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Als Trümmerliteratur, auch Heimkehrerliteratur und Literatur der Stunde Null, wird eine
deutsche Literaturepoche bezeichnet, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs im Jahr 1945 einsetzt und bis zum Anfang der 1950er Jahre nachzuempfinden
ist, wobei sie in der Folge von anspruchsvolleren Formen verdrängt wird. Die Vertreter der
Trümmerliteratur waren meist selbst aus dem Krieg heimgekehrt und versuchten, ein
realistisches und wahres Bild der Welt der Nachkriegszeit zu zeichnen. Dabei sollte die
Sprache – die im NS-Regime als Ideologieträger galt – von sämtlichen Floskeln der NS-
Zeit bereinigt werden, nicht lyrisch verklärt erscheinen, sondern klar und deutlich die
Realität zeigen. Autoren der Trümmerliteratur schildern die Erlebnisse des Krieges, aber
zeigen außerdem, wie sich ihnen die Gegenwart im Deutschland der Nachkriegszeit
darstellt. Die Sprache der Prosa galt vielen als durch die NS-Zeit verunglimpft, weshalb
zahlreiche lyrische Arbeiten entstanden. Beliebte Gattungen sind die Kurzgeschichte,
das Sonett sowie die Satire, wohingegen die Dramatik nur wenige Stücke hervorbrachte,
die ein großes Publikum fanden. Die literarische Epoche der Trümmerliteratur bildet den
Auftakt dessen, was später als Nachkriegsliteratur bezeichnet wird. Nachkriegsliteratur
lässt sich bis ins Jahr 1967 belegen.
BREGIFF
Der Begriff bezeichnet das, was die Generation, die aus dem Krieg zurückkehrte, in der
Heimat vorfand: nämlich Trümmer. Das NomenTrümmer bezeichnet die Bruchstücke
eines größeren, zerstörten Ganzen. Immerhin waren nahezu alle deutschen Großstädte
zerstört und viele Ruinen bezeugten das vorherige Kriegsgeschehen. Viele, die aus dem
Krieg nach Hause kamen, standen also wortwörtlich vor den Trümmern ihrer Existenz,
hatten Heim, Familie sowie Freunde verloren und waren darüber hinaus innerlich
zerstört. Metaphorischkönnte man dies als Trümmer der Seele bezeichnen. Heinrich Böll,
ein wichtiger Vertreter dieser Epoche, beschrieb diese Form der Literatur in einem Aufsatz
folgendermaßen:
Die ersten schriftstellerischen Versuche unserer Generation nach 1945 hat man als
Trümmerliteratur bezeichnet, man hat sie damit abzutun versucht. Wir haben uns gegen
diese Bezeichnung nicht gewehrt, weil sie zu Recht bestand: tatsächlich, die Menschen
von denen wir schieben, lebten in Trümmern, sie kamen aus dem Kriege, Männer und
Frauen in gleichen Maße verletzt, auch Kinder. Und sie waren scharfäugig: sie sahen.
Sie lebten keineswegs in völligem Frieden, ihre Umgebung, ihr Befinden, nichts an ihnen
und um sie herum war idyllisch, und wir als Schreibende fühlten uns ihnen so nahe, daß
wir uns mit ihnen identifizierten. Mit Schwarzhändlern und den Opfern der
Schwarzhändler, mit Flüchtlingen und allen denen, die auf andere Weise heimatlos
geworden waren, vor allem natürlich mir der Generationen, der wir angehören und die sich
zu einem großen Teil in einer merk- und denkwürdigen Situation befand: sie kehrte heim.
Es war die Heimkehr aus einem Krieg, an dessen Ende kaum noch jemand glauben
können. (Quelle: H. Böll, Bekenntnis zur Trümmerliteratur, 1952)
In diesem kurzen Ausschnitt aus Heinrich Bölls Bekenntnis zur Trümmerliteratur aus dem
Jahr 1952 skizziert Böll recht treffend, worum es grundsätzlich in den literarischen
Arbeiten dieser Zeit ging. Es geht um Literatur, die von denjenigen verfasst wird, die aus
dem Krieg zurückkehren, weshalb es sich um eine ganze Generation handelt, die
heimkehrt. Darüber hinaus verrät Böll noch ein weiteres Detail, das als wesentliches
Merkmal der Epoche gilt: die Schreibenden sind scharfäugig. Sie schauten somit genau
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hin, zeigten die reale, ungeschönte Wirklichkeit und wollten Geschehenes und
Existierendes genau erfassen.
