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Research Collection

Doctoral Thesis

Entwicklung und Bewertung eines flexiblen und dezentral


gesteuerten Fertigungssystems für variantenreiche Produkte

Author(s):
Bochmann, Lennart Sören

Publication Date:
2018

Permanent Link:
https://doi.org/10.3929/ethz-b-000238547

Rights / License:
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ETH Library
DISS. ETH Nr. 24466

Entwicklung und Bewertung eines flexiblen und


dezentral gesteuerten Fertigungssystems für
variantenreiche Produkte

Abhandlung zur Erlangung des Titels

DOKTOR DER WISSENSCHAFTEN


der ETH Zürich

(Dr. sc. ETH Zürich)

vorgelegt von

LENNART SÖREN BOCHMANN


Master of Science ETH in Mechanical Engineering, ETH Zürich

geboren am 26. Februar 1990


von Deutschland

angenommen auf Antrag von

Prof. Dr. Konrad Wegener, Referent


Dr. Holger Heyn, Korreferent
Prof. Dr. Andreas Kunz, Korreferent

2018
Die wissenschaftlichen Ergebnisse, Meinungen und Schlüsse dieser Dissertation sind nicht not-
wendigerweise die der Volkswagen Aktiengesellschaft.
Vorwort
Die zurückliegenden Jahre, die ich der Erstellung dieser Doktorarbeit gewidmet habe, und die
Arbeit, die zur wissenschaftlichen Ausarbeitung der behandelten Thematik notwendig waren,
gehören definitiv zu den spannendsten, lehrreichsten und bereicherndsten, aber auch zu den
herausfordernsten Abschnitten meines bisherigen Lebens. Ich bin äußerst dankbar dafür, die
Möglichkeit der Erarbeitung und Verfassung der vorliegenden Dissertation durch meine Pro-
jekttätigkeiten bei der Volkswagen AG sowie meiner wissenschaftlichen Arbeiten als externer
Doktorand der ETH Zürich erhalten zu haben. Umso mehr dankbar bin ich allen Personen,
mit denen ich hierbei zusammenarbeiten durfte und die mich unterstützt sowie befähigt haben,
diesen besonderen und einzigartigen Weg zu gehen. Ohne diese Unterstützung hätte ich diese
Arbeit nicht fertigstellen können. Daher widme ich diesen Personen meine Doktorarbeit.

Ein besonderes Dankeschön gilt hierbei Prof. Dr. Konrad Wegener, Institutsleiter des Instituts
für Werkzeugmaschinen und Fertigung (IWF) der ETH Zürich und mein Doktorvater. Prof. Dr.
Konrad Wegener hat von Beginn an meine akademische Laufbahn geprägt sowie beeinflusst und
ist eine der begnadetsten und außergewöhnlichsten Persönlichkeiten, die ich bisher kennenler-
nen durfte. Beinahe mein gesamtes fertigungstechnisches Wissen haben ich ihm zu verdanken.
Ich bedanke mich herzlichst für die ausgezeichneten Hilfestellungen und fachlichen Ratschläge,
die ich im Laufe meiner Doktorandentätigkeit von Prof. Dr. Konrad Wegener erhalten habe.
Außerdem bin ich ihm zu tiefst für das Vertrauen in meine Fähigkeiten dankbar und schätze
es sehr, dass er mir die Verfassung einer Industriepromotion als externer Doktorand ermöglicht
hat.
Ebenfalls ein besonderer Dank gebührt Prof. Dr. Andreas Kunz, Leiter des Innovation Center
Virtual Reality (ICVR) und Korreferent meiner Doktorarbeit. Er stand mir bei jeglichen orga-
nisatorischen Aspekten als sehr große Hilfe zur Seite, hat mir diverse exzellente fachliche sowie
methodische Hinweise gegeben und mich mit großem Einsatz ideal in seine Forschungsgruppe
sowie das Institut integriert.

Seitens der Volkswagen AG bin ich sämtlichen Kollegen, Förderern und Ansprechpartnern dank-
bar, die mich im Laufe meiner Doktorandentätigkeit fachlich und auch persönlich unterstützt
und motiviert haben. Ich bedauere sehr, dass ich mich aus rechtlichen Gründen nicht persönlich
bei den involvierten Mitarbeitern der Volkswagen an dieser Stelle bedanken darf, und hoffe, dass
meine Wertschätzung dennoch zum Ausdruck kommt.

Der letzte und wichtigste Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden. Meine Eltern Dagmar
und Ralf Bochmann sowie meine Schwester Xenia Bochmann haben mich in jeder Lebenslage

III
Vorwort

unfassbar unterstützt, geliebt und an mich geglaubt. Sie haben mir meinen Weg ermöglicht und
mich zu dem gemacht was ich heute bin. Gleiches gilt für meine Partnerin Karina Geurts, die
mich mit beispiellosem Verständnis und absoluter Hingabe sowie Selbstverständlichkeit durch
die Höhen und Tiefen meiner Doktorandenzeit getragen hat. Für diesen Rückhalt bin ich ihr
äußerst dankbar. Ebenfalls meinem besten Freund Timo Bänziger gilt ein sehr großer Dank.
Wir haben uns gegenseitig im Studium bestmöglich unterstützt und so diverse Erfolge erleben
dürfen. Als Freund und auch als Arbeitskollege habe ich von ihm extrem wertvolle fachliche
Inputs erhalten und konnte in jeder Situation auf seine Unterstützung zählen. Insgesamt war es
fachlich sowie persönlich ein aufregender und herausfordernder Weg, der sich nach allen Stra-
pazen für mich gelohnt hat und dessen Erfahrungen ich nicht missen möchte.

Zürich, den 31. Januar 2018 Lennart Sören Bochmann

IV
Inhaltsverzeichnis
Vorwort III

Inhaltsverzeichnis VIII

Abkürzungsverzeichnis IX

Abstract XI

Zusammenfassung XII

1 Einleitung 1
1.1 Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.3 Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme 5


2.1 Fertigungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.1.1 Werkstattfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.2 Inselfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.3 Zellfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1.4 Reihenfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.1.5 Fliessfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
2.1.6 Baustellenfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2.1.7 Weitere Charakterisierungsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.1.8 Spezifische Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.9 Flexible Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.10 Rekonfigurierbare Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.1.11 Intelligente Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2 Eigenschaften von Fertigungssystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.3 Layoutplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3.1 Ziele der Layoutplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3.2 Einordnung in den Fabrikplanungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.3.3 Theorie der Layoutplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.3.4 Layoutplanung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.3.5 Mathematische Modellierung des Layoutplanungsproblems . . . . . . . . 37
2.4 Maschinenbelegungsplanung (Scheduling) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

VI
Inhaltsverzeichnis

2.4.1 Flow Shop Scheduling Problem (FSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49


2.4.2 Job Shop Scheduling Problem (JSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.4.3 Open Shop Scheduling Problem (OSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4.4 Mixed Shop Scheduling Problem (MSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4.5 Group Shop Scheduling Problem (GSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.4.6 Mathematischen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2.5 Transportwegplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.5.1 Transportwegermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
2.5.2 Kollisionsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

3 Stand der Forschung und abgeleiteter Forschungsbedarf 63


3.1 Zukünftige Fertigungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.2 Layoutplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.3 Maschinenbelegungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
3.4 Transportwegplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.5 Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

4 Experteninterviews 71
4.1 Zielsetzung und Methodik der Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.2 Interviewleitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.3.1 Ergebnisse Teil I: Aktuelle Herausforderungen in der Produktion . . . . . 76
4.3.2 Ergebnisse Teil II: Standortbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.3.3 Ergebnisse Teil III: Zielvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.3.4 Identifizierte Handlungsbedarfe und Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . 89

5 Konzeptentwicklung 92
5.1 Handlungsbedarfe und Schwerpunkte der Konzeptentwicklung . . . . . . . . . . 92
5.2 Gesamtkonzept eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems . . . 94
5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems . . . 98
5.4 Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungs-
systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungs-
system . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

6 Simulationsbasierte Umsetzung 123


6.1 Grundlagen, Annahmen und Zielsetzung der Simulation . . . . . . . . . . . . . . 123
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

7 Simulationsbasierte Validierung 146

VII
Inhaltsverzeichnis

7.1 Auswahl des Anwendungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146


7.2 Anwendungsfall: Vormontage eines Fahrzeugcockpits . . . . . . . . . . . . . . . 147
7.3 Implementierung des Anwendungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

8 Abschluss 160
8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . 160
8.2 Implementierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
8.3 Ausblick und Aufzeigen weiterer Forschungsbedarfe . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Literaturverzeichnis 165

Abbildungsverzeichnis 179

Tabellenverzeichnis 181

Listings 182

Lebenslauf 183

VIII
Abkürzungsverzeichnis
AGV Automated Guided Vehicle
AP Assignment Problem (deutsch: Zuordnungsproblem)
BIP Bruttoinlandsprodukt
CDT Constrained Delaunay Triangulation
CMS Cellular Manufacturing System (deutsch: Zellulares Fertigungssys-
tem)
CPP Coverage Path Planning
CPPS Cyber-physisches Produktionssystem
CPS Cyber-physisches System
CPU Central Processing Unit (deutsch: Prozessor)
DLZ Durchlaufzeit
DML Dedicated Machine Line
DMS Dedicated Manufacturing System
FIFO First-In-First-Out
FJSGP Flexible Job Shop Group Scheduling Problem
FJSP Flexible Jobs Shop Scheduling Problem
FLP Facility Layout Problem (deutsch: Layoutplanungsproblem)
FMS Flexible Manufactruing System (deutsch: Flexibles Fertigungssys-
tem)
FSP Flow Shop Scheduling Problem
FTS Fahrerloses Transportsystem
GA Genetischer Algorithmus
GSP Group Shop Scheduling Problem
GUI Graphical User Interface
IoT Internet of Things (deutsch: Internet der Dinge)
IT Informationstechnik
JGAP Java Genetic Algorithms Package
JNI Java Native Interface
JPH Jobs per Hour (deutsch: Aufträge pro Stunde)
JSP Job Shop Scheduling Problem
KPI Key Performance Indicator (deutsch: Leistungskennzahlen)
LCM Label Correcting Method
LCT Local Clearance Triangulation
LIFO Last-In-First-Out
MES Manufacturing Execution System

IX
Abkürzungsverzeichnis

MILP Mixed Integer Linear Programming


MSP Mixed Shop Scheduling Problem
OEM Original Equipment Manufacturer (deutsch: Erstausrüster)
OSP Open Shop Scheduling Problem
PEP Produktentstehungsprozess
PP Produktionsplanung
PPS Produktionsplanung und -steuerung
PS Produktionssteuerung
QAP Quadratic Assignment Problem (deutsch: Quadratisches Zuord-
nungsproblem)
REFA Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und Unter-
nehmensentwicklung (ehemals: Reichsausschuss für Arbeitszeiter-
mittlung)
RMS Reconfigurable Manufacturing System (deutsch: Rekonfigurierba-
res Fertigungssystem)
SAT Satelliten-Verfahren
SLAM Simulateneous Locating and Mapping
SPS Speicherprogrammierbare Steuerung
Tripath Toolkit Triangulation and Path Planning Toolit
TS Tabusuche
USV Unmanned Surface Vehicle
UC Ubiquitous Computing (deutsch: Allgegenwärtiges Rechnen)
VDMA Verein Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.
VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.
ZSB Zusammenbau
𝜎 Standardabweichung
∅ Durchschnitt

X
Abstract
Decreasing product lifecycles, increasing product variety, and volatile market demands acce-
lerate activities that aim at increasing flexibility and adaptability in manufacturing. Smart
factories, capable of handling high product varieties and volatile demands, have gained incre-
asing attention and interest within the context of Industry 4.0. Essential features of smart
factories are the replacement of static material flow paths by introducing autonomous guided
vehicles (AGVs) for transportation of products and goods and flexible processing orders among
products and product variants. The goal of this thesis is the development and evaluation of
a planning method for flexible and decentrally controlled manufacturing systems for highly
variant products. Therefore, expert interviews at a German OEM were conducted to identify
challenges in today’s manufacturing systems and revealed visions for future manufacturing sys-
tems. Afterwards, a concept for a manufacturing system addressing the findings of the expert
interviews was developed and a design method for the technical configuration of the newly
developed manufacturing was elaborated. Special focus of the design method is put on layout
optimization, production scheduling, and path finding as well as collision avoidance. In order
to evaluate the developed manufacturing system as well as the design method, an integrated
optimization and simulation software was created.
Key characteristics of the conceptualized manufacturing system are spatial distributed multi-
functional manufacturing stations, flexible and non-predefined material as well as product flow
paths, and autonomous material flow units. Derived from the characteristics, the developed ma-
nufacturing system is defined as flexible and decentrally controlled manufacturing system. The
design method for an integrated optimization and configuration of the manufacturing system
solves a variant of the quadratic assignment problem (QAP) by using a genetic algorithm (GA)
in order to determine an optimized layout. The optimized layout also considers the solution for
the production scheduling derived with a tabu search (TS) applied on an extended flexible job
shop scheduling problem (FJSP). With the combined solutions, a simulation-based evaluation
of a production cycle is performed that takes also path finding of AGVs based on local clearance
triangulation (LCT) in combination with a modified A*-algorithm and collision avoidance of
dynamic objects into account. The results of the simulation-based evaluation are used for the
derivation of a multi-criterial fitness function with application specific weights that is fed back
to the GA for the integrated design optimization of the manufacturing system. A validation
of the design method as well as the resulting manufacturing system was carried out by consi-
dering the use case of a cockpit pre-assembly at a German OEM. The practical applicability
was verified, manufacturing specific key performance indicators, e.g. station utilization and lead
times, were determined, and due to reviewing different weight settings of the fitness function
the design range triggered by the increased system flexibility was shown.

XI
Zusammenfassung
Kürzere Produktlebenszyklen, steigende Produktindividualisierung bei gleichzeitig schwanken-
den Nachfragen treiben Aktivitäten zur Steigerung der Flexibilität und Wandlungsfähigkeit von
Fertigungssystemen an. Intelligente Fabriken, die bei großer Produktvielfalt und schwankenden
Nachfragen wirtschaftlich produzieren, rücken im Kontext von Industrie 4.0 immer stärker in
den Vordergrund. Kernmerkmale dieser Fertigungssysteme sind die Aufhebung starrer Mate-
rialflusspfade durch den Einsatz fahrerloser Transportsysteme (FTS) für den Produkt- und
Materialfluss sowie flexibler Fertigungsreihenfolgesteuerungen, die die individuellen Fertigungs-
prozessreihenfolgen der jeweiligen Produkte und Varianten steuern. Das Ziel der Arbeit ist die
Entwicklung und Bewertung einer Auslegungsmethodik von flexiblen und dezentral gesteuer-
ten Fertigungssystemen für variantenreiche Produkte. Im Rahmen der Entwicklung des Fer-
tigungssystems wurden aktuelle Herausforderungen in der Produktion sowie Zielvorstellungen
der zukünftigen Fertigung durch Experteninterviews bei einem deutschen Automobilhersteller
identifiziert. Des Weiteren wurde ein Fertigungssystem konzipiert, das die identifizierten Ziel-
vorstellungen erfüllt, und es wurde eine Methodik zur Gestaltung und Optimierung von flexiblen
und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen mit besonderem Fokus auf der Groblayoutpla-
nung, der Maschinenbelegungsplanung und der Transportwegplanung sowie Kollisionsvermei-
dung erarbeitet. Darüber hinaus stand die Entwicklung eines integrierten Optimierungs- und
Simulationstool zur Bewertung des konzipierten Fertigungssystems im weiteren Fokus.
Das konzipierte Fertigungssystem weist als charakteristische Merkmale räumlich verteilte mul-
tifunktionale Fertigungszellen, flexible und nicht vordefinierte Material- und Produktflusspfade
und autonome Materialflusseinheiten auf und wird als flexibles und dezentral gesteuertes Ferti-
gungssystem bezeichnet. Die Methodik zur ganzheitlichen Gestaltung und Optimierung des Fer-
tigungssystems löst durch die Anwendung eines genetischen Algorithmus eine Ausprägung des
quadratischen Zuordnungsproblems im Rahmen der Layoutplanung. Hierbei wird die Lösung
einer Erweiterung des Flexiblen Job Shop Scheduling Problems für die Maschinenbelegungspla-
nung resultierend aus der Anwendung einer Tabusuche berücksichtigt. Die Kombination dieser
beiden Lösungen wird mittels eines simulierten Fertigungsablaufs unter Berücksichtigung der
Transportwegplanung basierend auf der Local Clearance Triangulation und Ausprägungen des
A*-Algorithmus und der Kollisionsvermeidung dynamischer Objekte bewertet. Eine multikrite-
rielle Fitnessfunktion mit anwendungsspezifischen Gewichtungen der einzelnen Kriterien wird
daraufhin optimiert. Die entwickelte Methodik sowie das resultierende Fertigungssystem wurden
anhand des Anwendungsbeispiels der Cockpitvormontage eines deutschen Automobilherstellers
validiert. Hierbei konnten die Praxistauglichkeit belegt, fertigungsrelevante Leistungsindikato-
ren, wie z.B. Durchlaufzeiten und Anlagenauslastung, ermittelt und der aufgrund der großen
Flexibilität des Fertigungssystems bestehende Gestaltungsspielraum aufgezeigt werden.

XII
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
Die derzeitige Entwicklung der Märkte stellt produzierende Unternehmen vor neue Herausfor-
derungen. Kürzere Produktlebenszyklen, höhere Individualisierung, schwankende Nachfragen
und Steigerungen der Produktionsvolumina müssen mit vorhandenen Fertigungskapazitäten
wirtschaftlich abgedeckt werden [6, 21]. Diese Marktentwicklungen führen zu Erhöhungen der
Komplexität innerhalb von Produktionsnetzwerken und können mit den heutigen Fertigungs-
konzepten nur teilweise und meist nur in Verbindung mit höheren Produktionskosten erfüllt
werden. Da diese Konzepte für die Großserienfertigung von Produkten mit geringer Varianz op-
timiert sind, verursachen diese jedoch hohe Verluste bei Produktwechseln durch Rüstvorgänge,
Einfahrkurven und mangelhaften Datenaustausch. Aus diesem Grund werden bereits heute
verschiedene Ansätze verfolgt, um die Reaktionsfähigkeit der Fertigung zu verbessern, wodurch
eine schnelle, kostensparende und ressourcenschonende Reaktion auf sich dynamisch ändernde
Marktbedürfnisse ermöglicht werden soll [6].

Des Weiteren hat in jüngster Vergangenheit ein Umdenken bezüglich des wirtschaftlich sinnvol-
len Maßes des Industrieanteils am Bruttoinlandproduktes (BIP) einer Volkswirtschaft stattge-
funden. Wohingegen vor kurzem die volkswirtschaftlichen Strukturen Deutschlands mit einem
seit 1990 konstantem Industrieanteil von 20 % am BIP als rückständig und nicht mehr wettbe-
werbsfähig galten, wird heutzutage, hauptsächlich geschuldet durch die Finanzkrise von 2007,
ein Anteil von 20 - 25 % als optimal bewertet [6]. Aus diesem Grund wurden weltweit ver-
schiedenste Aktivitäten gestartet, mit denen die Re-Industrialisierung der Volkswirtschaften
vorangetrieben werden soll. Gemeinsame Ziele dieser Aktivitäten sind bekannt als Energie-,
Material-, Personal- und Kapitalwende [5], die generell die Attraktivität eines Landes als In-
dustriestandort erhöhen sollen und somit auf die Steigerung des Industrieanteils am BIP einer
Volkswirtschaft abzielen.
Die Deutsche Bundesregierung hat mit der Hightech-Strategie Industrie 4.0“ ein umfassendes

Programm zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts
Deutschland initiiert, das ebenfalls an den Gedanken der Re-Industrialisierung anschließt [6].
Nach den ersten drei industriellen Revolutionen, hervorgerufen durch die Dampfkraft, die Elek-
trizität und speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), soll nun durch eine Kopplung von
Informationstechnik (IT) mit der klassischen industriellen Fertigung eine vierte industrielle
Revolution lanciert werden. Mit Industrie 4.0 soll somit die Informatisierung der klassischen
Industrie vorangetrieben werden [22] mit dem Ziel, dass zu fertigende Produkte eigenständig

1
1 Einleitung

Informationen an die benötigten Fertigungsressourcen weitergeben und somit wissen, was mit
ihnen passieren soll. Kurzgefasst bedeutet dies, dass die Objekte der Fertigung, z.B. Produkte,
Anlagen und Betriebsmittel, intelligent werden und durch die Kommunikation innerhalb eines
Netzwerks Tätigkeiten auslösen und die Fertigung optimieren. Es entsteht somit ein Internet
der Dinge und Dienste (Internet of Things, IoT), das die Verschmelzung der physischen und vir-
tuellen Welt durch die Bildung von cyber-physischen Systemen bewirkt. Im Kern von Industrie
4.0 wird daher auf die konsequente Weiterentwicklung der Automatisierungstechnik, Produkti-
onstechnik und Logistik unter Ausnutzung der Potenziale und Möglichkeiten der Informations-
und vor allem Netzwerktechnologie fokussiert.

Durch die Weiterentwicklung der heutigen Produktion soll die sogenannte Smart Factory ent-
stehen, deren Fertigungseinheiten, Logistikeinheiten, Produkte und jegliche an der Fertigung
beteiligte Komponenten und Ressourcen durch cyber-physische Systeme repräsentiert werden
und im Internet der Dinge vollständig integriert sind. Die genannten cyber-physischen Systeme
sowie das Internet der Dinge stellen somit die technologischen Grundlagen der Smart Factory
dar [51]. CPS besitzen eine Intelligenz, d.h. dass jedes dieser Systeme durch geeignete Sensorik
Zustände wahrnehmen, durch eine Speichereinheit festhalten, durch einen Prozessor (Central
Processing Unit, CPU) verarbeiten und durch eine Kommunikationsschnittstelle mit anderen
CPS in dem Internet der Dinge austauschen kann [115]. Somit können in das Internet der Din-
ge eingebundene CPS zur Schaffung vollständiger Transparenz, lückenloser Informationsflüsse
und Datenverfügbarkeit in Echtzeit beitragen. Die Kopplung mehrerer CPS führt zu einem
cyber-physischen Produktionssystem (CPPS), bei dem die Steigerung der Autonomität zur
Verbesserung der Anpassungsfähigkeit an interne sowie externe Einflüsse auf das Fertigungs-
system im Vordergrund steht. Smart Factories, die wiederum aus mehreren CPPS bestehen
können, bauen somit auf den Konzepten des Internet der Dinge, CPS und CPPS auf.

1.2 Motivation
Die zurzeit in Deutschland verfolgten Ansätze zur Realisierung vollflexibler Fertigungen sind
abgeleitet von der Hightech-Strategie Industrie 4.0“des Bundesministeriums für Bildung und

Forschung. Durch die Konzeption, Erprobung und letztendlich die Implementierung der Smart
Factory sollen ressourcenschonende, sich in Echtzeit optimierende, transparente und vollständig
wandlungsfähige Fertigungsstrukturen zur hochindividualisierten Volumenproduktion, auch als
Mass Customization“ bekannt, realisiert werden [6]. Aus der Digitalisierung, Vernetzung und

vollständigen Einbettung aller beteiligten Komponenten des Produktionssystems ergeben sich
neue Optimierungspotenziale zur wirtschaftlichen Fertigung hochindividualisierter Produkte [22].

Die zukünftige Produktion nach dem Leitbild von Industrie 4.0 verfolgt als Kerngedanken
die Dezentralisierung zur Beherrschung der steigenden Komplexität von Fertigungssystemen.

2
1.2 Motivation

Entscheidungsträger sollen eigenständige Entscheidungen in Echtzeit basierend auf lückenlosen


Informationen aus dem Internet der Dinge treffen können und eine gesteigerte Autonomie be-
sitzen, um adaptiv und flexibel basierend auf der getroffenen Entscheidung agieren zu können.
Hierzu müssen Fertigungsstrukturen eine höhere Flexibilität besitzen und gleichzeitig große
Produktionsvolumina handhaben können. Diese Ziele können jedoch mit der heute üblichen
getakteten Fließfertigungen nicht erreicht werden, da die Festlegung eines Taktes die Pro-
duktionsmenge klar definiert und gleichzeitig die Flexibilität der Fertigung hinsichtlich der
unterschiedlichen Flexibilitätsarten, auf die in Unterabschnitt 2.2 weiter eingegangen wird,
limitiert. Ein neuer Ansatz zur Erfüllung dieser Anforderungen ist die Erhöhung der Modu-
larität der Fertigungsstrukturen. Die modulare Organisation der Fertigung ermöglicht jedem
Produkt, eine individualisierte und für den Echtzeitzustand des Produktionssystems optimierte
Prozessreihenfolge zu wählen. Somit können Anlagenausfälle, Lieferengpässe und Rüst- und
Wartungsvorgänge unmittelbar berücksichtigt werden, aber auch Nebenbedingungen, wie z.B.
ein minimaler Energieverbrauch, erfüllt werden. Die Entwicklung neuartiger Fertigungskonzep-
te ist ein zentraler Baustein zur Realisierung einer Smart Factory nach Industrie 4.0. Es müssen
Konzepte entwickelt werden, die gleichzeitig eine hohe Produktivität, Autonomie und Flexibi-
lität bezogen auf die Fertigungsreihenfolge ermöglichen. Es soll sichergestellt werden, dass die
Prozesskette flexibel an das derzeitig zu fertigende Produkt, den Produktmix und die Produkt-
sequenz sowie die herrschenden Betriebszustände der benötigten Prozesskette und die zeitlich
variierende Marktnachfrage angepasst wird.

Die Produktionsplanung und –steuerung (PPS) dieser zukünftigen Fertigungsstrukturen erfor-


dert ebenfalls eine Dezentralisierung, damit auch hier die Komplexität beherrschbar bleibt.
Die Struktur heutiger PPS folgt in den meisten Fällen einer hierarchischen Struktur, die der
VDMA-Richtlinie 15276 entspricht [113]. Die hierbei ausgeführte zentrale Planung der Auf-
träge eines Produktionsnetzwerks ist starr und Anpassungen an spontane Ereignisse sind nur
mit erhöhtem Aufwand durchführbar. Die Gründe hierfür sind zum einen fehlende Informatio-
nen über die Zustände der einzelnen Teilsysteme der Fertigung, und zum anderen die langfristig
durchgeführte, stark hierarchische Planung. Unter der Prämisse der vollständigen Vernetzung
jeglicher Fertigungskomponenten eines Produktionsnetzwerks als CPS im Internet der Dinge
ergibt sich die Chance, den Planungshorizont bezüglich des zeitlichen Vorlaufs sowie der zu
produzierenden Volumina zu optimieren. Der Detaillierungsgrad der zentralen Planung wird
reduziert werden, um der dezentralen Produktionsplanung und –steuerung auf Shopfloorebe-
ne genügend Freiheitsgrade zur Ausnutzung der gesteigerten Autonomie und flexibleren Pro-
zessabläufen zu geben. Beispielsweise könnte die zentrale Planung lediglich ein bestimmtes Pro-
duktionsvolumen für einen bestimmten Produktionszeitraum festlegen und an die dezentrale
Produktionsplanung und –steuerung auf Shopfloorebene übergeben, deren autonome Systeme
die genaue Fertigungssequenz und Maschinenbelegungsplanung übernehmen.

3
1 Einleitung

1.3 Zielsetzung der Arbeit


Bei flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungskonzepten, in denen Prozessketten dem ak-
tuellen Betriebszustand des Produktionssystems inklusive logistischer Materialflüsse in Echt-
zeit angepasst werden und intelligente autonome Systeme eingesetzt werden, sind die Zusam-
menhänge zwischen dem vorhanden Fertigungskonzept und -layout, der Maschinenbelegungs-
planung und der Transportwegplanung autonomer Systeme wesentlich stärker ausgeprägt als
bei klassischen Fertigungssystemen.
Das Ziel dieser Dissertation ist die Entwicklung und Bewertung eines flexiblen und dezentral
gesteuerten Fertigungssystems für variantenreiche Produkte. Im Fokus stehen Konzepte für die
Fertigungsplanung, genauer die Auslegung und Optimierung des Fertigungslayouts, das Ferti-
gungsscheduling, d.h. die Festlegung der Auftrags- und Bearbeitungsreihenfolge im Fertigungs-
system, und die Transportwegplanung flexibler und dezentral gesteuerter Fertigungssysteme.
Da die Implementierung eines solchen Fertigungssystems in der heutigen Industrie noch nicht
durchgeführt wurde, soll, basierend auf den entwickelten Konzepten, ein Simulationstool er-
stellt werden, das die Fähigkeiten eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems
anhand unterschiedlicher Produktionsaufgaben validieren kann. Die Ergebnisse dieser Arbeit
sollen somit die Bestrebungen einer dezentralen Produktion voranbringen und somit zur wirt-
schaftlichen Produktion von individualisierten Produkten in Hochlohnländern beitragen.

4
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme
Zur Einbettung der Arbeit in ihre wissenschaftlichen Themengebiete werden in diesem Kapitel
relevante Grundlagen vorgestellt. Hierzu werden zunächst heutige Fertigungssysteme betrach-
tet, charakterisiert und wichtige Eigenschaften erläutert. Anschließend werden die Grundlagen
der Layoutplanung vorgestellt. Der Fokus liegt dabei auf den theoretischen sowie praktischen
Planungsabläufen, der mathematischen Modellierung von Layoutplanungsproblemen und de-
ren Lösungsmöglichkeiten. Danach wird ein Überblick zu den grundlegenden Problemen der
Maschinenbelegungsplanung (engl.: Scheduling) dargestellt. Abschließend wird die Transport-
wegplanung mobiler Einheiten betrachtet und es werden Konzepte zur Transportwegplanung
sowie Kollisionsvermeidung vorgestellt.

2.1 Fertigungskonzepte
Die Grundlage eines Fertigungssystems stellt das Fertigungskonzept dar. Unter dem Begriff
Fertigungskonzept, häufig auch Fertigungsprinzip [118] oder Ablaufart [94] genannt, wird die
physische Ausprägung eines Fertigungssystems verstanden. Daher beinhaltet ein Fertigungs-
konzept eine räumliche Anordnung der Arbeitsstationen, auch Fertigungslayout genannt, eine
Verteilung der Prozessfähigkeiten auf die Arbeitsstationen zur Bestimmung der Arbeitsablauf-
folge [32], ein Materialflusskonzept zur Festlegung der intralogistischen Prozesse und ein Gestal-
tungskonzept der Arbeitsstationen. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Gestaltungskonzepte
der Arbeitsstationen nicht betrachtet.

Nach Wannenwetsch [118] und Ehrmann [29] existieren allgemein drei Grundprinzipien zur
Einteilung von Fertigungskonzepten: Das Verrichtungs-, das Objekt- sowie das Gruppenprin-
zip, wie in Tabelle 2.1 näher erläutert. Schuh [94] ergänzt die Grundprinzipien um das Insel-
und das Reihenprinzip. Das Inselprinzip ist eine Mischform aus dem Verrichtungsprinzip und
dem Gruppenprinzip und das Reihenprinzip entsteht durch die Kombination von dem Gruppen-
und Objektprinzip.

Als weiteres Charakterisierungsmerkmal haben Schomburg [93] und Schirmer [91] die Ferti-
gungsstruktur eingeführt. Die Fertigungsstruktur kennzeichnet die durchschnittliche Anzahl
der aufeinander folgenden Arbeitsvorgänge im Fertigungsprozess und beschreibt somit die Fer-
tigungstiefe. Schuh [94] hat folgende Ausprägungen eingeführt:

• Fertigung mit geringem Strukturierungsgrad:


Weniger als 10 aufeinander folgende Arbeitsvorgänge

5
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Tabelle 2.1: Grundprinzipien zur Einteilung von Fertigungskonzepten, basierend auf Schul-
te [95] und Wannenwetsch [118]

Verrichtungsprinzip Objektprinzip Gruppenprinzip


Beschreibung Zusammenfassung Anordnung der Be- Kombination vom
von Betriebsmit- triebsmittel in der Fol- Verrichtungs- und
teln, die gleichar- ge des Arbeitsablaufs Objektprinzip zur Er-
tige Verrichtungen reichung eines idealen
durchführen, in Materialflusses
Werkstätten

Art der Verfahren gleichartig verschiedenartig verschiedenartig

Anordnung der beliebig gruppenförmig reihenförmig


Varfahren

Materialfluss variabel variabel gerichtet

Bearbeitungs- Teilbearbeitung Komplettbearbeitung Komplettbearbeitung


umfang

Ausrichtungs- Verfahren Werkstück bzw. Ver- Werkstück


grundlage fahren

Werkstück- gleichartige Technolo- verschiedenartige verschiedenartige


technologie gie Technologie in unter- Technologie in glei-
schiedlicher Reihen- cher Reihenfolge
folge

• Fertigung mit mittlerem Strukturierungsgrad:


Zwischen 10 und 20 aufeinander folgende Arbeitsvorgänge

• Fertigung mit hohem Strukturierungsgrad:


Mehr als 20 aufeinander folgender Arbeitsvorgänge

Die Wahl des Grundprinzips ist abhängig von der vorliegenden Fertigungsaufgabe. Ein we-
sentliches Merkmal zur Charakterisierung der Fertigungsaufgabe ist die Fertigungsart. Die
Fertigungsart charakterisiert die Häufigkeit der Leistungswiederholung im Produktionspro-
zess [93, 60]. Die Leistungswiederholung wird hierbei durch die Auflagenhöhe und die durch-
schnittliche Wiederholhäufigkeit pro Jahr bestimmt [94]. Anhand dieser Charakterisierung wird
eine Aufteilung der Fertigungsart in vier Ausprägungen vorgenommen: Einmalfertigung, Einzel-
und Kleinserienfertigung, Serienfertigung und Massenfertigung. Die Ausprägungen der verschie-
denen Fertigungsarten im Bezug zur Auflagenhöhe und Wiederholhäufigkeit sind in Tabelle 2.2
dargestellt.

6
2.1 Fertigungskonzepte

Tabelle 2.2: Ausprägungen der Fertigungsart, basierend auf Schuh [94]

Einmal- Einzel- und Serien- Massen-


fertigung Kleinserien- fertigung fertigung
fertigung
Auflagenhöhe gering < 50 > 50 sehr groß

Wiederhol- keine < 12 < 24 ununterbrochen


häufigkeit

Aus den zuvor genannten Charakterisierungsmerkmalen haben sich in der Praxis einige Ferti-
gungskonzepte etabliert, die in den folgenden Unterabschnitten beschrieben und dessen Vor-
und Nachteile aufgeführt werden.

2.1.1 Werkstattfertigung
Die Werkstattfertigung wendet das Verrichtungsprinzip an, wodurch dieses Fertigungskon-
zept durch die Zusammenfassung gleichartiger Verrichtungen bzw. Fertigungsmittel zu ferti-
gungstechnischen Einheiten gekennzeichnet ist. Wie in Abbildung 2.1 dargestellt, liegt bei der
Werkstattfertigung ein ungerichteter Materialfluss vor, da die fertigungstechnischen Einheiten
abhängig vom Produkt in unterschiedlichen Reihenfolgen durchlaufen werden können. Cha-
rakteristisch für die Werkstattfertigung ist die Losfertigung, d.h. dass Produkte nicht einzeln
sondern in Losen gefertigt werden und während des Herstellungsprozesses gemeinsam die ver-
schiedenen Bearbeitungsschritte durchlaufen [32].
Die Vor- und Nachteile der Werkstattfertigung sind in Tabelle 2.3 gelistet. Aufgrund der hohen
Flexibilität im Bezug zum Produktionsvolumen, zu den Produktvarianten und zur Bearbei-
tungsreihenfolge in Verbindung mit vergleichsweise geringen Investitionskosten wird die Werk-
stattfertigung vorwiegend im Prototypen- und Musterbau, für Sonderfertigungen und Fertigun-
gen mit kleinen Losgrößen angewendet.

2.1.2 Inselfertigung
Bei der Inselfertigung werden Betriebsmittel, die für bestimmte Fertigungsgänge erforderlich
sind, zu Inseln (bzw. Gruppen) zusammengefasst und nach dem Fließprinzip angeordnet (sie-
he Abbildung 2.2). Abhängig vom Produkt findet die Fertigung in der einen oder anderen Insel
statt. Es wird somit das Gruppenprinzip als Fertigungskonzept angewendet, um sowohl die
Vorteile der Werkstatt- als auch der Fliessfertigung auszunutzen. Die Inselfertigung hat einen
ungerichteten Materialfluss mit weitgehender Selbststeuerung durch die Arbeitsinseln bzw. -
gruppen. Somit ergeben sich für die Inselfertigung die in Tabelle 2.4 dargestellten Vor- und

7
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.1: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Werkstattfertigung

Tabelle 2.3: Vor- und Nachteile einer Werkstattfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118]

Vorteile Nachteile
Hohe Variantenflexibilität Hohe Durchlaufzeit

Hohe Reihenfolgeflexibilität Hohe Logistikkosten

Motivation der Werker aufgrund interessan- Lange Transportwege


ter und abwechslungsreicher Arbeitsinhalte
groß

Geringe Investitonskosten Unübersichtlicher Fertigungsfluss

Hohe Volumenflexibilität Geringe Flächenproduktivität

Hohe Robustheit gegenüber Anlagen-


ausfällen

Nachteile. Angewendet wird die Inselfertigung in der Regel für die Produktion von Baugruppen
bzw. Modulen, wie z.B. Fahrerhäusern und Getrieben, sowie in der Kleinserienfertigung.

8
2.1 Fertigungskonzepte

Abbildung 2.2: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Inselfertigung

Tabelle 2.4: Vor- und Nachteile einer Inselfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118]

Vorteile Nachteile
Gute Variantenflexibilität Mittlere Durchlaufzeit

Gute Reihenfolgeflexibilität Mittlere Flächenproduktivität

Gute Volumenflexibilität durch die Anpas-


sung der Mitarbeiteranzahl pro Insel

2.1.3 Zellfertigung
Die Zellfertigung besitzt eine große Ähnlichkeit zu der in Unterabschnitt 2.1.2 beschriebenen
Inselfertigung. Innerhalb einer Zellfertigung werden Produkte vom Hauptmaterialfluss in ein-
zelne Zellen umgeleitet, in denen die Wertschöpfung stattfindet. Zellulare Fertigungssysteme
(engl.: Cellular Manufacturing Systems (CMS)) sind nach Hyer [49] sowie Wemmerlöv und
Hyer [121] eine Ausprägung der Group Technology. Pullen [84] beschreibt eine Fertigungszel-
le als eine Gruppe von Maschinen oder unterschiedlichen Prozessen, die räumlich beieinander
angeordnet und für die Herstellung eines spezifischen Spektrums an Teilen ausgelegt sind. Die
Zellen können redundant oder auch mit verschiedenen Prozessfähigkeiten gestaltet sein. Abbil-
dung 2.3 stellt das Prinzip der Zellfertigung schematisch dar. Der Hauptunterschied zur Insel-
fertigung liegt im zwar weiterhin variablen, also produktabhängigen, jedoch gerichteten Mate-

9
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

rialfluss. Somit entspricht die räumliche Anordnung der Zellfertigung der Fliessfertigung und
der zeitlichen Ablauf der Werkstattfertigung [32]. Die Zellfertigung wird häufig in der varian-
tenreichen Fertigung von Teilfamilien angewendet [59], da durch die Gestaltungsmöglichkeiten
der einzelnen Zellen eine hohe Variantenvielfalt abgedeckt werden kann. Die Stator- und Rotor-
fertigung von Elektromotoren wird typischerweise als Zellfertigung realisiert. Die wesentlichen
Vor- und Nachteile einer Zellfertigung sind in Tabelle 2.5 aufgeführt.

Abbildung 2.3: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Zellfertigung

2.1.4 Reihenfertigung
Eine Reihenfertigung ist charakterisiert durch einen gerichteten Materialfluss ohne Taktzwang
und einer objektbezogenen Zusammenfassung von Fertigungsmitteln nach der Arbeitsvorgangs-
folge einer Teilegruppe, bei der einzelne Arbeitsvorgänge innerhalb einer Reihe übersprungen
werden können [118]. Das Prinzip der Reihenfertigung ist in Abbildung 2.4 skizziert. Durch
das Überspringen einzelner Arbeitsvorgänge können unterschiedliche Ablaufvarianten einzelner
Teile realisiert werden. Angewendet wird das Fertigungskonzept der Reihenfertigung für va-
riantenreiche Vormontagen. Die Vor- und Nachteile einer Reihenfertigung sind in Tabelle 2.6
aufgezählt.

2.1.5 Fliessfertigung
Das meistverwendete Fertigungskonzept ist die Fliessfertigung. Bei diesem Fertigungskonzept
bestimmt der Fertigungsablauf die räumliche Anordnung von Betriebsmitteln und Arbeits-

10
2.1 Fertigungskonzepte

Tabelle 2.5: Vor- und Nachteile einer Zellfertigung, basierend auf Eversheim [32]

Vorteile Nachteile
Geringerer Transportaufwand als Werk- Zwischenlager (Puffer) notwendig
stattfertigung

Geringere Rüstzeiten als Werkstattferti-


gung

Gute Volumenflexibilität durch die Anpas-


sung der Mitarbeiteranzahl pro Zelle

Gute Variantenflexibilität

Gute Robustheit bei Anlagen- bzw. Zellen-


ausfall

Abbildung 2.4: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Reihenfertigung

plätzen [118]. In der Regel unterliegen Fliessfertigungen einer Taktung, damit die Werkstücke
ohne Wartezeit von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz fliessen. Das Prinzip der Fliessfertigung ist in
Abbildung 2.5 dargestellt. Im Gegensatz zur Reihenfertigung liegt eine starre Verkettung der
Bearbeitungsstationen vor [32] und es sind somit keine Ablaufvarianten vorhanden. Eine Fließ-
fertigung ist vorteilhaft bei Produkten mit hohem Gleichteilanteil und einem gleichmäßigen
sowie hohen Produktionsvolumen. Ein typisches Anwendungsbeispiel ist der Automobilbau,

11
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Tabelle 2.6: Vor- und Nachteile einer Reihenfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118]

Vorteile Nachteile
Geringere Logistikaufwand Geringere Anlagenuslastung als Fliessferti-
gung

Kurze Durchlaufzeiten Geringe Reihenfolgeflexibilität

Hohe (Flächen-)Produktivität

insbesondere die Montage. In Tabelle 2.7 sind die wichtigsten Vor- sowie Nachteile der Fliess-
fertigung zusammengefasst.

