negative“
Bestimmungen den „reellen Gebrauch“, den wir von Geschmacks-Urteilen machen, einzuschränken.

Dass die in einem Verfahren der Dialektik bestimmte Idee als „Aufgabe des Denkens“ in der GRUNDLAGE in den
Vordergrund drängte, ferner die „Aufgabe“ im praktischen Sinn durch bloße Schlüsse ersetzt wurde, ferner der
Kategorische Imperativ Kants als Ableitungsgrund stark betont wurde und der Pflichtbegriff alles überdeckte, ließ
die positive Bestimmung der Affekte leider in den Hintergrund treten – so die Nebenbemerkung HAMMACHERS.
Trotzdem ergibt sich aber auch rein theoretisch schon eine innere Ordnung der Affekte und eine rationale Struktur
des affektiven Lebens. Hammacher spricht von „ratiomorphen“ (Die Vollendung der WL in einer Affektenlehre,
ebd. S 388) Funktionen der Affekte.
transzendentallogische Ableitung und Erklärungsform der Gefühle und Affekte - und
vernachlässigte die praktische Idee einer Verwirklichung von Werten und die erst einzulernende
Verhaltensweise, diese Werte kennenzulernen und zeitlich (mühsam) anzueignen. (Soweit, aber nur
nebenbei, HAMMACHER). 9FICHTE konnte dann nur mehr an die Gefühle appellieren (z. B. in
den ANWEISUNGEN), anstatt sie anthropologisch-konstitutiv dem Willen als
Voraussetzungen der Freiheit zugrundezulegen.
Trotzdem ist das theoretische Konzept für sich selbstständig: aus einer inneren,
phänomenologischen Beschreibung des höchsten Affektes (der Achtung oder
auch Selbstachtung) kommt FICHTE zu einer transzendentallogisch-
systematischen Ableitung und Bestimmung der Gefühle.
d) Das oberste Gefühl ist das Streben. 10
Das Streben wird in der PRACTISCHEN PHILOSOPHIE als Handeln, das keine Kausalität hat,
gefasst (GA II,3, S 183). Wir können das Streben nur fühlen, denn sonst müssten wir eine reale
Wirkung des Strebens erkennen. Dennoch ist, was wir „Streben“ nennen, gedanklich einzuholen. Es
steckt in ihm eine Denkfunktion, insofern als es immer in einer Relation, das heißt einer
Beziehung besteht (GA II,3, 262). Beziehung jedoch können nur gedacht werden. Das
Denkverhältnis besteht in diesem Fall in der Forderung nach Kausalität.11
Diese Forderung (oder Postulat) wird empfunden als Kraftgefühl – gegenüber dem Zwangsgefühl.
Die Kraft ist die verobjektivierte Form des übergehenden Wollens in einer realen Tätigkeit. Das Ich
ist nicht gänzlich gefangen und eingeengt, wenn es (noch) Kraft verspürt. Im Sollen und Wollen
verspürt das Ich die Veränderungsmöglichkeit, zuerst im realen Übergehen in einer steten, zeitlichen
Reihe, und dann durch die Freiheit in der Vorstellung im idealen Übergehen.

Durch die dazwischentretende Reihe der Zeitform kann das Ziel einer
Erfüllung des Strebens (eines sinnlichen Gefühls, eines intelligiblen Gefühls der
Selbstachtung) nur im diskursiv-denkenden Übergehen geschehen, also immer
nur mittelbar erreicht (beim empirischen Ich) und nicht in seiner
Unmittelbarkeit abgleitet oder vorweggenommen werden. (Gäbe es keine
Zeitform, so würde ja das empirisch gewollte Streben genügen, das Gefühl oder
die Sinnerfüllung herbeizuführen.)
Tritt der Fall der Erfüllung des Strebens ein, so hat der Wille in seinem Streben
9 Dass K. HAMMACHER diese Theorie stark machen kann, siehe dazu seine exzellente
Rechtsphilosophie und seine Ethik zur Gerechtigkeit. Rechtliches Verhalten und die Idee der
Gerechtigkeit. Ein anthropologischer Entwurf. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2011.