MERKMALES
Die Trümmerliteratur, teilweise auch Heimkehrerliteratur, wird oftmals als ein Synonym der
Nachkriegsliteratur gebraucht. Allerdings lassen sich die wichtigen Merkmale dieser
Epoche tatsächlich nur in den Jahren nach Kriegsende bei zahlreichen Autoren belegen,
wohingegen die Nachkriegsliteratur, also die Verarbeitung des Krieges, durchaus länger
zu verorten ist. In der folgenden Übersicht werden die Merkmale beider Strömungen
gebündelt dargestellt, aber mit einem Schwerpunkt auf den Zeitraum zwischen Kriegsende
und dem Anfang der 1950er Jahre.
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verzichtete man in der Lyrik zumeist auf ein Reimschema oder verwarf bekannte Mittel des
Schriebens, um den Bruch mit früheren Generationen zu markieren.
Einerseits grenzte man sich somit von früheren Epochen ab und forderte andererseits einen
ganz ungetrübten Blick auf die Gegenwart. Dadurch forderten die Vertreter dieser Literatur
gewissermaßen einen Wahrheitsanspruch ein, denn sie gaben vor, alles mit einem
ungetrübten, klaren Blick abzubilden. Das bedeutete aber auch, dass die Autoren das Leben
um sie herum tatsächlich erfahren mussten und nicht im Elfenbeinturm, also aus der
Isolation und Abgeschiedenheit heraus, schreiben sollten.
Diesen Ansprüchen genügten vor allem zwei der literarische Gattungen: nämlich die Lyrik
und die Epik. Die Lyrik bot sich an, da die Prosa den Trümmerliteraten durch die
Propagandamaschinerie des NS-Regimes verbraucht, abgenutzt und missbraucht erschien,
weshalb das Schreiben in freien Versen oder das Verwenden
eigener Wortneuschöpfungen ideal erschien. Die Epik beinhaltet zwar Werke in Prosa, bietet
aber auch zahlreiche Kleinformen. Den Autoren sagte vor allem der Stil der
amerikanischen Short Stories zu, die kurz, knapp und unreflektiert den Blick auf das
Wesentliche lenkten: folglich entstanden zahlreiche Kurzgeschichten sowie allerhand
knappe Erzählungen und teils Satiren.
Inhaltlich kreiste man um Beobachtungen, die bewusst karg und äußerst direkt erschienen,
wobei das triste, notvolle und leiderfüllte Leben innerhalb der Trümmer, Ruinen oder auch
Flüchtlingslager gezeigt wurde. Weiterhin ging es oftmals um Menschen, die aus dem Krieg
heimkehrten und die Welt, die sie nun vorfanden, nicht mehr erkannten und sich auch nicht
in dieser zurechtfanden: sie standen dabei wortwörtlich vor den Trümmern ihrer Existenz
und einstigen Wertvorstellungen und mussten nun damit zurechtkommen.
Die grundsätzlichen Themen (Trümmer, Heimkehr, Krieg etc.) lassen sich in zahlreichen
Werken auch stilistisch nachempfinden. Dabei beschränkte man sich in den Darstellungen
zumeist auf wenige Protagonisten, also eine übersichtliche Figurenkonstellation, wobei eine
knappe, aber treffende, trockene und schmucklose Ausdrucksweise charakteristisch ist, die
aber in der Regel das Gezeigte nicht bewertet. Der Raum war in den Erzählungen oft sehr
beschränkt und konzentrierte sich auf eine einzelne Begebenheit, wobei auch die erzählte
Zeit äußerst knapp ist und meist nur wenige Stunden / Tage umfasst. Die Literaten griffen
sich eher einzelne Bilder heraus und entwickelten keine komplexen Handlungsstränge.
Verpönt waren wiederum der Rückblick auf frühere Epochen, wie etwa die
Antike (vgl. Renaissance), das Beschreiben mit rein rationalen Mitteln, Propaganda und
jegliche Literatur, die der Agitation (Werbetätigkeit für bestimmte Ziele) diente sowie die
literarische Kalligraphie (Kunst des Schönschreibens) und Dinge, die rückwärtsgewandt
erschienen.