Abbildung 2.5: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts der Fliessfertigung

2.1.6 Baustellenfertigung
Die Baustellenfertigung ist das bevorzugte Fertigungskonzept im Spezial- und Anlagenbau. Das
Konzept eignent sich bei sehr grossen und nur schwer transportierbaren Produkten, wie z.B.
Schiffen und Fertigungsmaschinen. Aufgrund der besonderen Eigenschaft der Ortsgebundenheit
des Produkts bzw. Werkstücks trifft keines der zuvor in Tabelle 2.1 beschrieben Grundprinzi-
pien auf die Baustellenfertigung zu. Die benötigten Fertigungsmittel werden in der benötigten
Reihenfolge zu dem Produkt bzw. der Baustelle transportiert.

12
2.1 Fertigungskonzepte

Tabelle 2.7: Vor- und Nachteile einer Fliessfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118],
Schuh [94] und Eversheim [32]

Vorteile Nachteile
Minimale Durchlaufzeiten Kapitalintensiv aufgrund hoher Fixkosten
für Maschinen

Vermeidung von Zwischenlagern (Puffern) Sehr geringe Volumenflexibilität

Reduzierung von Lagerkosten und Kapital- Sehr geringe Variantenflexibilität


bindung

Planungssicherheit durch vorhersagbares Keine Reihenfolgeflexibilität


Input-Output-Verhalten

Hohe Fertigungstransparenz Monotone Beschäftigung für den Werker

2.1.7 Weitere Charakterisierungsmerkmale


Zur Beschreibung und Charakterisierung von Fertigungssystemen wird häufig ebenfalls die
Fertigungssystemkonfiguration (engl.: Machine System Configuration) verwendet. Nach Spi-
cer et al. [105] beschreibt die Fertigungssystemkonfiguration zum einen die Anordnungsweise
der Anlagen und zum anderen die logistischen Beziehungen unter den verschiedenen Anla-
gen. Es wird generell zwischen symmetrischen Fertigungssystemkonfigurationen, häufig auch
als Einzel-Prozess-Konfigurationen bezeichnet, und asymmetrischen, auch als Variable-Prozess-
Konfigurationen bekannt, unterschieden. Laut Spicer et al. [105] durchläuft bei einer symmetri-
schen Fertigungssystemkonfiguration jedes Teil den identischen Prozessplan und somit auch die
gleiche Anzahl an Anlagen, auch wenn die Materialflusspfade nicht identisch sein müssen. Bei
asymmetrischen Fertigungssystemkonfigurationen können die Teile individuelle Prozesspläne
und somit auch unterschiedlich viele Fertigungsschritte durchlaufen.
Des Weiteren verwenden Spicer et al. [105] die Konfigurationslänge und -breite zur Beschrei-
bung der Fertigungssystemkonfiguration. Die Konfigurationsbreite wurde von Spicer et al. [105]
als die Anzahl paralleler Maschinen definiert. Die Konfigurationslänge beschreibt die Anzahl
an seriellen Arbeitsschritten in einem Fertigungssystem. Somit sind Konfigurationslänge und
-breite von einander abhängig und verhalten sich anti-proportional zu einander. Eine Maximie-
rung der Konfigurationslänge kann durch die Zuordnung von lediglich einem Prozess je Anlage
erreicht werden. In diesem Fall werden nur wenige parallele Anlagen benötigt, um die benötigte
Kapazität abzudecken, weshalb die Konfigurationsbreite minimiert wird [105].

13
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

2.1.8 Spezifische Fertigungssysteme


Für die Massenproduktion werden vorwiegend spezifische Fertigungssysteme (engl.: Dedicated
Manufacturing Systems (DMS) oder Dedicated Machine Lines (DML)) eingesetzt, die unter der
Annahme einer gleichbleibenden Nachfrage genau für die Fertigung eines Produktes inklusive
einer geringen Variantenanzahl mit großem Fertigungsvolumen ausgelegt werden [31].

2.1.9 Flexible Fertigungssysteme


Flexible Fertigungssysteme (engl.: Flexible Manufacturing Systems (FMS)) zielen auf die Stei-
gerung der Flexibilität zur Fertigung mehrerer Produkte bzw. Produktvarianten ab. Während
der Auslegung von FMS ist dennoch das Produktportfolio bekannt, wodurch die Flexibilität
durch die Berücksichtigung und Vorhaltung weiterer Kapazitäten und Fähigkeiten erzeugt wird.
Aus diesem Grund sind FMS sehr kapitalintensiv und können nur auf vorhersehbare, also ge-
plante, Änderungen reagieren [31].

2.1.10 Rekonfigurierbare Fertigungssysteme


Eine Erweiterung der vorgestellten Fertigungskonzepte stellen rekonfigurierbare Fertigungssys-
teme (engl.: Reconfigurable Manufacturing Systems (RMS)) dar. Ein beispielhaftes RMS ist
in Abbildung 2.6 skizziert. Koren et al. [58] sowie später auch Koren und Shpitalni [59] beschrei-
ben Rekonfigurierbarkeit als eine neue Möglichkeit zur schnellen und kosteneffizienten Anpas-
sung an sich wandelnde Marktanforderungen. Wenn die physische Struktur eines Systems mit
minimalem Aufwand verändert werden kann und die Auslegung des Systems die Durchführung
der operativen Aufgaben einer gesamten Produktfamilie sicherstellt, handle es sich um ein re-
konfigurierbares Fertigungssystem [59]. Nach Mehrabi et al. [74] und Koren und Shpitalni [59]
erfüllen RMS die folgenden sechs Eigenschaften:

• Modularität (engl.: Modularity):


Alle Komponenten des Fertigungssystems müssen ganzheitlich modular gestaltet sein [74,
69], d.h. dass Hardware, Software sowie deren Schnittstellen vollständig kompatibel sind.

• Integrationsfähigkeit (engl.: Integrability):


Die Architektur des Fertigungssystems unterstützt die Einführung existierender sowie
zukünftiger Technologien und Prozesse.

• Umrüstbarkeit (engl.: Convertibility):


Die Überführung des Systems von einem Rüstzustand zum nächsten erfolgt schnell und
mit geringem Aufwand.

• Diagnosefähigkeit (engl.: Diagnosability):


Das Fertigungssystem besitzt die Fähigkeit der schnellen Identifikation von Fehlern und
deren Ursachen.

14
2.1 Fertigungskonzepte

• Anpassungsfähigkeit (engl.: Customization):


Durch die Auslegung für eine spezifische Produktfamilie besitzt das Fertigungssystem die
optimalen Fähigkeiten zur Erfüllung der fertigungstechnischen Anforderungen.

• Skalierbarkeit (engl.: Scalability):


Skalierbarkeit beschreibt die Anpassungsmöglichkeit der Produktionskapazitäten durch
Hinzufügen, Modifizieren oder Entfernen von Ressourcen (Personal, Maschinen, etc.).

RMS zielen ebenfalls wie Industrie 4.0, der Digitaliserung von Produktion und Logistik, auf eine
Steigerung der Reaktionsfähigkeit bei schwankenden Marktbedingungen ab und stehen somit
in enger Verbindung mit den Konzepten der Smart Factory.

Abbildung 2.6: Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts des rekonfigurierbaren Fertigungssystems

2.1.11 Intelligente Fertigungssysteme


Unter dem Begriff des intelligenten Fertigungssystems werden im Kontext von Industrie 4.0
diverse Aspekte von Flexibilität, Rekonfigurierbarkeit und Agilität über Kostensenkungen, dy-
namische Adaptionen und Prinzipien des Lean Manufacturings bis hin zu intelligenten Objekten
und Anlagen basierend auf einer durchgängigen Vernetzung agglomeriert. Radziwon et al. [85]
haben zur Schärfung des Begriffes eine Definition der Smart Factory erarbeitet, laut der ein
intelligentes Fertigungssystem durch flexible und adaptive Fertigungsprozesse ausgezeichnet ist,
die die auftretenden Fertigungsherausforderungen lösen, deren Ursprung hoch dynamische Rah-
menbedingungen ausgelöst durch Komplexitätsanstiege in den heutigen Fertigungsumgebungen

15
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

sind. Auf der einen Seite beziehen sich die Markmale auf die Automatisierung, d.h. auf die Kom-
bination von Software, Hardware und mechanischen Komponenten, wodurch heutige Optimie-
rungsziele, wie z.B. die Reduktion von Verschwendung, weiter optimiert werden. Auf der ande-
ren Seite stehen häufig ebenfalls organisatorische Aspekte zur Erreichung einer dynamischen Or-
ganisation im Vordergrund, bei denen die Intelligenz auf neuen, wertschöpfungskettenübergreifenden
Zusammenarbeitsmodellen basiert. Nach Zühlke [132] steht besonders die Vision des allge-
genwärtigen Rechnens (engl.: Ubiquitous Computing (UC)) von Weiser [120] im Vordergrund,
bei der Technologien aus der direkten in eine indirekte Wahrnehmung übergehen und den Men-
schen bei seinen Tätigkeiten und auch Entscheidungen unterstützt. Die Idee des Internets der
Dinge, bei dem jegliche Objekte in einem Netzwerk miteinander kommunizieren, basiert eben-
falls auf den Ansätzen des UC. Im Vordergrund bei den Konzepten stehen neue, durchgängige
Kommunikationstechnologien zur Erhöhung der Datenverfügbarkeit und somit der System-
transparenz.

2.2 Eigenschaften von Fertigungssystemen


Zur Sicherstellung eines einheitlichen Verständnisses der im folgenden häufig verwendeten Be-
griffe werden die wichtigsten Eigenschaften von Fertigungssystemen zunächst definiert und
erläutert. Die im Kontext der Arbeit betrachtete flexible und dezentral gesteuerte Fertigung
nach den Prinzipien der Industrie 4.0 setzt bei der kontinuierlichen Verbesserung des Erfüllungs-
grads bereits heutzutage entscheidender technischer Kenngrößen an. Wiendahl [123] hat eine
hierarchische Darstellung von Veränderungstypen bezogen auf Produktionssysteme erstellt. Um
die Möglichkeiten der Wertschöpfungssteigerungen der flexiblen und dezentrale gesteuerten Fer-
tigung eindeutig beschreiben zu können, ist ein Verständnis der in Abbildung 2.7 dargestellten
Begrifflichkeiten inklusive derer gegenseitiger Abgrenzungen notwendig. Daher werden in den
folgenden Abschnitten die dargestellten Begriffe erklärt und voneinander abgegrenzt.

Umrüstbarkeit
Wiendahl [123] beschreibt Umrüstbarkeit als die Fähigkeit einer einzelnen Maschine bzw. Ar-
beitsstation zwischen verschiedenen Fertigungsaufgaben eines spezifischen Bauteils mit mini-
malem Aufwand zu wechseln. Somit sind unter dem Aspekt der Umrüstbarkeit lediglich An-
passungen vordefinierter Arbeitsoperationen zulässig [123].

Lorenzer [69] erweitert diese Definition mit den Einschränkungen von dem REFA [86], dass zum
einen lediglich der Austausch passiver Maschinenkomponenten unter den Begriff Umrüstbarkeit
fällt und zum anderen die Anpassung ohne eine Veränderung der Steuerungskonfiguration
durchgeführt wird. Die daraus resultierende und im Rahmen dieser Arbeit verwendete Defi-
nition lautet:

16
2.2 Eigenschaften von Fertigungssystemen

Abbildung 2.7: Darstellung von Veränderungstypen in Produktionssystemen in Abhängigkeit


vom Produktions- sowie Produktlevel, modifiziert von Wiendahl [123]

Ein Werkzeugmaschine ist umrüstbar, wenn sie sich jederzeit und mit minima-

lem Aufwand durch Tausch oder Veränderung passiver [Maschinen-]Komponenten
(Werkzeuge, Spannvorrichtungen, etc.) ohne Eingriff in die Steuerungskonfigura-
tion für die Ausführung definierter Arbeitsoperationen innerhalb eines gegebenen
Rahmens anpassen lässt.“ [69]

Rekonfigurierbarkeit
Koren und Shpitalni [59] beschreiben Rekonfigurierbarkeit als eine neue Möglichkeit zur schnel-
len und kosteneffizienten Anpassung an sich wandelnde Marktanforderungen. Wenn die physi-
sche Struktur eines Systems mit minimalem Aufwand verändert werden kann und die Auslegung
des Systems die Durchführung der operativen Aufgaben einer gesamten Produktfamilie sicher-
stellt, handelt es sich um ein rekonfigurierbares System [59].
Laut Mehrabi et al. [74] muss ein Fertigungssystem die fünf Eigenschaften Modularität, In-
tegrationsfähigkeit, Umrüstbarkeit, Diagnosefähigkeit und Anpassungsfähigkeit aufweisen, um
ein rekonfigurierbares Fertigungssystem (engl. reconfigurable manufacturing system, RMS) zu

17
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

sein. Koren und Shpitalni [59] haben als sechste Eigenschaft die Skalierbarkeit (engl. scalabili-
ty) hinzugefügt, die als Anpassungsmöglichkeit der Produktionskapazitäten durch Hinzufügen,
Modifizieren oder Entfernen von Ressourcen (Personal, Maschinen, etc.) definiert ist. Laut Stee-
gmüller und Zürn [106] ist die Kalibrierfähigkeit ein weiterer Aspekt, der einen wichtigen Teil zur
Rekonfigurierbarkeit beiträgt, da die Rekonfiguration abgeschlossen ist, sobald die gewünschte
Qualität erreicht wird. Diesen Zustand kann ein System mit einer guten Kalibrierfähigkeit
schneller erreichen und somit wirtschaftlicher variantenreiche Produkte fertigen.

Flexibilität
Die allgemeine Bedeutung des Begriffs Flexibilität ist sehr weit gefasst und daher häufig mehr-
deutig. Der Begriff entspringt ursprünglich dem lateinischen Adjektiv flexibilis, dessen Bedeu-
tung biegsam ist. Dieser Ursprung unterstreicht die Erklärungen von [69, 128, 104], nach de-
nen die Flexibilität eines Systems das innere Anpassungsvermögen beschreibt, d.h. das An-
passungsvermögen innerhalb vorgesehener Systemgrenzen. Westkämper et al. [122] bezeichnen
ein System als flexibel, wenn es reversibel an veränderte Gegebenheiten innerhalb eines zuvor
angedachten Umfangs von Merkmalen anpassbar ist.

Slack [104] hat zu Beginn der Diskussion über den Begriff Flexibilität und dessen Bedeutung
für die Fertigung verdeutlicht, dass Flexibilität nicht gleichzusetzen ist mit den Fertigungszielen
Produktivität, Effizienz und Kosten. Diese Abgrenzung wird damit begründet, dass Flexibilität
ein Potential beschreibt und sich auf andere Fertigungsziele, z.B. die Flexibilität in der Varia-
tion der Ausbringung, bezieht.

Beach et al. [7] stellen in einer ganzheitlichen Betrachtung vorhandener Studien die verschie-
denen Methoden zur Aufschlüsselung des Themas Flexibilität vor. Aufbauend auf den Flexibi-
litätsarten von Slack [104] und einer Erweiterung von Sethi und Sethi [97] werden verschiedene
Bezugsebenen aus organisatorischer sowie zeitlicher Sicht erläutert und diskutiert. Außerdem
wird auf die Wichtigkeit der Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Flexibilitätsarten unter-
einander hingewiesen, die schematisch in Abbildung 2.8 dargestellt sind.

Flexibilitätsarten von Fertigungssystemen

Aus der Literatur wurden basierend auf Browne et al. [20], Sethi und Sethi [97], Toni und To-
nicha [110] und ElMaraghy [31] elf Flexibilitätsarten von Fertigungssystemen identifiziert und
definiert. Im folgenden sind diese aufgeführt und beschrieben. Da nicht alle Flexibilitätsarten
eine eindeutige deutsche Übersetzung besitzen, sind im Sinne einer exakten Zuordnung ebenfalls
die englischen Begriffe aus den Literaturquellen angegeben.

1. Maschinenflexibilität (engl.: Machine Flexibility):


Die Maschinenflexibilität beschreibt die Fähigkeit einer Maschine bzw. Fertigungsanlage,

18
2.2 Eigenschaften von Fertigungssystemen

Abbildung 2.8: Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Flexibilitätsarten von Fertigungs-


systemen, angepasst von Sethi und Sethi [97]

verschiedene Operationen ohne Einrichtvorgänge durchzuführen.

2. Materialhandhabungsflexibilität (engl.: Material Handling Flexibility):


Die Materialhandhabungsflexibilität beschreibt die Fähigkeit des Systems, unterschiedli-
che Teile effizient handzuhaben.

3. Betriebsflexibilität (engl.: Operation Flexibility):


Die Betriebsflexibilität wird gemessen an der Anzahl möglicher Prozesspläne für die Her-
stellung eines Produktes. Sie ist produktbezogen und beschreibt somit die Fähigkeit der
Erzeugung eines Produktes durch unterschiedliche Prozessabfolgen.

4. Prozessflexibilität (engl.: Process Flexibility):


Die Prozessflexibilität ist definiert als die Fähigkeit eines Fertigungssystems, verschiedene
Produkttypen ohne Einrichtungen zu produzieren.

5. Produktflexibilität (engl.: Product Flexibility):


Die Produktflexibilität ist definiert als der Aufwand (Zeit und Kosten) zur Einführung
neuer Produkte oder Produktvarianten in einen bestehenden Produktmix.

6. Materialflussflexibilität (engl.: Routing Flexibility):


Die Materialflussflexibilität zeigt auf, ob Produkte entlang mehrerer unterschiedlicher
Materialflusspfade gefertigt werden können.

19
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

7. Volumenflexibilität (engl.: Volume Flexibility):


Die Volumenflexibilität beschreibt die Fähigkeit eines Fertigungssystems, sich wirtschaft-
lich an unterschiedliche Produktionsvolumen bei gegebener Fertigungskapazität anzupas-
sen.

8. Erweiterungsflexibilität (engl.: Expansion Flexibility):


Die Erweiterungsflexibilität beschreibt den Aufwand und die Kosten für die Erweiterung
von Fertigungskapazitäten und/oder Prozessfähigkeiten durch, falls notwendig, physische
Änderungen des Fertigungssystems.

9. Programmflexibilität (engl.: (Control) Program Flexibility):


Die Programmflexibilität beschreibt die Fähigkeit eines Fertigungssystems, automatisiert
Prozessabläufe auszuführen durch den Einsatz intelligenter Maschinen und Software.

10. Produktionsflexibilität (engl.: Produciton Flexibility):


Die Produktionsflexibilität ist charakterisiert durch die Anzahl an Produkten, die in einem
Fertigungssystem erzeugt werden können.

11. Marktflexiblität (engl.: Market Flexibility):


Die Anpassungsfähigkeit eines Fertigungssystems an wechselnde Martkbedingungen wird
als Marktflexibilität bezeichnet.

Aus den Beschreibungen der Flexibilitätsarten ist ersichtlich, dass sowohl Abhängigkeiten als
auch Überschneidungen zwischen diesen bestehen. Dennoch wird im weiteren Verlauf der Arbeit
auf diese in der Fachliteratur verwendeten Flexibilitätsarten zurückgegriffen.

Wandlungsfähigkeit
Wandlungsfähigkeit beschreibt die Anpassungsfähigkeit eines Systems über vorgesehene Sys-
temgrenzen hinweg. Westkämper et al. [122] haben die folgende Definition eingeführt:

Ein System wird als wandlungsfähig bezeichnet, wenn es aus sich selbst heraus

über gezielt einsetzbare Prozess- und Strukturvariabilität sowie Verhaltensvariabi-
lität verfügt. Wandlungsfähige Systeme sind in der Lage, neben reaktiven Anpassun-
gen auch antizipative Eingriffe vorzunehmen. Diese Aktivitäten können auf System-
veränderungen wie auch auf Umfeldveränderungen hinwirken.“

Dieses Verständnis inklusiver einer Abgrenzung zur zuvor diskutierten Flexibilität ist in Ab-
bildung 2.9 dargestellt. In der Abbildung ist anhand des Beispiels der Ausbringungsmen-
ge aufgezeigt, dass, solange eine Variation innerhalb vordefinierter Grenzen stattfindet bzw.
durchgeführt wird, die Fähigkeit als Flexibilität bezeichnet wird. Findet jedoch eine Anpas-
sung über diese vordefinierten Grenzen statt, wird diese Fähigkeit als Wandlungsfähigkeit

20
2.2 Eigenschaften von Fertigungssystemen

bezeichnet. Nach Wiendahl [123] sind sowohl Flexibilität als auch Wandlungsfähigkeit tak-
tische Fähigkeiten, wobei sich die Flexibilität auf einzelne Produktionsbereiche und die Wand-
lungsfähigkeit auf ganze Fabrikstrukturen bezieht.

Abbildung 2.9: Verständnis und Abgrenzung zwischen den Eigenschaften Wandlungsfähigkeit


und Flexibilität von Fertigungssystemen, basierend auf Zah et al. [128]

Haas et al. [41] stellen einen Ansatz vor, der darauf abzielt, die Wandlungsfähigkeit bereits im
Produktentstehungsprozess (PEP) zu berücksichtigen, indem Wandlungstreiber auf übergeordneter
Ebene analysiert und somit Vorgaben an die Produkt- und Prozessentwicklung frühzeitig ge-
stellt werden.

Fisser et al. [33] beschreiben Wege zur schlanken und wandlungsfähigen Produktion durch
Lean Changeability, einer Komibination aus Lean Produktion und Wandlungsfähigkeit, in der
die Vorteile der Lean-Philosophie, wie kurze Durchlaufzeiten und geringe Bestände [125], mit
der schnellen Reaktionsfähigkeit auf zukünftige Veränderungen im dynamischen Marktumfeld
vereint werden.

Agilität
Als Agilität wird laut Wiendahl [123] die Anpassungsfähigkeit auf marktseitige Veränderungen,
wie z.B. die Erschließung neuer Märkte oder Reaktion auf Nachfrageveränderungen, eines gan-
zen Unternehmens bezeichnet, um die erforderliche Marktleistung zu entwickeln und die notwen-
dige Produktionskapazität aufzubauen. Agilität ist somit ebenfalls eine strategische Fähigkeit
und in einen gesamt-unternehmerischen Kontext zu setzen. Aufgrund letzterem besitzt die Agi-
lität für die vorliegende Arbeit keine Relevanz.

21
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

2.3 Layoutplanung
In diesem Abschnitt wird die Layoutplanung in den Kontext der Fabrikplanung eingeordnet und
es werden die unterschiedlichen Detaillierungsgrade in der Layoutplanung aufgezeigt. Des Wei-
teren werden die in der Fachliteratur festgelegten Schritte zur Planung eines Layouts dargestellt
und der reale in der Praxis angewendete Layoutplanungsprozess wird erläutert. Anschließend
wird der Fokus der Arbeit im Bereich der Layoutplanung festgelegt und es werden Möglichkeiten
zur mathematischen Formulierung des Layoutproblems beschrieben.

2.3.1 Ziele der Layoutplanung


Nach der VDI-Richtlinie 2385 [112] ist das Ziel der Layoutplanung, durch die richtige Anord-
nung von Struktureinheiten (z.B. Fertigungsgruppen) und Verbinungselementen (z.B. Transpor-
teinrichtungen) den Fertigungsablauf wirtschaftlich und störungssicher zu ermöglichen. Nach
Schenk und Wirth [90] ist ein Layout die graphische Darstellung der räumlichen Anordnung
von betrieblichen Funktions- und Struktureinheiten. Hieraus resultieren vier Schwerpunkte für
die Layoutplanung [90]:

• Bestimmung der qualitativen und quantitativen Beziehungen zwischen den benötigten


betrieblichen Funktionseinheiten

• Ermittlung der optimalen räumlichen Anordnung der Struktureinheiten unter der Berück-
sichtigung von gegebenen Randbedingungen (z.B. Flächenbegrenzungen)

• Schaffung einer Gesamtlösung durch die Zusammenführung aller Flusssysteme

• Erzeugung einer grafischen Repräsentanz bzw. Darstellung der räumlichen Anordnung


(Layout)

Bei der Erstellung eines Fertigungslayouts existieren vielfältige Zieldimensionen und Randbe-
dingungen. Die Relevanz der verschiedenen Ziele variiert von Fall zu Fall und muss individuell
festgelegt werden. Francis et al. [34] zählen die Minimierung von Investitionskosten, der Fer-
tigungszeit und der benötigten Fläche zu den wichtigsten Zielen der Layoutplanung. Darüber
hinaus existieren noch viele weitere Zielsetzungen, wie beispielsweise die von Bölte [17] genann-
te Arbeitssicherheit, Ergonomie sowie effiziente Planung von Transportwegen. Eine weitere
und aufgrund der steigenden Marktdynamiken stetig wichtiger werdende Zieldimension ist die
Erhöhung der Flexibilität von Fertigungslayouts [17, 34, 124], um Aufwände und Kosten bei
Anpassungsbedarfen zu minimieren.

2.3.2 Einordnung in den Fabrikplanungsprozess


In der VDI-Richtlinie 5200 [111] werden bei der Fabrikplanung fünf Planungsebenen - Produk-
tionsnetz, Werk, Gebäude, Segment und Arbeitsplatz - unterschieden. Henn und Kühnle [44]

22
2.3 Layoutplanung

unterscheiden zwischen sechs hierarchischen Strukturierungsebenen, wie in Abbildung 2.10 dar-


gestellt. Im folgenden werden die sechs Strukturierungsebenen erklärt und es wird aufgezeigt,
in welchen Ebenen die Layoutplanung stattfindet.

Abbildung 2.10: Darstellung der hierarchischen Strukturierungsebenen einer Fabrik nach


Henn und Kühnle [44]

Ebene 1: (Unternehmens-)Netzstruktur

Auf der ersten Strukturierungsebene, der (Unternehmens-)Netzstruktur, wird das globale sowie
regionale Unternehmensnetzwerk bestimmt. Hierbei werden bestehende Unternehmensstruktu-
ren analysiert, damit die neue Fabrik sich möglichst effizient in diese integrieren kann [90]. Be-
reits in dieser hohen Ebene der Fabrikplanung müssen diverse unternehmensexterne Faktoren,
wie z.B. die politische Stabilität einer Region, regionale Gesetzgebungen, Lohnniveaus, logisti-
schen Anbindungen und Lieferantennetzwerke, sowie unternehmensinterne Faktoren, in erster
Linie Synergiepotentiale mit bereits bestehenden Standorten, berücksichtigt werden. Für um-
fangreichere Auflistungen der relevanten Faktoren wird an dieser Stelle auf Schenk und Wirth [90],
Helbing [43] und Francis et al. [34] verwiesen.

23
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Ebene 2: Standortstruktur

Der Gegenstand der Standortstruktur besteht in der Anordnung des Werksgeländes in dem
vorgesehenen Wirtschaftsraum einer Region und wird sehr detailliert von Henn und Kühnle [44]
ausgeführt. Zur Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist es notwendig, die beste Kombination
aus den Standortbedingungen, der Marktsituation (Kunden) und Fachkompetenz zu ermitteln.
Entscheidendes Kriterium in dieser Phase ist die vorhandene Infrastruktur an den möglichen
Standorten im Wirtschaftsraum. Die Standortstruktur bildet gemeinsam mit der General- und
der Gebäudestruktur eine zusammenhängende Einheit im Planungsprozess.

Ebene 3: Generalstruktur

Die Aufgabe der Generalstruktur liegt in der Erzielung einer optimalen Anordnung der Gebäude
innerhalb eines festgelegten Werksgeländes. Hierbei ist nach Schenk und Wirth [90] beson-
ders wichtig, dass eine Anpassung an sich verändernde Produkt- und Produktionsstrukturen
berücksichtigt und ermöglicht wird.

Ebene 4: Gebäudestruktur

Nach Schenk und Wirth [90] behandelt die Gebäudestruktur die innen- sowie aussengerichteten
Beziehungen eines Gebäudes. Innengerichtete Beziehungen bestehen zum Produktionssystem
und aussengerichtete Beziehungen sind zur infrastrukturellen Anbindung an die General- und
Standortstruktur vorhanden. Laut Eversheim und Schuh [32] zeigt die Gebäudestruktur die
Umrisse der Gebäude, ihre Schnittstellen und den innerbetrieblichen Materialfluss auf.

Ebene 5: Bereichsstruktur

In der Strukturierungsebene der Bereichsstruktur findet die Festlegung funktionaler Bereiche in-
nerhalb der Gebäude statt. In Anlehnung an Henn und Kühnle [44] zeigen Schenk und Wirth [90]
verschiedene Strukturierungsprinzipien für produktionstechnische Einheiten auf, die in Abbil-
dung 2.11 dargestellt sind. Durch die aufgezeigte Bildung von Clustern nach unterschiedlichen
Kriterien können Materialflussbeziehungen zwischen den Clustern ermittelt und optimiert wer-
den.
Da die Strukturierungsprinzipien maßgeblich den Materialfluss innerhalb des Fertigungsbereichs
bestimmen, besteht ein grosser Einfluss auf die Layoutplanung. In hierarchischer Hinsicht ist
die Layoutplanung in der Ebene der Bereichsstruktur angeordnet.

Ebene 6: Arbeits- und Fertigungsplatzstruktur

Als letzte Strukturierungsebene wird die Arbeits- und Fertigungsplatzstruktur festgelegt. Bei
der Gestaltung des Arbeits- bzw. Fertigungsplatzes steht die effiziente Erledigung der zugeord-
neten Arbeitsaufgaben unter Nutzung von Ressourcen in einer sicheren und gefährdungsfreien

24
2.3 Layoutplanung

Abbildung 2.11: Darstellung der Strukturierungsprinzipien für die Bereichsstruktur nach


Schenk und Wirth [90]

Art und Weise im Vordergrund, wie von Schenk und Wirth [90] beschrieben.

Neben den vertikalen Strukturierungsebenen einer Fabrik existieren verschiedene Phasenmo-


delle zur Durchführung einer Fabrikplanung nach definierten Planungsphasen. In der VDI-
Richtlinie 5200 [111] ist ein siebenstufiges Phasenmodell für die Fabrikplanung definiert, das
in Abbildung 2.12 dargestellt ist. Die Layoutplanung ist in diesem Modell als ein Bestand-
teil der Phase 3, der Konzeptplanung, eingeordnet. Die Phasen werden im Laufe eines Fa-
brikplanungsprojekts sequentiell und teilweise iterativ durchlaufen. Basierend auf der VDI-
Richtlinie 5200 [111] werden im folgenden die einzelnen Planungsphasen beschrieben.

Phase 1: Zielfestlegung

In der ersten Phase, der Zielfestlegung, stehen die Festlegung der planerischen Aufgabenstel-
lung und die Strukturierung des Planungsprojekts im Vordergrund. Hierzu werden die vier
in Abbildung 2.12 abgebildeten Detailphasen durchlaufen. Durch die Analyse der Unterneh-
mensziele und Rahmenbedingungen wird sichergestellt, dass projektspezifische Vorgaben des
Auftraggebers berücksichtigt und eine grob formulierte Aufgabenstellung erstellt werden. An-
schließend werden durch die Festlegung der Fabrik- und Projektziele konkrete Zielvorgaben

25
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.12: Phasenmodell der Fabrikplanung nach der VDI-Richtlinie 5200 [111]

für Planungsergebnisse und den Planungsprozess vereinbart. Die Fabrikziele legen fest, welches
Produktspektrum in welcher Qualität mit welchen Lieferzeiten zu welchen Kosten und mit wel-
cher Stückzahl pro Zeiteinheit produziert werden muss. Die Projektziele beziehen sich auf die
einzuhaltenden Termine und das festgelegte Projektbudget. Für die festgelegten Ziele werden
nun Bewertungskriterien erarbeitet, um Vorgaben zur Kostenermittlung zu definieren und einen
einheitlichen Bewertungsmaßstab für Planungsvarianten zu entwickeln. Abschließend für Phase
1 wird eine Strukturierung mittels einer Einteilung in Arbeitspakete vorgenommen. Zusammen-
fassend liefert diese Phase als Resultate gewichtete Bewertungskriterien, die Projektziele und
einen Projektplan.

Phase 2: Grundlagenermittlung

Die Grundlagenermittlung zielt auf die Beschaffung bzw. Erzeugung aller für die Planung not-
wendigen Daten und Informationen ab. Hierzu wird zunächst die Informationsbeschaffung und
anschließend die Informationsauswertung durchgeführt. Der Fokus bei der Informationsbeschaf-
fung liegt auf Produktdaten, Produktionsdaten und Immobiliendaten. Neben Ist- und Vergan-
genheitsdaten sind insbesondere Prognosedaten notwendig, um zukünftige Entwicklungen im
Planungsprozess zu berücksichtigen.

26
2.3 Layoutplanung

Phase 3: Konzeptplanung

Das Ziel der Konzeptplanung ist der Entwurf eines umsetzbaren Gesamtfabrikkonzeptes, das
die Ziele und Restriktionen aus den beiden vorgelagerten Planungsphasen bestmöglich erfüllt
bzw. berücksichtigt. Beginnend mit der Strukturplanung werden die funktionalen und or-
ganisatorischen Einheiten der einzelnen Planungsebenen, die in Abbildung 2.10 dargestellt
sind, mit ihren wechselseitigen Beziehungen festgelegt. Die Ergebnisse der Strukturplanung
stellen zum einen das Kommunikationskonzept und zum anderen das Funktionsschema dar.
Das Kommunikationskonzept spezifiziert die quantitativen und qualitativen Beziehungen aller
an der Fertigung beteiligten Einheiten. Das Funktionsschema wird aus verschiedenen Vari-
anten der Produktionsstruktur abgeleitet und zeigt alle Produktionsprozessabfolgen der Fa-
brik auf. Eine räumliche Anordnung der Fertigungseinheiten wird durch das Funktionssche-
ma nicht abgebildet. Die anschließende Dimensionierung dient der Kapazitätsauslegung sowie
der Flächenbedarfsermittlung der Einheiten in der jeweiligen Planungsebene. Hierzu werden
benötigte Ressourcen (z.B. Betriebsmittel, Personal) festgelegt und Logistikkonzepte entwickelt
und dimensioniert. Als nächster Schritt wird die Idealplanung durchgeführt. Hierbei werden die
zuvor dimensionierten Einheiten ohne die Berücksichtigung von Restriktionen räumlich ideal an-
geordnet, um Ideallayoutvarianten zu erstellen und zugehörige Gebäudehüllen zu skizzieren. Die
Ideallayoutplanung weitet den Lösungsraum für die folgende Reallayoutplanung auf und dient
als Referenz für die Bewertung von Reallayoutvarianten. Die Reallayoutplanung berücksichtigt,
im Gegensatz zur Ideallayoutplanung, alle Restriktionen bei der Generierung und Bewertung
von Layout- und Gebäudevarianten. Am Ende der Reallayoutplanung steht eine Vorzugsvari-
ante, die ein bewertetes, realisierbares Fabrikkonzept mit Groblayout und Gebäudevorentwurf
darstellt.

Phase 4: Detailplanung

Basierend auf der Vorzugsvariante aus der Konzeptplanung zielt die Detailplanung auf die
Erstellung von Detailbeschreibung sowie grafischen Darstellungen der geplanten Fabrikelemen-
te ab. Als erster Schritt werden hierbei im Rahmen der Feinplanung Fabrikelemente in einem
Detaillierungsgrad entworfen, der für die Genehmigungs- und Ausschreibungsunterlagen ausrei-
chend ist. Es werden Details über Material-, Informations- und Kommunikationsflüsse in Form
von Prozessdarstellungen und -beschreibungen erstellt, durch die ebenfalls Lastenhefte erzeugt
werden. Um die benötigten Genehmigungen einzuholen, werden anschließend Genehmigungs-
anträge erstellt, und es werden Leistungsbeschreibungen erstellt, um notwendige Unterlagen
zur Angebotseinholung und Vergabe zur Verfügung zu stellen.

Phase 5: Realisierungsvorbereitung

In der Phase der Realisierungsvorbereitung wird die Vergabe an die Lieferanten organisiert und
die Umsetzung geplant, um alle Vorbereitungen zur Realisierung der Fabrik zu treffen. Hierzu

27
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

werden zunächst Angebote eingeholt, die Lieferantenauswahl und Beauftragung im Rahmen


der Vergabe durchgeführt und die Ausführungsplanung überwacht, um die Ausführungspläne
der Lieferanten freizugeben. Parallel zu diesen Tätigkeiten findet die Umsetzungsplanung statt,
die der Vorbereitung des Umstiegs, der Baustelle, der Umzüge und des Personalaufbaus dient.

Phase 6: Realisierungsüberwachung

Während der Realisierungsüberwachung wird primär die Einhaltung der vereinbarten Qua-
litätsstandards, des festgelegten Zeitplans sowie der budgetierten Kosten aller Ausführungen
kontrolliert und somit gewährleistet. Zu den Ausführungen zählen u.a. die Gebäude, Außenan-
lagen, Betriebsmittel sowie der Personalaufbau. Diese Phase gliedert sich in zwei sequentielle
Schritte, wobei der erste Schritt die Koordination, Überwachung und Dokumentation der Rea-
lisierung übernimmt und im zweiten Schritt die Abschlussdokumentation erstellt wird. Das
Resultat dieser Phase sind die erstellte Fabrik und eine zugehörige Abschlussdokumentation.

Phase 7: Hochlaufbetreuung

Die Hochlaufbetreuung zielt auf die Erreichung der definierten Fabrikziele in der realisierten
Fabrik ab. Die Aktivitäten in dieser Phase konzentrieren sich somit auf die Inbetriebnahme bis
zur angestrebten Leistungsfähigkeit. Hierbei wird die Fabrik in einen Betriebszustand überführt,
in dem verkaufsfähige Güter produziert werden. In diesem Zustand liegt dann der Fokus auf der
Einführung und Beherrschung von Prozessen, die von der Arbeitsorganisation, über die Logistik
bis hin zur Qualitätssicherung reichen. Anschließend werden die Fähigkeiten der Fabrik bewertet
und somit die Zieleinhaltung überprüft.

2.3.3 Theorie der Layoutplanung


Nachdem die Planungsebenen sowie die Planungsphasen der Fabrikplanung aufgezeigt und die
Layoutplanung in diese eingeordnet wurde, wird in diesem Unterabschnitt auf die Theorie der
Layoutplanung eingegangen. Im Themengebiet der Layoutplanung existiert eine breite theore-
tische Grundlage, wobei sich die verschiedenen Ansätze meist nur geringfügig voneinander diffe-
renzieren. Generell haben sich zwei Ansätze, der von Wirth et al. [124] und der von Muther [76],
etabliert, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

2.3.3.1 Theorie der Layoutplanung nach Wirth et al. [124]

Wirth et al. [124] unterteilen die Layoutplanung in drei hierarchische Ebenen, die in Abbil-
dung 2.13 skizziert sind: Generalbebauungsplanung, Groblayoutplanung und Feinlayoutpla-
nung.
Die oberste Layoutplanungsebene, die Generalbebauungsplanung, beinhaltet die Anordnung
von Strukturelementen, wie z.B. Produktionshallen, Lagerflächen und Bürogebäude. In den

28
2.3 Layoutplanung

Abbildung 2.13: Darstellung der hierarchischen Gliederung der Layoutplanung nach


Wirth et al. [124]

Strukturierungsebenen der Fabrik nach Henn und Kühnle [44] (vgl. Abbildung 2.10) entspricht
die Generalbebauungsplanung in etwa der Gebäudestruktur. Eine Planungsebene tiefer, in der
Groblayoutplanung, werden Fertigung- und Lagerflächen für die unterschiedlichen zu fertigen-
den Produkte innerhalb der Produktionshalle positioniert. Auf der tiefsten Planungsebene,
der Feinlayoutplanung, werden abschließend alle Details geplant. Unter anderem werden hier
die Fertigungsanlagen, Arbeitsplätze und Logistiksysteme inkl. Fahrwegen geplant und ausge-
legt. Im Falle einer Umgestaltung von Fabriken aufgrund neuer Marktanforderungen oder der
Einführung neuer Produkte wird in der Regel lediglich die Feinlayoutplanung, in selten Fällen
ebenfalls noch die Groblayoutplanung, angepasst.

In Analogie zur Fabrikplanung exisitert ebenfalls für die Layoutplanung neben den vorgestellten
Layoutplanungsebenen ein Layoutplanungsprozess, der zur Standardisierung des Ablaufs der
Layoutplanung beiträgt. Der Gesamtprozess nach Wirth et al. [124] ist in Abbildung 2.14
dargestellt und unterteilt die Layoutplanung in drei Hauptschritte.
Zu Beginn der Layoutplanung wird die Systematisierung der Planungsgrundlage vorgenommen.
Hierbei werden alle notwendigen Informationen gesammelt und die genauen Zielsetzungen,
die letztendlich von dem Layout erreicht werden müssen, werden spezifiziert. Als Informati-
onsgrundlage sind vor allem Produkt- sowie Produktionsdaten notwendig, um die Spezifika-
tion der Fertigungsaufgaben durchzuführen. Basierend auf den Informationen wird ebenfalls
eine erste Dimensionierung der unterschiedlichen Systemeinheiten vorgenommen, um deren
Flächenbedarfe im Layoutplanungsprozess zu berücksichtigen.
Basierend auf der systematisierten Planungsgrundlage wird der zweite Hauptschritt, die Ideal-
layoutplanung, durchgeführt. Wirth et al. [124] haben die Ideallayoutplanung nochmals in drei
Schritte unterteilt. Es wird zunächst ein Beziehungsschema aufgestellt, dass die qualitativen
und quantitativen Flussbeziehungen zwischen den benötigten Systemkomponenten beinhaltet.

29
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.14: Darstellung des Layoutplanungsprozesses nach Wirth et al. [124]

Das Beziehungsschema wird verwendet, um die Anordnung der Systemkomponenten basierend


auf ihren Beziehungen zu optimieren. Anschließend wird als zweiter Schritt der Ideallayout-
planung der Flächenbedarf ermittelt und als dritter Schritt das Ideallayout erstellt. Bei der
Erstellung des Ideallayouts wird zunächst das Beziehungsschema mit den Flächenbedarfen der
Systemkomponenten ergänzt, wodurch ein flächenmaßstäbliches Beziehungsschema kreiert wird.
Abschließend für die Ideallayoutplanung wird das Blocklayout erstellt, das die räumliche An-
ordnung der Systemkomponenten optimiert. In der Regel steht hierbei die Minimierung der
Transportkosten, -wege oder -leistung im Vordergrund. Die Ideallayoutplanung wird generell
für verschiedene Layoutvarianten durchgeführt.
Der dritte Hauptschritt, die Durchführung der Reallayoutplanung, hat das Ziel der Überführung
des Ideallayouts in ein umsetzbares Reallayout. Zu Beginn der Durchführung der Reallayoutpla-
nung werden Restriktionen spezifiziert, die die Layoutbildung beeinflussen. Hierzu zählen u.a.