10 Es herrscht m. E. totales Chaos, wenn man in irgendwelche „Sinnesdaten – und Wahrnehmungstheorien“


hineinliest. Siehe z. B. einen Überblick bietet W. Detel, Grundkurs Philosophie, Bd. 4., Erkenntnis- und
Wissenschaftstheorie, Hamburg 2007.
11Die Forderung nach Kausalität könnte wieder leicht missverstanden werden - als bloß formale geforderte
Übereinstimmung von Ich und Nicht-Ich, als bloße Auslegung eines Identitätssatzes oder als bloße Regel eines
Kategorischen Imperativs (siehe K. Hammacher, Die Vollendung der WL in einer Affektenlehre, S. 387)
sein Ende gefunden, aber immer nur in einem vorläufigen Sinne, denn im
nächsten Augenblick geht der Wille über diese Grenze hinaus, wenn das Ich
sich als freies Vorstellen und freies Bilden bewähren will.
Die Konzeption der Unendlichkeit im Schweben der Einbildungskraft
geht aller diskreten Quantitierung und aller real-idealen
Zeitkonstitution voraus. 12
Der Trieb wird gefühlt als Streben, als Form einer Kausalität, die keine Wirkung hat.
Der Trieb – eine notwendig zu denkende! (nicht sinnlich wahrnehmbare) Realität. 13

Als Gegensatz zum gefühlten Trieb bzw. zur erlittenen Einschränkung der Selbsttätigkeit aus einer
dialektischen Bestimmung der „negativen Affektion“, des „Aufhaltens“, der „Unterdrückung des
willensbestimmenden Anmaßung des Triebs“, kommt Fichte zur individuellen wie universalen
Selbstachtung:
Insofern nun dieses Gefühl der Achtung den Willen, als empirisches Vermögen, bestimmt; und
wieder im Wollen durch Selbsttätigkeit bestimmbar ist, als zu welchem Behufe wir ein solches
Gefühl in uns aufsuchen mussten, heisst es Trieb. — Trieb aber eines wirklichen Wollens kann es,
da kein Wollen ohne Selbstbewusstseyn (der Freiheit) möglich ist, nur durch Beziehung auf das Ich,
folglich nur in der Form der Selbstachtung seyn: — Dass diese Selbstachtung nun entweder rein,
schlechthin Achtung der Würde der Menschheit in uns, oder empirisch, Zufriedenheit über die
wirkliche Behauptung derselben, sey, haben wir eben gesagt. Es scheint in der Betrachtung
allerdings weit edler und erhabener, sich durch die reine Selbstachtung, — durch den einfachen
Gedanken, ich muss so handeln, wenn ich ein Mensch seyn will, als durch die empirische, — durch
den Gedanken, wenn ich so handle, werde ich als Mensch mit mir zufrieden seyn können,
bestimmen zu lassen: aber in der Ausübung fliessen beide Gedanken so innig ineinander, dass es
selbst dem aufmerksamsten Beobachter schwer werden muss, den Antheil, den der eine oder der

12 Nicht das Streben oder der Wille selbst sind unendlich, diese sind vielmehr als reines Streben und reiner Wille
vollendet, erst durch die Erzeugung der Zeitreihe wird das Wollen in ein methodisch unendliches Wollen
verwandelt. Leider gibt es seit Hegel hier große Verwirrung! Ein HEGEL kannte den methodischen
Unendlichkeitsbegriff nicht mehr – wie er aber durchaus in der Tradition bekannt war. Weil er keine echte
Reflexionsidentität hatte, mussten sich alle Phänomene (je nach Gelegenheit) in eine materiale Dialektik
verwandeln. Auch ein HUSSERL kannte in seinem Begriff von Intentionalität und transzendentaler
Gegenständlichkeit die praktische Funktion der Einbildungskraft nicht, folglich auch keinen übergehenden Willen
und keine Ableitung der Zeitform.

Nach den Prinzipien der WL ist das aber ein analytisch-synthetischer Akt der Einbildungskraft. Eine Unerfülltheit wird
in der synthetischen Verbindung mit einer intentierten unendlichen Erfüllung (methodisch) gesetzt, und gerade
dadurch wird sowohl die Sich-Bezüglichkeit des Wissens als auch zugleich die Hemmung realisiert. Das
Hinausgehen ins Unendliche und das Treffen auf eine Hemmung sind Teilmomente eines analytisch-synthetischen
Gesamtaktes des Bildens.