LITERARISCHES PROGRAMM DER TRÜMMERLITERATUR
Wie beschrieben, bot sich vor allem die Lyrik für das literarische Schaffen jener Epoche
an, wobei auch kurze epische Erzählungen einen besonderen Effekt erfüllen konnten:
nämlich den knappen, unreflektieren Blick auf eine Situation. Nachfolgend werden die
einzelnen Ausprägungen in den verschiedenen Gattungen näher beleuchtet und durch
markante Beispiele illustriert.
DIE LYRIK
Die Lyrik bot sich für die Vertreter der Epoche nahezu an. Sie war – im Gegensatz zur
Prosa – nicht durch die Propaganda der Nationalsozialisten geprägt und machte es
möglich, einen knappen, unreflektierten Einblick zu gewähren. Man versuchte hierbei
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nicht, das Gezeigte durch eine stark lyrische Sprache zu verschleiern, sondern direkt zu
benennen. Folglich galt das Lyrische als ideale Form. Ein Beispiel:
Das obige Beispiel zeigt die ersten vier Verse des Gedichts Latrine(1946) des deutschen
Lyrikers Günter Eich. Das Gedicht entstand während oder kurz nach dem Zweiten
Weltkrieg. Hierbei wird ersichtlich, dass das Werk keinem
durchgängigen Reimschema oder Metrum folgt, wodurch es sich formal gegen die
Tradition des Gedichtschreibens wendet. Das lyrisches Ich schildert die Verrichtungen auf
einer notdürftigen Latrine und zeigt das Gesehene ungeschönt und unmittelbar (Blut, Urin,
Fliegen).
In den darauffolgenden Versen wird außerdem Hölderlin auf das Nomen Urin gereimt und
somit direkt in Verbindung gebracht. Das lyrische Ich kontrastiert somit die Verrichtungen
auf der Latrine, also das Ausscheiden von Exkrementen, mit der schöngeistigen Literatur.
Hölderlin wurde im NS-Regime verehrt, weshalb diese Verbindung nahezu schockierend
ist und gleichermaßen einen Bruch zum Vorherigen darstellt, was typisch für die Werke
der Trümmerliteratur und Nachkriegsliteratur im Allgemeinen ist.
EPIK
Die Epik bot sich zu dieser Zeit vor allem aufgrund einer Textsorte an: nämlich
der Kurzgeschichte. Die Trümmerliteraten wurden hierbei von amerikanischen Vorbildern
und deren Short Stories inspiriert. Allerdings verwies man durch das Schreiben von
Kurzgeschichten nicht nur auf Vorbilder, wie etwa Ernest Hemingway oder Ernest
Faulkner, sondern grenzte sich mit dieser Kurzform, die sprachliche einfach und sachlich
war, ganz bewusst von den umfangreichen, in übertriebener Weise feierlichen und darüber
hinaus ideologisch aufgeladenen Werken der nationalsozialistischen Literatur ab.
Die Kurzgeschichte wurde von vielen Autoren genutzt, wobei als wichtige Vertreter vor
allem Wolfdietrich Schnurre, Heinrich Böll und Wolfgang Borchert gelten. So erzählt
Wolfgang Borchert beispielsweise im Werk Die Küchenuhr die Geschichte eines jungen
Mannes, der durch einen Bombenangriff seine Eltern und sein Heim verloren hat. Nur eine
Küchenuhr, die er in den Trümmern findet, erinnert ihn noch an die Fürsorge der eigenen
Mutter, wodurch er das verlorene Familienleben begreift.
DRAMATIK
Das Drama spielte in der Trümmerliteratur keine Hauptrolle, auch wenn es natürlich
dramatische Stoffe gab, die aufgeführt wurden. Allerdings gab es kaum Stücke, die ein
breites Publikum erreichen konnten. Zu nennen sind allerdings Wolfgang
Borcherts Draußen vor der Tür (1947) sowie Carl Zuckmayers Des Teufels
General (1946). Auch hier steht das unmittelbare Erleben des Krieges, das ungeschönte
Zeigen der Nachkriegszeit und die Auswirkungen dessen auf die Protagonisten im
Vordergrund der Betrachtung.
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VERTRETER UND W ERKE
Johannes R. Becher (1891-1958)
Heimkehr
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Die Kirschen
Die drei dunklen Könige
Wolfdietrich Schnurre (1920-1989)
Ein Unglücksfall
Das Begräbnis
Auf der Flucht
Steppenkopp