30
2.3 Layoutplanung

Flächenrestriktionen. Durch die Eingrenzung des Lösungsraums mittels der spezifizierten Re-
striktionen werden Reallayoutvarianten gebildet und im letzten Schritt anhand zuvor definierten
Zielgrößen bewertet. Basierend auf der Bewertung wird am Ende des Layoutplanungsprozesses
eine Vorzugsvariante ausgewählt.

2.3.3.2 Theorie der Layoutplanung nach Muther [76]

Der Prozessablauf der Layoutplanung basierend auf der Theorie von Muther [76] ist im eng-
lischsprachigen Raum verbreitet und in Abbildung 2.15 dargestellt. Die Unterschiede zum zuvor
aufgezeigten Prozessablauf von Wirth et al. [124] sind geringfügig. Der von Muther [76] ein-
geführte Layoutplanungsprozess ist ebenfalls dreigeteilt. Die drei Hauptphasen sind die Analy-
se, die Suche und die Selektion der Layoutlösung. Die Analysephase beginnt ebenfalls mit der
Analyse von Beziehungen zwischen den Systemkomponenten und benötigt die gleiche Infor-
mationsbasis wie der zuvor erklärte Planungsprozess. Letztendlich werden ebenfalls basierend
auf dem Beziehungsschema die Flächenbedarfe ermittelt und mit der verfügbaren Fläche abge-
glichen, ein flächenmaßstäbliches Beziehungsschema erarbeitet, Layoutvarianten basierend auf
praktischen Restriktionen gebildet und bewertet und eine Vorzugsvariante wird identifiziert.
Da die Layoutplanungsprozesse nach Muther [76] und nach Wirth et al. [124] kaum voneinan-
der abweichen, ist an dieser Stelle auf für weitere Details zu dem Layoutplanungsprozesse nach
Muther [76] auf [109] verwiesen.

2.3.4 Layoutplanung in der Praxis


Wie in vielen Themengebieten weicht auch bei der Fabrikplanung die industrielle Vorgehens-
weise von der rein theoretischen ab. Aus diesem Grund wird in diesem Unterabschnitt die
Vorgehensweise zur Fabrikplanung bei der Volkswagen AG [116] vorgestellt.

Der bei der Volkswagen AG gelebte Fabrikplanungsprozess überspringt einige Stufen der in Un-
terabschnitt 2.3.3 beschriebenen Vorgehensweisen, da bereits viele Fabrikplanungen mit ähnlich-
en Zielsetzungen durchgeführt wurden. Basierend auf dem dabei erlangten Erfahrungswissen
wurden Standardlayouts für die Generalbebauung sowie das Groblayout erstellt. In Abhängigkeit
von der zu erreichenden Ausbringungsmenge der Fabrik wird eines der Standardlayouts als
Grundlage für die Fabrikplanung gewählt. Abbildung 2.16 zeigt das im Standardlayout vorge-
sehene Ideallayout eines Werkes für eine Volumenfabrik.
Wie in Abbildung 2.16 erkennbar, beinhaltet das Standardlayout bereits Vorhalteflächen, die
für eventuell benötigte Kapazitätserweiterungen vorgesehen sind. Ebenfalls für die Kapazitäts-
erweiterungen existieren Standardprozeduren, die in Abbildung 2.17(a) beschrieben sind.
Durch die Nutzung der Vorhalteflächen wird Ausbaustufe II erreicht, durch die eine Verdop-
pelung der Ausbringsungsmenge (JPH = Jobs per Hour) erreicht wird. Die in Ausbaustufe
III vorgesehene Spiegelung aller bisher vorhanden Gebäude bewirkt eine erneute Verdoppelung

31
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.15: Darstellung des Layoutplanungsprozesses nach Muther [76]

der Ausbringungsmenge. Somit ermöglicht das vorgestellte Standardlayout einer Volumenfabrik


die Skalierung der Ausbringungsmenge um 400 %. Das Standardlayout einer Volumenfabrik in
Ausbaustufe III ist in Abbildung 2.17(b) dargestellt.

Die Layoutplanung in der Praxis zielt daher auf Werksebene verstärkt darauf ab, Standardlay-

32
2.3 Layoutplanung

Abbildung 2.16: Darstellung des Generalbebauungsplanes aus dem Standardlayout einer Volu-
menfabrik des Automobilbaus, angelehnt an [116]

(a) Methodik der Ausbaustufen zur (b) Standardlayout in Ausbaustufe III


Kapazitätserweiterung

Abbildung 2.17: Vorgesehene Möglichkeiten zur Kapazitätserweiterung des Standardlayouts ei-


ner Volumenfabrik des Automobilbaus und Darstellung des Standardlayouts
in der Endausbaustufe III, angelehnt an [116]

outs an die gegebenen Fertigungsaufgaben anzupassen. Hierbei sollen möglichst wenige Verän-
derungen vorgenommen werden, damit standardisierte Prozessabläufe in der Fertigung nicht
beeinflusst werden und ein möglichst harmonischer Anlauf realisiert werden kann. Des Weite-
ren bewirkt die Verwendung von Standardlayouts eine Aufwands- und Kostenreduzierung, da
nicht bei jedem Fabrikplanungsprojekt der gesamte Fabrikplanungsprozess durchgeführt wer-
den muss. Anhand des Luftbilds des Volkswagen Werks in Chattanooga, Tennessee, Vereinigte
Staaten von Amerika, ist die Orientierung am Standardfabriklayout sehr deutlich erkennbar
(siehe Abbildung 2.18). Die einzelnen Gebäudekomplexe für die verschiedenen Gewerke sind im
Vergleich mit Abbildung 2.16 eindeutig identifizierbar.

33
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.18: Luftaufnahme des Automobilwerks der Volkswagen AG in Chattanooga, Ten-


nessee, Vereinigte Staaten von Amerika, zur Veranschaulichung des Standard-
fabriklayouts der Volkswagen AG [116]

Bezüglich der in Abbildung 2.13 dargestellten Gliederungsebenen der Layoutplanung existieren


auf Grob- und Feinlayoutebene gewerkespezifische Strukturierungskriterien. Die verschiedenen
Strukturierungskriterien führen zu unterschiedlichen Ideallayouts der verschiedenen Gewerke,
weshalb im Folgenden die Ideallayouts der Gewerke vorgestellt werden.
Das Ideallayout eines Presswerks in der Automobilproduktion ist in Abbildung 2.19 darge-
stellt. Der Materialfluss ist das entscheidende Strukturierungskriterium. Bedingt durch die
hohen Investitionskosten sowie der enormen Anlagengröße liegt der Fokus im Presswerk auf
der maximalen Auslastung der Pressen. Daher werden Transferpressen mit automatischem
Werkstücktransfer eingesetzt, die das Ideallayout prägen. Weiterhin ist der große Flächenbedarf
für Betriebsmittel (z.B. Presswerkzeuge), Rohmaterial und Fertigteile ein charakteristisches
Merkmal des Ideallayouts eines Presswerks.
Das Karosseriebaulayout ist in produktspezifische Zonen eingeteilt, wie aus Abbildung 2.20
ersichtlich. Die Hauptzone stellt die Kernlinie für den Unterbau und Aufbau dar. In den weiteren
Bereichen werden Zusammenbauten (ZSBs), weitere Anbauteile sowie innen und außen liegende
Seitenwände gefertigt.
Die Lackiererei besitzt aufgrund ihrer Prozesseigenschaften diverse Restriktionen, die bei der
Layoutplanung berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise Trocknungszeiten
und exakt einzuhaltende Prozessfenster der einzelnen Lackschichten und -arten. Daher besitzt
die Lackiererei eine starre Verkettung und weist somit einen linearen Materialfluss (mit Aus-

34
2.3 Layoutplanung

Abbildung 2.19: Ideales Layoutschema eines Presswerks einer Volumenfabrik des Automobil-
baus, angelehnt an [116]

Abbildung 2.20: Ideales Layoutschema eines Karosseriebaus einer Volumenfabrik des Automo-
bilbaus, angelehnt an [116]

nahme der Nacharbeit) auf (vgl. Abbildung 2.21).


Das in Abbildung 2.22 dargestellte Ideallayout der Fahrzeugendmontage ist maßgeblich cha-
rakterisiert durch das Zusammenführen verschiedener Materialflüsse aus Vormontagen mit dem
Hauptmaterialfluss aus den bereits zuvor genannten Hauptgewerken des Automobilbaus. Da ein
Großteil der kundenindividuellen Variantenbildung in den Vormontagen sowie der Endmontage
stattfindet, benötigt das Ideallayout eine große Supermarktfläche zur Vorhaltung und teilweise
auch Vorkommissionierung von Materialien. Nachgelagert zu der verketteten Fliessfertigung ist
ein Prüf- und Finishbereich vorgesehen, damit letzte Qualitätsmängel entdeckt und beseitigt

35
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.21: Ideales Layoutschema einer Lackiererei einer Volumenfabrik des Automobil-
baus, angelehnt an [116]

werden können.

Abbildung 2.22: Ideales Layoutschema einer Montage einer Volumenfabrik des Automobilbaus,
angelehnt an [116]

Trotz der vorgestellten standardisierten Ideallayouts und dem großen Erfahrungsschatz im Be-
reich der praktischen Layoutplanung weichen die realen Layouts sehr häufig von diesen ab.

36
2.3 Layoutplanung

Neben baulichen Restriktionen und Flächenlimitationen ist ein häufiger Grund die hohe Va-
riantenvielfalt, weshalb beispielsweise Lager- und Pufferflächen nicht genügen oder auch Pro-
zessabläufe geändert bzw. erweitert werden müssen. Daher stellt sich in der Automobilindustrie
immer häufiger die Frage, inwiefern weitere Produktivitätssteigerungen bei multivarianten Fer-
tigungsaufgaben durch Layoutänderungen erzielt werden können. Aufgrund der hohen Komple-
xität der Fragestellung und des enorm großen Lösungsraums des Problems rückt hierbei die ma-
thematische Modellierung verstärkt in den Vordergrund. In dem Folgenden Unterabschnitt 2.3.5
werden daher die Grundlagen der mathematischen Modellierung des Layoutplanungsproblems
erläutert.

2.3.5 Mathematische Modellierung des Layoutplanungsproblems


Aufbauend auf den vorgestellten Grundlagen der Fabrik- und Layoutplanung zeigt dieser Un-
terabschnitt die Möglichkeiten zur mathematischen Modellierung und Lösung des Layoutpla-
nungsproblems auf. Mathematische Modellierungen zur Beschreibung und Lösung des Lay-
outplanungsproblems sind sinnvoll und notwendig, da, wie in Unterabschnitt 2.3.1 aufgezeigt,
vielfältige Zieldimensionen für die Realisierung eines Fertigungslayouts bestehen, deren gleich-
zeitige Zielerreichung ohne eine mathematische Modellierung nur in den seltensten Fällen
möglich ist. Außerdem ist nach Bölte [17] die Zugänglichkeit von gebildeten Modellen für wis-
senschaftliche Analysen wesentlich höher.

Das Layoutplanungsproblem (engl.: Facility Layout Problem (FLP)) befasst sich mit der opti-
malen Anordnung von Systemkomponenten (z.B. Fertigungsinseln) innerhalb einer vorgegebe-
nen Fläche. Generell zählt das FLP zu den Zuordnungsproblemen (engl.: Assignment Problems
(AP)). Koopmanns und Bekmann [57] haben als erste das FLP als allgemeines quadratisches Zu-
ordnungsproblem (engl.: Quadratic Assignment Problem (QAP)) beschrieben und untersucht,
weshalb dieses Problem auch häufig als Koopmanns-Beckmann-Problem bezeichnet wird. Das
allgemeine QAP hat sich als Grundmodell der Layoutplanung etabliert und zielt auf die Er-
mittlung einer Anordnung von Systemkomponenten zu Positionen mit minimalen gesamten
Transportkosten (𝐾𝑇 ) ab. Angelehnt an Koopmanns und Bekmann [57] wird die folgende No-
tation eingeführt:

𝑗, 𝑙 Index der potentiellen Standorte mit 𝑗, 𝑙 = 1(1)𝑁 1


𝑁 Anzahl der potenziellen Standorte
𝑆 Indexmenge der potentiellen Standorte, 𝑆 = {1, 2, ..., 𝑁 } mit 𝑗, 𝑙 ∈ 𝑆 und |𝑆| = 𝑁
𝑖, 𝑘 Index der anzuordnenden Elemente mit 𝑖, 𝑘 = 1(1)𝑀 2
𝑀 Anzahl der anzuordnenden Elemente
𝐸 Indexmenge der anzuordnenden Elemente, 𝐸 = {1, 2, ..., 𝑀 } mit 𝑖, 𝑘 ∈ 𝐸 und |𝐸| = 𝑀
𝑑𝑖𝑘 Transportentfernung zwischen zwei Elementen i und k
𝑡𝑖𝑘 Transportintensität zwischen zwei Elementen i und k

37
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

𝑘𝑡 (𝑖, 𝑘) Transportkostensatz für Transporte zwischen i und k


𝑐𝑖𝑗 Fixe Anordnungskosten, die entstehen, wenn Element i Standort j zugeordnet wird

Basierend auf Bölte [17] sowie Domschke und Krispin [28] sind beim allgemeinen QAP die
folgenden Modellannahmen gültig:

1. Es existieren M gleichgroße anzuordnende Elemente.

2. Lediglich die Transportintensität zwischen den anzuordnenden Elementen ist von Bedeu-
tung.

3. Die Transportintensität 𝑡𝑖𝑘 zwischen den anzuordnenden Elementen i und k (mit i,k ∈ E)
ist bekannt und unabhängig von der Zuordnung der anzuordnenden Elemente zu be-
stimmten Stationen.

4. Es existieren N = M gleichgroße potentielle Standorte. Auf jedem potentiellen Standort


kann genau ein anzuordnendes Element angeordnet werden.

5. Die Zuordnung der anzuordnenden Elemente zu den potentiellen Standorten unterliegt


keinen Beschränkungen, d.h. jedes anzuordnende Element kann jedem potentiellen Stand-
ort zugeordnet werden.

6. Die durch die Anordnung entstehenden Kosten sind unabhängig von der Zuordnung der
anzuordnenden Elemente zu bestimmten Standorten.

7. Die Transportentfernung 𝑑𝑟𝑗𝑙 (r =


̂︀ rechtwinklige Entfernungsmessung) bzw. 𝑑𝑒𝑗𝑙 (e =
̂︀ eukli-
dische Entfernungsmessung) zwischen den Standorten j und l (mit j,l ∈ S) ist bekannt.

8. Der Transportkostensatz 𝑘𝑡 ist bekannt und unabhängig von der Transportmenge, Trans-
portentfernung und den eingesetzten Transportmitteln.

Um die räumliche Lage de Elemente eindeutig anzugeben, haben Koopmanns und Bekmann [57]
𝑀 · 𝑁 binäre Variablen 𝑥𝑖𝑗 mit folgender Bedeutung eingeführt:

⎨1

wenn das anzuordnende Element i dem Standort j zugeordnet wird
𝑥𝑖𝑗 =
⎩0

sonst

Das allgemeine quadratische Zuordnungsproblem lässt sich basierend auf den zuvor genannten
Grundlagen wie folgt formulieren:

𝑀 ∑︁
𝑁 ∑︁
𝑀 ∑︁
𝑁
Min. 𝐾𝑇 = (2.1)
∑︁
𝑘𝑡 · 𝑡𝑖𝑘 · 𝑑𝑗𝑙 · 𝑥𝑖𝑗 · 𝑥𝑘𝑙
𝑖=1 𝑗=1 𝑘=1 𝑙=1
𝑘̸=𝑖 𝑙̸=𝑗

1
Die Schreibweise bedeutet, dass der Index der potentiellen Standorte j bzw. l die natürlichen Zahlen von 1
bis N durchläuft. Zwei Indizes werden gewählt, da die Modelle üblicherweise Standortpaare betrachten.
2
Zwei Indizes werden gewählt, da die Modelle üblicherweise Elementpaare betrachten.

38
2.3 Layoutplanung

mit den folgenden Nebenbedingungen:

𝑁
𝑥𝑖𝑗 = 1 (𝑖 = 1(1)𝑀 ) (2.2)
∑︁

𝑗=1

𝑀
𝑥𝑖𝑗 = 1 (𝑗 = 1(1)𝑁 ) (2.3)
∑︁

𝑖=1

𝑥𝑖𝑗 ∈ {0, 1} (𝑖 = 1(1)𝑀 ; 𝑗 = 1(1)𝑁 ) (2.4)

Die Summe 𝑘𝑡 · 𝑡𝑖𝑘 · 𝑑𝑗𝑙 aus Gleichung 2.1 ist eine multiplikative Verknüpfung der Binärvariablen
𝑥𝑖𝑗 und 𝑥𝑘𝑙 , durch die isomorph3 sichergestellt wird, dass die Transportmenge 𝑡𝑖𝑘 , die zwischen
den Elementen i und k transportiert werden muss, nur dann von j nach l transportiert wird,
wenn Element i dem Standort j und gleichzeitig Element k dem Standort l zugeordnet wird [17].
Gleichung 2.1 wird auch als quadratische Zielfunktion bezeichnet [27].

Durch die Nebenbedingung aus Gleichung 2.2 ist sichergestellt, dass jedem Element i ein Stand-
ort zugewiesen wird. Da 𝑥𝑖𝑗 , wie in Gleichung 2.4 beschrieben, nur die Werte 0 und 1 anneh-
men kann, kann auf der linken Seite von Gleichung 2.2 nur jeweils eine Variable ungleich 0
sein. Ergänzend dazu garantiert Gleichung 2.3, dass jedem Standort j genau ein Element zu-
geordnet wird. Somit ist das grundlegende Layoutproblem mathematisch modelliert. Bölte [17]
führt diverse Erweiterungen bzw. Anpassungen des allgemeinen QAP auf, um weitere, von den
oben zuvor gelisteten Modellannahmen abweichende, Layoutprobleme zu beschreiben. Auf die
Erweiterungen wird an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen.

Das QAP ist als schwer lösbares“ Problem klassifiziert, da eine optimale Lösung für Pro-

blemgrößen mit praktischer Relevanz nicht mit vertretbarem Rechenaufwand zu bestimmen
ist [17, 28, 57]. Sahni und Gonzales [88] haben das QAP auf ein Travelling Salesman Problem
(siehe [17] für weitere Details) zurückgeführt und damit aufgezeigt, dass das allgemeine qua-
dratische Zuordnungsproblem als NP-hart im Sinne der Komplexitätstheorie nach Cook [24]
eingestuft wird. Die Klasse NP bedeutet, dass das Problem durch einen nichtdeterministi-
schen Turing-Automaten mit polynomial beschränktem Rechenaufwand gelöst werden kann.
NP-harte Probleme sind eine Unterklasse von NP-komplexen Problemen und zählen zu den
NP-vollständigen Problemen. Daher sind NP-harte Probleme mindestens so komplex wie NP-

3
Ein Isomorphismus ist in der Mathematik eine bijektive Abbildung zwischen zwei mathematischen Strukturen,
d.h., dass Teile der einen Struktur umkehrbar eindeutig auf bedeutungsgleiche Teile einer anderen Struktur
abgebildet werden [4].

39
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

vollständige Probleme. Da bereits bei NP-vollständigen Problemen kein effizienter Algorithmus


zur exakten Lösung existiert und daher ineffiziente Algorithmen zur exakten Lösung oder auch
Heuristiken angewendet werden, werden diese Lösungsverfahren ebenfalls für NP-harte Proble-
me verwendet. Für weiterführende Informationen zu den Komplexitätsklassen ist auf Zelew-
ski [129] sowie Wegener [119] verwiesen.

Zur Lösung von Layoutproblemen existieren unterschiedliche Verfahren. Domschke und Krip-
sin [28], Domschke und Drexl [27] sowie auch Bölte [17] geben einen guten Überblick und
sinnvolle Einteilungen der bekannten Verfahren. Im folgenden wird die generelle Einteilung
der Verfahren aufgezeigt und erläutert. Des Weiteren werden einige relevante Lösungsverfahren
vorgestellt und detailliert beschrieben.

Generell werden Verfahren zur Lösung von Optimierungsproblem in exakte (bzw. konvergente)
und heuristische (bzw. nicht konvergente) Verfahren eingeteilt. Exakte Verfahren lösen Opti-
mierungsprobleme in endlich vielen Schritten. Domschke und Drexl [27] unterscheiden bei den
exakten Verfahren zwischen Entscheidungsbaumverfahren, Schnittebenenverfahren und Kombi-
nationen dieser beiden Verfahren. Entscheidungsbaumverfahren (engl.: Branch&Bound) werden
wiederum in Verfahren der vollständigen und unvollständigen (begrenzten) Enumeration einge-
teilt. Der Grundgedanke bei der vollständigen Enumeration ist die Evaluation aller zulässigen
Lösungen, um die beste Lösung zu bestimmten. Bei der unvollständigen Enumeration wird hin-
gegen darauf abgezielt, nicht optimale Lösungen möglichst früh nachweislich zu identifizieren
und direkt auszuschließen. Bei Problemen realistischer Größenordnung ist der Rechenaufwand
heutiger exakter Verfahren jedoch so hoch, dass heuristische Verfahren, d.h. Verfahren ohne
Konvergenznachweis, angewendet werden. Heuristiken sind dadurch charakterisiert, dass poten-
tielle Lösungen vernachlässigt werden, obwohl diese nicht nachweislich, sondern nur vermutlich,
nicht optimal sind. Die Entscheidung des Ausschlusses von Lösungen findet nach vorgegebe-
nen Kriterien statt. In der Regel stellt das Abbruchkriterium von heuristischen Verfahren die
Differenz der Güte einer aktuellen Lösung zum angenommen Optimum dar. Nach Bölte [17]
besitzen aufgrund der zur Verfügung stehenden Lösungszeit nur heuristische Verfahren prakti-
sche Relevanz. Lediglich bei sehr kleinen Problemen werden exakte Verfahren berücksichtigt.
Einen Überblick zur Einteilung der Lösungsverfahren gibt Abbildung 2.23.

Aufgrund der hohen Praxisrelevanz heuristischer Verfahren werden die in Abbildung 2.23 auf-
geführten heuristischen Verfahren im Folgenden erläutert. Im Bereich der Heuristiken wird
generell zwischen Erzeugungsverfahren (teilweise ebenfalls Eröffnungsverfahren genannt) und
Verbesserungsverfahren unterschieden.
Erzeugungsverfahren werden zur Bestimmung einer, in der Regel ersten, zulässigen Lösung
des Optimierungsproblems verwendet, die typischerweise nicht optimal ist. Unterschieden wird
bei den Erzeugungsverfahren zwischen Prioritätsregel-, Zufallsregel- und vorausschauenden

40
2.3 Layoutplanung

Abbildung 2.23: Übersicht zur Einteilung von Lösungsverfahren für Optimierungsprobleme,


modifiziert von Bölte [17] und Domschke und Drexl [27]

Prioritätsregelverfahren [17]. Prioritätsregelverfahren bestimmen nach einer deterministischen


Vorschrift für jedes anzuordnende Element eine Priorität für dessen Anordnung. Bei wieder-
holter Ausführung mit identischen Problemdaten ermitteln Prioritätsregelverfahren identische
Lösungen. Das heute bekannteste Prioritätsregelverfahren ist das Satelliten-Verfahren (SAT)
von Kiehne [56], dessen Grundgedanke von Schmigalla [92] stammt. SAT ist ein alternierendes
Verfahren, d.h., dass jeweils abwechselnd zunächst das am höchsten priorisierte Element zum
Anordnen und anschließend der optimale Standort ermittelt wird. Das SAT berücksichtigt bei
der Auswahl des nächsten Anordnungselements die Transportintensität zu den bereits angeord-
neten Elementen und wählt dann aus der Menge potentieller Standorte denjenigen aus, durch
den der Transportkostenanstieg innerhalb der entstehenden Zuordnung minimiert wird. Zu-
fallsregelverfahren fällen in mindestens einem Iterationsschritt eine Entscheidung basierend auf
einem Zufallsmechanismus, weshalb die Lösungserzeugung in der Regel nicht wiederholbar ist.
Vorausschauende Prioritätsregelverfahren erweitern die deterministische Prioritätsermittlung
klassischer Prioritätsregelverfahren durch die Einbeziehung induzierter Folgewirkungen auf ei-
ne bestimmte Anzahl nachfolgender Entscheidungen.
Im Gegensatz zu den Erzeugungsverfahren benötigen Verbesserungsverfahren eine zulässige
Anfangslösung, die durch das angewendete Verbesserungsverfahren optimiert wird. Die Initi-
allösung wird entweder zufällig oder durch Anwendung eines Eröffnungsverfahrens erzeugt.
Bölte [17] beschreibt, dass sich Verbesserungsverfahren im Wesentlichen aus einem Algorith-
mus, der Veränderungen an der bereits bestehenden Lösung vornehmen kann, einem Kriterium,

41
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

das die Entscheidung der Annahme oder Ablehnung einer Veränderung der aktuellen Lösung
trifft, und einer Abbruchbedingung, die die Anzahl durchzuführender Veränderungen begrenzt,
zusammensetzen. Eine Einteilung der Verbesserungsverfahren kann nach Bölte [17] in reine Ver-
besserungsverfahren, Tabu Search Verfahren, Simulated Annealing Verfahren und Genetische
Algorithmen erfolgen. In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Verbesserungs-
verfahren erläutert.

Reine Verbesserungsverfahren

Reine Verbesserungsverfahren basieren in der Regel auf der paarweisen Vertauschung von Ei-
genschaften einer Lösung, z.B. im Fall der Layoutplanung der paarweisen Vertauschung der Ma-
schinenbelegung potentieller Standorte. Die wichtigste Eigenschaft der reinen Verbesserungsver-
fahren ist die Ablehnung einer schlechteren Lösung, weshalb lokale Optima nicht überwunden
werden. Das Abbruchkriterium greift bei reinen Verbesserungsverfahen, sobald in einer Itera-
tion keine Verbesserung der derzeitigen Lösung gefunden wurde. Es existieren deterministi-
sche sowie stochastische Verbesserungsverfahren, wobei letztgenannte Verfahren meist durch
die Erweiterung erstgenannter Verfahren mit probabilistischen Komponenten entstanden sind.
Die beiden verbreitetsten deterministischen reinen Verbesserungsverfahren sind H-63 von Hil-
lier [46] und CRAFT von Armour und Buffa [3]. Das Verfahren H-63 ermittelt für jedes Ele-
ment die Kostenveränderung, die aus einer Verschiebung des Elements auf jede seiner Nach-
barpositionen resultiert, wobei die Kostenveränderung der Wiederbelegung des freiwerdenden
Standorts nicht berücksichtigt werden. Anschließend wird das Element mit der größten Kosten-
veränderung ausgewählt und geprüft, ob die gesamte Kostenveränderung negativ ist. Ist diese
Bedingung erfüllt, wird die Vertauschung vorgenommen und der nächste Iterationsschritt ge-
startet. Wenn die Bedingung nicht erfüllt ist, wird untersucht, ob eine Diagonalvertauschung
zu einer negativen Kostenveränderung führt. Falls dieses nicht zutrifft, wird das Element mit
der zweitgrößten Kostenveränderung ausgewählt. Kann insgesamt bei keinem Element eine ne-
gative Kostenveränderung erzielt werden, terminiert der Algorithmus. Der Algorithmus H-63
benötigt einen geringen Rechenaufwand, da nur benachbarte Elemente untersucht werden. Die
Güte der Lösung ist daher jedoch limitiert. Die Funktionsweise des CRAFT Algorithmus basiert
ebenfalls wie der H-63 auf dem Prinzip der besten Vertauschung. Jedoch erreicht der CRAFT
Algorithmus zu Lasten eines erhöhten Rechenaufwands eine höhere Lösungsgüte, da in jedem
Iterationsschritt die Kostenveränderungen aller möglichen Vertauschungsoperationen ermittelt
werden. Dennoch ist laut Bölte [17] die Abhängigkeit von der Initiallösung sehr hoch, da auch
der CRAFT Algorithmus keine Verschlechterung der Lösung zulässt und somit zwangsläufig
zu von der Initiallösung benachbarten lokalen Optima konvergiert. Eine Möglichkeit zur wei-
teren Verbesserung der Lösung besteht in der mehrfachen Durchführung der Optimierung mit
unterschiedlichen Initiallösungen.

42
2.3 Layoutplanung

Tabu Search Verfahren

Das Tabu Search Verfahren wurde erstmals von Glover [38] beschrieben und von Skorin-
Kapov [103] erstmals zur Lösung des quadratischen Zuordnungsproblems eingesetzt. Um bei
einfacher Anwendung des Optimierungsverfahrens die Wahrscheinlichkeit des Erreichens ei-
nes lokalen Optimums zu verringern, lässt das Tabu Search Verfahren ebenfalls Lösungen mit
schlechteren Gesamtkosten zu. Wie der CRAFT Algorithmus, bewertet das Tabu Search Ver-
fahren alle Vertauschungsmöglichkeiten in jeder Iteration. Anschließend wird die Vertauschung
nach dem Prinzip des steilsten Anstiegs oder flachsten Abstiegs durchgeführt. Existieren Ver-
tauschungen mit positiven Einflüssen auf die Zielfunktion, wird diejenige mit der größten Ver-
besserung ausgewählt. Existieren nur Lösungen mit negativen Einflüssen auf die Zielfunktion,
wird diejenige mit dem geringsten Kostenveränderungswert ausgewählt. Um in der nächsten
Iteration nicht den zuvor vollzogen Schritt rückgängig zu machen, wird die Vertauschung in
der sogenannten Tabu-Liste gespeichert, die i.d.R. nach dem First-In-First-Out Prinzip (FIFO-
Prinzip) gestaltet ist. Somit bestimmt die Länge der Tabu-Liste (engl.: tabu size (TS)) die
Anzahl an Iterationen, die mindestens zwischen der Wiederholung einer identischen Vertau-
schungsoperation liegen. Nach Bölte [17] kann die TS jedoch auch sinnvolle Vertauschungs-
operationen verbieten, weshalb häufig ein sogenanntes Aspiration-Kriterium eingeführt wird.
Bei Erfüllung des Aspiration-Kriteriums dürfen ebenfalls tabuisierte Vertauschungsoperationen
ausgeführt werden. Ein häufiges Aspiration-Kriterium ist die Verbesserung der bisher erzielten
besten Lösung. Der komplette Verfahrensablauf der Tabusuche ist in Listing 2.1 aufgeführt.

Listing 2.1: Pseudo-Code für das Tabu Search Verfahren, modifiziert von Bölte [17]
1 1. Wähle Anfangszuordnung 𝑎
2 2. Wähle Länge der Tabu Liste (Tabu Size (TS))
3 Initialisiere die Tabu Liste
4 Terminierung ← FALSE
5 while (TERMINIERUNG = FALSE)
6 for (i=1 To N−1)
7 for (k=i+1 To N)
8 3. Berechne Kostenveränderungswert Δ𝑖𝑘 (𝑎)
9 Vertauschung ← FALSE
10 Δ ← {Δ𝑖𝑘 (𝑎); 𝑖 = 1(1)𝑁 − 1, 𝑘 = 1 + 1(1)𝑁 }
11 while (VERTAUSCHUNG=FALSE)
12 4. Wähle Δ*𝑖𝑘 (𝑎) = min{Δ𝑖𝑘 (𝑎) ∈ Δ}
13 5. if (a𝑖 ↔ a𝑘 ) not in Tabu Liste
14 Vertauschung ← TRUE
15 else
16 6. if (Aspiration−Kriterium erfüllt)
17 Vertauschung ← TRUE
18 end
19 end

43
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

20 7. if (Vertauschung ← TRUE)
21 a𝑖 ↔ a𝑘
22 Füge (a𝑖 ↔ a𝑘 ) in Tabu Liste ein
23 else
24 Δ ← Δ∖ {Δ*𝑖𝑘 (𝑎)}
25 end
26 end
27 8. if (Terminierungskriterium erfüllt) THEN
28 Terminierung ← TRUE
29 end
30 end

Simulated Annealing Verfahren

Simulated Annealing wird ebenfalls eingesetzt, um lokale Optima zu überwinden. Die Strategie
zur Überwindung lokaler Optima unterscheidet sich zu der bei der Tabusuche eingesetzten in-
sofern, dass mit einer zu definierenden Wahrscheinlichkeit Lösungen akzeptiert werden, die zu
einer Verschlechterung der Zielfunktion führen. Die probabilistische Komponente wird mit der
Hoffnung eingeführt, dass somit lokale Optima überwunden werden und das globale Optimum
erreicht wird. Nach Domschke und Drexl [27] ist die Wahrscheinlichkeit der Annahme einer
schlechteren Lösung dabei abhängig vom Ausmaß der Verschlechterung sowie dem Fortschritt
des Lösungsprozesses. Zur Steuerung der Wahrscheinlichkeit wird ein sogenannter Temperatur-
parameter eingesetzt, der mit fortschreitendem Lösungsprozess gegen Null strebt. Hierdurch
kann ein thermales Gleichgewicht bei der aktuellen Temperatur4 erreicht werden, d.h., dass die
Zielfunktionswerte über längere Zeit relativ konstant bleiben. Threshold Accepting ist eine ver-
einfachte Variante des Simmulated Annealings, bei der jede Lösung unterhalb einer maximalen
Verschlechterung, dem Threshold Δ, akzeptiert wird. Im Laufe das Verfahrens wird der Thres-
hold Δ sukzessive auf Null reduziert [17]. Der Pseudo-Code für den beschrieben Ablauf des
Simmulated Annealing Verfahrens mit Gleichgewichtsbedingung ist in Listing 2.2 aufgezeigt.

Listing 2.2: Pseudo-Code für das Simmulated Annealing Verfahren, modifiziert von Bölte [17]
1 1. Wähle Anfangszuordnung 𝑎
2 2. Wähle Starttemperatur T0
3 Terminierung ← FALSE
4 while (TERMINIERUNG = FALSE)
5 Gleichgewicht ← FALSE
6 while (Gleichgewicht = FALSE)

4
Simmulated Annealing hat seinen Ursprung in der statistischen Mechanik. Hierbei wurden Abkühlprozesse
untersucht und Zustände minimaler Energie angstrebt. Die Termperatur ist ein entscheidender Parameter bei
diesem Prozess, weshalb bei heutigen Anwendungen von Simmulated Annealing ausserhalb der statistischen
Mechanik dieser Begriff weiterhin verwendet wird. Für weitere Information ist an dieser Stelle auf Bölte [17]
verwiesen.

44
2.3 Layoutplanung

7 3. Wähle 2 potentielle Vertauschungspartner (i, k)


8 4. if Δ𝑖𝑘 (𝑎) < 0 THEN
9 a𝑖 ↔ a𝑘
10 else
11 5. Erzeuge gleichverteilte Zufallszahl g ∈ [0, 1]
−Δ𝑖𝑘 (𝑎)
12 6. if g < 𝜋 = 𝑒 𝑇 THEN
13 a𝑖 ↔ a𝑘
14 end
15 end
16 7. if (Gleichgewichtskriterium erfüllt) THEN
17 Gleichgewicht ← TRUE
18 8. Wähle nächste Temperatur
19 end
20 end
21 9. if (Terminierungskriterium erfüllt) THEN
22 Terminierung ← TRUE
23 end
24 end

Genetische Algorithmen

Bei genetischen Algorithmen steht die Idee der Nutzung von Prinzipien der natürlichen Evo-
lution im Vordergrund. Holland [47] hat diese Idee als erstes aufgebracht und beschreibt einen
genetischen Algorithmus als eine heuristische Methode, die nach dem Prinzip Survival of the

fittest“ funktioniert. Yang et al. [127] beschreiben GAs als Suchalgorithmen für globale Op-
timierungen in komplexen Lösungsräumen. Basierend auf Sivanandam und Deepa [102] und
Bölte [17] ist die klassische Vorgehensweise eines genetische Algorithmus die Folgende: Zunächst
erfolgt die Initialisierung, durch die eine zufällige Startpopulation aus Individuen, die jeweils
eine potentielle Lösung des betrachteten Problems darstellen, erzeugt wird. Anschließend star-
tet eine Optimierungsschleife, in der für jedes Individuum die Lösungsgüte, im Rahmen von
GAs häufig Fitness genannt, anhand einer zuvor problemspezifisch definierten Fitnessfunk-
tion ermittelt wird. Die Formulierung der Fitnessfunktion ist ein entscheidender Faktor bei
der Gestaltung von GAs. Es ist wichtig, dass die einzelnen Bestandteile der Fitnessfunktion,
d.h. die Leistungskennzahlen, normiert werden. Mittels einer Normierung wird sichergestellt,
dass die verschiedenen Leistungskennzahlen auf den gleichen Wertebereich abgebildet werden
und somit, unter der Annahme gleichverteilter Gewichte, identische Einflüsse auf die Fitness-
funktion besitzen. Im zweiten Schritt der Optimierungsschleife wird durch die Anwendung der
genetischen Operationen - Selektion, Rekombination (Kreuzung) und Mutation - aus der Start-
population eine neue Population erzeugt. Hierbei ist die Fitness jedes Individuums für sein
Fortbestehen ausschlaggebend und die jeweiligen genetischen Operationen werden mit vorde-
finierten Wahrscheinlichkeiten auf die Individuen angewendet. Die Optimierungsschleife wird
solange ausgeführt, bis die Abbruchbedingung erfüllt ist. Sobald diese erfüllt ist, wird das Indi-

45
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

viduum der aktuellen Population mit dem höchsten Fitnesswert als Optimum ausgegeben. Der
beschriebene Ablauf eines genetischen Algorithmus ist in Listing 2.3 aufgezeigt.

Listing 2.3: Pseudo-Code für genetische Algorithmen, modifiziert von Bölte [17]
1 1. Erzeuge eine rein zufällige Startpopulation von Individuen.
2 2. Bestimme den Fitnesswert für jedes Individuum der ersten Generation.
3 Generation ← 0
4 while (Generation ≤ MaxGen)
5 3. Generiere die nächste Generation durch Anwendung der genetischen
6 Operatoren auf die Individuen der aktuellen Generation.
7 4. Bestimme den Fitnesswert für jedes Individuum der aktuellen
8 Generation.
9 Generation ← Generation + 1
10 end
11 5. Gib das Individuum mit dem höchsten Fitnesswert als Lösung aus.

Die Anpassung der Individuen wird mittels den genannten genetischen Operatoren realisiert,
die erheblichen Einfluss auf die Konvergenz von genetischen Algorithmen haben. Daher werden
die genetischen Operatoren im Folgenden detaillierter beschrieben.
Die Selektion wird als erster genetischer Operator ausgeführt, da hierdurch aus der Vielzahl
an Individuen einer Generation diejenigen ausgewählt werden, auf die die anderen genetischen
Operatoren angewendet werden. Sivanandam und Deepa [102] beschreiben die Absicht bei der
Selektion als Hervorhebung von fitten“ Individuen mit der Hoffnung, dass diese noch fitte-

re Abkömmlinge nach der Anwendung der weiteren genetischen Operatoren hervorbringen.
Hierbei werden zufällige Individuen basierend auf den Fitnesswerten ausgewählt, wobei die
Auswahlwahrscheinlichkeit mit der Höhe des Fitnesswerts steigt. Über den Selektionsdruck
wird gesteuert, wie stark bessere Fitnesswerte favorisiert werden. Der Selektionsdruck ist somit
ausschlaggebend für die Verbesserung der Fitnesswerte über die verschiedenen Generationen
und somit auch für die Konvergenzrate eines genetischen Algorithmus. Bei zu hohen Selekti-
onsdrücken steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass GAs bereits in einem lokalen Optima
konvergieren.
Die Rekombination, häufig auch als Kreuzung bezeichnet, greift die selektierten Individuen auf
und generiert im Sinne einer Vererbung neue Individuen mit gemischten Eigenschaften der bei-
den rekombinierten Individuen, um eine weitere Verbesserung der Fitnesswerte zu erzielen.
Als weiterer genetischer Operator wird die Mutation ausgeführt. Die Mutation ist laut Sivanan-
dam und Deepa [102] entscheidend für das Überwinden von lokalen Optima, da mit ihrer Hilfe
verlorene Lösungsinformationen wiederhergestellt werden und somit der gesamte Lösungsraum
untersucht wird. Die Mutation trägt somit stark zur Steigerung der Diversität einer Population
bei. In diesem Kontext wird häufig die Ergodizität verwendet. Ein Lösungsraum ist ergodisch,
wenn eine Wahrscheinlichkeit größer als Null existiert, eine beliebige Lösung ausgehend von ei-
nem beliebigen Lösungszustand zu erreichen [117]. Über die Mutationswahrscheinlichkeit wird

46
2.4 Maschinenbelegungsplanung (Scheduling)

wiederum die Häufigkeit des Auftretens von Mutationen gesteuert. Eine hohe Mutationswahr-
scheinlichkeit ist untypisch, da somit ein GA zu einer zufälligen Lösungssuche abgewandelt
wird.
Generell wird deutlich, dass das Zusammenspiel der genetischen Operatoren die Effizienz des ge-
netischen Algorithmus bestimmt. Sinnvolle Parametereinstellungen müssen zugleich möglichst
hohe Konvergenzraten und die Überwindung lokaler Optima gewährleisten.

2.4 Maschinenbelegungsplanung (Scheduling)


In dem vorliegenden Abschnitt werden die Grundlagen der Maschinenbelegungsplanung (engl.:
Scheduling) aufgezeigt. Nach einer Einführung in die Maschinenbelegungsplanung wird eine
Klassifizierung der unterschiedlichen Maschinenschedulingprobleme eingeführt, es werden die
klassischen Maschinenschedulingprobleme diskutiert sowie Erweiterungen dieser beschrieben.
Abschließend werden die mathematischen Grundlagen des Maschinenschedulingproblems be-
schrieben, dessen Charakteristika auf das in der folgenden Arbeit entwickelte Fertigungssystem
am besten zutreffen.