13 Ich würde es an einem Beispiel so erläutern: Das Wasser erzeugt nicht den Durst, sondern der Durst das Wasser.
Für das Ich ergibt sich durch die Ausgerichtetheit des Durst-Triebes, dass ihm empfindlich die sinnliche Welt a) auf
diesen einzelnen Bereich eingeschränkt ist, aber b) auch die ganze übrige sensorische und motorische und
organisatorische Bereich des Lebens ist von diesem Lebenstrieb abhängig. Das Leben (hier im eingeschränkt
organischen Sinne) ist ein zusammenhängendes Ganzes einer distributiven Wechselwirkung – wie erstmals KANT
und FICHTE diese kategoriale Analyse begrifflich leisten konnten. (Vorallem FICHTE mit seiner distributive
Zweckeinheit eines lebenden Organismus).
andere an seiner Willensbestimmung hatte, genau voneinander zu scheiden. — Aus dem gesagten
erhellet, dass es eine völlig richtige Maxime der Sittlichkeit sey: respectire dich selbst; und erklärt
sich, warum nicht unedle Gemüther vor sich selbst weit mehr Furcht und Scheu empfinden, als vor
der Macht der gesammten Natur, — und den Beifall ihres eigenen Herzens weit höher achten, als
die Lobpreisungen einer ganzen Welt. Insofern nun diese Selbstachtung als activer, den Willen
zwar nicht nothwendig zum wirklichen Wollen, aber doch thätig zur Neigung bestimmender Trieb
betrachtet wird, heisst sie sittliches Interesse; welches entweder rein ist, — Interesse für die Würde
der Menschheit an sich, oder empirisch — Interesse für die Würde der Menschheit in unserem
empirisch bestimmbaren Selbst. (Offenbarungscritik, SW V 27.28)
Nach dieser kurzen transzendentallogischen Analyse der Denkbarkeit eines Strebens - oder wir
könnten sagen, ganz allgemein verstanden, des Lebens – kann der Trieb gut und richtig als das
natürliche Vermögen der Freiheit beschrieben werden.14
e) Die Form des Strebens führt auch, wie wir gesehen haben, zu einer Form von Zeitlichkeit. Hier
findet sich sogar zufällig eine Parallele im „Jenseits des Lustprinzips.“ (Abschnitt IV).
S. FREUD spekuliert: „Ich gestatte mir an dieser Stelle ein Thema flüchtig zu berühren, welches die
gründlichste Behandlung verdienen würde. Der Kant'sche Satz, daß Zeit und Raum notwendige
Formen unseres Denkens sind, kann heute infolge gewisser psychoanalytischer Erkenntnisse einer
Diskussion unterzogen werden. Wir haben erfahren, daß die unbewußten Seelenvorgänge an sich
»zeitlos« sind. Das heißt zunächst, daß sie nicht zeitlich geordnet werden, daß die Zeit nichts an
ihnen verändert, daß man die Zeitvorstellung nicht an sie heranbringen kann. Es sind dies negative
Charaktere, die man sich nur durch Vergleichung mit den bewußten seelischen Prozessen deutlich
machen kann. Unsere abstrakte Zeitvorstellung scheint vielmehr durchaus von der Arbeitsweise des
Systems W-Bw. hergeholt zu sein und einer Selbstwahrnehmung derselben zu entsprechen. Bei
dieser Funktionsweise des Systems dürfte ein anderer Weg des Reizschutzes beschritten werden. Ich
weiß, daß diese Behauptungen sehr dunkel klingen, muß mich aber auf solche Andeutungen
beschränken.“ (S. FREUD, Jenseits des Lustprinzips, Reclam-Ausgabe, ebd. S 33.34)
Man kann sich wundern über diese verblüffenden Parallelen, aber auch nicht, denn offensichtlich
hat der transzendentale Gedanke beide Philosophen geführt, zur Letztbegründung fortzuschreiten.
Der Genuss als sinnliche Erfahrung, als sinnliches Gefühl ist „Erfüllung einer einzigen Zeit durch
einen gewissen Stoff, als Modification des empfindenden Ich“ (FICHTE, PRACTISCHE
PHILOSOPHIE, GA II, 3, 197)
Natürlich muss S.FREUD bei einer dogmatischen Behauptung eines „Seelenvorgangs“ stehen
bleiben, weil er keine höhere Ableitung des Triebbegriffes kennt. Das Zeitbewusstsein nach
FICHTE ist aber nicht biologisch-organisch, sondern im Streben begründet.Bei S. FREUD wird es