Moderne Fertigungssysteme müssen marktseitig steigende Variantenvielfalten abdecken können,


weshalb ein hohes Maß an Flexibilität gefordert ist. Die Maschinenbelegungsplanung trägt
zur Steigerung der Flexibilität bei, indem die Fertigungsabläufe unterschiedlicher Varianten
berücksichtigt werden. Jede Variante wird hierzu in mehrere zu erledigende Aufträge, so-
genannte Jobs, unterteilt. Die Aufgabe der Maschinenbelegungsplanung ist es, die Jobs al-
ler in dem betrachteten Planungshorizont zu produzierenden Varianten den vorhanden Fer-
tigungsanlagen zu zuordnen, so dass vordefinierte Zielkriterien optimiert werden. Dieses Op-
timierungsproblem wird als Maschinenschedulingproblem bezeichnet (vgl. [66]). Nach Blaze-
wicz et al.[10] werden Maschinenschedulingprobleme generell durch die drei Sets der Jobs
(Aufträge) 𝐽 = {𝐽1 , 𝐽2 , ..., 𝐽𝑛 }, der Maschinen 𝑀 = {𝑀1 , 𝑀2 , ..., 𝑀𝑚 } und der zusätzlichen
Ressourcen 𝑅 = {𝑅1 , 𝑅2 , ..., 𝑅𝑠 } beschrieben. Die Aufgabe des Schedulings ist die Zuordnung
von Maschinen aus 𝑀 und, falls benötigt, Ressourcen aus 𝑅 zu Jobs von 𝐽 zur Erledigung aller
Jobs unter Einhaltung vorgegebener Randbedingungen. Die beiden charakteristischen Randbe-
dingungen für Schedulingprobleme sind zum einen, dass jeder Job von höchstens einer Maschine
(zuzüglich definierter Mengen an zusätzlicher Ressourcen) zur Zeit bearbeitet werden darf, und
zum anderen, dass jede Maschine nur höchstens eine Bearbeitung zur Zeit durchführen kann.

Für die Klassifikation von Maschinenschedulingproblemen existieren mehrere Ansätze. Zobo-


las et al. [130] haben die im Folgenden beschriebene Klassifizierung eingeführt. Zunächst wird
hierbei zwischen statischen und dynamischen Auftragseingängen differenziert. Im statischen Fall
liegen alle Aufträge für die betrachtete Planungsperiode unmittelbar vor. Im dynamischen Fall
treffen die Aufträge zu beliebigen Zeitpunkten innerhalb der Planungsperiode ein. Des Weiteren

47
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

wird anhand der Lagerhaltungsstrategie klassifiziert. Bei der offenen Lagerhaltung wird nach
dem Prinzip made-to-order“ und bei der geschlossenen Lagerhaltung nach dem Prinzip made-
” ”
to-stock“ produziert. In der Praxis liegen meistens Mischformen vor. Ein weiteres wichtiges
Klassifizierungsmerkmal liegt in der Unterscheidung zwischen deterministischen und stochas-
tischen Maschinenschedulingproblemen vor. Deterministisch bedeutet in diesem Kontext, dass
Fertigungszeiten und Anlagenverfügbarkeiten exakt festgelegt und bekannt sind. Stochastisch
bedeutet hingegen, dass diese lediglich durch eine vordefinierte Verteilung beschrieben sind.
Des Weiteren wird zwischen ein- und mehrstufigen Produktionsumgebungen unterschieden.
Einstufige Produktionsumgebungen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Anlage alle Pro-
dukte fertigt. In mehrstufigen Produktionsumgebungen können die verschiedenen Jobs einer
Variante auf unterschiedlichen Maschinen gefertigt werden. Weitere Klassifizierungsmerkmale
beziehen sich auf die Anzahl der Aufträge und Maschinen im Fertigungssystem sowie die Ma-
terialflussbeziehungen der Maschinen untereinander. Nach Zobolas et al. [130] fokussiert sich
die Forschung hauptsächlich auf statische, deterministische, mehrstufige Schedulingprobleme.
Die bekannteste Klassifikation von Schedulingproblemen basiert auf Graham et al. [39] sowie
Dempster et al. [25]. Diese haben das Dreifeldklassifikationsschema 𝛼 | 𝛽 | 𝛾 für Maschinen-
schedulingprobleme eingeführt, das die Problemstellungen anhand von drei Parametern gliedert.
Der Parameter 𝛼 beschreibt die Maschinenkonfiguration, 𝛽 enthält Jobeigenschaften, Prozess-
charakteristiken sowie weitere Ressourceninformationen und 𝛾 beinhaltet die zu optimierenden
Kenngrößen. Blazewicz et al. [11], Lechleiter [66], Blazewicz et al. [10] sowie Allahverdi et al. [1]
haben die Parameterbeschreibungen erweitert, wobei die drei zuvor genannten Hauptparameter
unverändert sind. Folgende detaillierte Bezeichnungen und Bedeutungen haben die verschiede-
nen Parameter des Dreifeldklassifikationsschemas:

• 𝛼: Maschinenkonfiguration
Die Maschinenkonfiguration beschreibt die generelle Situation bzw. räumliche und funk-
tionale Gegebenheiten der Anlagen auf dem Shopfloor. Der Parameter 𝛼 setzt sich aus 𝛼1
und 𝛼2 zusammen. 𝛼1 enthält die grundlegende Unterteilung in Einmaschinenprobleme,
Probleme mit parallelen Maschinen sowie Shop-Probleme, bei denen ein Job aus mehre-
ren Arbeitsgängen bzw. Operationen besteht, die auf verschiedenen Maschinen ausgeführt
werden können. Folgende Bezeichnungen werden für 𝛼1 verwendet:
– 1 Einzelmaschine
– P Parallele, identische Maschinen
– Q Parallele, uniforme Maschinen
– R Parallele, nicht artverwandte Maschinen
– J Job Shop
– F Flow Shop
– FF Flexible (Hybride) Flow Shop

48
2.4 Maschinenbelegungsplanung (Scheduling)

– AF Assembly Flow Shop


– O Open Shop
𝛼2 gibt die Anzahl vorhandener Maschinen an und ist entweder eine ganzzahlige positive
Zahl k oder ∅, wenn die Maschinenanzahl variabel ist.

• 𝛽: Jobeigenschaften, Prozesscharakteristiken, Ressourceneigenschaften


Über die Jobeigenschaften, die Prozesscharakteristiken und die Ressourceneigenschaf-
ten werden der Auftragspool sowie weitere Merkmale der Fertigungsaufgabe spezifiziert.
Mögliche Spezifikationen sind beispielsweise das Vorhandensein von exakten Lieferter-
minen für alle Jobs oder auch Anordnungsbeziehungen (engl.: precendence contraints)
zwischen den einzelnen Jobs. 𝛽 gibt somit einzuhaltenden Randbedingungen für die Er-
mittlung des optimalen Maschinenbelegungsplans vor. Blazewicz et al. [10] sowie Allah-
verdi et al. [1] haben 𝛽 in bis zu acht Parameter aufgeteilt. Aufgrund der Vielfalt werden
die einzelnen Eigenschaften und die dazugehörigen Bezeichnungen an dieser Stelle nicht
aufgeführt.

• 𝛾: Optimierungsgrößen
Die zu minimierenden Parameter bzw. Optimierungsgrößen sind vielfältig und reichen
von den häufig verwendeten Kenngrößen Earliness und Tardiness über Kosten für das
Setup bis hin zu der Gesamtdurchlaufzeit des Auftragspools. In der Regel werden bei
den meisten Kenngrößen die Mittel-, Minimal sowie Maximalwerte berücksichtigt. Bei
auftragsspezifischen Kenngrößen, wie z.B. der Earliness und Tardiness, werden ebenfalls
(gewichtete) Summen gebildet, um die Kenngrößen auf den gesamten Auftragspool der
betrachteten Planungsperiode zu beziehen. Für umfangreiche Aufzählungen der Optimie-
rungsgrößen ist an dieser Stelle auf [1, 10, 39, 66] verwiesen.

Da Shop Scheduling Probleme die höchste praktische Relevanz der Maschienschedulingpro-


bleme besitzen und ebenfalls im weiteren Verlauf dieser Arbeit betrachtet werden, folgt eine
genauere Beschreibung von Shop-Problemen. Nach Zobolas et al. [130] sind die drei klassischen
und am häufigsten betrachteten Ausprägungen der Shop-Probleme das Flow Shop Scheduling
Problem (FSP), das Job Shop Scheduling Problem (JSP) und das Open Shop Scheduling Pro-
blem (OSP). In jüngerer Vergangenheit wurden zusätzlich noch das Mixed Shop Scheduling Pro-
blem (MSP) und das Group Shop Scheduling Problem (GSP) formuliert und analysiert, wobei
deren Lösungsansätze durch Anpassungen der Lösungsansätze der klassischen Shop-Probleme
gebildet werden.

2.4.1 Flow Shop Scheduling Problem (FSP)


Im allgemeinen Flow Shop Scheduling Problem muss eine Menge von N Aufträgen auf ei-
ner Menge von M Maschinenstufen bearbeitet werden. Jede der M Maschinenstufen kann aus

49
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

mehreren Maschinen bestehen. Alle Aufträge durchlaufen sequentiell in der identischen Reihen-
folge die Maschinenstufen, d.h. die Aufträge durchlaufen immer zuerst Maschinenstufe 1, dann
Maschinenstufe 2 bis Maschinenstufe M durchlaufen wurde. Jede Maschine besitzt nur eine
Prozessfähigkeit und kann daher nur eine Operation ausführen. Die Maschinen einer Maschi-
nenstufe können den gleichen Prozess ausführen. Hieraus resultiert der namensgebende Fluss
der Aufträge durch das Fertigungssystem. In der Notation des zuvor beschriebenen Dreifeldklas-
sifikationsschemas von Graham et al. [39] kann das allgemeine FSP als F | | C𝑚𝑎𝑥 beschrieben
werden, wobei C𝑚𝑎𝑥 für die Produktionsdauer steht, die in diesem Fall optimiert wird. Allah-
verdi et al.[1] unterscheiden zwischen:

• dem Flow Shop, der aus lediglich einer Maschine je Maschinenstufe besteht,

• dem No-Wait Flow Shop, bei dem der nachfolgende Prozess unmittelbar nach dem Ab-
schluss des vorgelagerten Prozesses startet,

• dem Flexiblen (Hybriden) Flow Shop, der aus mehreren Maschinen je Maschinenstufe
besteht,

• und dem Montage Flow Shop, bei dem jeder Auftrag zunächst eine Maschinen- und an-
schließend eine Montagestufe durchläuft.

2.4.2 Job Shop Scheduling Problem (JSP)


Das allgemeine Job Shop Scheduling Problem ähnelt stark dem FSP, da ebenfalls eine Menge
von N Aufträgen auf einer Menge von M Maschinen bearbeitet werden muss. Jeder Auftrag
muss beim allgemeinen JSP jede Maschine durchlaufen und besteht aus einer Reihe von m𝑖
Operationen, die in einer vordefinierten Reihenfolge erledigt werden müssen. Im Gegensatz
zum FSP unterscheiden sich beim JSP die Reihenfolgen, in der die Operationen zur Erledi-
gung eines Auftrags durchgeführt werden müssen, zwischen den einzelnen Aufträgen. In dem
Dreifeldklassifikationsschemas von Graham et al. [39] wird das allgemeine JSP als J | | C𝑚𝑎𝑥
ausgedrückt.
Mit dem Flexiblen Job Shop Scheduling Problem (FJSP) hat Brandimarte [19] eine Erwei-
terung des allgemeinen JSP eingeführt. Bei diesem Shop-Problem besitzt jeder Auftrag einen
Fertigungsplan mit einer Sequenz an Operationen, für die jedoch eine Menge an Maschinen
zur Verfügung stehen, die möglicherweise unterschiedliche Prozesszeiten aufweisen. Hierdurch
durchläuft nicht jeder Auftrag jede Maschine, sondern wird entlang eines individuellen Materi-
alflusspfades gefertigt. Nach Brandimarte [19] ist das FJSP somit eine Kombination aus einem
Routing- und einem Schedulingproblem. Das Routingproblem besteht aus der Zuordnung der
Operationen zu den Maschinen und das Schedulingproblem aus der Erzeugung einer Reihen-
folge der einer Maschine zugeordneten Operationen, um eine zulässige Lösung zu erhalten, die
zugleich eine vordefinierte Zielfunktion minimiert.

50
2.4 Maschinenbelegungsplanung (Scheduling)

2.4.3 Open Shop Scheduling Problem (OSP)


Das Open Shop Scheduling Problem ist ein Spezialfall des JSP, bei dem keine vordefinierte
Reihenfolge bzw. Sequenz der Operationen von Aufträgen existiert. Aus diesem Grund ist der
Lösungsraum des OSP wesentlich größer als der des JSP. Beim OSP durchlaufen alle Auf-
träge jede Maschine und die Aufträge bestehen aus mehreren Operationen, die in beliebiger
Reihenfolge abgearbeitet werden.

2.4.4 Mixed Shop Scheduling Problem (MSP)


Masuda et al. [73] haben das Mixed Shop Problem formuliert, da in der Praxis selten eine
reine Form der zuvor vorgestellten Shop-Probleme aufzufinden ist. Das MSP ist somit eine
Kombination der drei klassischen Shop-Probleme - FSP, JSP und OSP - und ist charakterisiert
durch das Vorhandensein von Aufträgen mit vordefinierten sowie mit flexiblen Maschinense-
quenzen [68, 98]. Nach Shakhlevich et al. [98] wird typischerweise der eine Teil der Aufträge als
ein Job Shop Scheduling Problem und der andere Teil als ein Open Shop Scheduling Problem
betrachtet.

2.4.5 Group Shop Scheduling Problem (GSP)


Ein weiteres auf den klassischen Shop Scheduling Problemen basierendes Problem ist das Group
Shop Scheduling Problem. Das GSP wurde erstmals 1997 im Rahmen des Mathematikwettbe-
werbs WHIZZKIDS ’97“ der TU Eindhoven [48] beschrieben. Charakteristisches Merkmal des

GSP ist die Bündelung von Operationen eines Jobs zu Gruppen. Innerhalb der Gruppen existie-
ren keine Vorgänger-Nachfolger-Beziehungen, d.h. eine beliebige Reihenfolge der Operationen
einer Gruppe ist möglich. Zwischen den Gruppen sind jedoch strikte Vorgänger-Nachfolger-
Beziehungen definiert. In dem Fall, dass jede Gruppe nur aus einer Operation besteht, ent-
spricht das GSP einem JSP. Falls alle Jobs lediglich aus einer Gruppe bestehen, entspricht das
GSP einem OSP.

2.4.6 Mathematischen Grundlagen


Birgin et al. [9] haben für eine Erweiterung vom FJSP, bei der mehrere Vorgänger- und Nach-
folgerbeziehungen zwischen den verschiedenen Operationen eines Jobs exisiteren können, ein
mathematisches Modell für eine gemischt-ganzzahlige lineare Optimierung (engl.: Mixed Inte-
ger Linear Programming, MILP) entwickelt. Da dieses Problem dem in der weiteren Arbeit
betrachteten Maschinenbelegungsplanungsproblem sehr stark ähnelt, werden die mathemati-
schen Grundlagen anhand dieses Modells basierend auf Birgin et al. [9] erläutert.

Folgende Notation wird hierfür eingeführt:

51
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

𝑛 Anzahl an Aufträgen (Orders)


𝑚 Anzahl an Maschinen
𝑜 Anzahl an Operationen
𝑖, 𝑗 Operationen
𝐹𝑖 Menge an Maschinen für Operation 𝑖
𝑝𝑖𝑘 Prozesszeit für Operation 𝑖 auf Maschine 𝑘
𝐴𝑖𝑗 Paar aus Operation 𝑖 und 𝑗 zur Beschreibung der Vorgänger-Nachfolger-Beziehung
zwischen den Operationen 𝑖 und 𝑗
𝐶𝑚𝑎𝑥 Maximale Produktionsdauer
𝑥𝑖𝑘 Binärvariable: 1, wenn Operation 𝑖 zu Maschine 𝑘 zugeordnet ist (sonst 0)
𝑦𝑖𝑗 Binärvariable: 1, wenn Operationen 𝑖 und 𝑗 Maschine 𝑘 zugeordnet sind
und Operation 𝑖 vor 𝑗 ausgeführt wird
𝑠𝑖 Startzeit von Operation 𝑖 auf der zugeordneten Maschine

Wie in vielen Fällen, besteht das Optimierungsziel des von Birgin et al. [9] entwickelten MILP-
Modells für ein erweitertes FJSP in der Minimierung der maximalen Produktionsdauer 𝐶𝑚𝑎𝑥
der Aufträge. Die Zielfunktion der Optimierung lautet somit

Minimiere 𝐶𝑚𝑎𝑥 (2.5)

unter Beachtung der folgenden Nebenbedingungen:

𝑥𝑖𝑘 = 1, 𝑖 = 1, ..., 𝑜 , (2.6)


∑︁

𝑘∈𝐹𝑖


𝑝𝑖 = 𝑖 = 1, ..., 𝑜 , (2.7)
∑︁
𝑥𝑖𝑘 𝑝𝑖𝑘 ,
𝑘∈𝐹𝑖


𝐶𝑚𝑎𝑥 ≥ 𝑠𝑖 + 𝑝𝑖 , 𝑖 = 1, ..., 𝑜 , (2.8)


𝑠𝑖 + 𝑝𝑖 ≤ 𝑠𝑗 , 𝑖, 𝑗 = 1, ..., 𝑜 so dass (𝑖, 𝑗) ∈ 𝐴 , (2.9)

𝑦𝑖𝑗 + 𝑦𝑗𝑖 ≥ 𝑥𝑖𝑘 + 𝑥𝑗𝑘 − 1, 𝑖, 𝑗 = 1, ..., 𝑜 , 𝑖 ̸= 𝑗 und 𝑘 ∈ 𝐹𝑖 ∩ 𝐹𝑗 , (2.10)

52
2.5 Transportwegplanung


𝑠𝑖 + 𝑝𝑖 − (1 − 𝑦𝑖𝑗 )𝐿 ≤ 𝑠𝑗 , 𝑖, 𝑗 = 1, ..., 𝑜 und 𝑖 ̸= 𝑗 so dass 𝐹𝑖 ∩ 𝐹𝑗 ̸= ∅ und
(2.11)

𝑠𝑖 ≥ 0, 𝑖, 𝑗 = 1, ..., 𝑜 . (2.12)

Garey et al. [36] haben nachgewiesen, dass das JSP NP-hart ist. Da das FJSP und auch das
hier betrachtete erweiterte FJSP auf dem JSP aufbauen, ist die Maschinenbelegungsplanung
in flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen aus Sicht der Komplexitätstheorie
ebenfalls als NP-hart einzustufen.

2.5 Transportwegplanung
In diesem Abschnitt wird zunächst auf die Relevanz der Transportwegplanung in zukünftigen
Fertigungssystemen eingegangen. Folgend werden die grundlegenden Algorithmen zur Trans-
portwegplanung erläutert und Möglichkeiten zur Erzeugung von Navigationsstrukturen vorge-
stellt.

In flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen ist ein wichtiger Aspekt die Ausnut-
zung der Routingflexibilität, d.h. der Ermöglichung individueller Materialflusspfade jedes Pro-
duktes. Zur Realisierung werden autonom agierende und mobile Transportsysteme benötigt,
die in einem begrenzten Raum mit statischen sowie dynamischen Objekten kollisionsfrei und
möglichst zeiteffizient navigieren können. Konzeptionelle Herausforderungen stellen hierbei die
Ermittlung optimaler Wege, also die Transportwegplanung, sowie die möglichst prädiktive Kol-
lisionsvermeidung der am Fertigungssystem beteiligten Akteure dar. Eine schematische Skizze
der beiden konzeptionellen Herausforderungen ist in Abbildung 2.24 dargestellt.
Wie aus Abbildung 2.24 ersichtlich, sind für autonome mobile Einheiten in dezentral gesteuerten
Fertigungssystemen im Wesentlichen die drei folgenden Problemstellungen zu betrachten:

• Transportwegplanung der Produkteinheiten (Fertigungsgüter):


Die Aufgabe des Transports eines Produktes innerhalb eines dezentral gesteuerten Ferti-
gungssystems ist nicht trivial, da der Lösungsraum aufgrund flexibler und individueller
Materialflusspfade durch den Wegfall starrer Logistiksysteme, wie z.B. Hängeförderer,
groß ist. Bei der Ermittlung des optimalen Weges von einem Startpunkt zu einem Ziel-
punkt innerhalb des Fertigungssystem müssen statische sowie dynamische Einflüsse berücksichtigt
werden.

53
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Abbildung 2.24: Schematische Darstellung der konzeptionellen Herausforderungen bei der


Transportwegplanung in dezentral gesteuerten Fertigungssystemen

• Transportwegplanung der Intralogistikeinheiten (Versorgungsgüter):


Ebenfalls die Transportaufgabe im Intralogistikbereich zur unterbrechungsfreien Bereit-
stellung von Versorgungsgütern besitzt einen vergrößerten Lösungsraum, da auch hier
vielfältige Wege in Abhängigkeit aller statischer und dynamischer Systemteilnehmer vor-
liegen.

• Kollisionsvermeidung mit statischen und dynamischen Objekten:


Zur Erzielung einer größtmöglichen Effizienz innerhalb eines dezentral gesteuerten Ferti-
gungssystems müssen Transportzeiten bzw. -kosten minimiert werden. Die Kollisionsver-
meidung aller Fertigungsobjekte, besonders zwischen dynamischen Fertigungsobjekten,
ist ein entscheidender Aspekt in diesem Kontext.

2.5.1 Transportwegermittlung
Die Transportwegermittlung für den Transport von Produkten bzw. Halberzeugnissen sowie für
den intralogistischen Transport von Versorgungsgütern spielen in heutigen Fertigungssystemen,
wie z.B. einer Linienfertigung, untergeordnete Rollen. In der Regel unterliegen die Transport-
möglichkeiten starken restriktiven Vorgaben aufgrund der verwendeten starren Hardware. Klas-
sische Kettenförderer benötigen beispielsweise lediglich eine initiale Transportwegermittlung,
bei der die Transportroute zwischen den verschiedenen Anlagen definiert wird. Alle Trans-
portgüter werden im Laufe der Fertigung entlang dieser starren Transportroute gefertigt.

Bei den im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Fertigungssystemen ist eine Transportflexibi-
lität zur individuellen Festlegung von Transportwegen für jedes Objekt zwingend notwendig.
Nur hierdurch kann die Fähigkeit zur Handhabung einer hohen Variantenvielfalt innerhalb ei-
nes Fertigungssystem erreicht werden. Dieses wird vorrangig durch die bereits angesprochene
Nutzung der Routingflexibilität umgesetzt, die im Idealfall durch individuelle Transportwege
pro Fertigungsobjekt gekennzeichnet ist. Aus diesem Grund stehen die Transportwegermittlung

54
2.5 Transportwegplanung

für den Transport von Produkt bzw. Halberzeugnissen und für den intralogistischen Transport
von Versorgungsgütern in flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem verstärkt im
Fokus. Grundsätzlich setzt sich die Transportwegermittlung aus zwei Bestandteilen zusammen.
Der erste Bestandteil ist die Navigationsstruktur, die aus dem Umgebungsmodell abgeleitet
wird. Die Navigationsstruktur ist eine Repräsentanz der Umgebung und stellt die vorhandene
Wegfläche sowie statische und dynamische Hindernisse dar. Das Umgebungsmodell kann als
Grundlage beispielsweise einen statischen Bebauungsplan haben, wobei für autonome Einhei-
ten in Fertigungssystemen dynamische Umgebungsmodelle zwingend erforderlich sind, damit
zeitliche Veränderungen bei der Transportwegplanung berücksichtigt werden. Daher werden die
Umgebungsmodelle entweder mittels Sensordaten angereichert bzw. aktualisiert oder basieren
komplett auf diesen. Aus den Umgebungsmodellen wird die vorhandene Wegfläche extrahiert
und anschließend in Wegelemente unterteilt. Für die Unterteilung der Wegfläche in Wegelemente
existieren verschiedenste Ansätze, wobei häufig ein Gitternetz verwendet wird. Die Einfachheit
der Unterteilung in ein Gitternetz hat jedoch die Nachteile, dass zum einen die Genauigkeit der
Transportwegplanung stark von der Granularität des Gitternetzes abhängt. Zum anderen ist
nicht zwangsläufig gewährleistet, dass Störkonturen statischer oder dynamischer Objekte exakt
durch die Kanten der Gitterelemente dargestellt werden. Dieses Problem tritt insbesondere bei
unterschiedlich großen Objekten auf. Kallmann [52, 53] hat ein Verfahren zur Triangulation
von Wegflächen entwickelt, die sogenannte Local Clearance Triangulation“ (LCT). Die LCT

trianguliert die Wegfläche basierend auf der Methode der Delaunay Triangulation, die Punk-
te eines zweidimensionalen Gitters so vernetzt, dass die sogenannte Umkreisbedingung erfüllt
wird. Die Umkreisbedingung ist erfüllt, wenn der Umkreis eines Dreiecks keine weiteren Gitter-
punkte enthält. Durch die Umkreisbedingung wird der kleinste Innenwinkel über alle Dreiecke
maximiert. Dies bedeutet, dass bei einer konstanten Summe der Innenwinkel eines Dreiecks von
180∘ im Idealfall jeder Innenwinkel 60∘ beträgt und somit gleichwinklige Dreiecke entstehen.
Die LCT hat die Vorteile, dass Störkonturen exakt durch die Kanten der Dreiecke abgebil-
det werden und in der Regel weniger Wegelemente, in diesem Fall Dreiecke, generiert werden,
wodurch der Rechenaufwand zur Ermittlung des kürzesten Weges reduziert wird. Beispielhaf-
te Darstellungen der Navigationsstruktur anhand eines einfachen Umgebungsmodells mit vier
identischen, quadratischen, statischen Hindernissen und einem rechteckigen, statischen Hinder-
nis sind in Abbildung 2.25 dargestellt. Abbildung 2.25(a) zeigt ein beispielhaftes Gitternetz
und Abbildung 2.25(b) eine beispielhafte LCT-Struktur.
Der zweite Bestandteil der Transportwegermittlung ist der angewendete Algorithmus zur Trans-
portwegplanung. Wie von Poole und Mackworth [83] beschrieben, wird die vom Umgebungsmo-
dell abgeleitete Navigationsstruktur typischerweise in einen Graphen mit Knoten und Kanten
überführt. Der Algorithmus zur Transportwegplanung wird auf diesen Graphen angewendet, um
den kürzesten Weg innerhalb des Graphens von einem Start- zu einem Zielknoten zu ermitteln.
Bertsekas [8] stellt eine Übersicht der wichtigsten Algorithmen zur Transportwegplanung zur
Ermittlung kürzester Wege dar. Im Vordergrund stehen hierbei die Label Correcting Methode

55
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

(a) Gitternetz (b) LCT-Struktur

Abbildung 2.25: Beispielhafte Darstellungen der Navigationsstrukturen für ein Umgebungsmo-


dell mit vier identischen, quadratischen, statischen Hindernissen und einem
rechteckigen, statischen Hindernis mittels (a) eines Gitternetzes und (b) einer
LCT-Struktur

(LCM), der A*-Agorithmus und das Branch-and-Bound Verfahren.

Label Correcting Methode (LCM)

Nach Bertsekas [8] besteht die Idee der Label Correcting Methode darin einen Graphen sukzes-
siv von einem Ursprungsknoten zu jedem anderen Knoten zu erkunden und dabei die Länge des
bisher erkundeten kürzesten Weges in der Variable d𝑖 , dem sogenannten Label“ von Knoten 𝑖,

zu speichern. Immer wenn das Label durch die Entdeckung eines neuen kürzesten Weges zum
Knoten 𝑖 reduziert wird, wird für alle benachbarten Knoten 𝑗 geprüft, ob die zuvor ermittelten
Label ebenfalls reduziert werden können. Die Reduktion des Labels wird vorgenommen, wenn
die Bedingung

𝑑𝑗 > 𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑗 (2.13)

erfüllt ist, wobei a𝑖𝑗 die Distanz zwischen Knoten 𝑖 und Knoten 𝑗 ist. Die exakte Reihenfolge,
nach der die verschiedenen Wege eines Graphens erkundet werden, hängt stark von der Wahl
des als nächstes zu erkundenden Knotens ab. Hierfür existieren verschiedene Ansätze, auf die
im Folgenden eingegangen wird. Zunächst wird jedoch noch deren gemeinsame Grundlage, eine
Liste mit aktiven Knoten, erläutert. Bertsekas [8] nennt diese Liste OPEN“. Häufig wird diese

Liste auch als Kandidatenliste bezeichnet, da sie die aktiven Knoten beinhaltet. Als aktive Kno-
ten werden Knoten bezeichnet, die potentiell als nächstes zu erkunden sind und möglicherweise
ein Teil des kürzesten Weges durch den Graphen sind. Neben der Liste OPEN“ verwendet die

LCM eine weitere Variable, die die Länge des bisherigen zum Zielknoten ermittelten kürzesten
Weges speichert. Bertsekas [8] nennt diese Variable UPPER“, da sie eine obere Grenze für die

56
2.5 Transportwegplanung

Länge von Wegen einführt, die nach der erstmaligen Ermittlung eines vollständigen Weges vom
Ursprungs- zum Zielknoten das Hinzufügen von Kandidaten zu OPEN“ mit bereits größeren

Wegen verhindert. Die Bedingung

𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑗 < 𝑈 𝑃 𝑃 𝐸𝑅 (2.14)

prüft somit, ob der derzeitig betrachtete Pfad vom Ursprungsknoten 𝑠 über die Knoten 𝑖 und 𝑗
überhaupt zu einem kürzeren Pfad vom Ursprungsknoten 𝑠 zum Zielknoten 𝑡 gehören kann. Zur
Verdeutlichung des Ablaufs der LCM ist in Anlehnung an Bertsekas [8] der Ablauf in Listing 2.4
dargestellt.

Listing 2.4: Pseudo-Code für die Label Correcting Methode (LCM), basierend auf Bertsekas [8]
1 Initalisierung:
2 Füge Ursprungsknoten 𝑠 in OPEN ein.
3

4 Schritt 1:
5 Entferne einen Knoten 𝑖 aus OPEN und führe für jeden Folgeknoten von 𝑖
6 Schritt 2 aus.
7

8 Schritt 2:
9 if (𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑗 < 𝑚𝑖𝑛 {𝑑𝑗 , 𝑈 𝑃 𝑃 𝐸𝑅}
10 𝑑𝑗 = 𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑗
11 Markiere 𝑖 als Vorgängerknoten von 𝑗
12 end
13 if (𝑗 ̸= Zielknoten 𝑡)
14 if (j ∈ / OPEN)
15 Füge 𝑗 zu OPEN hinzu
16 end
17 else
18 𝑈 𝑃 𝑃 𝐸𝑅 = 𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑡
19 end
20

21 Schritt 3:
22 ̂︀ ∅)
if (OPEN =
23 Abbruch
24 else
25 Wiederhole Schritt 1
26 end

Wie bereits erwähnt, wird die Graphensuche wesentlich von der Auswahlstrategie des als
nächstes zu untersuchenden Knotens beeinflusst. Hierzu existieren diverse Ansätze, mittels derer
das Hinzufügen sowie das Entfernen von Knoten aus der Liste OPEN“ definieren. Die bekann-

testen Ansätze sind die Breitensuche (engl.: Breadth-First Search, BFS), auch als Bellmann-
Ford-Algorithmus bekannt, die Tiefensuche (engl.: Depth-First Search, DFS) und der Dijkstra-

57
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

Algorithmus, der zu den Greedy-Algorithmen zählt.

Breitensuche (Bellmann-Ford-Algorithmus)
Die Breitensuche bzw. der Bellmann-Ford-Algorithmus, benannt nach seinen Erfindern Richard
Bellmann und Lester Ford, verwendet bei der Auswahl des als nächstes zu erkundenden Knotens
das FIFO-Prinzip an. Daher werden neue Knoten beim Hinzufügen zu OPEN immer an das En-
de der Liste gestellt und es wird immer der am Anfang stehende Knoten aus der Liste entfernt,
d.h. der am Anfang stehende Knoten wird als nächstes untersucht. Durch das FIFO-Prinzip
wechselt die Breitensuche häufig den zuvor betrachten Zweig und sucht daher in der Breite
aller Zweige. Zur Verdeutlichung ist eine schematische Graphensuche an einem vereinfachten
Graphen unter der Anwendung der Breitensuche in Abbildung 2.26 dargestellt. Ausgehend vom
Knoten 𝑠 werden im ersten Schritt die Knoten 1, 2 und 3 in der genannten Reihenfolge zur
Liste OPEN hinzugefügt. Nach dem FIFO-Prinzip wird dann zunächst Knoten 1 betrachtet.
Anschließend wird jedoch nicht der Zweig von Knoten 1 weiter verfolgt, sondern es wird der
Zweig gewechselt und Knoten 2 wird betrachtet, d.h. der Suchraum wird verbreitert. Die Ver-
breiterung des Suchraums ist eine charakteristische und die namensgebende Eigenschaft der
Breitensuche.

Abbildung 2.26: Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung der Breitensuche

Tiefensuche
Bei der Tiefensuche findet das Last-In-First-Out Prinzip (LIFO) Anwendung, d.h., dass beim
Hinzufügen eines neuen Knotens zu OPEN dieser an den Anfang der Liste gestellt wird und
auch beim Entfernen eines Knotens aus OPEN der am Anfang stehende Knoten ausgewählt
wird. Nach Bertsekas [8] ist ein Vorteil der Tiefensuche der geringe Speicherbedarf, da zu
jedem Zeitpunkt nur ein kleiner Teil des Gesamtgraphens gespeichert werden muss. Der sche-
matische Ablauf der Tiefensuche ist anhand eines vereinfachten Graphens in Abbildung 2.27
dargestellt. Im Vergleich zu Abbildung 2.26 ist erkennbar, dass die Tiefensuche zunächst einen
Zweig des Graphens vollständig untersucht, bevor die Suche zu dem nächsten Zweig übergeht.
Die Tiefensuche sucht also ausgehend vom Startknoten 𝑠 zunächst den Zweig des Knotens 1 in

58
2.5 Transportwegplanung

vollständiger Tiefe ab, bevor der Suchraum verbreitert wird.

Abbildung 2.27: Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung der Tiefensuche

Dijkstra-Algorithmus
Der Dijkstra-Algorithmus, benannt nach seinem Erfinder Edsger W. Dijkstra, ist ein sogenann-
ter Greedy-Algorithmus. Greedy-Algorithmen zeichnen sich dadurch aus, dass schrittweise zum
jeweiligen Zeitpunkt der Folgezustand ausgewählt wird, der die größte Verbesserung bzw. das
beste Ergebnis erzielt. Laut Hart et al. [42] und auch Bertsekas [8] sind Greedy-Algorithmen
in der Regel schnell bei der Lösung von Problemen, liefern jedoch nicht zwingend die optimale
Lösung. Der Dijkstra-Algorithmus wird aufgrund seiner Vorgehensweise auch Best-First Search
Algorithmus genannt. Im Gegensatz zu der Breiten- und auch Tiefensuche stellt die Liste der
potentiellen Kandidaten beim Dijkstra-Algorithmus keine geordnete Warteschlange dar, da in
jedem Iterationsschritt der Knoten aus OPEN ausgewählt wird, der das geringste Label d𝑖 be-
sitzt. Abbildung 2.28 stellt schematisch das Vorgehen des Dijkstra-Algorithmus dar. Es kann
gezeigt werden, dass ein Knoten höchsten einmal in OPEN aufgenommen wird, wodurch der
Dijkstra-Algorithmus besonders effizient ist. Jedoch muss zusätzlich in jedem Iterationsschritt
der Knoten mit dem minimalen Label ermittelt werden.

Abbildung 2.28: Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung des Dijkstra-
Algorithmus

59
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

A*-Algorithmus

Die LCM basiert auf Informationen aus dem bereits erkundeten Teilgraphen, besitzt jedoch
keine Informationen über den noch nicht erkundeten Teilgraphen. Beim A*-Algorithmus wird
die LCM genau um diese Informationen erweitert, indem zu jedem Knoten Schätzwerte des Ab-
standes bzw. der Kosten bis zum Erreichen des Zielknotens 𝑡 existieren. Eine häufig verwendete
Möglichkeit zur Ermittlung der Schätzwerte ist die Berechnung des euklidischen Abstands h𝑗𝑡
zwischen dem betrachteten Knoten 𝑗 und dem Zielknoten 𝑡. Im zweidimensionalen Raum ist
der euklidische Abstand als
√︁
ℎ𝑗𝑡 = (𝑥𝑗 − 𝑥𝑡 )2 + (𝑦𝑗 − 𝑦𝑡 )2 (2.15)

definiert. Durch die Abstandsschätzung zum Zielknoten wird die in Gleichung 2.14 beschriebene
Bedingung mit einer Heuristik erweitert. Die erweiterte Bedingung

𝑑𝑖 + 𝑎𝑖𝑗 + ℎ𝑗𝑡 < 𝑈 𝑃 𝑃 𝐸𝑅 (2.16)

muss erfüllt sein, damit ein Knoten 𝑗 in die Kandidatenliste OPEN aufgenommen wird. Hier-
durch werden in der Regel weniger Knoten zu OPEN hinzugefügt und es wird mit einem redu-
zierten Rechenaufwand der kürzeste Pfad ermittelt [8]. Allerdings kann der A*-Algorithmus
lediglich angewendet werden, wenn zusätzliche Informationen für die Abstandsschätzungen
verfügbar sind.

Branch-and-Bound Verfahren

Land und Doig [63] haben 1960 erstmals die Idee der Branch-and-Bound Verfahren veröffentlicht.
Bertsekas [8] beschreibt die Grundidee der Branch-and-Bound Verfahren als die Vermeidung
vollständiger Problemenumerationen durch das Ausschließen von Lösungen, die mittels vorde-
finierter Tests als nicht optimal identifiziert wurden. Hierzu wird das eigentlich Problem in
Subprobleme unterteilt, die jeweils einen Zweig (engl.: Branch) darstellen [72]. Für jedes die-
ser Subprobleme werden untere und oberere Grenzen (engl.: Bounds) ermittelt, anhand derer
andere Zweige für die weitere Betrachtung ausgeschlossen werden können. Zur Auswahl des
als nächstes zu untersuchenden Zweiges bzw. Subproblems werden die zuvor bereits erklärten
Suchverfahren, wie z.B. die Breiten- oder Tiefensuche, angewendet. Wie von Marti und Rei-
nelt [72] aufgezeigt, eignen sich die Branch-and-Bound Verfahren besonders gut für die Lösung
ganzzahliger linearer Optimierungsprobleme. Angelehnt an Marti und Reinelt [72] kann der
grundlegende Ablauf wie folgt beschrieben werden:

1. Initalisierung der Liste der aktiven Subprobleme des ursprünglichen Problems.

2. Falls die Liste der aktiven Subprobleme leer ist, stoppe und gib die bisher als beste
zulässige Lösung ermittelte Lösung als optimale Lösung aus.

60
2.5 Transportwegplanung

3. Falls die Liste der aktiven Subprobleme nicht leer ist, wähle ein Subproblem aus der Liste
aus und löse es:
a) Finde eine optimale Lösung für das Subproblem, oder
b) Beweise, dass das Subproblem keine zulässige Lösung besitzt, oder
c) Beweise, dass keine zulässige Lösung mit einer besseren Zielgröße als die bisher be-
kannte beste zulässige Lösung existiert, oder
d) Teile das Subproblem in weitere Subprobleme und füge die neu entstandenen Sub-
probleme zur Liste der aktiven Subprobleme hinzu.

4. Wiederhole 2.

2.5.2 Kollisionsvermeidung
Die Kollisionsvermeidung mobiler Einheiten ist eng verknüpft mit der Transportwegplanung.
Generell wird, wie von Latombe [64] beschrieben, zwischen zentralen und dezentralen Ansätzen
unterschieden. Zentrale Ansätze handeln proaktiv und dezentrale Ansätze reaktiv. Nach La Val-
le und Hutchinson [62] zielt der zentrale Ansatz auf die Ermittlung von optimalen, kollisionsfrei-
en Wegen für alle mobilen Einheiten des Systems durch eine zentrale Entscheidungsinstanz ab.
Theoretisch können zentrale Ansätze die optimale Lösung ermitteln. Praktisch ist dieses jedoch
bei einer steigenden Anzahl an mobilen Einheiten aufgrund der benötigten Rechenleistung nicht
möglich bzw. praktikabel. Beim dezentralen Ansatz wird jeder mobilen Einheit die Fähigkeit
zur Transportwegermittlung und Konfliktlösung gegeben. Hierzu müssen die mobilen Einheiten
ebenfalls Informationen anderer mobiler Einheiten sammeln können. Laut Digani et al. [26] ist
bei dem dezentralen Ansatz problematisch, dass die Ermittlung zulässiger Wege für alle mobi-
len Einheiten aufgrund von Blockierungen nicht gewährleistet ist.

Digani et al. [26] haben Strategien bzw. Ansätze zur Kollisionsvermeidung anhand einschlägiger
Literaturquellen analysiert und dabei die drei folgenden Kategorien identifiziert:

• Ressourcenallokation:
Einen zentralen Ansatz zur Kollisionsvermeidung stellt die Ressourcenallokation (engl.:
ressource allocation) dar. Reveliotis und Roszkowska [87] haben diesen Ansatz entwickelt,
bei dem die Wegfläche in geographische Ressourcen bzw. Segmente unterteilt wird, die
zu einem Zeitpunkt lediglich einer einzelnen mobilen Einheit zugeordnet werden können.
Somit finde beim Eintritt einer mobilen Einheiten in eine geographische Ressource eine
Belegung statt und das geographische Segment ist bis zum Austritt der mobilen Einheit
aus dem Segment für andere mobilen Einheiten nicht befahrbar. Digani et al. [26] benen-
nen als Nachteil, dass abhängig von der Einteilung der Segmente die vorhandene Fläche
ineffizient genutzt wird.

61
2 Grundlagen heutiger Fertigungssysteme

• Verhandlungsbasierte Ansätze
Verhandlungsbasierte Ansätze gehören zu den dezentralen Ansätzen. Die Idee ist, dass die
verschiedenen Systemkomponenten potentielle Kollisionen erkennen und untereinander
die Kollisionsvermeidung aushandeln. In diesem Kontext werden häufig Multi-Agenten-
Systeme, wie beispielsweise von Olfati-Saber et al. [80] entwickelt, verwendet. Vorteilhaft
ist dabei die Beherrschbarkeit hoch komplexer Szenarios, wobei die Kommunikations-
aufwände zwischen den einzelnen mobilen Einheiten sehr hoch sind [26].

• Regelbasierte Ansätze:
Regelbasierte Ansätze zählen ebenfalls zu den dezentralen Ansätzen zur Kollisionsvermei-
dung. Hierbei werden im Fall der Identifikation einer potentiellen Kollision vordefinierte
Regeln angewendet, um die Kollision zu vermeiden. Vis [114] beschreibt einen Ansatz,
bei dem generelle Regeln, vergleichbar mit Verkehrsregeln, angewendet werden. Die Re-
geln können, wie von Pallottino et al. [82] beschrieben, iterativ verbessert werden, um
effizientere Kollisionsvermeidungen zu erlangen.

Natürlich existieren viele Ansätze zur Kollisionsvermeidung, die die oben genannten Strategien
kombinieren. Böckenkamp et al. [15] haben beispielsweise ein Konzept entwickelt und imple-
mentiert, bei dem alle drei Ansätze verwendet werden.

62
3 Stand der Forschung und abgeleiteter
Forschungsbedarf
In dem folgenden Kapitel wird der Stand der Forschung für flexible und dezentral gesteuerte
Produktionssysteme präsentiert. Anschließend werden, basierend auf dem erarbeiteten Stand
der Forschung, Forschungsbedarfe mit Bezug zu flexiblen und dezentral gesteuerten Produk-
tionssystemen abgeleitet und eine Eingrenzung der in dieser Arbeit behandelten Forschungs-
bedarfe wird begründet vorgenommen. Abschließend werden die angewendete Vorgehensweise
sowie die Struktur der Arbeit vorgestellt.

3.1 Zukünftige Fertigungssysteme


Für das in der vorliegenden Arbeit konzipierte Fertigungssystem besitzen die aktuellen For-
schungen von Koren und Shpitalni [59] über rekonfigurierbare Fertigungssysteme (RMS) sowie
die gesamten Aktivitäten bezüglich zellularer Fertigungssysteme (engl.: Cellular Manufacturing
Systems (CMS)), wie beispielsweise von Mohammadi und Forghani [75] betrachtet, hohe Rele-
vanz. Des Weiteren spielen die Entwicklungen von flexiblen Fertigungssystemen (engl.: Flexible
Manufacturing Systems (FMS)), wie z.B. von ElMaraghy et al. [31], eine wesentliche Rolle in
diesem Kontext. Hinzu kommen die derzeitigen Forschungsaktivitäten zur Smart Factory ba-
sierend auf der Vision der zukünftigen Fertigung von Zühlke [132] oder auch Lucke [70]. Da die
genannten Entwicklungen bereits in Kapitel 2 beschrieben sind, werden in diesem Abschnitt
weiterführende aktuelle Praxis- sowie Forschungsentwicklungen von Fertigungssystemen aufge-
zeigt.

Einen ersten Schritt zur Umsetzung eines alternativen Fertigungssystems in der Automobil-
branche hat Sanberg [89] beschrieben. Hierbei handelt es sich um ein von Volvo entwickeltes
Fertigungssystem des ehemaligen Standorts Uddevalla, bei dem eine Überführung der Linien-
fertigung zu Fertigungsinseln stattgefunden hat. Der Bau eines Fahrzeugs wurde in vier Ar-
beitspakete unterteilt, wobei jedes Arbeitspaket komplett von einem Team bearbeitet wurde.
Entscheidend war dabei die Parallelisierung von Arbeitsvorgängen in dem Team.

Eine aktuellere Entwicklung stellt die von Greschke [40] konzipierte und beschriebene Matrix-
Produktion als Konzept für eine taktunabhängige Fließfertigung dar. Das Ziel der Matrix-
Produktion ist die Gestaltung eines neuartigen Fertigungssystems, das die heutigen Markt-
anforderungen, insbesondere die steigende Variantenvielfalt, effizienter abbildet. Anhand der

63
3 Stand der Forschung und abgeleiteter Forschungsbedarf

Zielsetzung ist erkennbar, dass eine hohe Relevanz für die vorliegende Arbeit besteht. Die
Matrix-Produktion besteht in ihrer Grundform aus Fertigungsinseln, die in einem Matrixlay-
out angeordnet sind. Die taktunabhängige Flexibilisierung erfolgt bei der Matrix-Produktion
dadurch, dass die gebildeten Arbeitspakete auf mehr als einer Fertigungsstation bearbeitet
werden können. Somit existieren verschiedene Materialflusspfade zur Fertigstellung eines Pro-
duktes. Die KUKA AG hat das Konzept der Matrix-Produktion aufgegriffen und am Beispiel
eines automobilen Karosseriebaus präsentiert [61]. Die industrielle Anwendung dieses Konzeptes
ist jedoch noch nicht bekannt bzw. publiziert.

3.2 Layoutplanung
Da die Grundlagen der Layoutplanung bereits in Abschnitt 2.3 detailliert betrachtet wurden,
fokussiert dieser Abschnitt auf die aktuellen und für die Auslegung von flexiblen und dezen-
tral gesteuerten Fertigungssystemen relevanten Forschungsaktivitäten. Generell besteht eine
Abhängigkeit zwischen den Optimierungsansätzen zur Layoutplanung und dem Betrachtungsge-
genstand, d.h. dem betrachteten Fertigungssystem. Für die vorliegende Arbeit ist besonders die
Layoutoptimierung von Zellfertigungssystemen (engl.: Cellular Manufacturing Systems (CMS))
von Bedeutung, weshalb im Folgenden interessante Ansätze beschrieben werden.

Nach Wemmerlöv und Hyer [121] und auch Kia et al. [55] gliedert sich die Auslegung eines
CMS in die folgenden vier Schritte:

1. Zellformation (engl.: Cell Formation):


Gruppierung von zu produzierenden Gütern mit ähnlichen Prozessanforderungen sowie
den dazugehörigen Maschinen zu Maschinenzellen.

2. Zelllayout (engl.: Group Layout):


Bestimmung des Layouts sowohl der Maschinen innerhalb einer Zelle, das sogenannten
Intrazellenlayout, als auch der Zellen untereinander, das sogenannte Interzellenlayout.

3. Zellenbelegungsplanung (engl.: Group Scheduling):


Verteilung der Teilefamilien auf die verschiedenen Fertigungszellen.

4. Ressourcenzuteilung (engl.: Ressource Allocation):


Zuweisung von Werkzeugen, Werkern und Materialien zu den verschiedenen Zellen.

Generell existieren diverse Forschungsaktivitäten zur Zellformation und auch zur Bildung des
Zelllayouts. Die Zellbelegungsplanung wird weniger explizit erforscht, da die Thematik bereits
durch Forschungen der allgemeinen Maschinenbelegungsplanung implizit berücksichtigt werden.
Die Ressourcenzuteilung ist eher ein operatives Thema, weshalb wenig Forschungsaktivitäten
dazu betrieben werden.

64
3.2 Layoutplanung

Wemmerlöv und Hyer [121] haben bereits 1986 ein Framework zur Beschreibung des Zellfor-
mationsproblems entwickelt und unterschiedliche Lösungsmethoden analysiert. Als Ergebnis
unterscheiden sie zwischen produkt- und prozessorientierten Lösungsansätzen. Die prozessori-
entierten Lösungsansätze werden als vielversprechender bezeichnet, da Routingflexibilität, Ma-
chinenauslastungen, Transportabstände und redundante Maschinenfähigkeiten berücksichtigt
werden. Wemmerlöv und Hyer [121] betonen jedoch auch, dass bei den prozessorientierten
Lösungsansätzen zur Zellformation noch ein hoher Forschungsbedarf existiert. Diverse aktu-
elle Forschungen befassen sich daher mit dieser Thematik. Zohrevand et al. [131] haben bei-
spielsweise ein bikriterielles stochastisches Modell für die dynamische Zellformation formuliert
und mittels einer Kombination aus Tabu-Suche und Genetischen Algorithmus optimiert. Nia-
kan et al. [77] haben ebenfalls ein Modell zur dynamischen Zellformation entwickelt, das soziale
Aspekte sowie auch Unsicherheiten bei Kostenentwicklungen berücksichtigt. Hierbei wird als
Lösungsansatz ein nichtdominierter sortierender Genetischer Algorithmus im Sinne einer Me-
taheuristik verwendet.

Bezüglich der Bildung von Zelllayouts werden die Optimierungen des Intra- und des Interzell-
layouts meist gemeinsam betrachtet. Ariafar und Ismail [2] haben ein mathematisches Modell
für das Layout einer Zellfertigung entwickelt, das die Materialhandhabungskosten zwischen und
innerhalb der Zellen minimiert. Als Lösungsansatz wird eine Variante des Simulated Annealing
Algorithmus angewendet. Kia et al.[55] haben ein Layoutmodell eines dynamischen zellularen
Fertigungssystems mit alternativen Materialflusspfaden und flexibler Rekonfiguration mittels
des Simulated Anealing Verfahrens gelöst. Izui et al. [50] haben eine multikriterielle Optimierung
des Layouts von Zellfertigungen mit Industrierobotern durchgeführt, bei der ein multikriteriel-
ler Genetischer Algorithmus angewendet wird.

Neben den singulären Betrachtungen einer der vier Bestandteile der Auslegung von CMS exis-
tieren einige wenige Ansätze, bei denen zwei Bestandteile simultan optimiert werden. Basierend
auf dem zuvor genannten Optimierungsverfahren von Izui et al. [50] haben Suemitsu et al. [107]
eine Optimierungsmethode zur gleichzeitigen Optimierung des Layouts und der Maschinenbele-
gungsplanung von Zellfertigungen mit Industrierobotern (engl.: robotic cellular manufacturing
system) entwickelt. Die Optimierungsmethode basiert ebenfalls auf einem multikriteriellen Ge-
netischen Algorithmus. Mohammadi und Forghani [75] haben ein integriertes bi-kriterielles
Zellformations- und Zelllayoutproblem formuliert. Das erste Kriterium ist die Minimierung von
intra- sowie interstationären Materialflüssen. Das zweite Kriterium zielt auf die Maximierung
der Einheitlichkeit der geplanten Zellen und Maschinen ab. Als Lösungsansatz wurde ein hy-
brides Verfahren mittels Simulated Annealing und dynamischer Programmierung entwickelt.

65
3 Stand der Forschung und abgeleiteter Forschungsbedarf

3.3 Maschinenbelegungsplanung
Die Maschinenbelegungsplanung von zukünftigen Fertigungssystemen mit Prozessreihenfolge-
flexibilität basierend auf Vorranggraphen stellt eine Erweiterung des klassischen Flexiblen Job
Shop Scheduling Problems (FJSP) dar. Generell kann zwischen zentralen, d.h. geplanten, und
dezentralen, d.h. reagierenden, Ansätzen differenziert werden. Die dezentralen Ansätze erhalten
in jüngster Vergangenheit wesentlich mehr Aufmerksamkeit, wobei die zentralen Ansätze sich
in den heutigen Industrien etabliert haben.
Özgüven et al. [81] haben eine Erweiterung des Flexiblen Job Shop Scheduling Problems (FJSP)
formuliert und ein mathematisches Modell für dieses Problem gebildet. Die Erweiterung bein-
haltet die Einführung von Routing- sowie Prozessplanflexibilität im Flexiblen Job Shop und
wird als FJSP-PPF bezeichnet. Die Erweiterung des Routingflexibilität bedeutet, dass meh-
rere Fertigungsstationen für die Verrichtung eines Prozesses vorhanden sein können. Durch
die Einführung der Prozessplanflexibilität wird abgebildet, dass für die verschiedenen Aufträge
unterschiedliche Prozessreihenfolgen existieren können. Das erweiterte FJSP, das FJSP-PPFs,
beschreibt die in der zukünftigen Fertigung vorliegende Problemstellung bereits sehr gut.
Eine sinnvolle Erweiterung des FJSP bezieht Transportroboter bzw. FTSs ebenfalls in die Ma-
schinenbelegungsplanung ein. Nouri et al. [79] haben hierzu das Flexible Job Shop Scheduling
Problem mit Transportzeiten und vielen Robotern, das FJSPT-MR, entwickelt, bei dem eine
Menge an Jobs durch eine Menge von Maschinen, die teilweise gleiche Fähigkeiten besitzen,
gefertigt und zusätzlich durch Transportroboter zwischen den Maschinen transportiert werden
müssen. Zur Lösung des formulierten Maschinenbelegungsproblems wurde eine hybride Meta-
heuristik basierend auf einem geclusterten rechnergestützten Multiagentenmodell entwickelt.
Durch die Einbeziehung der Transportaufträge in die Maschinenbelegungsplanung können die
Planungsgenauigkeit und die Realitätstreue erhöht werden.
Simon [101] hat das Flexible Group Shop Scheduling Problem (FGSP) beschrieben. Das FGSP
stellt eine Kombination aus dem FJSP und dem GSP dar. Hierbei wird das FJSP mit Grup-
pen erweitert, deren Prozess- bzw. Auftragsreihenfolge innerhalb der Gruppe keine Reihenfolge
besitzt. Die Abbildung auftragsindividueller und flexibler Materialflusspfade kann somit in der
Maschinenbelegungsplanung realisiert werden. Eine exaktere Bezeichnung für das Problem ist
das Flexible Job Shop Group Scheduling Problem (FJSGP), damit der Aspekt der Fertigungs-
organisation in Form eines Job Shops in die Bezeichnung mit einbezogen wird. Simon [101] hat
als Lösungsverfahren das Verfahren der Tabusuche angewendet.

Die zuvor beschriebenen Ansätze sind zentrale Ansätze zur Maschinenbelegungsplanung. Durch
die Nutzung von fahrerlosen Transportsystemen als Beförderungsmittel von Materialien und
auch Produkten in der Fertigung wird der dezentrale Ansatz relevanter, da kurzfristige Umpla-
nungen durch die flexiblen Materialbeförderungssysteme kostengünstig realisierbar sind. Diese
Thematik haben Böckenkamp et al. [14] diskutiert und einen semi-dezentralen Ansatz un-

66
3.4 Transportwegplanung

ter der Verwendung eines sogenannten Volumentaktes als Planungsinstrument, der von Boch-
mann et al. [13] eingeführt wurde. Hierbei wird die starre Sequenzplanung aufgelöst und dem
Fertigungssystem wird ein Auftragspool mit einer vordefinierten Menge an Aufträgen für eine
spezifizierte Zeitperiode, ein Volumentakt, zentral zugeordnet. Die Bearbeitungsreihenfolge der
Aufträge innerhalb des gerade aktiven Volumentakts wird dezentral anhand des herrschenden
Systemzustandes und weiterer Rahmenbedingungen bestimmt.

Da im Bereich der Maschinenbelegungsplanung bereits verwendbare Ansätze für das Scheduling


von flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen existieren, liegt der Fokus der Ar-
beit bei der Maschinenbelegungsplanung auf der problemspezifischen Modifikation und Anwen-
dung der vorhanden Lösungsverfahren, damit im Zusammenspiel mit der Layoutoptimierung
und der Transportwegplanung eine globale Optimierung durchgeführt werden kann. Aufgrund
des vorhanden Abstraktionslevels der Arbeit, bei dem hardwarespezifischen Einflussfaktoren
eher geringe Einflüsse besitzen, wurde ein zentraler Maschinenbelegungsansatz basierend auf
Simon [101] gewählt.

3.4 Transportwegplanung
Gemäß Siegwart et al. [100] besteht die autonome Navigation mobiler Systeme, wie beispiels-
weise Roboter, aus vier Basiskomponenten:

1. Wahrnehmung (engl.: Perception):


Prozess der Erzeugung und Verarbeitung von Sensordaten bis hin zur Extraktion notwen-
diger Informationen aus den Sensordaten.

2. Lokalisation (engl.: Localization):


Bestimmung der eigenen Position innerhalb des Einsatzgebiets.

3. Kognition und Wegplanung (engl.: Cognition and Path Planning):


Ermittlung eines Weges inklusive Steuerungsbefehlen zur bestmöglichen Zielerreichung.

4. Bewegungssteuerung (engl.: Motion Control):


Regulierung der eigenen Bewegung zum Beibehalten der vorgegebene Bewegungstrajek-
torie.

Da die Transportwegplanung in der vorliegenden Arbeit zur Ermittlung der Transportzeiten


dient, diese in den Auslegungsprozess des Fertigungssystems einbezogen werden und dafür le-
diglich simulationsbasiert ermittelt werden, sind einige der oben genannten Basiskomponenten
in diesem Kontext irrelevant. Alleinig die Wegplanung ist von Bedeutung, da diese die Trans-
portzeiten maßgeblich beeinflusst. Im Folgenden liegt daher der Fokus auf Algorithmen und
Heuristiken zur Transportwegplanung autonomer mobiler Systeme.

67
3 Stand der Forschung und abgeleiteter Forschungsbedarf

Laut Siegwart et al. [100] besteht der erste Schritt der Transportwegplanung in der Zerlegung
des kontinuierlichen Umgebungsmodells in eine diskrete Repräsentanz. Hierbei kommen gene-
rell der roadmap Ansatz, die Strukturzerlegung (engl.: Cell Decomposition) und die Potential-
feldmethode zum Einsatz. Der sog. roadmap Ansatz dient der Bestimmung einer Menge an an
Lösungswegen innerhalb des freien Raums. Es findet somit eine Reduzierung des Lösungsraums
statt. Bei der Cell Decomposition besteht die Grundidee darin, den Raum in Strukturelemente
zu zerlegen und diesen in Abhängigkeit ihrer Belegung entweder die Eigenschaft frei oder belegt
zu zuweisen. Die Potentialfeldmethode generiert ein künstliches Gravitationsfeld, dessen Gra-
dienten das mobile Objekt von jedem Punkt der Karte in Richtung des Zielpunktes manövriert.

Mac et al. [71] haben eine Übersicht und Vergleiche der heuristischen Algorithmen zur Trans-
portwegplanung erarbeitet. Hierzu zählen Neuronale Netzwerke, Fuzzy Logik Techniken, natürlich-
inspirierte Algorithmen, wie z.B. Genetische Algorithmen, Partikelschwarmoptimierung und
Ameisenalgorithmen, sowie hybride Algorithmen.

Galceran und Carreras [35] haben eine Untersuchung über Coverage Path Planning (CPP)
durchgeführt. CPP ist ein grundlegender Betrachtungsgegenstand der mobilen autonomen Ro-
botik mit dem Ziel der Planung eines Weges, der alle Punkte einer Fläche oder auch eines
Volumens passiert und gleichzeitig Kollisionen mit Hindernissen vermeidet [35].
Yakoubi und Laskri [126] haben CPP im Kontext der Transportwegplanung von Reinigungsro-
botern betrachtet und einen Genetischen Algorithmus auf die Problemstellung angewendet.

Niu et al. [78] haben die Wegplanung von unbemannten Oberflächenfahrzeugen (engl.: Un-
manned Surface Vehicle (USV)) betrachtet und einen Algorithmus bestehend aus Voronoi-
Diagrammen, Visibility-Algorithmen und dem Dijkstra Algorithmus entwickelt. Hierbei han-
delt es sich somit um einen sogenannten roadmap-basierten Ansatz, da der N-dimensionalen
Konfigurationsraum zu einer Menge an eindimensionaler Lösungswege reduziert wird und an-
schließend mittels des Dijkstra Algorithmus der beste Lösungsweg aus dieser Menge ermittelt
wird.

Böckenkamp et al. [15] haben ein Framework für die Koordination mobiler Roboter in Cyber-
Physischen Produktionssystemen (CPPS) entwickelt, das sowohl die Navigation und Transport-
wegplanung als auch die Kollisionsvermeidung unter praktischen Limitationen, z.B. Netzwerk-
verzögerungen, berücksichtigt.

Die beschriebenen aktuellen Forschungsaktivitäten zeigen auf, dass diverse Ansätze zur Op-
timierung der Transportwegplanung aktuell Gegenstände der Forschung sind. Dies ist unter
anderem damit begründet, dass für autonome Fahrzeuge die simultane Lokalisierung und Kar-
tenerzeugung (engl.: Simultaneous Locating and Mapping (SLAM)) äußerst relevant sind und

68
3.5 Forschungsbedarf

daher großer Forschungsaufwand in diesem Themengebiet getätigt wird. Für weitere Informa-
tion zu SLAM ist an dieser Stelle auf Siegwart et al. [100] verwiesen.
Da das Ziel der Arbeit unter anderem die Integration der Transportwegplanung in die Layoutop-
timierung sowie Maschinenbelegungsplanung ist, steht nicht die Optimierung von Algorithmen
der Transportwegplanung, sondern die anwendungsbezogene Modifikation im Vordergrund. Aus
diesem Grund genügen die bereits genannten Grundlage aus Abschnitt 2.5 in Kombination mit
den in diesen Abschnitt bereits genannten Forschungsaktivitäten aus, um die hohe Relevanz
der Thematik zu verstehen. Die genannten Forschungen besitzen aus diesem Grund keinen An-
spruch auf Vollständigkeit, zeigen jedoch eine aktuelle Klassifikation der Algorithmen zur Trans-
portwegplanung auf und geben kurze Einblicke in deren Funktionalitäten. Die Integration der
Transportwegplanung in die Layoutoptimierung und Maschinenbelegungsplanung gewinnt in
zukünftigen Fertigungssystemen an Bedeutung, weil fertigungsspezifische Leistungskenngrößen
aufgrund der flexiblen Materialflusspfade maßgeblich von der Transportwegplanung beeinflusst
werden. In der Literatur konnte kein vergleichbarer Ansatz identifiziert werden, weshalb diese
Forschungslücke in der vorliegenden Arbeit adressiert wird.

3.5 Forschungsbedarf
Durch die in den vorherigen Abschnitten aufgezeigten Forschungsaktivitäten wird verdeutlicht,
dass bereits einige Ideen und Lösungsansätze zur Planung und Steuerung komplexer Fertigungs-
systeme existieren. Da die aktuellen Entwicklungen unter dem Oberbegriff der Smart Factory
jedoch neue Annahmen treffen, resultieren ebenfalls weitere Anforderungen an die Layoutpla-
nung, Maschinenbelegungsplanung und Transportwegplanung. Die identifizierten Forschungs-
aktivitäten in diesen drei Themenfeldern konzentrieren sich sehr stark auf die Entwicklung und
Optimierung von Lösungsalgorithmen und -methoden für spezifische Problemstellungen. Aus
der Literaturrecherche ist ersichtlich, dass hierbei hauptsächlich singuläre bzw. isolierte Be-
trachtungen des jeweiligen Themenfelds durchgeführt werden. Nur in Einzelfällen werden zwei
der genannten Themenfelder kombiniert betrachtet. Im Hinblick auf das Ziels der ganzheitlichen
Optimierung und Bewertung von Fertigungssystemen mit räumlich verteilten, multifunktiona-
len Fertigungsstationen und fahrerlosen Transportfahrzeugen zur Produktion variantenreicher
Produkte ist jedoch eine integrierte Betrachtung notwendig. Nur durch die Integration der
verschiedenen Themenfelder können Abhängigkeiten, die die real erreichbare Leistung des Fer-
tigungssystems maßgeblich beeinflussen, in die Betrachtung mit einbezogen werden. Aus diesem
Grund ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Entwicklung einer ganzheitlichen Auslegungs-
methodik für Fertigungssysteme mit variantenreichen Produkten, bei der Layoutplanung, Ma-
schinenbelegungsplanung und Transportwegplanung integriert betrachtet und optimiert werden.

Im Folgenden werden die Vorgehensweise zur Erreichung der Zielsetzung und der weitere Auf-
bau der Arbeit erläutert. Zusätzlich zu den bereits eingeführten thematischen Grundlagen und

69
3 Stand der Forschung und abgeleiteter Forschungsbedarf

aktuellen Forschungsaktivitäten werden Experteninterviews zu dem Thema Industrie 4.0 in



der Produktion“ vorgestellt, die bei der Volkswagen AG durchgeführt wurden. Das Ziel der Ex-
perteninterviews ist die Identifikation heutiger Herausforderungen aus der Produktionspraxis
und die Diskussion möglicher Zielsetzungen bezogen auf die zukünftige Fertigung. Somit wird
ein Abgleich zwischen den literarischen, forschungsorientierten Quellen und praxisbezogenem
Expertenwissen ermöglicht. Die Experteninterviews sind in Kapitel 4 beschrieben.
Als nächster Schritt wird in Kapitel 5 die Konzeptentwicklung dargestellt. Schwerpunkte liegen
zum einen auf der Konzipierung eines Fertigungssystems zur Erfüllung der aus der Literatur
sowie Praxis abgeleiteten Handlungsbedarfe. Zum anderen wird die Auslegungsmethodik für
das konzipierte Fertigungssystem detailliert vorgestellt.
Aufgrund der derzeitig noch mangelnden Reife eines solchen Fertigungssystems kann eine Vali-
dierung nicht anhand eines realen, physischen Fertigungssystems vollzogen werden. Aus diesem
Grund wird eine simulations-basierte Validierung durchgeführt, für die im ersten Schritt eine
simulationsbasierte Umsetzung notwendig ist. Diese wird in Kapitel 6 vorgestellt. In Kapitel 7
folgt schließlich die simulationsbasierte Validierung der Auslegungsmethodik sowie des ganz-
heitlich konzipierten Fertigungssystems.
Abschließend werden in Kapitel 8 die Resultate der vorliegenden Arbeit zusammengefasst und
kritisch diskutiert. Es werden außerdem Implementierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten auf-
geführt und ein Ausblick sowie weitere Forschungsbedarfe werden aufgezeigt.

70
4 Experteninterviews
In diesem Kapitel werden Experteninterviews zu dem Thema Industrie 4.0 in der Produktion“

vorgestellt, die innerhalb der Volkswagen AG durchgeführt wurde. Im folgenden Abschnitt
wird die Zielsetzung sowie die Methodik der Experteninterviews erläutert. Anschließend wird
der Interviewleitfaden detailliert dargestellt, es werden die gewonnenen Ergebnisse vorgestellt
sowie diskutiert und Handlungsbedarfe für die nachgelagerte Konzeptentwicklung abgeleitet.

4.1 Zielsetzung und Methodik der Experteninterviews


Die Experteninterviews Industrie 4.0 in der Produktion“ sind in drei Teile mit den folgenden

Zielen untergliedert:

• Teil I: Ermittlung aktueller Herausforderungen in der Produktion

• Teil II: Durchführung einer Standortbestimmung verschiedener Fertigungsbereiche eines


Automobilherstellers bezüglich identifizierter Handlungsfelder von Industrie 4.0

• Teil III: Erfassung von Zielvorstellungen bzw. Visionen der verschiedenen Fertigungsbe-
reiche unter Einbeziehung der Entwicklungen von Industrie 4.0

Mittels der genannten Ziele wird ein ganzheitliches Abbild der Herausforderungen, Aktivitäten
und Zielvorstellungen entlang der Wertschöpfungskette eines Automobilherstellers erarbeitet,
mit Hilfe dessen Potenziale sowie notwendige Entwicklungen in den verschiedenen Fertigungs-
bereichen identifiziert werden können.
Nach der Festlegung der Zielsetzung wurde die Methodenauswahl durchgeführt. Zur Datener-
hebung wurde die Methodik der Befragung in einem persönlichen Interview gewählt. Die Inter-
viewart ist nach Bortz und Döring [18] und Bogner et al. [16] ein Experteninterview, da eine
teilstrukturierte und nicht- bis teil-standardisierte Befragung von Experten zu einem vorgege-
benen Thema durchgeführt wurde. Eine teilstrukturierte Befragung zeichnet sich durch einen
Gesprächsleitfaden aus, dessen Fragen keine feste Reihenfolge besitzen und auch nicht in jedem
Interview komplett behandelt werden müssen. Nicht-standardisiert bedeutet in diesem Kon-
text, dass offene Fragen angewendet werden. Lediglich in zwei Fällen, auf die in Abschnitt Ab-
schnitt 4.2 eingegangen wird, wurde die Form des teil-standardisierten Interviews verwendet,
um quantitative Einschätzungen zu erhalten.
Im nächsten Schritt wurden die Untersuchungsgegenstände, also die zu interviewenden Ge-
werke, entlang der Wertschöpfungskette festgelegt und Interviewpartner in den verschiedenen
Gewerken identifiziert. Als Auswahlkriterien für die Wahl der Interviewpartner wurden zum

71
4 Experteninterviews

einen die Größe des Zuständigkeitsbereichs und zum anderen die Einbindung in das operati-
ve Geschäft verwendet. Bei der Größe des Zuständigkeitsbereichs wurde darauf geachtet, dass
die Interviewpartner einen möglichst großen Bereich des jeweiligen Gewerks verantworten, da-
mit eine ganzheitliche Sichtweise in dem Gewerk vorhanden ist. Bei der Einbindung in das
operative Geschäft wurde ebenfalls auf ein möglichst hohes Mass abgezielt, damit zusätzlich
zur ganzheitlichen Sichtweise ein hoher Detaillierungsgrad sowie ein tiefgreifendes Experten-
wissen sichergestellt wird. Abbildung 4.1 veranschaulicht die ausgewählten Gewerken entlang
der Wertschöpfungskette.

Abbildung 4.1: Übersicht der im Rahmen der Experteninterviews betrachteten Gewerke entlang
der Wertschöpfungskette

Insgesamt wurden 19 Experten interviewt, woraus folgt, dass bei einer Anzahl von acht Ge-
werken einige Gewerke durch mehrere Interviewpartner abgedeckt wurden. Besonders für die
Hauptgewerke - Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei und Montage - wurden ebenfalls Inter-
viewpartner von verschiedenen Produktionsstandorten ausgewählt, um die Datenvalidität zu
steigern. Des Weiteren beinhalten die 19 Experteninterviews ebenfalls Interviews mit Experten,
deren Zuständigkeitsbereich sich über mehrere Gewerke erstreckt. Somit konnten verschiedene
Sichtweisen mit einbezogen werden, wodurch die Erarbeitung eines ganzheitlichen Ansatzes er-
leichtert wurde. Die Experteninterviews wurden unter Anwesenheit mehrerer Interviewer durch-
geführt, um zum einen die Objektivität bei der Datenerhebung zu steigern und zum anderen
ein breiteres Fachwissen als Gesprächsgrundlage mit in das Interview einzubringen.

72
4.2 Interviewleitfaden

4.2 Interviewleitfaden
Wie bereits in Abschnitt 4.1 erwähnt, sind die Experteninterviews in drei Teile gegliedert, wes-
halb ebenfalls der Interviewleitfaden dieser Struktur folgt. Generell handelt es sich um einen
teil-strukturierten und größtenteils nicht-standardisierten Interviewleitfaden.

Im ersten Teil des Experteninterviews, der Ermittlung aktueller Herausforderungen in der Pro-
duktion, beginnt der Interviewleitfaden mit der Erfassung allgemeiner Informationen zu dem
Zuständigkeitsbereich des Interviewpartners. Es werden Informationen zur Fertigungsstückzahl
pro Tag sowie pro Variante, Variantenanzahl, mittleren Durchlaufzeit, Fertigungsart sowie zu
weiteren charakteristischen Merkmalen des betrachteten Fertigungsbereichs erfasst. Die gesam-
melten Informationen dienen der Charakterisierung des Betrachtungsgegenstandes, der Schaf-
fung eines besseren Verständnisses der Interviewer, sowie der Differenzierung und Ursachenana-
lyse gegebener Informationen zwischen den verschiedenen Fertigungsbereichen. Die erfassten
allgemeinen Informationen über die verschiedenen Fertigungsbereiche sind aus Gründen der
Übersichtlichkeit nicht explizit aufgeführt. Im Rahmen der Ergebnisse (siehe Abschnitt 4.3)
werden diese Informationen genannt, sofern sie für die Auswertung relevant sind.
Anschließend ist der Leitfaden von Teil I in die Kategorien Produktivität, Qualität, Kosten,
Flexibilität, Variantenvielfalt (Komplexität) und Zusammenarbeit (Vernetzung) unterteilt. In
den ersten drei Kategorien - Produktivität, Qualität und Kosten - werden jeweils die folgenden
drei Fragen gestellt:

• Was sind die fünf häufigsten Ursachen für Produktivitätsverluste, Qualitätsmängel bzw.
Kostenerhöhungen?

• Welche Ansätze verfolgen Sie bereits heute zur Reduzierung der genannten Ursachen?

• Existieren messbare Ergebnisse zu den oben genannten Ansätzen?

Bezüglich der Kategorie Flexibilität“ werden zunächst die für diesen Fertigungsbereich wich-

tigsten Arten der Flexibilität erfragt. Anschließend werden beschränkende Faktoren der Flexibi-
litätsarten erfasst, Ansätze zur Steigerung der Flexibilität diskutiert und die Existenz messbarer
Ergebnisse zu den genannten Ansätzen abgefragt.
Darauf folgend wird in der Kategorie Variantenvielfalt (Komplexität)“ zunächst die Produkt-

variantenentwicklung der letzten Jahre erfragt. Hierbei kann ein Trend oder auch, falls möglich,
eine genaue Angabe der Zu- bzw. Abnahme genannt werden. Anschließend wird zwischen den
beiden Fällen des Variantenanstiegs sowie der Variantenabnahme unterschieden. Im Falle eines
Variantenanstiegs werden Auswirkungen des Anstiegs auf den Produktionsbereich und Maß-
nahmen zur Beherrschung der resultierenden Komplexität erfasst. Abschließend wird noch
diskutiert, ob Prozesse und/oder Produktionsabschnitte existieren, die aufgrund mangelnder
Transparenz nicht optimal ablaufen. Für den Fall der Variantenabnahme wird hinterfragt, wie

73
4 Experteninterviews

eine Entkopplung des in der Literatur beschriebenen marktseitigen Variantenanstiegs geschaffen


wurde bzw. weshalb dieser keine Auswirkungen auf den Produktionsbereich hat. Unterschiede-
nen wird hierbei zwischen technischen und organisatorischen Gründen.
Den Abschluss des Interviewleitfadens zum ersten Teil bilden die Fragen zur Kategorie Zu-

sammenarbeit (Vernetzung)“ . Hier wird zunächst eine Übersicht der wichtigsten internen so-
wie externen Prozesspartner und deren Rollen erstellt. Darauf aufbauend werden die Art des
Informationsaustausches (Telefonate, Meetings, etc.), die größten Hürden beim Informations-
austausch sowie Maßnahmen zur Reduzierung der Hürden erfragt.

Der Interviewleitfaden zu Teil II, der Standortbestimmung bezüglich identifizierter Handlungs-


felder von Industrie 4.0, ist entsprechend der fünf von der Volkswagen AG identifizierten Hand-
lungsfelder strukturiert. Die Fragen zu den einzelnen Handlungsfeldern sind nahezu identisch.
Als unternehmensinterne Handlungsfelder wurden durch die Betrachtung von Praxisprojekten
sowie einschlägiger Literatur

1. Sensorik und Aktorik optimal integrieren,

2. Vernetzung technisch und operativ realisieren,

3. Neue Informationstechnologien optimal nutzen,

4. Produktionsprozesse neu gestalten und

5. Mitarbeiter unterstützen, Kompetenzen ausbauen

identifiziert. Die Handlungsfelder bauen in der aufgeführten Reihenfolge aufeinander auf, d.h.,
dass beispielsweise neue Informationstechnologien erst optimal genutzt werden können, wenn
Sensorik und Aktorik integriert und die Vernetzung realisiert wurde. Die folgenden drei Fragen
wurden zu jedem Handlungsfeld gestellt:

• Wie sehen Sie Ihren Fertigungsbereich im Hinblick auf das Handlungsfeld XY“ aufge-

stellt?

• Können Sie mir eine Einschätzung auf einer Skala von 0 (Minimum) bis 5 (Maximum)
geben? Wie begründen Sie ihre Einschätzung?
Einschätzungshinweis:
0: Keine Ansätze vorhanden (bzw. Handlungsfeld nicht relevant)
1: Ideen generiert
2: Ansätze pilotiert
3: Ansätze werden täglich verwendet
4: Flächendeckender Einsatz findet statt
5: Optimalvorstellung erreicht

• Gibt es bereits bestehende Lösungen, die das Handlungsfeld XY“ vorantreiben?


74
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Die zweite Frage in Teil II des Interviewleitfadens weicht von der Form der offenen Fragestel-
lung ab. Dies ist einer der zwei Fälle, in dem der Leitfaden von seiner nicht-standardisierten
Form auf die standardisierte Form abweicht. Ergänzend zu den oben aufgeführten Fragen wurde
im Handlungsfeld 4 Produktionsprozesse neu gestalten“ eine weitere Frage gestellt. Dies ist

damit begründet, dass dieses Handlungsfeld im Kontext dieser Arbeit, der Entwicklung und
Bewertung eines neuartigen Fertigungssystems zur Fertigung variantenreicher Produkte, von
besonderem Interesse ist. Daher wurde zusätzlich noch abgefragt, was der Interviewpartner
verändern würde, wenn dieser seinen Fertigungsbereich grundsätzlich neu gestalten dürfte.

In Teil III, der Erfassung von Zielvorstellungen bzw. Visionen der verschiedenen Fertigungsbe-
reiche unter Einbeziehung der Entwicklungen von Industrie 4.0, gliedert sich der Interviewleit-
faden in die Kategorien Trends, Technologien und Zielvorstellung (Vision).
Die Kategorie Trends“ zielt darauf ab, die Trends zu ermitteln, die die langfristige Entwicklung

des betrachteten Fertigungsbereiches am stärksten beeinflussen, sowie die Art und Weise der
Beeinflussung durch die Trends zu erfragen. Falls möglich, werden ebenfalls konkrete Beispiele
abgefragt.
In der Kategorie Technologien“ werden zunächst, vergleichbar mit der vorherigen Kategorie,

beeinflussende Technologien für die langfristige Entwicklung des betrachteten Fertigungsbe-
reichs ermittelt. Anschließend werden die Grenzen von aktuell eingesetzten Technologien er-
fragt.
Abschließend wird in der Kategorie Zielvorstellung (Vision)“ der Interviewpartner nach der

langfristigen Zielvorstellung seines Fertigungsbereichs gefragt, Aktivitäten zur Erreichung der
genannten Zielvorstellung werden erörtert und Schlüsselfaktoren zur Erreichung der Zielvor-
stellung werden ermittelt. Als finale Frage des Leitfadens wird der Interviewpartner gebeten,
seine Einschätzung zu geben, ob es einen evolutionären oder disruptiven (bzw. radikalen) An-
satz zur Erreichung der Zielvorstellung benötigt. Hierzu wurde eine fünfstufige Skala von 1
(evolutionär) bis 5 (disruptiv) verwendet. Die letzte Frage ist somit der zweite Fall, in dem der
Interviewleitfaden von der nicht-standardisierten zur standardisierten Form modifziert wurde.

4.3 Ergebnisse der Experteninterviews


Zur Ergebnisauswertung wurden die Mitschriften der Interviewer gebündelt und digitalisiert.
Im folgenden werden die Ergebnisse der Experteninterviews für die drei Teile separat vorge-
stellt und diskutiert. Anschließend wird ein Gesamtfazit dargestellt, das die Ergebnisse mit der
Konzeptentwicklung aus Kapitel 5 in einen Kontext stellt und überleitet.

75
4 Experteninterviews

4.3.1 Ergebnisse Teil I: Aktuelle Herausforderungen in der Produktion


Zur Ermittlung der aktuellen Herausforderungen wurden zunächst die Ursachen für Produk-
tivitätsverluste (vgl. Tabelle 4.1), Ursachen für Qualitätsmängel (vgl. Tabelle 4.2) und die
Kostentreiber (vgl. Tabelle 4.3) erfragt. Die Ergebnisse sind mit ihrer absoluten sowie relativen
Nennenungshäufigkeit aufgeführt.

Tabelle 4.1: Ursachen für Produktivitätsverluste nach abnehmender Nennungshäufigkeit geord-


net

Ursachen für Häufigkeit Industrie 4.0


Produktivitätsverluste Abs. [-] Rel. [%] Maßnahme
Technische Störungen 11 24 Prädiktive Wartung
Programmfehler, Prognoseunsicherheiten 7 16 Vertikale Integrati-
on: Transparenz im
Planungsprozess
Logistik- und Steuerungsengpässe 7 16 Horizontale Integration:
Transparenz im Materi-
alfluss
Variantenvielfalt 5 11 Assistenzsysteme
Roboterstörungen 3 7 Robuste IT-Systeme
Leistungsschwankungen Personal 3 7 Assistenzsysteme
IT-Störungen 3 7 Robuste IT-Systeme
Verfügbarkeitsschwankungen Personal 3 7 Assistenzsysteme
Prozessschwankungen und -störungen 2 4 Qualitätsregelkreise,
Selbststeuerung
Fehlbearbeitung 1 2 Assistenzsysteme

Die häufigste Ursache für Produktivitätsverluste sind technische Störungen, die zu den un-
geplanten Störungen gehören und somit die Verfügbarkeit einer Anlage reduzieren. Weitere
signifikante Ursachen für Produktivitätsverluste sind Programmfehler, Prognoseunsicherheiten
sowie Logistik- und Steuerungsengpässe, die in einen Abriss der Materialversorgung resultieren,
und die ansteigende Variantenvielfalt der Produkte. Mit geringerer Häufigkeit wurden Robo-
terstörungen, d.h. SPS-Störungen, Leistungs- und Verfügbarkeitsschwankungen des Personals,
IT-Störungen, Prozessschwankungen und -störungen sowie Fehlbearbeitungen genannt.
Bezüglich Qualität haben die Experteninterviews ergeben, dass Qualitätsmängel am häufigsten
aufgrund von Prozessschwankungen verursacht werden. Mit mittlerer Häufigkeit wurden Personal-
und Qualifikationsschwankungen, Fehlbearbeitungen, Qualitätsschwankungen vorgelagerter Pro-
zesse und Oberflächenfehler als Ursachen angegeben. Zu den Ursachen mit geringer Nen-
nungshäufigkeit zählen Verschmutzungen, Materialschwankungen, enge Toleranzvorgaben, tech-
nische Störungen, manuelle Fehlersuche bei Ausfällen und Kommissionierungsfehler.