14 Nach außen hin widersprechen sich SPINOZA und FICHTE total, indem ersterer gerade den freien Willen in einer
inneren Freiheit einer göttlichen Liebe gesteuert sieht, während FICHTE den freien Willen erst praktisch zu dieser
höheren Liebe selber hinsteuern muss. Nach innen hin könnte man aber SPINOZA als Präzisierung der Position des
FICHTE lesen, weil sich der freie Wille nur in einer eingeübten, praktischen Liebe zeigt, die schon im natürlichen
Trieb grundgelegt ist. Freude oder Lust bei Spinoza sind nicht Grund der Ausübung des freien Willens, sondern
dasjenige, was als Affekte die Liebe begleiten, wenn sie mit der Vorstellung einer äußeren Ursache verbunden
werden. Mit der Lust vergegenwärtigt man sich einen Gegenstand, mit dem man in Liebe verbunden zu sein strebt.
Freude und Lust bei FICHTE begleiten ebenfalls das Streben, besonders wenn sie mit einer äußeren,
interpersonalen Ursache verbunden sind, können aber erst mittels freiem Willen und in zeitlicher Form und im
praktischen Handeln erkannt werden.
naturalistisch interpretiert und fixiert in einem zeitlosen oder vor-zeitlichen „Seelenvorgang“.
(FREUD sagt aber selber, das müsste noch genauer analysiert werden; hier fehlten ihm höhere
Herleitungen).
Eine Analyse, wenn sie philosophisch ist, kann nur nach transzendental-logischen Kriterien
erfolgen: Die Zeitdimension der Zukunft und die zeitliche Gliederung in
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sie entspringen einem praktischen Streben.
Es ergibt sich ein objektiv überprüfbarer, gefühlter Zusammenhang von Streben und damit eine
zeitliche Reihe.
Als „Modifikationen des empfindenden Ichs“ führt FICHTE ein reiches Spektrum von Affekten in
der PRACTISCHEN PHILOSOPHIE an: Furcht und Hoffnung, Lachen, Staunen, Neugier, Liebe,
Hass, Sympathie, Mitleid, Gutsein, Traurigkeit, Abscheu, Freude (GA II,3, 197f) Sie werden als
Modifikationen des Strebens und Gegenstrebens aufgefasst, und werden dadurch objektiv, indem
sie auf die Linie der Zeit bezogen werden.
Das Denkverhältnis, wodurch wir Punkte in einer Empfindung unterscheiden und beziehen, liegt als
Ursache und Wirkung nicht in der empfindbaren Folge selbst, sondern erst durch die Zeitbildung
mittels Streben kann die Wirkung als innere Erfahrung bestimmt werden.
3) Wenn der Trieb bereits auf das Angenehme hingeordnet ist, mithin ein sinnliches Gefühl aus dem
„Dürfen“ eines höheren Wollens darstellt, - nach der Methode der „negativen Bestimmung“ und
einer analytisch-synthetischen Dialektik -, so ergibt sich ein stufenartig aufgebautes, sinnliches wie
intelligibles Selbstwertgefühl der Sinn- und Freiheitsverwirklichung, das mit den vorreflexiven
Sinnerfüllungen in den Gefühlen beginnt und in einer materialen „Synthesis der Geisterwelt“ endet.
Endliche und unendliche Sinn-Erfüllung, in der Zweiheit eines sinnlichen und eines geistigen
Sinns, sind in dynamischer Weise einander zugeordnet und durcheinander wechselseitig bestimmt
in der Einheit und Verträglichkeit eines formalen wie materialen Sittengesetzes.
Es kommt jeweils auf die Sichtweise und auf die systematische Gesamtsicht an. Die Analyse der