76
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Tabelle 4.2: Ursachen für Qualitätsmängel nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet

Ursachen für Häufigkeit Industrie 4.0


Qualitätsmängel Abs. [-] Rel. [%] Maßnahme
Prozessschwankungen 7 23 Elektronische Qua-
litätsregelkreise (eQRK)
Personal- und Qualifikationsschwankungen 4 13 Assistenzsysteme
Fehlbearbeitung 4 13 Assistenzsysteme, eQRK
Qualitätsschwankungen vorgelagerter 3 10 Horizontale Integration
Prozesse
Oberflächenfehler 3 10 eQRK
Verschmutzungen 2 6 Prozessgestaltung
Materialschwankungen 2 6 eQRK
Enge Toleranzvorgaben 2 6 eQRK
Technische Störungen 2 6 Prädiktive Wartung
Manuelle Fehlersuche bei Ausfällen 1 3 Assistenzsysteme
Kommissionierungsfehler 1 3 Assistenzsysteme

Tabelle 4.3: Kostentreiber nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet

Ursachen für Häufigkeit


Kostentreiber Abs. [-] Rel. [%] Industrie 4.0 Maßnahme
Investitionen 6 21 Serviceorientierung
Personal 5 18 Assistenzsysteme, Automatisierung
Ausschuss 4 14 eQRK, Assistenzsysteme
Instandhaltung 2 7 Prädiktive Wartung
Technische Störungen 2 7 Prädiktive Wartung
Energie 2 7 Data Analytics, Total Energy Management
Variantenvielfalt 2 7 Durchgängige IT-Systeme, Assistenzsysteme
Produktkomplexität 1 4 Durchgängige Konstruktions- und Planungs-
prozesse
Gesetzliche Vorgaben 1 4 Durchgängiges Risk Management
Kürzere Anlagenlebens- 1 4 Robuste Komponenten, Standards,
zyklen prädiktive Wartung
Nacharbeit 1 4 Horizontale u. vertikale Integration, Assis-
tenzsysteme
Fehlplanung 1 4 Durchgängige Tools und IT-Systeme

Als wesentliche Kostentreiber konnten Investitionen, Personal und Ausschuss identifiziert wer-
den. Instandhaltung, technische Störungen, Energie und die Variantenvielfalt wurden mit mitt-
lerer Häufigkeit genannt. Mit niedriger Häufigkeit erwähnte Kostentreiber sind die Produkt-
komplexität, gesetztliche Vorgaben, kürzere Anlagenlebenszyklen, Nacharbeit und Fehlplanung.

Als nächster Schwerpunkt wurden die benötigten Flexibilitätsarten (vgl. Tabelle 4.4) sowie de-

77
4 Experteninterviews

ren Einschränkungen (vgl. Tabelle 4.4) ermittelt. Hierbei hat sich herausgestellt, dass die Ma-
schinenflexibilität gefolgt von der Produktmixflexibilität und der Mitarbeiterflexibilität die heu-
te am meisten benötigten Flexibilitätsarten sind. Dieses Ergebnis ist konform zu den genannten
Ursachen für Produktivitätsverluste, da diese drei Flexibilitätsarten dazu beitragen, Programm-
fehler und Prognoseunsicherheiten auszugleichen, Logistik- und Steuerungsengpässen entgegen-
zuwirken und die beherrschbare Variantenvielfalt in einem Fertigungssystem zu erhöhen.
Die in Tabelle 4.5 aufgeführten Einschränkungen der Flexibilität in heutigen Fertigungssyste-
men sind vielfältig. Als häufigste Einschränkungen wurden mechanische Restriktionen sowie die
Personalverfügbarkeit und -qualifikation genannt. Zu den mechanischen Restriktionen zählen
jegliche Einschränkungen, die durch vorhandene Hardware erzeugt werden. Eine häufig auftre-
tende mechanische Restriktion kann an dem Beispiel von Aufnahmevorrichtungen und Handha-
bungssysteme aufgezeigt werden. Aufnahmevorrichtung und Handhabungssysteme werden für
ein vordefiniertes Produktspektrum ausgelegt, sind jedoch nicht fähig, weitere Produkte ohne
Anpassungen aufzunehmen bzw. handzuhaben. Hierdurch wird beispielsweise die Maschinen-
flexibilität eingeschränkt, da ggf. nicht alle Produkte auf einer Maschine aufgenommen werden
können.

Tabelle 4.4: Benötigte Flexibilitätsarten nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet

Häufigkeit
Flexibilitätsart Abs. [-] Rel. [%] Industrie 4.0 Maßnahme
Maschinenflexibilität 8 40 Informationsaustausch zwischen Bauteil und
Anlage, adaptierende Aktorik der Anlagen
Produktmixflexibilität 4 20 Bauteilidentifikation, variantenspezifische
Prozessanpassungen
Mitarbeiterflexibilität 4 20 Assistenzsysteme
Erweiterungsflexibilität 1 5 Verbundproduktion
Kapazitätsflexibilität 1 5 Plug&Produce
Routingflexibilität 1 5 Wegunabhängige Materialtransportsysteme
zwischen Anlagen, Erhöhte Transparenz (ho-
rizontale Integration) zur Steuerung der Lo-
gistik, Ermöglichung individueller Material-
flusspfade durch Maschinenflexibilität
Materialflexibilität 1 5 Flexible Materialtransport- und -
handhabungssysteme

Abschließend für die Ergebnisse von Teil I der Experteninterviews sind in Tabelle 4.6 und Tabel-
le 4.7 die Auswirkungen des Variantenanstiegs sowie Maßnahmen zur Beherrschung der Varian-
tenvielvalt gelistet. Ein wichtiges Resultat dieses Interviewteils ist, dass die Variantenvielfalt in
allen betrachteten Fertigungsbereichen bzw. Gewerken in den letzten Jahren stark angestiegen
ist und die Beherrschung dieser Entwicklung zu Mehraufwand in Produktion und Logistik führt.
Die am häufigsten genannte Auswirkung der Entwicklung der Variantenvielfalt auf die Produk-

78
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Tabelle 4.5: Einschränkungen der Flexibilität nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet

Häufigkeit
Einschränkung der Flexibilität Abs. [-] Rel. [%]
Mechanische Restriktionen 4 19
Personalverfügbarkeit und -qualifikation 4 19
Produktbeschaffenheit 3 14
Steuerungslogik 3 14
Keine getakteten Fahrzeuganläufe 2 10
Anstellfläche 2 10
Toleranzen 1 5
Betriebsmittel 1 5
Anlagenkomplexität (sinkende Verfügbarkeit) 1 5

tion ist ein erhöhter Logistikaufwand und Flächenbedarf. Jede weitere Variante steigert die
Komplexität der Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Anlieferung und benötigt mehr Anstell-
fläche in der Fertigung wie auch Lagerfläche in vorgelagerten fertigungsnahen Supermärkten.
Die weiteren relevanten Auswirkungen reichen vom steigenden Qualifizierungsbedarf des Perso-
nals über steigende Anlagenkomplexität zur Abdeckung der Teile- und Prozessvielfalt, erhöhten
Fehler- und Falschverbauquoten, Mehraufwendungen bei der Fertigungssteuerung bis hin zu
steigenden Rüstzeitanteilen aufgrund geringerer Losgrößen und insgesamt sinkender Produkti-
vität.
Die Maßnahmen zur Beherrschung der durch den Variantenanstieg verursachten Auswirkungen
konzentrieren sich in erster Linie auf die Einführung einer Vorkommissionierung, die Durchführung
von Qualifizierungsmaßnahmen und die Einführung von Systemen zur Werkerführung. Durch
diese Maßnahmen kann bereits einigen der zuvor genannten Auswirkungen entgegengewirkt
werden. Vor allem die erhöhte Fehler- und Falschverbauquote und der steigenden Qualifizie-
rungsbedarf werden durch diese Maßnahmen adressiert.

4.3.2 Ergebnisse Teil II: Standortbestimmung


Abbildung 4.2 zeigt auf, wie die Interviewpartner ihren zugehörigen Fertigungsbereich in den
fünf von der Volkswagen AG identifizierten Handlungsfeldern von Industrie 4.0 einschätzen. Für
jedes Handlungsfeld sind der Durchschnitts-, Minimal- und Maximalwert der Einschätzungen
angegeben. Der Durchschnittswert zeigt ganzheitlich auf, wie reif die Produktion gemittelt
über alle betrachteten Fertigungsbereiche in den einzelnen Handlungsfeldern ist. Durch die
Minimal- und Maximalwerte wird die Spannbreite der Einschätzungen verdeutlicht. Der Durch-
schnittswert rangiert für alle Handlungsfelder zwischen 2: Ansätze pilotiert“ und 3: Ansätze
” ”
täglich verwendet“. Die durchschnittliche Spannbreite, ausgedrückt durch die Differenz zwischen
Minimal- und Maximalwert, beträgt 2,9. Die hohe Spannbreite bedeutet, dass die verschiede-

79
4 Experteninterviews

Tabelle 4.6: Auswirkungen der gestiegenen Variantenvielfalt nach abnehmender Nen-


nungshäufigkeit geordnet

Häufigkeit
Auswirkung des Variantenanstiegs Abs. [-] Rel. [%]
Erhöhter Logistikaufwand und Flächenbedarf 4 20
Steigender Qualifizierungsbedarf 2 10
Steigende Anlagenkomplexität 2 10
Erhöhte Fehlerquote, Falschverbau 2 10
Mehraufwand bei der Fertigungssteuerung 2 10
Steigender Rüstzeitanteil 2 10
Sinkende Produktivität 2 10
Steigender Controllingaufwand 1 5
Steigender Automatisierungsgrad 1 5
Steigendes Datenvolumen und steigender Aufwand für die Datenhaltung 1 5
Steigender Programmieraufwand 1 5
Anpassung von Prozessfähigkeiten 1 5
Auslastungsschwankungen 1 5

Tabelle 4.7: Eingesetzte Maßnahmen zur Beherrschung des Variantenanstiegs nach abnehmen-
der Nennungshäufigkeit geordnet

Häufigkeit
Maßnahmen zur Beherrschung des Variantenanstiegs Abs. [-] Rel. [%]
Vorkommissionierung 3 16
Qualifizierungsmaßnahmen 3 16
Werkerführung 2 11
Prozessanpassungen 1 5
Betriebsmittelanpassungen 1 5
Produktanpassungen 1 5
Verbauprüfungen 1 5
Standards 1 5
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) 1 5
Geringe Verbauraten streichen 1 5
Größere Lose und mehr Vorhaltung 1 5
Klassifizierung nach Verbauraten 1 5
Langfristige Einplanung von Varianten mit geringen Verbauraten 1 5
Variantenabfragung und -erkennung 1 5

nen Fertigungsbereiche stark unterschiedliche Reifegrade in den einzelnen Handlungsfeldern


aufweisen.
Um die Nachvollziehbarkeit der Standortbestimmung bzw. der Einschätzungen zu gewährleisten,
wurden ebenfalls Begründungen in Form von begonnenen oder bereits laufenden Aktivitäten
in den einzelnen Handlungsfeldern besprochen und diskutiert. Eine Übersicht der gesamten

80
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Abbildung 4.2: Umsetzungsgrad der bei der Volkswagen AG identifizierten Handlungsfelder im


Themengebiet Industrie 4.0 als Resultat der Standortbestimmung

Aktivitäten inklusive Zuordnung zu den fünf Handlungsfeldern und kurzen Beschreibungen ist
in Tabelle 4.8 aufgeführt. Zu jedem Handlungsfeld können fünf bis sechs Aktivitäten zugeord-
net werden, wobei betont werden muss, dass die Aktivitäten eines Handlungsfeldes teilweise in
unterschiedlichen Fertigungsbereichen verfolgt werden. Die Zuordnung der Aktivitäten zu den
Fertigungsbereichen ist aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht enthalten.

Tabelle 4.8: Beschreibung der im Rahmen der Standortbestimmung genannten Aktivitäten in-
klusive Zuordnung zu den Handlungsfeldern von Industrie 4.0

Aktivität Beschreibung

Handlungsfeld 1: Sensorik und Aktorik optimal integrieren


Bauzustandsdatenerfassung (BDE) Systemgestützte Erfassung und Dokumentation
des Bauzustandes während der Fertigung eines
Produkts

Bauteilidentifikation vor der Bearbei- Prüfung des Vorliegens der korrekten Bauteilvari-
tung (Variantenprüfung) anten vor der Bearbeitung

iTool (intelligentes Werkzeug) Sensoren und Aktoren in Presswerkzeugen messen


die Blechdicke während des Prozesses und mittels
Aktoren kann eine kontinuierliche Anpassung der
Pressparameter, z.B. Anpresskraft, vorgenommen
werden, um Falten und Risse zu reduzieren

81
4 Experteninterviews

Aktivität Beschreibung

Kameratechnik zur Prozess- und Bau- Kameratechnik inklusive Bildverarbeitung prüft


teilkontrolle Prozessabläufe sowie Bauteile

Automatisierte Erfassung und Auswer- Echtzeitmonitoring relevanter Kennzahlen zur


tung von Kennzahlen Erhöhung der Reaktionsfähigkeit

Durchgängiges Condition Monitoring Zustandsüberwachung kritischer Systemkompo-


nenten zur Reduzierung von Ausfallzeiten

Handlungsfeld 2: Vernetzung technisch und operativ realisieren


Indentifikation und Vernetzung von Transparenzerhöhung durch Echtzeitinformatio-
Engpassmaschinen nen von kritischen Maschinen im Materialfluss

Automatisierte Bedarfs- und Kapa- Durchgängige systemgestützte Bedarfs- und Ka-


zitätsermittlung pazitätsermittlung vom Kundenbedarf bis zu den
jeweiligen Produktionsvolumina der verschiedenen
Fertigungsbereiche

Anlagenvernetzung Vernetzung vorhandener Anlagen mittels LAN zur


echtzeitnahen Erhebung und Analyse fertigungsre-
levanter Informationen

Störungszuordnung auf Anlagen Rückverfolgung von Störungsmeldungen auf Anla-


genebene

Fehlererfassung- und Felerabstellungs- Tool zur Fehlererfassung sowie der Dokumentation


tool und Verfolgung von Maßnahmen zur Abstellung
von Fehlern

WLAN-Schrauber Automatische Einstellung des benötigten Dreh-


moments und Dokumentation des tatsächlichen
Drehmomentverlaufs bei sicherheitskritischen Ver-
schraubungen

Handlungsfeld 3: Informationstechnologien optimal nutzen

82
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Aktivität Beschreibung

Fernwartung Einrichtung eines sicheren externen Zugriffs zur


Fernwartung

Datenbrillen Informationsbereitstellung und Prozessun-


terstützung durch die Einbindung von Datenbril-
len

Tablets zur Störungseingabe Störungseingabe über Tablets zur direkten Erfas-


sung von Störungen

Smartphones für Schichtleiter Nutzung von Smartphones um Potenziale der bes-


seren und schnelleren Informationsbereitstellung
zu nutzen

Augmented Reality mittels Tablet Überlagerung der Realität mit Plandaten, um ef-
fizientere Abgleiche zwischen Konstruktionsdaten
und Realteilen zu ermöglichen

RFID am Ladungsträger Transparenz der Logistik durch Verfolgbarkeit der


Ladungsträger erhöhen

Handlungsfeld 4: Produktionsprozesse neu gestalten


Aktive Umgestaltung für leistungsge- Anpassung von Arbeitsplätzen auf Auswirkungen
wandelte Mitarbeiter des demographischen Wandels

Anwendung additiver Fertigungsver- Nutzung additiver Fertigungsverfahren und Inte-


fahren gration in bestehende Prozessketten

Unterstützende Prozesse bei der Ana- Verkürzung der Fehleranalyse und -beseitigung
lyse von Qualitätsproblemen und der durch verbesserte Analysetools
Störungsbeseitigung

Mensch-Roboter-Kooperation zur Nutzung sensitiver Leichtbauroboter zur Un-


Übernahme körperlich anspruchsvoller terstützung der menschlichen Arbeit und Verbes-
Tätigkeiten serung der Ergonomie

83
4 Experteninterviews

Aktivität Beschreibung

M2M-Kommunikation Realisierung eines effizienten Datenaustausches


zwischen Anlagen über Master/Slave-Prinzip

Handlungsfeld 5: Mitarbeiter unterstützen, Kompetenzen ausbauen


Qualifizierung durch Seminare Klassische Weiterbildungsmaßnahme

Tandem-Coaching-Programm Bildung von Paaren (Tandems) zum gegenseitigen


Wissensaustausch

Programm Von Experten für Exper- Zeitweise Freistellung von Experten zur Schulung

ten“ von Kollegen

Schulungen während des Betriebs Durchführung von Schulung während des laufen-
den Betriebs und an realen Problemstellungen

Qualifizierungscenter Einführung lokaler Qualifizierungscenter in den


Fachbereichen

Profiräume Einführung von Profiräumen mit guter techni-


scher Grundausstattung zum Kennenlernen neus-
ter Technologien

4.3.3 Ergebnisse Teil III: Zielvorstellungen


In diesem Abschnitt wird zunächst auf die ermittelten zukünftigen Trends und beeinflussenden
Technologien eingegangen. Im Anschluss werden die Zielvorstellungen der betrachteten Ferti-
gungsbereiche dargestellt und diskutiert.

Tabelle 4.9 listet die genannten zukünftigen Trends und beeinflussenden Technologien geordnet
nach abnehmender Nennungshäufigkeit auf. Der wichtigste Trend, der ebenfalls das Funda-
ment von Industrie 4.0 bildet, ist die Vernetzung von Anlagen und Systemen. Im Industrie
4.0-Kontext wird die durchgängige Anlagenvernetzung entlang der Wertschöpfungskette auch
häufig als horizontale Integration bezeichnet. Die Vernetzung von Systemen wird sinngemäß als
vertikale Integration bezeichnet, durch die eine durchgängige Datenbasis und ein durchgängiger
Informationsaustausch möglichst ohne Medienbrüche realisiert werden soll.

84
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Tabelle 4.9: Zukünftige Trends und beeinflussende Technologien

Häufigkeit Bestandteil von


Trends und Technologien Abs. [-] Rel. [%] Industrie 4.0?
Vernetzung von Anlagen und Systemen 8 13 Ja
Elektromobilität 4 7 Nein
Selbstregelnde Prozesse und Eigendiagnose 4 7 Ja
Big Data Analytics (Datenanalyse) 4 7 Teils
Leichtbau und Materialinnovationen 4 7 Nein
Automatisierung 4 7 Ja
Variantenanstieg 3 5 Ja
Mensch-Roboter-Kooperation 3 5 Teils
Additive Fertigungsverfahren 3 5 Teils
Kameratechnologie und Bildverarbeitung 3 5 Teils
Virtual und Augmented Reality 2 3 Ja
Autonomes Fahren 2 3 Teils
Digitalisierung im Fahrzeug bzw. Produkt 2 3 Teils
Steigende Flexibilitätsanforderungen 2 3 Ja
Komplexitätssteigerung der eingesetzten Technik 2 3 Ja
Wearable and Mobile Computing 1 2 Ja
Sharing Community 1 2 Ja
Automatisierte / autonome Produktionssteuerung 1 2 Ja
Steigende Bauteilfunktionalitäten und -kosten 1 2 Teils
Steigende Datenübertragungsgeschwindigkeiten 1 2 Teils
IT-Sicherheit 1 2 Ja

Die detaillierten Zielvorstellungen der verschiedenen Fachbereiche sind in Tabelle 4.10 auf-
geführt.

85
4 Experteninterviews

Tabelle 4.10: Zielvorstellungen der verschiedenen Fachbereiche unter dem Einfluss von Indus-
trie 4.0
Fertigungsbereich Zielvorstellung
Presswerk

• Digitales Modell zur ganzheitlichen simulativen Bewertung


verschiedener Einflussparameter (verfügbar in 5 - 10 Jahren)

• Prädiktive Wartung und Instandhaltung sowie automatisierte


Qualitätssicherung, um bei hohen Stückzahlen die geforderte
Qualität sicherzustellen

• Mensch-Roboter-Kooperation in der Qualitätssicherung als


Übergangslösung

• Datenübertragungsgeschwindigkeit und verfügbare Rechen-


leistung sind Schlüsselfaktoren

Karosseriebau

• Sinkende Produktionsvolumina aufgrund wachsender Sharing


Community

• Integrationskonzepte weiterer Varianten in einem Produkti-


onssystem notwendig aufgrund sinkender Produktionsvolumi-
na je Variante

• Dynamische Aufgabenplanung und -verteilung bei Ausfall ein-


zelner Systemkomponenten zur Erhöhung der Anlagenrobust-
heit

• Durchgängige Vernetzung von Konstruktion bis Fertigung zur


ganzheitlichen Betrachtung von Änderungen

• Steigerung des Automatisierungsgrades durch den Einsatz di-


gitaler Bildverarbeitungstechnologien

• Beibehaltung der Beherrschbarkeit aufgrund der technischen


Komplexität ist notwendig

86
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Fertigungsbereich Zielvorstellung

Lackiererei

• Einsatz prädiktiver Analysemethoden zur Steigerung der An-


lagenverfügbarkeit und OEE

• Autonome Steuerung des Karosserienflusses (auch bei


Störungen)

• Autonome Lackierung und Fertigstellung von Karosserien

Vormontage

• Autonome Fehlermeldung ausgehend vom Produkt

• Adaption von Montageprozessen an gesteigerte technische


Produktkomplexität

• Design for Manufacturing bzw. montagefreundlichere Kon-


struktion

Kunststofffertigung

• Vereinfachte Fehlerhandhabung, um Verfügbarkeit und Ro-


bustheit zu erhöhen

• Steigerung der Transparenz im Produkt- und Materialfluss

Getriebefertigung

• Geringere Produktionsvolumina aufgrund Elektrifizierung

• Ganzheitliche Vernetzung der Fertigung

• Rollen- und kontextspezifische Informationsbereitstellung

• Verringerung hierarchiebedingter Informationsverluste (kein


privilegierter Informationsaustausch und -zugriff)

87
4 Experteninterviews

Fertigungsbereich Zielvorstellung

Presswerkzeugbau

• Automatisierte Steuerung der Produktion durch intelligente


Vernetzung von Systemen mit Prozessen und Hardwarekom-
ponenten

• Feedback-Schleife der Steuerungsparameter und -ergebnisse,


um Verbesserungen basierend auf Vergangenheitsdaten zu
ermöglichen (Machine Learning)

Fahrwerkfertigung

• Wirtschaftliche und produktspezifische Ziele (z.B. Gewichts-


reduzierung) weiter voran treiben

• Anpassung von Arbeitsplätzen aufgrund des demographi-


schen Wandels

• Transparenz im gesamten Produktionssystem inklusive rollen-


und kontextbasierter Informationsbereitstellung

• Automatisiertes Aufzeigen bei Nichterfüllung von Produkti-


onszielen

• Beschleunigte Problemlösung und zielgerichtete Optimierung


durch mehr Transparenz und stärkere Systemunterstützung,
um die Verfügbarkeit zu erhöhen

88
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

Fertigungsbereich Zielvorstellung

Gesamtfabrik

• Leichtbau

• Prädiktive Wartung und Eigendiagnose, um Technologiekom-


plexität entgegen zu wirken

• Sichere und robuste Fertigungsprozesse trotz hoher Fahrzeug-


komplexität

• Verstärkung der IT-Sicherheit in der Produktion, um Beein-


flussungsmöglichkeiten zu minimieren

• Steigerung der Prozesstransparenz durch detaillierte Darstel-


lung von Input-Output-Zusammenhängen

• Identifikation von Verschwendung und automatisierte Verfol-


gung

Generell wird deutlich, dass viele der beeinflussenden Trends bzw. Technologien in den Zielvor-
stellungen der Fertigungsbereiche verankert sind. Besonders relevant ist dabei die Erhöhung der
Reaktionsgeschwindigkeit mittels gesteigerter Transparenz, die durch eine ganzheitliche Vernet-
zung des Fertigungssystems erreicht werden kann. Basierend hierauf sollen rollen- und kontexts-
pezifische Informationen in Echtzeit zur Entscheidungsunterstützung bereitgestellt werden. Des
Weiteren spielt das Themenfeld der Datenanalyse und prädiktiven Analysen eine große Rolle
in den aufgezeigten Visionen. Ebenfalls steht die Automatisierung sowie teilweise die Autono-
misierung von Prozessen, insbesondere der Fertigungssteuerung, bei vielen Zielvorstellungen im
Fokus.

4.3.4 Identifizierte Handlungsbedarfe und Gesamtfazit


Zur Identifikation konkreter Handlungsbedarfe wird ein Abgleich relevanter Ergebnisse aus
Teil I, Teil II und Teil III im Hinblick auf die Kernaspekte der Zielvorstellungen vorgenommen.
Das Ziel ist es, Handlungsbedarfe abzuleiten, die den Ursachen heutiger Ineffizienzen entgegen-
wirken sowie zur Erreichung der Hauptaspekte aus den Zielvorstellungen beitragen. Hierdurch
können Maßnahmen bzw. Ansätze aus dem Kontext von Industrie 4.0 identifiziert werden, die
entscheidend sind für die zukünftige Automobilproduktion und daher in die anschließende Kon-
zeptentwicklung einfließen.

89
4 Experteninterviews

Basierend auf den genannten Ursachen für Produktivitätsverluste (vgl. Tabelle 4.1), Qua-
litätsmängel (vgl. Tabelle 4.2), Kostentreiber (vgl. Tabelle 4.3) sowie den benötigten Flexi-
bilitätsarten (vgl. Tabelle 4.4) können die wichtigsten Maßnahmen aus dem Themenfeld In-
dustrie 4.0 ermittelt werden. Hierzu werden jeweils die drei Punkte mit den höchsten Nen-
nungshäufigkeiten betrachtet. Aus der bereits in den Tabellen aufgeführten Zuordnung von
Industrie 4.0 Maßnahmen resultieren folgende Handlungsbedarfe:

• Assistenzsysteme zur Unterstützung des Mitarbeiters

• Geschlossene Qualitätsregelkreise

• Prädiktive Wartung

• Vertikale Integration (Transparenz und Durchgängigkeit im Planungsprozess)

• Horizontale Integration (Transparenz und Durchgängigkeit im Materialfluss)

• Serviceorientierung

• Automatisierung

• Bauteilidentifikation

• Variantenspezifische Adaption von Fertigungsanlagen

• Datenaustausch zwischen Maschinen und Bauteilen

Der Großteil der zugeordneten Maßnahmen zum Entgegenwirken der Ursachen für die Ineffizi-
enzen spiegelt sich ebenfalls in den meistgenannten Trends und Technologien wider. Neben dem
meistgenannten Trend der Vernetzung der Fertigung sind hier selbstregelnde Prozesses und Ei-
gendiagnose, Datenanalyse (Big Data), Leichtbau und Materialinnovationen, Automatisierung
sowie Elektromobilität weitere Trends mit hoher Relevanz. Die Trends Leichtbau und Ma-

terialinnovationen“und Elektromobilität“besitzen einen starken Produktbezug, weshalb diese

Trends bei der weiteren Betrachtung nicht miteinbezogen werden. Dennoch ist es wichtig das
Bewusstsein für die Auswirkungen von Produktinnovationen, z.B. elektrischen Antrieben, auf
die Produktion zu schärfen. Am Beispiel der Elektromobilität bedeutet die Einführung von
elektrischen Antrieben einen Anstieg der Variantenvielfalt in der Produktion. Zum anderen
werden zur Fertigung neuer Komponenten andere Prozessfähigkeiten benötigt, die zu einer
Komplexitätssteigerung in der Fertigung führen. Da der Variantenanstieg von allen beteiligten
Fertigungsbereichen bestätigt wurde und somit den größten Handlungsbedarf darstellt, werden
produktbezogene Trends dennoch indirekt berücksichtigt.

Als Kernaspekte der Zielvorstellungen (Visionen) wurden zuvor bereits folgende Themenaspekte
genannt:

90
4.3 Ergebnisse der Experteninterviews

• Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit durch gesteigerte Transparenz basierend auf einer


ganzheitlichen Vernetzung

• Bereitstellung von rollen- und kontextspezifische Informationen in Echtzeit zur Entschei-


dungsunterstützung

• Nutzung von Datenanalysen und prädiktiven Analysen zur Erschließung neuer Potenziale
und Verringerung von Ausfallzeiten

• Automatisierung bzw. (Teil-)Autonomisierung von Prozessen, insbesondere der Ferti-


gungssteuerung, zur Selbststeuerung

Ein Vergleich der Kernaspekte der Zielvorstellungen mit den Maßnahmen aus dem Themenfeld
Industrie 4.0 zeigt eine hohe Konformität auf, weshalb keine Ergänzungen bzw. Anpassungen
vorgenommen werden müssen. Im Fokus dieser Arbeit liegt die Entwicklung eines Fertigungs-
systems, das der steigenden Variantenvielfalt in der Fertigung gerecht wird. Daher liegen die
Schwerpunkte der folgenden Konzeptentwicklung auf der variantenspezifischen Adaption von
Fertigungsanlagen, autonomen Prozessabläufen und dem Informationsaustausch zwischen Ma-
schinen und Bauteilen.

91
5 Konzeptentwicklung
Die in Kapitel 4 identifizierten Handlungsbedarfe werden in diesem Kapitel aufgegriffen, die
Schwerpunkte der Konzeptentwicklung gesetzt und die entwickelten Konzepte für ein flexibles
und dezentral gesteuertes Fertigungssystem eingeführt und erläutert.

5.1 Handlungsbedarfe und Schwerpunkte der


Konzeptentwicklung
Das Ziel der Konzeptentwicklung ist die Entwicklung eines Konzeptes zur Gestaltung eines Fer-
tigungssystems, das die in Kapitel 4 aufgedeckten Handlungsbedarfe adressiert. Das allgemeine
Zielbild eines solches Fertigungssystems wird in der Literatur aus dem Kontext von Industrie
4.0 auch als Smart Factory bezeichnet, wie beispielsweise von Lucke et al. [70] und Zühlke [132]
beschrieben. In dem öffentlich vom Deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
geförderte Forschungsprojekt Smart Micro Factory für Elektrofahrzeuge mit schlanker Pro-

duktionssteuerung (SMARTFACE)“ [21], das in engem Zusammenspiel mit der vorliegenden
Arbeit durchgeführt wurde, wurde die konzeptionelle Grundlage eines dezentral gesteuerten
Fertigungssystems entwickelt.

Ausgehend von den Erkenntnissen aus Kapitel 4 liegt der größte Handlungsbedarf in der Ge-
staltung eines Fertigungssystems zur Herstellung variantenreicher Produkte und gegebenenfalls
sogar mehrerer verschiedener Produkte. Der in allen befragten Fertigungsbereichen vorhandene
Variantenanstieg führt bei in etwa gleichbleibenden Gesamtproduktionsvolumen zu sinkenden
Produktionsvolumen pro Produktvariante, weshalb eine Integration der verschiedenen Vari-
anten anstelle der Errichtung zusätzlicher Fertigungssysteme zur wirtschaftlichen Produktion
notwendig ist. Hierdurch steigt jedoch die Fertigungskomplexität signifikant an. Da heutige
Fertigungssysteme, insbesondere die Linienfertigung im Automobilbau, für die Herstellung von
großen Produktionsvolumen bei geringer Variantenvielfalt ausgelegt sind, resultieren aus dem
Komplexitätsanstieg Ineffizienzen. So führt beispielsweise die in der Layoutplanung vorgesehene
starre Verknüpfung der Prozesse dazu, dass in der Regel jedes Produkt jede Fertigungsstatio-
nen durchläuft. Bei einer hohen Variantenvielfalt wird jedoch der Fall eintreten, dass einige
Varianten zusätzliche Prozesse benötigen und ggf. auch einige der bisherigen Prozesse nicht
benötigen. Durch die starre Verknüpfung durchlaufen dennoch alle Varianten die gleichen Sta-
tionen, weshalb teilweise keine Verrichtungen vorgenommen werden. Es resultieren sogenannte
Leertakte. Zur Beseitigung dieses Problems wird die Auflösung der starren Verknüpfungen zwi-
schen einzelnen Prozessen angestrebt.

92
5.1 Handlungsbedarfe und Schwerpunkte der Konzeptentwicklung

Die gesteigerte Flexibilität solcher Fertigungssysteme bringt bereits bei der Auslegung der Fer-
tigungssysteme neue Herausforderungen mit sich. Bezüglich der Layoutplanung existieren we-
sentlich mehr Freiheitsgrade, da neben der Reihenfolge der Prozesse auch die Häufigkeit und
die räumliche Lage bestimmt werden müssen. Sowohl bei der Produktionsprogrammplanung
als auch bei der Fertigungssteuerung wird der Entscheidungsraum durch mehr Freiheitsgra-
de vergrößert. Die Fertigungssteuerung hat beispielsweise bei der Linienfertigung lediglich die
Sequenz, d.h. die Reihenfolge der Aufträge, als Freiheitsgrad. In flexiblen und dezentral gesteu-
erten Fertigungssystemen durchlaufen, wie bereits erwähnt, nicht alle Produkte einen starren
Materialflusspfad. Bochmann et al. [13] haben die Reihenfolgeflexibilität in der Automobilmon-
tage analysiert, die aus technischen Abhängigkeiten zwischen Prozessen resultiert. Ein beispiel-
haftes Ergebnis ist in Abbildung 5.1 dargestellt.

Abbildung 5.1: Ergebnis einer Analyse der Reihenfolgeflexibilität basierend auf technischen
Abhängigkeiten zwischen Prozessen in der Automobilmontage [13]

Die Darstellung zeigt einen Vorranggraphen, der technische Vorgänger- sowie Nachfolgerbezie-
hungen der einzelnen Prozesse visuell aufzeigt. Der dargestellte Vorranggraph verdeutlicht, dass
trotz des kritischen Pfades, dessen Prozesse zeitlich strenge Abhängigkeiten besitzen, viele Pro-
zesse eine technische Reihenfolgeflexibilität besitzen. Aus dieser Reihenfolgeflexibilität ergibt
sich, dass das gleiche Produkt bei verschiedenen Zuständen des Fertigungssystems, wie z.B. mit
und ohne eines Anlagenausfalls, mit einer unterschiedlichen Prozessreihenfolge gefertigt wer-
den kann. Darüber hinaus kann dieses ohne einen Einfluss auf die Durchlaufzeit des Produktes
geschehen, wenn keine Komplikationen bei Prozessen auf dem kritischen Pfad auftreten. Bezo-
gen auf den dargestellten Vorranggraphen besteht die Möglichkeit, dass die unter den Klustern

93
5 Konzeptentwicklung

Box A“ und Box B“ zusammengefassten Prozesse je nach Systemzustand zu verschiedenen


” ”
Startzeitpunkten durchgeführt werden. Diese zeitliche Flexibilität ist mit den grauen Pfeilen
als Reihenfolgeflexibilität gekennzeichnet.

Weitere Herausforderungen, die bei der Konzeptentwicklung berücksichtigt werden müssen, sind
die Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung. Beide Themen sind bei Fertigungssyste-
men mit starren Materialflusspfaden irrelevant. In flexiblen und dezentral gesteuerten Ferti-
gungssystemen sind diese Themen jedoch essentiell, da beide direkte Einflüsse auf die Trans-
portdauer und somit auf die Produktivität des Fertigungssystems besitzen.

Für die folgende Konzeptentwicklung sowie die weiteren Kapitel dieser Arbeit werden eini-
ge Informationen bzw. Daten als gegeben angenommen. Es wird davon ausgegangen, dass
das Produktionsszenario vollständig beschrieben ist, d.h., dass das Produktionsvolumen sowie
der Produktmix bekannt sind. Daraus folgt, dass das Produktvolumen pro Variante ebenfalls
gegeben ist. Des Weiteren sind die einzelnen Prozesszeiten, Materialbedarfe je Prozess und
die Vorranggraphen für alle Produktvarianten bekannt. Zur Sicherstellung eines einheitlichen
Verständnisses der Vorranggraphen ist an dieser Stelle eine kurze Erklärung notwendig. Ein Vor-
ranggraph (engl.: Precedence Graph) stellt Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen zwischen
Fertigungsprozessen dar. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind ausschließlich technische
Vorgänger- und Nachfolgerbeziehungen betrachtet, d.h., dass für den Fall, dass Prozess A ein-
ziger Vorgänger von Prozess B ist, Prozess B aufgrund technischer Restriktionen erst nach der
vollständigen Erledigung von Prozess A durchgeführt werden kann. Die einfachste Darstellung
eines Vorranggraphens ist ein UND-Graph, wie in Abbildung 5.2(a) dargestellt. Eine leicht kom-
plexere, jedoch häufig sinnvollere Darstellung bieten ODER-Graphen, wie in Abbildung 5.2(b)
dargestellt. Aus einem ODER-Graph sind beispielsweise direkt die möglichen Prozessreihenfol-
gen ersichtlich, die für die Fertigungssteuerung bzw. Maschinenbelegungsplanung relevant sind.
Beide Grapharten sind verlustfrei ineinander überführbar.

5.2 Gesamtkonzept eines flexiblen und dezentral gesteuerten


Fertigungssystems
Wie bereits zuvor erwähnt, wurde das Grundkonzept der flexiblen und dezentral gesteuerten
Fertigung im Rahmen des Forschungsprojekts SMARTFACE [21] erarbeitet. Da die Zielsetzung,
wie auch in dieser Arbeit, auf die Beherrschbarkeit einer hohen Variantenvielfalt innerhalb eines
Fertigungssystems ausgerichtet ist, wird dieses Konzept im Folgenden erklärt. Abbildung 5.3
visualisiert die grundlegenden Ansätze eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssys-
tems.
Die Hauptcharakteristika eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems sind, wie

94
5.2 Gesamtkonzept eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

(a) UND-Graph (b) ODER-Graph

Abbildung 5.2: Beispielhafte Darstellungen eines Vorranggraphens mit technischen Vorgänger-


und Nachfolgerbeziehungen als (a) UND-Graph und (b) ODER-Graph

in Abbildung 5.3 aufgezeigt:

• Räumlich verteilte Fertigungszellen mit erweiterten Prozessfähigkeiten:


Als Kernpunkt zur Abbildung einer höheren Varianten- bzw. Produktvielfalt innerhalb
eines Fertigungssystems wird eine räumliche Verteilung der Fertigungszellen ohne starre
Materialflusspfade vorgesehen. Des Weiteren besitzen die Fertigungszellen erweiterte Pro-
zessfähigkeiten, d.h., dass in einer Fertigungszelle mehr als nur ein Prozess durchgeführt
werden kann. Hierdurch kann ein Prozess häufiger als nur ein Mal in dem Fertigungssys-
tem vorkommen, wodurch die Routingflexibilität des Systems sowie auch die Robustheit
gegenüber Anlagenausfällen erhöht werden.

• Flexible und nicht vordefinierte Materialflusspfade der Produkte:


In heutigen Fertigungssystemen durchläuft jedes Produkt einer Produktvariante oder so-
gar jedes Produkt die gleiche Fertigungssequenz. Die Prozessreihenfolge ist dabei durch
die Anordnungsreihenfolge der Stationen vorgegeben. Für den Fall, dass verschiedene
Produktvarianten gänzlich unterschiedliche Prozesse benötigen, durchlaufen dennoch alle
Produkte die gleichen Stationen, obwohl einige Varianten nicht alle Stationen durchlau-
fen müssten. Aus diesem Grund werden in dem vorgestellten Konzept flexible und nicht
vordefinierte Materialflusspfade eingeführt. Theoretisch ist es somit möglich, dass jedes
Produkt - basierend auf dem aktuellen Systemzustand - einen individuellen Materialfluss-
pfad durch das Fertigungssystem wählt.

• Autonome Materialflusseinheiten für Materialien und Produkte:


Zur Ermöglichung der beiden zuvor genannten konzeptionellen Aspekte werden autonome

95
5 Konzeptentwicklung

Abbildung 5.3: Das Konzept eines dezentral gesteuerten Fertigungssystems wird charakterisiert
durch (1) räumlich verteilte Fertigungszellen mit erweiterten Prozessfähigkeiten,
(2) flexible und nicht vordefinierte Materialflusspfade der Produkte, (3) auto-
nome Materialflusseinheiten für Materialien und Produkte und (4) die Kommu-
nikationsfähigkeit aller Fertigungseinheiten in Echtzeit, modifiziert von [21]

Materialflusseinheiten für sowohl Materialien als auch Produkte benötigt. Hiermit wer-
den flexible Transportwege innerhalb des Fertigungssystems realisiert und ein weiterer
Handlungsbedarf aus Kapitel 4 adressiert. Die genannte Automatisierung bzw. (Teil-)-
Autonomisierung von Prozessen zur Selbststeuerung, insbesondere der Fertigungssteue-
rung, benötigt ebenfalls individuelle Materialflusseinheiten für jedes Produkt. Somit stellt
die Nutzung von Fahrerlosen Transportsystemen (FTS) eine Grundvoraussetzung für die
autonome Fertigungssteuerung dar.

• Kommunikationsfähigkeit aller Fertigungs- und Transporteinheiten:


Die vierte Hauptcharakteristik ist die Kommunikationsfähigkeit aller Fertigungs- und
Transporteinheiten nahe Echtzeit. Hierdurch wird die Transparenz über den System-
zustand erhöht und die Basis für Optimierungen anhand des gegenwärtig vorliegenden
Systemzustands gebildet.

Fertigungssysteme basierend auf diesen vier genannten Hauptcharakteristika bieten einige Vor-
teile, die im Folgenden qualitativ beschrieben werden. Durch die Erweiterungen der Prozess-

96
5.2 Gesamtkonzept eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

fähigkeiten der verschiedenen Fertigungszelle wird die Robustheit des Fertigungssystems ge-
genüber Anlagenausfällen erhöht. Des Weiteren ist es durch die Aufhebung starrer Materialfluss-
beziehungen bereits möglich, mittels punktueller Prozessoptimierungen die Leistungsfähigkeit
des Gesamtsystems zu verbessern. Verglichen mit Fertigungsarten, die starre Verknüpfungen
besitzen, kann somit die zielgerichtete Einführung von Prozess- und/oder Technologieinno-
vationen an einzelnen Fertigungsstationen das Gesamtsystem optimieren. Bei der klassischen
Linienfertigung hingegen müssen Optimierungen entlang der gesamten Linie durchgeführt wer-
den, um Gesamtverbesserungen zu erzielen. Hieraus resultiert als weiterer Vorteil, dass die
Erprobung neuer Technologien und Prozesse in flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungs-
systemen wesentlich risikoärmer ist, da durch die gesteigerte Robustheit des Gesamtsystems
und die flexiblen Materialflusspfade selbst bei Fehlschlag einer Erprobung weiterhin produziert
werden kann. Ein weiterer Vorteil liegt in der Möglichkeit der dynamischen und adaptiven Lay-
outplanung. Es kann eine dynamische und adaptive Layoutplanung bezogen auf die Nachfrage
stattfinden, d.h., dass das Layout im zeitlichen Verlauf, z.B. nach einer Planungsperiode, an
sich ändernde Marktnachfragen angepasst wird. Die Anpassungen können zum einen durch das
Hinzufügen oder Entfernen einzelner Prozessfähigkeiten von Fertigungsstationen und zum an-
deren durch das Hinzufügen oder Entfernen von ganzen Fertigungsstationen vollzogen werden.
Im Vergleich zur Linienfertigung, die für eine maximale Kapazität ausgelegt wird und anschlie-
ßend die Investmentkosten direkt zu Produktionsbeginn für die gesamte Kapazität investiert
werden, kann die Kapazität eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems dy-
namisch adaptiert werden und benötigt lediglich die zu der aktuellen Kapazität zugehörigen
Investmentkosten.

Die Konzepte zukünftiger Fertigungssysteme, wie z.B. der Smart Factory, werden in der Li-
teratur ausschließlich qualitativ beschrieben. Ein Grund für die fehlende Quantifizierung der
Konzepte bzw. derer Vorteile ist der Mangel an ganzheitlichen Methoden zur Auslegung sol-
cher Fertigungssysteme. Flexible und dezentral gesteuerte Fertigungssysteme implizieren höhere
Freiheitsgrade im Bereich der Layoutplanung, Fertigungssteuerung (Maschinenbelegungspla-
nung) und der Transportwegplanung. Zusätzlich existieren zwischen diesen Themen größere
Abhängigkeiten, weshalb eine isolierte Betrachtung nicht sinnvoll ist. In den folgenden Ab-
schnitten werden die Konzepte für die Layoutplanung, Fertigungssteuerung und Transport-
wegplanung in flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen vorgestellt und deren
Zusammenhänge aufgezeigt. In Kapitel 6 sind diese Zusammenhänge aufgegriffen und es wird
eine integrative Betrachtung der Layoutplanung, Maschinenbelegungsplanung und Transport-
wegplanung in einer Simulation zur Erzielung einer ganzheitlichen Gestaltung und Optimierung
eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems aufgezeigt.

97
5 Konzeptentwicklung

5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten


Fertigungssystems
Die Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems verfolgt weiter-
hin die klassischen Ziele der Layoutplanung, wie sie in Unterabschnitt 2.3.1 bereits beschrieben
sind. Ein Hauptkriterium zur Bildung eines Layouts ist die verfügbare Fertigungskapazität. Die-
se wird maßgeblich durch die Layoutplanung bestimmt, da die Anzahl an Fertigungsstationen
sowie auch die Prozesshäufigkeiten bei der Layoutplanung festgelegt werden. Grundsätzlich
müssen vier Parameter für das Layout eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungs-
systems durch den Layoutplanungsprozess bestimmt werden. Erster Parameter ist die Anzahl
an benötigten Fertigungsstationen. Als zweiter Parameter ist die Häufigkeit der verschiedenen
Prozesse innerhalb des Fertigungssystems zu bestimmen. Der dritte Parameter ist die Vertei-
lung der benötigten Prozesse auf den benötigten Fertigungsstationen. Der vierte Parameter
ist schließlich die räumliche Anordnung der Fertigungsstationen samt ihrer Prozesse auf dem
Shopfloor. Die Art und Weise der räumlichen Anordnung zielt auf die Minimierung der Trans-
portaufwände bzw. -kosten innerhalb des Fertigungssystems ab.

Bei der Ermittlung des optimalen Layouts für ein gegebenes Produktionsszenario müssen einige
Rahmenbedingungen eingehalten bzw. beachtet werden. Zum einen ist es aus praktischer Sicht
nicht möglich, beliebige Prozesse in einer Fertigungsstation zu kombinieren. Ein Grund hierfür
ist, dass die Bearbeitungen unterschiedliche räumliche Lagen des Produkts benötigen, aber
aus Kostengründen keine technische Möglichkeit zur Neuausrichtung der räumlichen Lage des
Produkts in der Fertigungsstation vorhanden ist. Ebenfalls kann es nicht sinnvoll sein, Prozes-
se mit vollständig unterschiedlichen Werkzeugbedarfen zu kombinieren. Zur Abbildung dieser
Restriktionen werden Prozesskompatibiltäten eingeführt, die in einer Kompatibilitätsmatrix
zusammengefasst werden, mittels derer die Möglichkeit der Kombination von Prozessen auf der
gleichen Fertigungsinsel beschrieben wird.
Zum anderen werden Rahmenbedingungen für die räumliche Anordnung der Stationen benötigt,
damit beispielsweise Abstandsrestriktionen eingehalten werden, die die Befahrbarkeit der Zwi-
schenräume mittels FTS sicherstellen. Aus diesem Grund greift das Konzept der Layoutplanung
auf die Methodik des modifizierten Dreiecksverfahrens nach Schmigalla [92] zurück. Hierbei
wird die verfügbare Fläche in ein Dreiecksgitter unterteilt, an dessen Kreuzungspunkten sich
potentielle Standorte der Fertigungsstationen befinden. Somit wird der Lösungsraum für die
räumliche Anordnung der Stationen eingeschränkt, wodurch der Lösungsalgorithmus weniger
Rechenoperationen durchführen muss.

Insgesamt wurde ein siebenstufiges Konzept für die Layoutplanung eines flexiblen und dezen-
tral gesteuerten Fertigungssystems entwickelt, welches in Zusammenarbeit mit Zunino [133]
entstanden ist. Eine Übersicht der notwendigen Schritte ist in Abbildung 5.4 dargestellt. In den

98
5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

folgenden Unterabschnitten wird das Konzept der Layoutplanung schrittweise erläutert und
auch das modifizierte Dreiecksverfahren nach Schmigalla [92] an gegebener Stelle detaillierter
beschrieben.

Abbildung 5.4: Ablaufdiagramm des siebenstufigen Konzepts zur Layoutplanung eines flexiblen
und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

Schritt 1 - Kompatibilitätsmatrix
In einem ersten Schritt und als Grundlage für die weiteren Schritte der Layoutplanung wird die
Kompatibilitätsmatrix zwischen den Prozessen, die in der Datengrundlage enthalten sind, er-
stellt. Wie bereits zuvor erwähnt, werden hiermit zulässige und unzulässige Kombinationen von
Prozessen innerhalb einer Fertigungsstation definiert. Es handelt sich hierbei um eine symme-
trische Matrix, bei der in den Zeilen und Spalten die im Fertigungssystem benötigten Prozesse
stehen. In der Praxis sollte dieser Schritt durch die Technologieplanung sowie auch unter Ein-
bezug der Werker stattfinden, damit eine praxisorientierte Lösung generiert werden kann. Eine
beispielhafte Kompatibilitätsmatrix für fünf Prozesse ist in Tabelle 5.1 abgebildet.
Die Felder der Kompatibilitätsmatrix sind mit 0“ oder 1“ gefüllt. Eine Eins bedeutet hierbei,
” ”
dass die Prozesse der zugehörigen Zeile und Spalte kompatibel sind, d.h. gemeinsam einer Fer-
tigungsstation zugeordnet werden können. Eine Null bedeutet dementsprechend die Inkompati-
bilität der Prozesse der zugehörigen Zeile und Spalte. Die Diagonale der Kompatibilitätsmatrix
enthält keine Informationen, da davon ausgegangen wird, dass ein und der selbe Prozess nicht

99
5 Konzeptentwicklung

Tabelle 5.1: Beispielhafte Kompatibilitätsmatrix für fünf Prozesse zur Festlegung von zulässigen
und unzulässigen Prozesskombinationen innerhalb einer Fertigungsstation
Prozesse 1 2 3 4 5

1 1 0 1 0
2 1 0 1 1
3 0 0 1 0
4 1 1 1 1
5 0 1 0 1

mehrfach einer Fertigungsstation zugeordnet werden kann. Die Auflösung dieser Annahme ist
durch die Eintragung von Einsen auf der Diagonale durchführbar.

Schritt 2 - Fertigungssequenzen
Im zweiten Schritt werden für jede Produktvariante alle möglichen Fertigungssequenzen bzw.
Prozessreihenfolgen ermittelt. Auch dieser Schritt ist ein vorbereitender Schritt, der auf Infor-
mationen des Produktionsszenarios, genauer die Produktinformation, zurückgreift. Hierzu wird
der bereits zuvor in Abbildung 5.2(a) dargestellte Vorranggraph in Form eines UND-Graphens
in die ebenfalls zuvor beschrieben, in Abbildung 5.2(b) dargestellte Form des ODER-Graphens
überführt. Die Vorteile der zweitgenannten Graphenart sind, dass zum einen alle möglichen
Fertigungssequenzen direkt ersichtlich sind, und zum anderen jede Kante lediglich ein Mal
überquert wird, wodurch Graphensuchen und ähnliche Verfahren besser anwendbar sind.

Schritt 3 - Transportintensitäten zwischen Prozessen je Produktvariante


Die Berechnung der Transportintensitäten zwischen Prozessen je Variante basiert auf den zu-
vor in Schritt 2 ermittelten möglichen Fertigungssequenzen. Da die Fertigungsabläufe eines
dezentral gesteuertes Fertigungssystem bis zu einem gewissen Maße von den Zuständen der
Subsysteme und von lokalen Entscheidungen basierend auf diesen Zuständen fundiert, ist es
nicht möglich die exakten Transportintensitäten zwischen verschiedenen Prozessen im Voraus
zu ermitteln. Fällt beispielsweise ein Prozess unerwartet aus, so verändern sich seine Trans-
portintensitäten mit anderen Prozessen, da andere Fertigungssequenzen durchlaufen werden.
Dennoch ist es wichtig, bereits in der frühen Phase der Layoutplanung die Transportintensitäten
so genau wie möglich abzuschätzen. Durch diese Informationen werden Wahrscheinlichkeiten
abgebildet, mit denen die Häufigkeit des Durchlaufens einer bestimmten Fertigungssequenz der
jeweiligen Produkte beschrieben wird.

Um für ein Produkt die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer bestimmten Fertigungssequenz be-

100
5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

rechnen zu können, werden die Bearbeitungszeiten der jeweiligen Prozesse benötigt. Für die
folgenden Berechnungen werden die in Tabelle 5.2 aufgeführten Fertigungszeiten angenommen
und der in Abbildung 5.2(b) dargestellte Vorranggraph als Grundlage verwendet.

Tabelle 5.2: Beispielhafte Fertigungszeiten der verschiedenen Prozesse, die im Folgenden für
Beispielrechnungen verwendet werden

Prozess Fertigungszeit
𝑡𝑖 [min.]
1 1
2 1
3 2
4 3
5 1

Die grundlegende Annahme bei der Berechnung der Transportintensitäten ist, dass unendliche
Puffer vorliegen, d.h., dass keine Blockaden vorliegen und die Stationen immer direkt belegt
werden. Unter diesen Annahmen wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit 𝑝𝑖 , mit
der ein Produkt aus einem Vorgängerprozess zu Prozess 𝑖 kommt,
1
𝑝𝑖 = ∑︀𝑛 𝑡𝑖
1 (5.1)
𝑘=1 𝑡𝑘

entspricht, wobei n die Anzahl an parallelen Prozessen zu Prozess 𝑖 aus dem zugehörigen Vor-
ranggraphen ist. Diese Berechnung wird für jeden Prozess des Vorranggraphens einer Variante
ausgeführt. Anschließend ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit einer gesamten Fertigungsse-
quenz, d.h. eines Pfades des Vorrangraphens, zu ermitteln. Hierzu werden alle Wahrscheinlich-
keiten 𝑝𝑖 der in der Fertigungssequenz 𝐹𝑗 enthaltenen Prozesse, d.h. alle Prozesse entlang des
Pfades durch den Graphen, multipliziert. Die Wahrscheinlichkeit einer Fertigungssequenz 𝐹𝑗
entspricht somit

𝑁
𝑝𝐹𝑗 = (5.2)
∏︁
𝑝𝑖 .
𝑖=1,
𝑖∈𝐹𝑗

Durch die Anwendung von Gleichung 5.1 und Gleichung 5.2 auf das betrachtete Beispiel mit
den Fertigungszeiten aus Tabelle 5.2 und dem Vorranggraph aus Abbildung 5.2(b) ergeben sich
die in Tabelle 5.3 aufgeführten Wahrscheinlichkeiten der jeweiligen Fertigungssequenzen. Die
Fertgiungssequenzen entsprechen den Pfaden des Vorranggraphens von oben nach unten fol-
gend.

Nachdem diese Berechnung für alle möglichen Fertigungssequenzen und für alle Produktvari-
anten durchgeführt wurde, können die Transportintensitätsmatrizen für die Prozesse je Pro-

101
5 Konzeptentwicklung

Tabelle 5.3: Ermittelte Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Fertigungssequenzen für das in


diesem Kapitel angenommene Beispiel

Fertigungssequenz Prozessreihenfolge Wahrscheinlichkeit


𝐹𝑗 Pfad 𝑝𝐹𝑗 [%]
𝐹1 1 → 2 → 3 → 4 → 5 33
𝐹2 1 → 2 → 4 → 3 → 5 22
𝐹3 1 → 3 → 2 → 4 → 5 20
𝐹4 1 → 3 → 4 → 2 → 5 7
𝐹5 1 → 4 → 2 → 3 → 5 12
𝐹6 1 → 4 → 3 → 2 → 5 6

duktvariante ermittelt werden. Die Matrizen besitzen erneut in den Zeilen sowie Spalten alle
Prozesse der jeweils zugehörigen Produktvariante, weshalb es sich um quadratische Matrizen
handelt. Die Matrizen geben Auskunft über die Wahrscheinlichkeit, mit der Produkte, die gera-
de den Prozess aus der zugehörigen Zeile abgeschlossen haben, als nächstes durch den Prozess
aus der zugehörigen Spalte bearbeitet werden. Die jeweiligen Materialflussanteile einer Produkt-
variante zwischen den verschiedenen Prozessen werden somit abgebildet. Die Multiplikation der
Matrizen mit den Produktvolumen der jeweils zugehörigen Produktvariante ergeben schließlich
die Menge an Produkten der Variante, die zwischen den verschieden Prozessen transportiert
werden. Für das bereits zuvor betrachtete Beispiel bestehend aus den Fertigungszeiten aus Ta-
belle 5.2 und dem Vorranggraph aus Abbildung 5.2(b) resultiert die in Tabelle 5.4 aufgeführte
Intensitätsmatrix je Prozess und Produktvariante.

Tabelle 5.4: Transportintensitätsmatrix je Prozess und Produktvariante für das betrachtete Bei-
spiel bestehend aus den Fertigungszeiten aus Tabelle 5.2 und dem Vorranggraph
aus Abbildung 5.2(b)
Prozess 1 2 3 4 5

1 33% + 22% 20% + 7% 12% + 6% 0

2 0 33% + 12% 22% + 20% 7% + 6%

3 0 20% + 6% 33% + 7% 22% + 12%

4 0 7% + 12% 22% + 6% 33% + 20%

5 0 0 0 0

102
5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

Schritt 4 - Gesamttransportintensitäten zwischen Prozessen


Als nächster Schritt wird aus den zuvor berechneten Transportintensitätsmatrizen je Prozess
und Produktvariante die Gesamttransportintensitätsmatrix der Prozesse ermittelt. Hierzu wer-
den die einzelnen Transportintensitätsmatrizen je Prozess für alle Produktvarianten addiert.
Entscheidend ist, dass hierbei der Produktmix berücksichtigt wird. Daher müssen vor der Ad-
dition die einzelnen Matrizen mit den Produktionsvolumen der zugehörigen Produktvariante
multipliziert werden. Des Weiteren können die zu addierenden Transportintensitätsmatrizen
unterschiedliche Größen aufweisen. Daher muss bei der Addition darauf geachtet werden, dass
das elementweise Addieren korrekt abläuft. Anschließend enthält die Gesamttransportinten-
sitätsmatrix die erwarteten Mengen an Produkten, die für den zu produzierenden Produktmix
zwischen den verschiedenen Prozessen transportiert werden müssen.

Schritt 5 - Transportintensitäten zwischen Stationen


Nachdem die Gesamttransportintensitäten zwischen den verschiedenen Prozessen unter Be-
rücksichtigung des Produktmixes ermittelt sind, müssen nun die Transportintensitäten zwischen
den Stationen ermittelt werden. Dieser weitere Schritt ist notwendig, da die bisher errechneten
Transportintensitäten nicht einfach übertragen werden können, da zum einen Stationen meh-
rere Prozessfähigkeiten besitzen können und zum anderen Prozessfähigkeiten häufiger als ein
Mal in dem Fertigungssystem vorkommen können. Diese beiden Gründe haben direkte Auswir-
kungen auf die Berechnung der Transportintensitäten und müssen daher mit einbezogen werden.

Zur Einbeziehung der Möglichkeit von Prozessduplikaten innerhalb des Fertigungssystems muss
die Anzahl möglicher Materialflusspfade zwischen dem betrachteten Prozesspaar ermittelt wer-
den. In einem iterativen Prozess wird jedes Feld der aus Schritt 4 resultierenden Gesamttrans-
portintensitätsmatrix durchlaufen. Für den Fall, dass eine Duplikation eines oder beider Pro-
zesse des zu dieser Zelle zugehörigen Prozesspaares vorhanden ist, wird die Anzahl möglicher
Materialflusspfade 𝑛𝐷𝑢𝑝𝑙𝑖𝑘𝑎𝑡 durch

𝑛𝐷𝑢𝑝𝑙𝑖𝑘𝑎𝑡 = 𝑛𝑝1 · 𝑛𝑝2 (5.3)

ermittelt, wobei 𝑛𝑝1 die Prozesshäufigkeit von Prozess 1 und 𝑛𝑝2 die Prozesshäufigkeit von
Prozess 2 im gesamten Fertigungssystem sind. Der zugehörige Eintrag in der Gesamttransport-
intensitätsmatrix wird nun mit dem Faktor 𝑛𝐷𝑢𝑝𝑙𝑖𝑘𝑎𝑡
1
multipliziert, um die Transportintensität
zwischen diesen Prozessen aufgrund der Verteilung auf mehrere mögliche Materialflusspfade zu
korrigieren.

Die Einbeziehung der Erweiterungsmöglichkeit der Prozessfähigkeiten einer Station, d.h., dass
mehrere Prozesse einer Station zugeordnet werden können, ist komplexer als die zuvor beschrie-

103
5 Konzeptentwicklung

bene Einbeziehung von Prozessduplikationen. Für diesen Schritt muss die Matrix, die bisher in
den Zeilen als auch Spalten die Prozesse eingetragen hat, in eine Matrix bestehend aus den Sta-
tionen in den Zeilen und Spalten überführt werden. Es entsteht somit erneut eine quadratische
Matrix, auf deren Hauptdiagonale keine Einträge vorhanden sind, da innerstationäre Trans-
porte zwischen Prozessen der gleichen Station vernachlässigt werden. Diese Information gibt
Auskunft darüber, ob bzw. wie viele Prozesse einer Station unmittelbar hintereinander an einem
Produkt durchgeführt werden können. Eine Maximierung dieser innerstationären Transportin-
tensität könnte gegebenfalls sinnvoll sein, damit möglichst viele Prozesse ohne das Produkt zu
wechseln nacheinander ausgeführt werden können. In diesem Konzept sind die innerstationären
Transportintensitäten jedoch erstmal vernachlässigt. Zur Bestimmung der Transportintensität
der jeweiligen Stationspaare wird ermittelt zwischen welchen Prozessen der einen Station des
Paares Transportbeziehungen zu Prozessen der anderen Station des Paares vorhanden sind. Für
jede dieser Transportbeziehungen wird der zugehörige Eintrag aus der Gesamttransportinten-
sitätsmatrix der Prozesse herangezogen und es wird die Summe über alle vorhanden Transport-
beziehungen gebildet. Dieses Vorgehen wird für jede Zelle der Transportintensitätsmatrix der
Stationen wiederholt.

Schritt 6 - Dreiecksverfahren
Nachdem die Transportintensitäten zwischen den verschiedenen Fertigungsstationen bestimmt
wurden, ist es nun möglich die Positionierung der Fertigungsstationen mit dem Optimierungsziel
der Minimierung von Transportkosten durchzuführen. Die Transportkosten 𝐾𝑇 werden aus
der Transportintensität 𝐼𝑇 , dem Transportweg 𝑑 und einem festen Transportkostensatz pro
Transportweg 𝑘𝑇 berechnet. Somit ergeben sich die Transportkosten als

𝐾𝑇 = 𝐼𝑇 · 𝑑 · 𝑘𝑇 . (5.4)

Die Positionierung der Fertigungsstationen im Raum basiert auf dem modifizierten Dreiecks-
verfahren nach Schmigalla [92]. Bei diesem Verfahren wird die Fertigungsfläche mittels eines
Dreiecksgitters aus gleichschenkligen Dreiecken unterteilt. Die jeweiligen Kreuzungspunkte an
den drei Spitzen der Dreiecke stellen die potentiellen Positionen für die anzuordnenden Ferti-
gungsstationen dar. Das verwendete Dreiecksgitter ist im Vergleich zu einem normalen Kreuz-
gitter besser geeignet, da durch dies Unterteilung eine Position im Normalfall sechs äquidistante
Nachbarpositionen besitzt, wie in Abbildung 5.5(a) dargestellt. Bei einem Kreuzgitter beträgt
die Anzahl äquidistanter Nachbarn nur vier (vgl. Abbildung 5.5(b)).
Das adaptierte und in dieser Arbeit entwickelte Verfahren startet zunächst mit der Erzeugung
eines Kreuzgitters, wobei die Schenkellänge der Dreiecke vorzugeben ist. Als Resultat sind die
potentiellen Positionen für die Fertigungsstationen bekannt. Anschließend wird die Transport-
intensitätsmatrix der Stationen analysiert und basierend auf der Analyse werden die zu platzie-
renden Stationen ausgewählt. Generell wird bei der Analyse iterativ vorgegangen. Da zu Beginn

104
5.3 Layoutplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

(a) Dreiecksgitter (b) Kreuzgitter

Abbildung 5.5: Vergleich zwischen der Unterteilung der Fertigungsfläche mittels (a) eines Drei-
ecksgitters aus gleichschenkligen Dreiecken und (b) eines Kreuzgitters. Die grau-
en Punkte stellen potentielle Positionen für Fertigungsstationen dar, die jeweils
betrachtete Position ist in grün und die äquidistanten Nachbarn zu der betrach-
teten Position sind in blau dargestellt

des Verfahren noch keine Station platziert ist, weicht der erste Iterationsschritt etwas von den
folgenden ab. Im ersten Schritt wird das Stationspaar mit der maximalen Transportintensität
ausgewählt und nebeneinander platziert. Hierzu wird das maximale Element aus der Transport-
intensitätsmatrix der Stationen ermittelt und das zugehörige Stationspaar ausgewählt. Damit
möglichst viele Nachbarn zu diesen Stationen existieren und nicht bereits zu Beginn des Verfah-
rens Randeffekte durch physische Begrenzungen der Fertigungsfläche die räumliche Anordnung
beeinflussen, werden die beiden ersten Stationen mittig positioniert. Sollte der Fall eintreten,
dass die maximale Transportintensität bei mehr als einem Stationspaar auftritt, wird als zwei-
tes Entscheidungskriterium die Anzahl an Flussbeziehungen zu anderen Stationen analysiert
und das Stationspaar mit der höheren Anzahl ausgewählt.
In den anschließenden Iterationsschritten wird jeweils die Station mit der maximalen Transport-
intensität zu den bereits platzierten Stationen als nächstes platziert. Sollte der Fall eintreten,
dass mehr als eine Station die maximale Transportintensität zu den bereits platzierten Statio-
nen besitzt, wird erneut als zweites Entscheidungskriterium die Anzahl an Flussbeziehungen der
Stationen mit den anderen bereits platzierten Stationen angewendet und die Station, aus der
Menge der Stationen mit der gleichen maximalen Transportintensität, mit den meisten Flussbe-
ziehungen positioniert. Anschließend an die jeweilige Auswahl der zu positionierenden Station
muss noch aus den potentiellen Positionen die optimale ermittelt werden. Hierbei kommen al-
le Nachbarpositionen der bereits platzierten Stationen in Frage. Die optimale Position weist
zu den Stationen, mit denen die zu positionierende Station Flussbeziehungen besitzt, minima-
le Transportkosten auf. Die Transportkosten zu den verschiedenen Stationen werden mittels
Gleichung 5.4 berechnet. Da der Transportkostensatz pro Transportweg 𝑘𝑇 konstant ist, wird
dieses Produkt maßgeblich durch das Produkt aus der Distanz und der über diese Distanz zu
transportierenden Gütermenge beeinflusst. Die Nachbarposition, deren Transportkostensumme

105
5 Konzeptentwicklung

- bezogen auf Transporte mit allen bereits platzierten Stationen - minimal ist, wird als Position
ausgewählt.

Schritt 7 - Systematische Optimierung


Die zuvor beschriebenen Schritte sind notwendig, um abschließend mittels einer systematischen
Optimierung ein Layout für das gegebene Produktionsszenario zu ermitteln. Als Optimierungs-
verfahren wird hierbei ein genetischer Algorithmus verwendet. Die allgemeine Funktionsweise
von genetischen Algorithmen wurde bereits in Unterabschnitt 2.3.5 ausführlich beschrieben. In
den folgenden Absätzen wird die problemspezifische Anwendung eines GA auf das vorliegen-
de Layoutoptimierungsproblem aufgezeigt. Die Verwendung eines genetisches Algorithmus für
das vorliegende Optimierungsproblem ist damit begründet, dass genetische Algorithmen die
Fähigkeit besitzen, große Lösungsräume effizient abzusuchen [37]. Außerdem liegt initial nur
geringfügiges Wissen über die optimale Lösung des Problems vor, weshalb der Lösungsraum
nicht weiter eingegrenzt werden kann. Die Eigenschaft von genetischen Algorithmen schwach-
strukturierte, nicht näher definierbare komplexe Probleme zu lösen ist ein weiteres Argument
für die Verwendung eines genetischen Algorithmus [30].

Das entwickelte Konzept zur Layoutoptimierung wendet den genetischen Algorithmus für die
Ermittlung von der optimalen Anzahl an Fertigungsstationen sowie der optimalen Verteilung
der Prozessfähigkeiten auf diesen an. Die Positionierung der verschiedenen Stationen in dem
vorhandenen Raum wird weiterhin, wie im vorigen Schritt beschrieben, durch die Anwendung
des Dreiecksverfahrens vorgenommen. Bei dem für das vorliegende Layoutoptimierungspro-
blem konzipierten genetischen Algorithmus werden binär codierte Chromosomen verwendet.
Jedes Chromosom wird somit durch eine Folge aus Binärvariablen definierter Länge gebil-
det und repräsentiert eine vollständige Layoutvariante. In einer Population enthält also jedes
Chromosom bzw. Individuum die vollständigen Informationen über die Stationsanzahl und die
Prozessverteilung im Fertigungssystem. Zur Erklärung des Aufbaus der Chromosomen wird
ein Beispielchromosom 𝑝𝑖 herangezogen. Eine Layoutlösung mit n Stationen und insgesamt m
Prozessen wird durch das Beispielchromosom

𝑝(𝑖) = 𝑔11 𝑔12 · · · 𝑔1𝑚 𝑔21 𝑔22 · · · 𝑔2𝑚 · · · 𝑔𝑛1 𝑔𝑛2 · · · 𝑔𝑛𝑚 (5.5)
⏟ ⏞ ⏟ ⏞ ⏟ ⏞
Station 1 Station 2 Station n

repräsentiert. Ein Chromosom besteht wiederum aus n · m Genen 𝑔𝑘𝑙 , wobei der Index k die Zu-
ordnung zu den Fertigungsstationen und der Index l die Zuordnung zu den Prozessen darstellen.
Die Gene enthalten die Werte

⎨1

, wenn die Station k den Prozess l ausführen kann, oder
𝑔𝑘𝑙 = (5.6)
⎩0

, wenn die Station k den Prozess l nicht ausführen kann.

106
5.4 Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

Für jedes Chromosom einer Population wird die Zulässigkeit geprüft. Ein Chromosom ist
zulässig, wenn es alle Randbedingungen erfüllt. Bei dem betrachteten Layoutproblem ist ein
Chromosom zulässig, wenn zum einen jeder vom Produktpool benötigte Fertigungsprozess min-
destens ein Mal in der Layoutlösung enthalten ist und zum anderen die Verteilung der Prozesse
auf den Fertigungsstationen die Kompatibilitätsmatrix vollständig berücksichtigt.

Basierend auf den im genetischen Algorithmus abgebildeten Stationen werden die zuvor er-
klärten Schritte 5 und 6 ausgeführt, da die Transportintensitäten zwischen den Stationen von
der Stationsbildung abhängen und auch für die Anwendung des Dreiecksverfahrens Stationen
vorhanden sein müssen. Anschließend werden die Chromsomen bewertet, d.h. die Güte der ent-
sprechenden Layoutlösung wird quantifiziert. Die Güte wird auch Fitness eines Chromosoms
genannt und wird mittels einer gewichteten multikriteriellen Fitnessfunktion, die häufig auch
als Zielfunktion bezeichnet wird, ermittelt. Die für die Berechnung der Fitness benötigten Kri-
terien entsprechen Leistungskennzahlen (KPI, engl.: Key Performance Indicator), von denen
einige lediglich von der Layoutplanung, andere fertigungsspezifischere jedoch auch von weite-
ren Faktoren abhängen. Somit ist es möglich, einige Leistungskennzahlen, wie beispielsweise
die Investitionskosten einer Layoutlösung, zu ermitteln, jedoch kann die vollständige Güte der
Layoutlösung erst nach der Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren, wie der Maschinenbe-
legungsplanung und der Transportwegplanung sowie Kollisionsvermeidung, bewertet werden.
Folglich werden in Abschnitt 5.4 und Abschnitt 5.5 die Konzepte zur Maschinenbelegungspla-
nung und Transportwegplanung sowie Kollisionsvermeidung beschrieben.

5.4 Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und


dezentral gesteuerten Fertigungssystems
Da die Maschinenbelegung bzw. die Reihenfolge, in der die verschiedenen Aufträge die benötigten
Prozesse sowie Fertigungsstationen durchlaufen, große Einflüsse auf fertigungsrelevante Leis-
tungskennzahlen, wie z.B. Durchlaufzeit und Termintreue, besitzen, kann eine fundierte Be-
wertung der Güte einer Layoutlösung nur unter Einbeziehung der Maschinenbelegungsplanung
durchgeführt werden. Die Ermittlung des optimalen Maschinenbelegungsplans für das konzi-
pierte flexible und dezentral gesteuerte Fertigungssystem ist jedoch, verglichen mit der kon-
ventionellen Linienfertigung, wesentlich aufwendiger, da die zusätzliche Flexibilität hinsichtlich
der Prozessreihenfolge eines Auftrags sowie die Ermöglichung individueller Materialflusspfa-
de je Auftrag den Lösungsraum für die Maschinenbelegungsplanung erheblich vergrößern. Aus
diesem Grund wurden die grundlegenden Probleme der Maschinenbelegungsplanung bereits
in Abschnitt 2.4 eingeführt und das erarbeitete Konzept zur Maschinenbelegungsplanung ei-
nes flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem wird in diesem Abschnitt detailliert
beschrieben. Es wird zunächst eine Problemklassifikation vorgenommen und anschließend die

107
5 Konzeptentwicklung

Lösungsmethodik erklärt.

Ein flexibles und dezentral gesteuertes Fertigungssystem ist generell im Rahmen der Maschi-
nenbelegungsplanung als Flexibles Job Shop Scheduling Problem (FJSP) einzuordnen. Das
FJSP besteht aus einer Menge an Aufträgen, die eine feste Fertigungssequenz besitzen. Nicht
jeder Auftrag durchläuft jede Fertigungsstation bzw. Maschine, da Stationen mit redundan-
ten Prozessfähigkeiten vorhanden sein können, die ggf. noch unterschiedliche Fertigungszeiten
aufweisen. Die von Bochmann et al. [13] untersuchte Flexibilität der Prozessreihenfolge ist im
klassischen FJSP jedoch nicht abgebildet. In dem von Özgüven et al. [81] eingeführten und als
FJSP-PPF bezeichneten erweiterten FJSP zur Berücksichtigung der Routing- sowie Prozess-
planflexibilität ist dieser Aspekt jedoch berücksichtigt, wodurch das FJSP-PPF in der Lage ist,
das Problem der Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Ferti-
gungssystems abzubilden.

Als Grundlage für das vorliegende Maschinenbelegungsproblem wird eine Zuordnung von Ope-
rationen bzw. Prozessen zu den Fertigungsstationen benötigt. Diese Information resultiert aus
der in Abschnitt 5.3 vorgestellten Layoutplanung und ist in Tabelle 5.5 dargestellt.

Tabelle 5.5: Beispielhafte Zuordnung von Prozessen zu den Fertigungsstationen

Prozess Fertigungsstation
1 1, 2
2 2
3 4, 6
.. ..
. .
n 6, 10

Das zu lösende Maschinenbelegungsproblem der flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigung


kann in drei Subprobleme unterteilt werden, die eng miteinander verknüpft sind. Daher ist es
wichtig, dass alle drei Subprobleme zulässige Lösungen ermitteln, die eine zuvor definierte, für
das Gesamtsystem optimale Lösung Zielfunktion optimieren. Zum einen muss für jeden Auftrag
die optimale Prozessreihenfolge bestimmt werden. Da die von Bochmann et al. [13] analysierte
Flexibilität in der Prozessreihenfolge genutzt werden sollen, existieren, abhängig von jeweili-
gen Fertigstellungsgrad des Auftrags, mehrere mögliche Prozessnachfolger. Es gilt somit nach
jeder Fertigstellung eines Prozesses den für das Gesamtsystem optimalen nächsten Prozess zu
bestimmen.
Zum anderen ist es möglich, dass redundante Prozessfähigkeiten zwischen den verschiedenen
Fertigungsstationen existieren. Somit ist es nicht ausreichend, lediglich den optimalen nächsten
Fertigungsprozess auszuwählen, sondern es muss ebenfalls aus der Menge der Fertigungssta-
tionen, die diesen Fertigungsprozess durchführen können, die für den derzeitig vorliegenden

108
5.4 Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

Systemzustand optimale Fertigungsstation auszuwählen. Hierbei muss erneut darauf geachtet


werden, dass eine für das Gesamtsystem optimale Auswahl getroffen wird, d.h., dass nicht le-
diglich eine lokale Optimierung des Subproblems stattfindet.
Als drittes Subproblem wird die Reihenfolge der Durchführung der einer Fertigungsstation zuge-
ordneten Aufträge optimiert. Aus der Menge der einer Station zugeordneten Aufträgen wird eine
Bearbeitungssequenz gebildet. Hierbei ist wiederum entscheidend, dass die Abhängigkeiten der
Bearbeitungssequenzen der verschiedenen Fertigungsstationen berücksichtigt werden. Mögliche
Optimierungsziele sind hierbei u.a. eine möglichst konstante und minimale Durchlaufzeit aller
Aufträge oder auch die Maximierung der Anlagenauslastung.
Die beiden erstgenannten Subprobleme sind Zuordnungs- bzw. Routingprobleme und das dritte
Subproblem entspricht einem klassischen Schedulingproblem. In dem entwickelten Konzept zur
Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems wur-
den die drei Subprobleme aufgrund der bestehenden Abhängigkeiten integriert betrachtet. Im
Folgenden werden die Problembeschreibung sowie der entwickelte Optimierungsansatz konzep-
tionell beschrieben.

Problembeschreibung und Optimierungsansatz


Die Maschinenbelegungsplanung basiert auf der Layoutlösung und einem vordefinierten Auf-
tragspool. Der Auftragspool enthält eine Menge 𝐴 an Aufträgen, die folgende Informationen
beinhalten:

• Auftragsidentifikation (Auftrags-ID)

• Produktvariante

• Fertigstellungszeitpunkt

• Mögliche Prozesssequenzen (Vorranggraph)

Zur Ermittlung eines optimalen Maschinenbelegungsplanes für das betrachtete Fertigungslay-


out müssen die Aufträge aus dem Auftragspool unterteilt werden. Da die Maschinenbelegungs-
planung letztendlich einzelne Fertigungsschritte auf die Fertigungsstationen verteilt, werden
die Aufträge in Operationen unterteilt. Eine Operation besitzt zur Zuordnung zu dem da-
zugehörigen Auftrag eine Auftrags-ID, den durchzuführenden Prozess, die zugewiesene Fer-
tigungsstation und den Fertigstellungszeitpunkt des dazugehörigen Auftrags. Die drei zuvor
beschriebenen Subprobleme der Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral ge-
steuerten Fertigungssystems sind durch die Reihenfolge der Operationen sowie die Modifikation
ihrer Eigenschaften repräsentiert.
Der entwickelte Optimierungsansatz wendet das Verfahren der Tabusuche, das in Unterab-
schnitt 2.3.5 beschrieben ist, zur Optimierung der Maschinenbelegungsplanung an und wurde

109
5 Konzeptentwicklung

Abbildung 5.6: Darstellung des Grobablaufs der angewendeten Tabusuche für die Optimierung
der Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fer-
tigungssystems

gemeinsam mit Simon [101] erarbeitet. Der Grobablauf der Tabusuche ist in Abbildung 5.6
abgebildet.
Für die Tabusuche wird zunächst ein initialer Maschinenbelegungsplanung gebildet. Die In-
itallösung wird heuristisch gebildet, d.h. eine Optimalität ist nicht garantiert. Die verwendete
Heuristik ordnet die Operationen der Aufträge des Auftragspools aufsteigend nach ihren Fertig-
stellungszeitpunkten. Diese Sortierung der Aufträge ist sinnvoll, damit dem Kunden genannte
Liefertermin eingehalten werden können. Hierbei wird jeder Operation ein von dem zugehörigen
Auftrag benötigter Fertigungsprozess zugewiesen und aus der Menge der Fertigungsstationen,
die diesen Fertigungsprozess beherrschen, wird zufällig eine ausgewählt. Die beschriebene Heu-
ristik generiert somit eine integrierte Lösung der drei Subprobleme.
Anschließend startet die Tabusuche mit der Bewertung der initialen Lösung und der Prüfung
der Abbruchbedingung. Bei der Bewertung der Lösung wird zwischen harten und weichen Rand-
bedingungen differenziert. Beide Arten der Randbedingungen fließen in die Berechnung einer
gewichteten multikriteriellen Zielfunktion ein, die letztendlich die Güte einer Lösung darstellt.
Mittels der harten Randbedingungen wird überprüft, ob die derzeitige Lösung eine für das
betrachtete Problem zulässige Lösung ist. Lediglich wenn alle harten Randbedingungen erfüllt
sind, ist eine Lösung zulässig. Für den Fall, dass eine harte Randbedingung nicht erfüllt ist,
bekommt die Lösung eine Strafe (engl.: Penalty), damit die Bewertung der Lösung auf jeden
Fall schlecht ausfällt. Die im Rahmen dieses Konzepts notwendigen harten Randbedingungen
lauten wie folgt:

• Für alle Aufträge aus dem Auftragspool müssen jeweils alle Prozesse abgearbeitet werden

• Ein Auftrag kann jeden benötigten Prozess nur ein Mal durchlaufen

110
5.4 Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems

• Die Prozessreihenfolge erfüllt die Vorgaben aus dem jeweiligen Vorranggraph der dazu-
gehörigen Produktvariante

• Es werden einer Fertigungsstation nur Operationen zugeordnet, deren benötigten Prozess


die Fertigungsstation beherrscht

Weiche Randbedingungen sind problemspezifische Leistungskennzahlen. Die Optimierung der


Lösung zielt auf die Ermittlung einer Lösung ab, die das gewichtete Zusammenspiel der ver-
schiedenen weichen Randbedingungen optimiert. In dem entwickelten Konzept zur Maschinen-
belegungsplanung mittels einer Tabusuche werden die folgenden weiteren Optimierungskriterien
berücksichtigt:

• Durchschnittliche Auftragsdurchlaufzeit

• Varianz der durchschnittlichen Auftragsdurchlaufzeiten

• Earliness, d.h. die Fertigstellung eines Auftrags vor seinem geplanten Fertigstellungszeit-
punkt (Verfrühung)

• Tardniss, d.h. die Fertigstellung eines Auftrags nach seinem geplanten Fertigstellungszeit-
punkt (Verspätung)

• Gesamtanlagenauslastung

• Varianz der Anlagenauslastung

• Gesamtdurchlaufzeit des Auftragspools

Die detaillierte Berechnung der harten sowie auch weichen Randbedingungen wird in Kapitel 6
erläutert, da hierbei implementierungsspezifische Richtlinien berücksichtigt werden müssen.
Konzeptionell wird jedoch zur Bewertung einer Lösung das dazugehörige Gantt-Diagramm
gebildet, wie es beispielhaft in Abbildung 5.7 dargestellt ist. Ausgehend von der Sequenz der
Operationen wird geprüft, welchen Prozess der dazugehörige Auftrag als nächstes benötigt. Für
diesen Prozess wird die zugeordnete Fertigungsstation ausgewählt und in dem Gantt-Diagramm
wird zu dem frühestmöglichen Startzeitpunkt, unter Beachtung der Fertigstellungszeitpunkte
vorgelagerte Prozesse des Auftrags, der Prozess für die Dauer der dazugehörigen Prozesszeit
eingetragen. Diese Prozedur wird solange wiederholt, bis alle Operationen eingetragen sind. Ne-
ben der grafischen Repräsentanz des Maschinenbelegungsplanes bieten Gantt-Diagramme den
Vorteil, dass einige Leistungskennzahlen, wie die Gesamtdurchlaufzeit des Auftragspools und
die Anlagenauslastung, einfach ermittelt bzw. abgelesen werden können. An dieser Stelle muss
darauf hingewiesen werden, dass in dem beschriebenen sowie grafisch dargestellten Beispiel
keine Transportzeiten zwischen den einzelnen Operationen berücksichtigt werden. Diese Ver-
einfachung wurde getroffen, da zu diesem Zeitpunkt keine exakten Aussagen zu den Transport-
zeiten getroffen werden können. Zwar sind aufgrund der zuvor durchgeführte Layoutplanung die

111
5 Konzeptentwicklung

Distanzen zwischen den Fertigungsstationen bekannt, so dass in Kombination mit der Bearbei-
tungssequenz aus der Maschinenbelegungsplanung die zurückzulegende Wegstrecke abgeschätzt
werden kann, jedoch können bisher keine Aussagen zur tatsächlich vom FTS gewählten Route
und zu den Verzögerungen aufgrund der Kollisionsvermeidung zwischen den verschiedenen FTS
getroffen werden. Daher wird dieser Aspekt in Abschnitt 5.5 detaillierter betrachtet.