lebendigen, sinnlichen Natur muss sowohl die apriorischen wie aposteriorischen Bedingungen
zugleich stets im Auge haben; aber auch die Analyse der geistigen Natur muss die überleitende
Begründung aller Wechselwirkung zwischen Denken und Sein in einem geistigen Sein, aus der die
geistigen Bestimmungen ihre Geltung und Bedeutung haben, synthetisiert betrachten. (FICHTE
spricht hier immer von einer Fünffachheit des Wissens; aber das würde uns hier zu weit führen.)
So möchte ich - mit meinen spärlichen Anmerkungen hier - eine geistige Verwandtschaft zwischen
FICHTE und FREUD, was den Triebbegriff betrifft, in methodischer Hinsicht behaupten. Beide
streben eine transzendentale Letztbegründung an, kommen aber natürlich zu diametral
entgegengesetzten Begründungen: Ein J. G. FICHTE bestimmt die sinnliche Natur durch die
übersinnliche Natur, ein S. FREUD gerade umgekehrt, die „übersinnliche“, sublimierte, „geistige“
Natur des Menschen als letztlich naturalistisch, biologisch bestimmte, sinnliche Natur. Was wäre
gewesen, hätte S. FREUD im studium generale der Philosophie FICHTE kennengelernt?
Ich wollte eigentlich ziemlich textgetreu die Schrift „Jenseits des Lustprinzips“ einer
transzendentalen Erkenntniskritik unterwerfen, aber ich sehe momentan, das führt zu weit. Aber
möglich müsste es sein. (Vorallem täte mich noch die Hypothese des Todestriebes und die
Erklärung des Gedächtnisses aus Wiederholungszwängen interessieren. Bekanntlich hat auch ein J.
DERRIDA diese Schrift einer besonderen differenzspezifischen Lektüre unterworfen; das wäre
nochmals ein Aspekt, auch diese Lektüre DERRIDAS transzendental zu prüfen.) 15
Noch ein paar allgemeine Schlussfolgerungen:
Ein S. FREUD, wenn ich es allgemein richtig einschätze, ohne dafür jetzt Belege bringen zu
können, wollte das Realitätsprinzip des Menschen wiederherstellen, die seelisch-leibliche
Gesundheit; ein J. G. FICHTE wollte die Freiheit überhaupt zum Grundprinzip seines Denkens und
Seins erheben, ohne aber abstrakt oder idealistisch zu werden. Freiheit ist vorstellungsmäßig und
praktisch zugleich stets auch eine bestimmte – und verweist deshalb von sich her auf eine sinnliche
und übersinnliche Mannigfaltigkeit der Hemmungen. Die anthropologische Grundbasis der Freiheit
– das war wohl die gemeinsame Ausgangsbasis von FREUD und FICHTE.
„Freyheit kann (der) Trieb, den wird der Zweckmäßigkeit unterlegen, nicht seyn, aber „auch nicht
Naturmechanismus“ (Coll über d. Moral GA IV, 1, S 45) „ Ich trage, laut der W. L. auf die Natur
den Begriff einer selbst über, soweit ich es kann, ohne die Natur selbst zu vernichten, d. i. ohne sie
zur Intelligenz (…) zu machen“ (Wesen der Thiere, GA II, 5, S 421; zit. n. R. Lauth, ebd. S 107)
Der Begriff des Triebes - eine notwendig zu denkende Realität zwischen Naturmechanismus und
Freiheit, um einen lebendigen Organismus (Pflanze, Tier, Mensch) verstehen zu können, aber nicht
nur den lebendigen Organismus, sondern insgesamt die Grundtendenz der Vernunft, sich theoretisch
wie praktisch zu realisieren.
4) Ich möchte als Beispiel des Gemeinsamen wie Unterscheidenden der Interpretation bei FREUD
und FICHTE aus den Anfangszeilen "Jenseits des Lustprinzips" zitieren:

S. FREUD: „(…) Wir haben uns entschlossen, Lust und Unlust mit der Quantität der
im Seelenleben vorhandenen – und nicht irgendwie gebundenen – Erregung in
Beziehung zu bringen, solcher Art, daß Unlust einer Steigerung, Lust einer
Verringerung dieser Quantität entspricht. Wir denken dabei nicht an ein einfaches
Verhältnis zwischen der Stärke der Empfindungen und den Veränderungen, auf die sie
bezogen werden; am wenigsten – nach allen Erfahrungen der Psychophysiologie – an
direkte Proportionalität; wahrscheinlich ist das Maß der Verringerung oder
Vermehrung in der Zeit das für die Empfindung entscheidende Moment.
(Hervorhebung von mir) Das Experiment fände hier möglicherweise Zutritt, für uns
Analytiker ist weiteres Eingehen in diese Probleme nicht geraten, solange nicht ganz
bestimmte Beobachtungen uns leiten können.“ ( S. FREUD, Jenseits des
Lustprinzips, ebd., S 10)
In solchen neuronalen und biologischen Berechnungen liegt die ganze Crux der
Erkenntnistheorie physio-psychischer Vorgänge. Können formale
Anschauungen a priori, wie sie die Mathematik in ihren Algorithmen und
15 Ich meine: J. DERRIDA, Freud und der Schauplatz der Schrift. In: Die Schrift und die Differenz, Frankfurt am
Main 197611, 302 – 350.
quantitativen Größenmessungen bereitstellt, als identifizierende Klassifikation
eines Triebes oder einer „seelischen“ Erregung dienen? Weder quantifizierende
Bestimmungen, noch sensualistische Theorien überhaupt, führen zu einer
Erkenntnis und zu einer Sich-Bezüglichkeit des Wissens. Es mögen die
damaligen Neurologen und Physiker es bereits weit gebracht haben in ihren
Messungen, wenn z. B. gleich anschließend FREUD zur Belegung seiner
Theorie der verdrängten Trieben den „tiefblickenden Forscher G. Th. Fechner“
sprechen lässt, aber die neuronalen Vorgänge deckungsgleich mit den seelischen
Vorgängen zu setzen, das ist ein Sprung. Zu unkritisch übernimmt hier FREUD
eine empirische Erkenntnistheorie. Dadurch wird vermeintlich a) eine
funktionelle Beschreibung des Triebes in Form von Aufbau oder Abbau von
Erregungszuständen möglich und b) zugleich, was für den philosophischen
Geist S. FREUDS spricht, die zeitliche Funktion der Entwicklung eines
Trieblebens sichtbar, und schließlich c) was ebenfalls für die
gesamtphilosophische Deutung und Wachsamkeit FREUDS spricht, misstraut er
auch ein Stück weit rein physikalischen Messungen als alleinerklärend.
Er zitiert zwar G. Th. Fechner, lässt es aber dann damit bewenden. Im
Unbewussten kennt er sich besser aus. „Insofern bewußte Antriebe immer mit
Lust oder Unlust in Beziehung stehen, kann auch Lust oder Unlust mit
Stabilitäts- und Instabilitätsverhältnissen in psychophysischer Beziehung
gedacht werden, und es läßt sich hierauf die anderwärts von mir näher zu
entwickelnde Hypothese begründen, daß jede, die Schwelle des Bewußtseins
übersteigende psychophysische Bewegung nach Maßgabe mit Lust behaftet sei,
als sie sich der vollen Stabilität über eine gewisse Grenze hinaus nähert, mit
Unlust nach Maßgabe, als sie über eine gewisse Grenze davon abweicht, indes
zwischen beiden, als qualitative Schwelle der Lust und Unlust zu
bezeichnenden Grenzen eine gewisse Breite ästhetischer Indifferenz
besteht, ....« (FECHTER, ebd. S 10.11)
Das Lustprinzip, später auch das Desktruktionsprinzip (den „Todestrieb),
einfach selbstbehauptend einzuführen, ohne Bedingungen ihrer Wissbarkeit, das
ist eine Erschleichung eines Prinzips. Sichtbar kann er nicht sein – als
gehemmte Spontaneität, als Willensmoment, als gedachte! Realität - wirksam
ist er allerdings, in den Erscheinungen.
Literatur zur Naturphilosophie J. G. FICHTES: REINHARD LAUTH, Die
transzendentale Naturlehre Fichtes nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre.
Hamburg, 1984.
Natürlich müsste jetzt bezüglich weiterer Ableitung und Bestimmung eines Triebes die
SITTENLEHRE FICHTES von 1798 herangezogen werden. Siehe dort die ausführliche
transzendentale Begründung eines sinnlichen Triebes durch ein sittliches Wollen.

© Dr. Franz Strasser


2. 3. 2018

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