Abbildung 5.7: Beispielhafte Darstellung der Logik zur Bildung des Gantt-Digrammes de Ma-
schinenbelegungsplanung für die vorliegende Problembeschreibung, angepasst
von Simon [101]

Nach der Erstellung des Gantt-Diagramms und der Bewertung der Güte der aktuellen Lösung
wird geprüft, ob das Optimierungsverfahren abgebrochen oder eine weitere Iteration durch-
geführt werden soll. Hierzu werden Abbruchbedingungen definiert, bei deren Erfüllung die Op-
timierung terminiert und die Lösung mit der besten bisher erzielten Bewertung als optimale
Lösung ausgegeben wird. Typische Abbruchbedingungen, die ebenfalls in dem entwickelten Kon-
zept verwendet werden, sind die Definition einer maximalen Rechenzeit, die Festlegung eines
Optimalwerts der Zielfunktion, die Anzahl an Iterationsschritten bzw. Optimierungsdurchläufen
sowie die Anzahl an Optimierungsdurchläufen, während denen keine Verbesserung der Zielfunk-
tion erreicht wurde. Die Optimierung terminiert bereits bei Erfüllung einer Abbruchbedingun-
gen, d.h. es bestehen ODER-Verknüpfungen zwischen den einzelnen Abbruchbedingungen.

Nach der Bewertung der Initiallösung und der Prüfung, ob eine der Abbruchbedingungen erfüllt
ist, findet die eigentliche Tabusuche statt. Da die Initiallösung lediglich mittels der zuvor be-
schriebenen Heuristik gebildet wird, ist die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung einer Abbruchbe-
dingung sehr gering. Die Tabusuche, wie in 2.3.5 beschrieben, funktioniert nach dem Prinzip
des steilsten Anstiegs, falls eine Maximierung angestrebt wird, bzw. nach dem Prinzip des steils-
ten Abstiegs, falls eine Minimierung angestrebt wird. Dieses Prinzip wird durch den Einsatz
einer Tabuliste erweitert, die bereits getätigte Modifikationen der Lösung für eine Anzahl an
Optimierungsschritten gleich der Länge der Tabuliste verbietet. Durch diese Methodik können

112
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem

lokale Optima effizienter überwunden werden. Bei dem vorliegenden Problem kann die Tabu-
suche drei Eigenschaften der Lösung modifizieren. Zum einen ist eine Vertauschung der Ope-
rationsreihenfolge möglich. Hierdurch wird das eigentliche Reihenfolgeproblem berücksichtigt.
Des Weiteren können innerhalb der einzelnen Operationen die Prozesszuweisung sowie auch
die Zuweisung der Fertigungsstation, falls mehr als eine Fertigungsstation mit der benötigten
Prozessfähigkeit existiert, modifiziert werden. Durch die Modifikation beider letztgenannten
Eigenschaften werden die beiden zuvor beschriebenen Zuordnungsprobleme optimiert.

5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral


gesteuerten Fertigungssystem
Wie in Unterabschnitt 5.4 erwähnt, besitzen Transportwegplanung und Kollisionsvermeidungen
in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem starke Einflüsse auf die Maschi-
nenbelegungsplanung. Erst durch die Ermittlung kürzester und zugleich kollisionsfreier Wege
können realitätsnahe Abschätzungen für die Transportdauern bzw. -kosten in einem derartigen
Fertigungssystem getroffen werden.

Angelehnt an die in Unterabschnitt 2.5.1 aufgeführten Grundlagen der Transportwegplanung


wird zum einen eine Navigationsstruktur, die die vorhandene Wegfläche in geeignete Weg-
elemente strukturiert, und zum anderen ein Algorithmus zur Transportwegplanung, der den
kürzesten Pfad von einem beliebigen Start- zu einem beliebigen Endpunkt durch die Aneinan-
derreihung von Wegelementen ermittelt, benötigt. Das entwickelte Konzept zur Transportweg-
planung basiert auf dem von Kallmann [52, 53] eingeführtem Konzept, bei dem die vorhande-
ne Wegfläche mittels des Triangulationsverfahrens mit lokalem Distanzierungsabstand (engl.:
Local Clearance Triangulation (LCT)) in geeignete Dreieckselemente unterteilt wird. In Zu-
sammenarbeit mit Schumann [96] wurde das Konzept für das betrachtete Fertigungsszenario
angepasst und weiterentwickelt. Hierfür wird zunächst eine Constrained Delaunay Triangulati-
on (CDT) durchgeführt, die ausgehend von den Eckpunkten aller Störkonturen die vorhandene
Fläche trianguliert. Anschließend wird mittels der LCT die Triangulation angepasst bzw. ver-
feinert, sodass für einen definierten Radius die Abstandsbedingungen eingehalten werden, d.h.,
dass nur lokale Abstandstest benötigt werden, um genügend Freiraum für den definierten Radius
zu garantieren. Nach der Durchführung der LCT beginnt die eigentliche Transportwegplanung,
in dem der Algorithmus zur Transportwegplanung eingesetzt wird. Hierbei wird zunächst ein
Grobpfad durch die Aneinanderreihung der Triangulationselemente bestimmt. In einem zweiten
Schritt wird dieser Grobpfad in den Feinpfad überführt, der dem tatsächlich zurückzulegenden
Weg eines Objekts entspricht. Die Kollisionsvermeidung ist in dem entwickelten Konzept durch
dynamische Aktualisierungen der Navigationsstruktur (Triangulationselemente) sowie der Wege
in Abhängigkeit der aktuellen Positionen aller statischen und dynamischen Objekte umgesetzt.

113
5 Konzeptentwicklung

In den folgenden Unterabschnitten werden die drei Schritte zur Transportwegplanung sowie die
Kollisionsvermeidung detailliert beschrieben.

Triangulation der Wegfläche


Die Local Clearance Triangulation (LCT) stellt das Fundament für die Ermittlung kürzester
Wege dar und wird daher zu Beginn beschrieben. Da die LCT wiederum auf der Constrained
Delaunay Triangulation (CDT) aufbaut, wird diese im Folgenden ebenfalls detailliert beschrie-
ben.

Eine CDT ist eine Triangulation gebildet aus den Eckpunkten der gegebenen flachen Umgebung,
wobei folgende Bedingungen erfüllt sein müssen:

• Die begrenzenden Kanten müssen Teil der Triangulation sein.

• Die Delaunay Bedingung muss eingehalten werden, das heißt, dass im Umkreis jedes
Dreiecks, das aus den drei Eckpunkten eines Dreiecks gebildet wird, kein anderer Eckpunkt
liegen darf, der von allen drei Ecken des Dreiecks aus sichtbar ist. Zwei Eckpunkte sind
dann sichtbar, wenn die Linie zwischen ihnen nicht durch ein Hindernis unterbrochen
wird.

Zur Anwendung der CDT wird eine Menge an Punkten benötigt, die alle Hindernisse der be-
trachteten Umgebung in polygonaler Form beschreibt. Nachdem eine Triangulation berechnet
wurde, die die oben genannten Bedingungen der CDT erfüllt, wird die Verfeinerung der CDT
zur LCT gestartet. Wie eingangs beschrieben, ist die Aufgabe der LCT, zu gewährleisten, dass
nur lokale Abstandstests benötigt werden, um genügend Freiraum für einen gegebenen Radius
zu garantieren. Das vorgestellte Vorgehen sieht dabei vor, dass jede Überfahrt (engl.: Traver-
sal) eines Dreiecks der Triangulation die Eigenschaft local Clearance“ besitzt. Wann immer

die Prüfung der Eigenschaft negativ ausfällt, muss für die entsprechende Traversal eine Ver-
feinerung vorgenommen werden. So wird die CDT iterativ auf die Einhaltung der Eigenschaft
geprüft und, falls nötig, im gleichen Iterationsschritt verfeinert. Dieses Vorgehen wird so lange
wiederholt, bis jede Traversal den benötigten lokalen Freiraum für die betrachtete Objektgröße
garantieren kann. Zum besseren Verständnis des lokalen Freiraums wird im Folgenden eine
geometrische Erläuterung der LCT aufgeführt.

Zunächst wird die Durchfahrt eines Objektes der Größe 𝑑 durch ein beliebiges Dreieck abc und
einer frei im Raum liegenden, beliebigen begrenzenden Kante 𝑠 betrachtet, da das Abfahren
eines Weges mit dem Überfahren von Dreiecken aus der Triangulation gleichzusetzen ist. Dabei
kann das betrachtete Dreieck in die Eingangs- und Ausgangskante, den Traversal Sektor und
die Traversal Ecke unterteilt werden. Die beschriebene Situation ist in Abbildung 5.8 skizziert.

114
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem

s b’

a c

b
Abbildung 5.8: Skizzierte Darstellung des Überfahrens eines Triangulationselements abc bei
Vorhandensein einer begrenzenden Kante 𝑠 mit einem Objekt der Größe 𝑑,
modifiziert von [52]

Ausgehend von einer Durchquerung des dargestellten Dreiecks mit Eintrittskante 𝑎𝑏 und Aus-
trittskante 𝑏𝑐, kurz dem Traversal 𝑡𝑎𝑏𝑐 , berechnet sich der Radius des Traversal Sektors mit

𝑟𝑎𝑏𝑐 = 𝑚𝑖𝑛(𝑎𝑏, 𝑏𝑐) , (5.7)

wobei 𝑎𝑏 und 𝑏𝑐 die Längen der Kanten 𝑎𝑏 respektive 𝑏𝑐 sind. Der Traversal Sektor stellt somit
den Kreisabschnitt mit minimaler Kantenlänge um den gemeinsamen Punkt beider Kanten dar
und ist in Abbildung 5.8 grau schattiert dargestellt. Der Radius 𝑟 des Traversal Sektors stellt
jedoch den maximalen Freiraum dar, der existiert, wenn keine Störkonturen vorhanden sind.
Bei Vorhandensein einer Störkontur, wie beispielsweise der Kante 𝑠 in Abbildung 5.8, ist eine
kollisionsfreie Überquerung des Dreiecks bei Objektgrößen kleiner oder gleich dem Radius des
Traversal Sektors nicht mehr garantiert. Aus diesem Grund wird der Sektorfreifraum (engl.:
Sector Clearance) eingeführt. Die Sector Clearance ist kleiner, wenn eine begrenzde Kante den
Traversal Sektor überquert, oder gleich groß wie der Radius des Traversal Sektors. In dem skiz-
zierten Fall entspricht die Sector Clearance der Entfernung von der Traversal Ecke 𝑏 bis zur

orthogonalen Projektion 𝑏 der Traversal Ecke 𝑏 auf die begrenzende Kante 𝑠, also der Länge 𝑏𝑏′ .

Um die lokalen Freiräume garantieren zu können, muss ermittelt werden, ob und welche Tra-
versals in der CDT Störungen aufweisen und somit die Eigenschaft der local Clearance nicht
mehr garantieren, damit im nächsten Schritt die Triangulation verfeinert werden kann. Die
Erklärung von Störungen und wie sie erkannt werden erfolgt anhand Abbildung 5.9.
Störungen können immer dann auftreten, wenn die Traversal Ecke sich beim Übergang von
einem zum andern Triangulationsdreieck ändert. Diese Situation ist in der genannten Abbildung
beispielhaft dargestellt, wobei der Fokus auf der Traversal 𝑡abc liegt. Während die Traversal Ecke
bei 𝑡abc noch 𝑏 entspricht, ändert sich diese auf 𝑐 in der folgenden Traversal 𝑡bcd . Die Problematik
dabei ist, dass die für 𝑡abc berechnete Clearance, welche 𝑐𝑙(𝑎, 𝑏, 𝑐) = (𝑏, 𝑏′ ) entspricht, nach dem
Wechsel der Traversal Ecke nicht mehr zwangsläufig ausreicht. Es kann der Fall eintreten,

115
5 Konzeptentwicklung

s b’ d’ v’ u’
a c

b v u
d
Abbildung 5.9: Beispielhafte Darstellung zur Erklärung des Auftretens von Störungen der lo-
kalen Freiräumen, bei dem durch den Wechsel der Traversal Ecke von 𝑏 zu 𝑐
nach Traversal 𝑡abc eine Störung auftritt, angelehnt an [52]

dass ein Objekt mit dem maximalen Durchmesser 𝑑 = 𝑐𝑙(𝑎, 𝑏, 𝑐) in den nächsten Dreiecken
beschränkende Kanten überfährt und somit nicht kollisionsfrei überqueren kann. Die Ecke 𝑣
aus dem genannten Beispiel ist dann eine Störung für die Traversal 𝑡abc , wenn:

• 𝑣 orthogonal auf 𝑎𝑐 projiziert werden kann,

• 𝑣 nicht Teil von zwei kollinearen Begrenzungen ist,

• 𝑑𝑖𝑠𝑡(𝑣, 𝑠) < 𝑐𝑙(𝑎, 𝑏, 𝑐) gilt und

• 𝑑𝑖𝑠𝑡(𝑣, 𝑠) < 𝑐𝑙(𝑣, 𝑐) gilt.

Da diese Bedingungen auf 𝑣 zutreffen, ist 𝑣 eine Störung für die Traversal 𝑡abc . In dem Beispiel
könnte die begrenzende Seite anstatt 𝑠 auch die Seite 𝑎𝑐 sein, wobei 𝑠 in den Bedingungen
durch 𝑎𝑐 substituiert werden müsste. Eine Traversal ist dabei auch nicht auf nur eine Störung
begrenzt, sondern kann mehrere aufweisen, die alle behoben werden müssen.

Nachdem es somit möglich ist, Störungen zu erkennen, müssen diese wiederum behoben wer-
den, damit alle Überquerungen der Triangulation den benötigten lokalen Freiraum garantie-
ren können. Dies geschieht über die Verfeinerung der Triangulation, bei der ein neuer Punkt
hinzugefügt wird, der bei der erneuten Erstellung der CDT beachtet wird. Alle Traversals
der Triangulation werden dabei iterativ durchgegangen, jeweils auf vorkommende Störungen
überprüft und, falls welche vorliegen, in einer Liste zwischengespeichert. Es wird ein Punkt auf
der betrachteten, begrenzenden Kante für jede Traversal in der Liste hinzugefügt. Die genaue
Beschreibung dieses Vorgehens wird in Abbildung 5.10 erläutert.
Wie in Abbildung 5.9 dargestellt, ist 𝑣 eine Störung für 𝑡abc . Zur Behebung der Störung wird
der Umkreis des Dreiecks △𝑢𝑣𝑐 gebildet und die Schnittpunkte 𝑥1 und 𝑥2 mit der begrenzenden

116
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem

s x1 pref s pref
x2
a c a c

b v b v
d u d u

Abbildung 5.10: Beispielhafte Abbildung zur Beschreibung der Behebung von Störungen durch
Verfeinerung, basierend auf [52]

Kante 𝑠 eingeführt. Der Punkt auf 𝑠, der zu 𝑥1 und 𝑥2 den gleichen Abstand besitzt, wird in
die CDT eingefügt. In der obenstehende Abbildung ist dieser Punkt mit 𝑝ref bezeichnet. Im
nächsten Schritt entsteht somit die rechts zu sehende Verfeinerung der Triangulation.
Ein Schritt der Verfeinerung ist unter Umständen aber nicht ausreichend, da durch die Behe-
bung einer Störung eventuell weitere Störungen in angrenzenden Traversals auftreten können.
Das beschriebene Vorgehen muss also 𝑛-mal ausgeführt werden, d.h. so lange bis keine weiteren
Störungen auftreten. Ist der störungsfreie Zustand erreicht, wurde erfolgreich eine CDT in eine
LCT umgewandelt und kann nun für die effiziente und schnelle Transportwegplanung eingesetzt
werden. Die einzelnen Schritte der Verfeinerung der CDT werden beispielhaft in Abbildung 5.11
dargestellt. Im ersten Schritt (Abbildung 5.11(a)) wurden drei Störungen gefunden, durch de-
ren Behebung jedoch weitere Störungen auftreten. Daher sind noch zwei zusätzliche Schritte
nötig (Abbildung 5.11(b) und Abbildung 5.11(c)), um eine Triangulation ohne Störungen zu
erhalten (Abbildung 5.11(d)). In der Praxis sind meistens nur wenige Schritte nötig, um alle
Störungen zu beseitigen.
Das Ergebnis dieser Prozedur ist, dass der Wert der lokalen Freiräume für jede Traversal in-
nerhalb der Triangulation vorab berechnet wurde und in den jeweiligen Kanten der Dreiecke
gespeichert wird. Bei der folgenden Wegsuche genügen somit jeweils lokale Tests auf ausrei-
chend Freiraum aus, bei denen einfache Wertevergleich durchgeführt werden.
Zum Abschluss wird in Abbildung 5.12 ein Vergleich aufgezeigt, der den Unterschied zwischen
der Transportwegplanung mit LCT und CDT verdeutlicht. In dem Beispiel wird davon ausge-
gangen, dass bei beiden Suchen lediglich lokale Tests auf Clearance genutzt werden, weshalb im
Falle der CDT kein kollisionsfreier Weg ermittelt wird. Die linke Abbildung zeigt, dass bei einer
CDT die Transportwegplanung mit lokalen Tests auf Clearance nicht ausreicht, um einen kol-
lisionsfreien Weg zu finden. Dagegen stellt die rechte Abbildung dar, dass nach der Erkennung
und Behebung von Störungen eine LCT entsteht, bei der dieses Problem gelöst ist.

117
5 Konzeptentwicklung

(a) Erster Verfeinerungsschritt (b) Zweiter Verfeinerungsschritt

(c) Dritter Verfeinerungsschritt (d) Vierter Verfeinerungsschritt

Abbildung 5.11: Darstellung des Vorgehens beim Auftreten von Störungen zur Behebung dieser,
modifiziert von [52]

CDT LCT

Abbildung 5.12: Vergleich zwischen CDT und LCT bei der Transportwegplanung mit lokalen
Tests auf Clearance, angepasst von [52]

Ermittlung des Grobpfades


Aufbauend auf der in Unterabschnitt 5.5 vorgestellten Erstellung einer geeigneten Navigationss-
truktur wird nun die eigentliche Wegsuche innerhalb der Navigationsstruktur begonnen. Um
innerhalb dieser Repräsentation der flachen Umgebung zu navigieren, wird als erster Schritt
ein Grobpfad vom Startpunkt 𝑠 zum Zielpunkt ermittelt. Dieser Grobpfad wird auch als Chan-
nel bezeichnet und stellt eine Aneinanderreihung von Dreiecken der Triangulation dar. Die

118
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem

Einhaltung der lokalen Freiräume wird bei der Bildung des Grobpfades in Bezug auf das zu
navigierende Objekt bereits berücksichtigt.

Zur Ermittlung des Grobpfades muss zu Beginn das Startdreieck gefunden werden, in dem der
Startpunkt 𝑠 liegt bzw. sich das zu navigierende Objekt befindet. Hierfür wird eine Kombi-
nation aus dem Jump-and-Walk und dem Oriented Walk Algorithmus verwendet [65, 54]. Es
wird aus einer kleineren randomisierten Auswahl an Eckpunkten der Triangulation zunächst
der Eckpunkt gesucht, der am dichtesten zur Startkoordinate 𝑠 liegt. Im nächsten Schritt be-
ginnt der eigentliche Suchvorgang an einem ausgewählten benachbarten Dreieck 𝑡 des genutzten
Eckpunkts. Nun wird die Kante 𝑘 von 𝑡 gesucht, die den Mittelpunkt von 𝑡 und 𝑠 in zwei ei-
gene Halbebenen unterteilt. Das Dreieck, das mit 𝑡 über 𝑘 benachbart ist, wird als nächstes
ausgewählt. Diese Schritte werden so lange wiederholt, bis 𝑠 in 𝑡 gefunden und somit das Start-
dreieck ermittelt wurde.

Anschließend wird der A*-Algorithmus (vgl. 2.5.1) angewendet, um den Grobpfad vom Start-
zum Zieldreieck zu finden. Der Algorithmus betrachtet dabei die jeweiligen Übergangskanten
vom jetzigen zum nächsten Dreieck und akzeptiert nur Dreicksüberfahrten, deren Traversal
über genügend Freiräume verfügen. Um die zu Beginn angesprochene Leistungsfähigkeit und
Effizienz der Wegsuche zu garantieren, werden alle Dreiecke markiert, die zuvor bereits durch
die Suche betrachtet wurden. Durch diese Maßnahme werden mehrfache Betrachtungen des
gleichen Dreiecks verhindert, um Rechenzeit zu sparen und eine Komplexität von 𝑂(𝑛 log 𝑛)
zu erreichen [54]. Dies kann in einer LCT ohne Probleme durchgeführt werden, da durch die
Beseitigung von Störungen die in einer CDT auftretenden langgestreckten Dreiecke beseitigt
wurden. Die langgestreckten Dreiecke hätten ansonsten bei diesem Vorgehen zu Problemen
geführt, da deren Markierung mehrere Bereiche und Wege ausgeschlossen hätte, die ansonsten
betrachtet werden müssten. Wurde das Zieldreieck gefunden, so gibt der Algorithmus den Grob-
pfad als Abfolge von Dreiecken aus der Triangulation zurück. Es besteht allerdings ebenfalls
die Möglichkeit, dass gar kein Weg gefunden wird, da beispielsweise nicht genügend Freiräume
bezogen auf die Objektgröße vorhanden sein können.

Ermittlung des Feinpfades


Um ein Objekt in einer flachen zweidimensionalen Umgebung von einem zum anderen Ziel
fahren zu lassen, wird ein Weg in Form einer Punktreihenfolge benötigt. Daher wird im letz-
ten Schritt der Wegsuche aus dem zuvor errechneten Grobpfad, dem Channel (vgl. Unterab-
schnitt 5.5), ein real abfahrbarer Weg generiert. Da der Grobpfad einem triangulierten Polygon
entspricht, das keine weiteren Polygonen als Hindernisse beinhaltet, muss der Funnel Algorith-
mus [23, 67, 45] zur Ermittlung des realen Feinpfades angewendet werden. Der beim Funnel

119
5 Konzeptentwicklung

Algorithmus berechnete Pfad besteht aus Tangenten 𝑡 und Kreisbögen von Kreisen um Ecken
𝑣 der Triangulation, wie beispielhaft in Abbildung 5.13 dargestellt.

Z
v2
v1

Abbildung 5.13: Darstellung eines durch den Funnel Algorithmus berechneten Pfades innerhalb
eines Channels

Dementsprechend ist das Ziel des Funnel Algorithmus, ausgehend vom Startpunkt immer weiter
die Eckpunkte des Grobpfades zu erkunden. Da der Grobpfad aus aneinandergereihten Dreie-
cken besteht, geschieht ein Übergang von einem Dreieck zum anderen immer über die geteilte
Seite. Diese Seite spannt sich zwischen den ebenfalls geteilten Eckpunkten auf, zum Beispiel 𝑢
und 𝑐 in Abbildung 5.14. Der namensgebende Trichter des Algorithmus spannt sich zwischen
den beiden Begrenzungen des Grobpfades auf, wobei ein Zweig des Trichters die eine und der
andere Zweig die andere begrenzende Seite erkundet.

Für die weitere Beschreibung der Ermittlung des Feinpfades werden zunächst einige Namens-
gebungen definiert und erklärt. Der Kreis um die Ecke 𝑣 1 mit dem Radius 𝑟 wird durch 𝑐r (𝑣 1 )
und die Tangente vom Kreis um 𝑣 1 zum Kreis um 𝑣 2 wird als 𝑡r (𝑣 1 , 𝑣 2 ) beschrieben.

In Abbildung 5.14 wird der Funnel Algorithmus in einem Zwischenzustand dargestellt, wobei in
dem dargestellten Szenario ein Weg vom Startpunkt 𝑝 zu dem nicht abgebildeten Zielpunkt 𝑞
gefunden werden soll. Punkt 𝑎 und sein Umkreis stellen den Scheitel des Trichters dar. Punkte
𝑢 und 𝑣 sind die Endpunkte der beiden jeweiligen Zweige bzw. Begrenzungen des Trichters.
Die Zweige sind Tangenten und Kreisbögen vom Punkt 𝑎 zu den jeweiligen Endpunkten. Des
Weiteren zeigt Abbildung 5.14 auf, wie ein neuer Punkt 𝑤 erkundet wird. Das Ziel der Erkun-
dung ist es, den neuen Punkt bzw. dessen Umkreis in einen Zweig des Trichters zu integrieren.
Ein Zweig des Trichters wird um den Punkt 𝑤 erweitert, wenn eine Tangente eines Umkreises
eines Punktes auf den Zweigen eine konkave (gewölbte) Kette mit dem Umkreis um Punkt 𝑤
bildet. Dies ist für Punkt 𝑏 der Fall, also bilden die Tangenten 𝑡r (𝑎, 𝑏) und 𝑡r (𝑏, 𝑤) eine konkave
Kette. Dagegen ist die Kette aus den Tangenten 𝑡r (𝑎, 𝑏), 𝑡r (𝑏, 𝑐) und 𝑡r (𝑐, 𝑤) nicht konkav und
kann deshalb nicht zur Erweiterung des Zweigs genutzt werden. Im nächsten Schritt beinhal-

120
5.5 Transportwegplanung in einem flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystem

tet der untere Zweig in der Darstellung nur noch die Punkte 𝑏 und 𝑤. Es besteht weiterhin
die Möglichkeit, dass in dieser Vorgehensweise der Scheitel des Trichters ausgewählt wird. In
diesem Fall wird der bisherige Pfad erweitert und der Trichter wandert weiter, indem der neu
hinzugefügte Punkt der neue Scheitel wird. Dementsprechend wird der Pfad immer mehr er-
weitert, bis letztendlich der Zielpunkt und damit der Weg im Grobpfad gefunden wurde. Das
zu navigierende Objekt kann nun den ermittelten Feinpfad abfahren.

a
p
b

c w

Abbildung 5.14: Darstellung eines beispielhaften Zwischenzustandes bei der Ermittlung des
Feinpfades mit dem Funnel Algorithmus [52]

Kollisionsvermeidung
Die in den vorherigen Abschnitten beschriebene Methodik zur Ermittlung kürzester und real
abfahrbarer Wege innerhalb einer gegebenen flachen Umgebung inklusive Störkonturen ist aus-
reichend zur kollisionsfreien Navigation von Objekten, wenn lediglich statische Objekte bzw.
Störkonturen existieren. Für den Fall, dass neben dem zu navigierenden Objekt weitere dy-
namische Objekte vorhanden sind, ist eine einmalige Wegermittlung mittels der beschrieben
Methodik nicht ausreichend. Da im betrachteten Fall der Transportwegplanung innerhalb eines
flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems definitiv mehrere dynamische Objekte
vorhanden sind, muss die Methodik zur Gewährleistung der kollisionsfreien Navigation inner-
halb einer dynamischen Umgebung angepasst werden. Vordergründig sind hierfür die Aktuali-
sierung der Navigationsstruktur sowie der ermittelten kürzesten Wege notwendig.

Die Aktualisierung der Navigationsstruktur muss periodisch stattfinden, d.h., dass wiederho-
lend nach einem definierten Zeitraum, in dem sich alle dynamischen Objekte entlang ihrer
für die aktuelle Periode geplanten Wege fortbewegen, eine Anpassung an die stattgefunden
Verschiebungen der dynamischen Objekte durchgeführt wird. Diese Aktualisierung der Navi-
gationsstruktur findet aus einer dezentralen Sichtweise statt, da jedes dynamische Objekt eine
eigene Navigationsstruktur für seine Umgebung ermittelt, in der alle anderen dynamischen Ob-
jekte, aber nicht das zu navigierende bzw. aktuelle betrachtete Objekt selber als Störkonturen

121
5 Konzeptentwicklung

beachtet werden. Somit wird für jedes dynamische Objekt eine individuelle Navigationsstruktur
ermittelt und in jeder Periode für die aktuelle Umgebungssituation aktualisiert.
Durch die Positionsveränderungen der dynamischen Objekte sind die initial ermittelten Wege
bereits nach wenigen Zeitperioden nicht mehr zwangsläufig optimal. Daher wird ebenfalls in
jeder Zeitperiode, basierend auf der individuellen und in der aktuellen Zeitperiode ermittelten
Navigationsstruktur, für das aktuell betrachtete und zu navigierende Objekt eine Aktualisie-
rung des Weges durchgeführt. Hierzu werden die zuvor beschriebenen Ermittlungen des Grob-
sowie des real abfahrbaren Feinpfades in jeder Zeitperiode für die aktuelle objektabhängige
Navigationsstruktur durchgeführt.

Zur Erreichung des Ziels der ganzheitlichen Gestaltung und Optimierung der Layout-, Maschinenbelegungs-
und Transportwegplanung werden die aufgezeigten Optimierungsprobleme und Lösungskonzepte
gemeinsam in einem Optimierungs- und Simulationstools implementiert. Kapitel 6 zeigt die
Umsetzung der integrativen Optimierung auf.

122
6 Simulationsbasierte Umsetzung
Die entwickelten und in Kapitel 5 vorgestellten Konzepte besitzen große Auswirkungen auf
die Gestaltung von Fertigungssystemen. Da diese Auswirkungen neben den bereits erwähnten
Potenzialen ebenfalls Implementierungsrisiken mit sich bringen, ist das Gesamtkonzept nur
äußerst schwierig anhand eines physischen Beispiels validierbar. Zur exakteren Abschätzung
der Potenziale sowie auch der Risiken wird daher zunächst eine simulationsbasierte Abbildung
des Systemverhaltens benötigt. Hierfür wird im Folgenden eine simulationsbasierte Konzeptva-
lidierung angestrebt, die in dem vorliegenden Kapitel erläutert wird. Es wird aufgezeigt, wie
die verschiedenen Optimierungsprobleme - Layoutplanung, Maschinenbelegungsplanung und
Transportwegplanung - in einem Simulationstool integriert werden und somit ein ganzheitli-
cher Optimierungsansatz erreicht wird. Hierzu werden zunächst in Abschnitt 6.1 die Grund-
lagen, Annahmen und Zielsetzung der Simulation erläutert und anschließend wird der genaue
Aufbau und Ablauf des Simulationstools in Abschnitt 6.2 beschrieben. Abschließend wird in
Abschnitt 6.3 die Verifizierung der einzelnen Simulationskomponenten vorgestellt.

6.1 Grundlagen, Annahmen und Zielsetzung der Simulation


Die entwickelte Simulation zur Bewertung der konzeptionellen Bestandteile dieser Arbeit be-
zieht sich auf ein Fertigungssystem, das aus einem definierten Auftragseingangs- sowie Auftrags-
ausgangspunkt, mehreren Fertigungsstationen mit vielfältigen Prozessfähigkeiten und einem
fertigungsnahen Lager, z.B. einem Supermarkt, zur Abdeckung der Materialbedarfe besteht.
Das betrachtete System entspricht somit einem Fertigungssystem innerhalb eines Produktions-
gebäudes. Eine abstrahierte Darstellung der in der Simulation angenommenen Systemgrenze
ist in Abbildung 6.1 abgebildet.

Das Ziel der Simulation ist die möglichst realitätsgetreue Abbildung des Verhaltens eines fle-
xiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems, damit Aussagen zu relevanten Leistungs-
kennzahlen eines solchen Fertigungssystems getroffen werden können. Ausgehend von dem be-
trachteten Fertigungsszenario, das sämtliche Produkt-, Fertigungs- und Auftragsinformationen
enthält, soll die Ermittlung eines optimalen Fertigungslayouts, Maschinenbelegungsplans und
zugehörigen Wegen der verschiedenen FTS stattfinden. Das optimierte Gesamtsystem soll ab-
schließend mittels der Simulation bewertet werden.

Aus Gründen der Komplexitätsreduzierung wurden vereinfachende Annahmen getroffen, die


im Folgenden beschrieben werden. Die erste Annahmen bezieht sich auf die Fertigungsstatio-

123
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Abbildung 6.1: Abstrahierte Darstellung der in der Simulation angenommenen Systemgrenze


innerhalb einer beispielhaften Supply Chain aus der Automobilindustrie

nen des Systems. Fertigungsstationen besitzen zugeordnete Prozessfähigkeiten mit bekannten


Fertigungszeiten und Materialbedarfen je Prozess. Des Weiteren hat jede Station eine vorde-
finierte technische Verfügbarkeit, mit der ungeplante sowie geplante Ausfälle berücksichtigt
werden. Die tatsächlichen Prozessabläufe, die technischen Ausstattungen der Stationen sowie
die räumlichen Gegebenheiten innerhalb der verschiedenen Zellen werden nicht betrachtet bzw.
berücksichtigt, weshalb die Arbeitsstationen einem Black-Box-Modell entsprechen. Das sche-
matische Black-Box-Modell der Fertigungsstationen ist in Abbildung 6.2 dargestellt. Als Inputs
werden Aufträge sowie Materialien benötigt, die Funktionalitäten der Black-Box entsprechen
den Prozessen mit den zugehörigen Fertigungszeiten und der Output ist der Auftrag in einem
neuen Verbauzustand.
Eine weitere Annahme bezieht sich auf die Kapazität des fertigungsnahen Lagers. Es wird davon
ausgegangen, dass die Kapazität des Lagers in jedem Fall ausreicht und somit alle Materialbe-
darfe der Fertigungsstationen abgedeckt werden können. Durch diese Annahme wird die Beein-
flussung der Leistungsindikatoren des Fertigungssystems durch logistische Prozesse verringert.
Somit besitzt lediglich der intrastationäre Materialtransport zwischen den Fertigungsstationen
und dem Lager einen Einfluss auf die Systemleistung, nicht aber die Lagerhaltung sowie die
vorgelagerten logistischen Prozesse.
Darüber hinaus wird angenommen, dass die einzelnen Fertigungsstationen für Material aber
auch Produkte bzw. Aufträge unendliche Puffer besitzen. Diese Annahme ist, besonders bei der

124
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

Fertigung großvolumiger Produkte, nicht realitätsgetreu, verringert jedoch die Komplexität der
Simulation wesentlich. Außerdem ist es somit möglich Engpassstationen zu identifizieren und
auch ein Maß für die Stärke des Engpasses, nämlich die Warteschlangenlänge der Aufträge, zu
ermitteln. Bei begrenzten Pufferkapazitäten ist vorrangig nur die Identifikation von Engpässen
möglich.
Ergänzend zu den bereits genannten Annahmen wird davon ausgegangen, dass die vorhan-
dene Fertigungsfläche keine Limitation bei der Layoutplanung darstellt. Das in dieser Arbeit
entwickelte Konzept sowie auch das Simulationstool gehen daher von keinen räumlichen Ein-
schränken aus. Es findet somit ein sogenannter Green-Field-Ansatz statt, bei dem keine beste-
henden Strukturen, z.B. Wände und Pfeiler, vorhanden sind. Durch diese Annahme wird ein
Ideallayout für das betrachtete Fertigungsszenario ermittelt, das vor der Implementierung einer
Überführung in ein Reallayout bedarf.

Abbildung 6.2: Black-Box-Modell der Fertigungsstationen in der Simulationen mit Inputs,


Funktionalitäten und Outputs

6.2 Ablauf und Architektur der Simulation


In diesem Abschnitt wird zunächst der logische Ablauf der Simulation beschrieben, um das Wis-
sen über das Simulationstool zu vertiefen. Der logische Ablauf stellt außerdem Anforderungen
an die Softwarearchitektur und trägt somit zur Nachvollziehbarkeit der anschließend vorge-
stellten Architektur der Simulation bei. Zur Erläuterung der softwaretechnischen Architektur
der Simulation wird das zugehörige Klassendiagramm eingeführt und wichtige Klassen werden
detailliert beschrieben. Bochmann et al. [12] haben bereits das grundlegende Simulationskon-
zept sowie eine Erweiterung zur simulativen Abbildung von Mensch-Roboter-Kooperationen
in dezentral gesteuerten und flexiblen Fertigungssystemen dargestellt. Daher sind viele der im
Folgenden genannten Aspekte ebenfalls in Bochmann et al. [12] diskutiert.

Abbildung 6.3 ist angelehnt an Bochmann et al. [12] und zeigt den logischen Gesamtablauf
der Simulation schematisch auf. Mittels der Produkt- und Planungsdaten wird das Fertigungs-
szenario definiert. Diese Daten stammen in der Regel aus Manufacturing Execution Systems

125
6 Simulationsbasierte Umsetzung

(MES) und Arbeitsplanungssystemen. In den Produkt- und Planungsdaten sind somit jegliche
benötigten Fertigungsinformationen über die verschiedenen Produkte vor, der Produktmix ist
bekannt und das Produktionsvolumen ist festgelegt. Bei der in Kapitel 7 erklärten simulati-
onsbasierten Validierung stammen diese Daten aus dem MES sowie Arbeitsplanungssystem der
Volkswagen AG.
Wie in Abbildung 6.3 aufgezeigt, beginnt nun die Simulation mit der Ermittlung des optimalen
Layouts. Die Layoutoptimierung basierend auf der Lösung des Quadratischen Zuordnungspro-
blems (QAP) (vgl. Unterabschnitt 2.3.5) wird, wie in Abschnitt 5.3 detailliert beschrieben,
mittels eines Genetischen Algorithmus (GA) realisiert. Hierzu wird das Java Genetic Algo-
rithms Package (JGAP)1 verwendet. Der dargestellte und im Folgenden beschriebene Optimie-
rungsdurchlauf wird für jedes Chromosom, d.h. für jede im Laufe des GAs betrachtete Lösung,
durchgeführt. Der Genetische Algorithmus erzeugt in der aktuellen Generation eine Popula-
tion, die eine vordefinierte Anzahl an Chromosomen enthält. Im Rahmen der Layoutbildung
ist bereits darauf geachtet, dass zulässige Layoutlösungen entstehen. Details dazu sind in Ab-
schnitt 5.3 enthalten.

Abbildung 6.3: Schematische Darstellung des logischen Gesamtablaufs des Simulations-


tools inklusive der integrierten Optimierungsprobleme, angelehent an Boch-
mann et al. [12]

1
www.jgap.sourceforge.net

126
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

Im nächsten Schritt wird für jedes Chromosom ein optimaler Maschinenbelegungsplan erzeugt.
Hierbei kommt das in Abschnitt 5.4 beschriebene Optimierungskonzept zum Einsatz, das eine
Tabusuche auf das vorliegende Schedulingproblem, dem eine Erweiterung des Flexiblen Job
Shop Scheduling Problems zugrunde liegt, anwendet. Dieser Schritt ist für jede erzeugte Lay-
outlösung notwendig, da die Leistungskennzahlen eines Layouts maßgeblich von der Güte der
Maschinenbelegungsplanung abhängen. Zur Durchführung dieses Optimierungsschrittes wird
OptaPlanner2 , ein sogenannter Constraint Satisfaction Solver, verwendet.
Die jeweiligen Datenpakete, bestehend aus dem Fertigungslayout und dem dazugehörigen Ma-
schinenbelegungsplan, lösen im dritten Schritt erst die eigentliche Simulation aus. Es wird eine
zeitdiskrete Simulation über den betrachteten Fertigungszeitraum gestartet, in der die einzel-
nen Aufträge basierend auf der Maschinenebelegungsplanung die geplanten Fertigungsstationen
durchlaufen. Hierbei läuft parallel die Komponente der Transportwegplanung und Kollisions-
vermeidung nach den in Abschnitt 5.5 erläuterten Konzepten. Für die Umsetzung der Trans-
portwegplanung wird das Triangulation and Path Planning Toolkit (Tripath Toolkit)3 verwen-
det. Die Navigationsstruktur wird für jedes dynamische Objekt in jedem Zeitraum aktualisiert
und es wird der optimale Weg von der aktuellen Position zur Zielposition für den jeweils vor-
liegenden Systemzustand aktualisiert, so dass kollisionsfreie Material- und Produkttransporte
durchgeführt werden. In diesem Schritt ist die Simulation notwendig, da das Transportverhalten
des Systems, aufgrund der hohen Dynamik, zu komplex ist, um es exakt vorherzusagen bzw.
rechnerisch zu ermitteln. Aus diesem Grund wird das Simulationstool verwendet, um die Ein-
flüsse der Transportdynamik auf die Leistungskennzahlen des Fertigungssystems simulativ zu
bewerten. Als Ergebnis des beschriebenen Simulationsdurchlaufs wird aus den ermittelten Leis-
tungskennzahlen für jede Layoutlösung ein Fitnesswert mittels einer vordefinierten, gewichteten
Zielfunktion berechnet. Wie bereits in Kapitel 2 genannt, ist die Normierung der Leistungskenn-
zahlen besonders entscheidend bei der Berechnung der Fitnessfunktion. Daher wird an dieser
Stelle genauer auf die Bildung und Berechnung der Fitnessfunktion eingegangen. Allgemeine
handelt es sich um eine gewichtete multikriterielle Zielfunktion 𝑓 (𝑥) der Form
𝑛
𝑓 (𝑥) = (6.1)
∑︁
𝑤𝑖 · 𝑉 𝑖 ,
𝑖=1

wobei 𝑛 der Anzahl an Leistungskennzahlen, die in die Fitnessfunktion einfliessen, 𝑤𝑖 dem


Gewicht der Leistungskennzahl 𝑖 und 𝑉𝑖 dem normierten Wert der Leistungskennzahl 𝑖 ent-
sprechen. In die Fitnessfunktion fliesst somit der normierte Wert der Leistungskennzahl ein.
Hierdurch ist gewährleistet, dass die Einflüsse der verschiedenen Leistungskennzahlen auf die
Fitnessfunktion sich im gleichen Wertebereich befinden. In dem vorliegenden Fall wurden alle
Leistungskennzahlen in den Wertebereich zwischen 0 und 1 abgebildet. Bei der Abbildung ist

2
www.optaplanner.org
3
www.graphics.ucmerced.edu/software/tripath

127
6 Simulationsbasierte Umsetzung

zwischen drei generellen Fällen unterschieden, die im Folgenden kurz erklärt werden. Hierbei ist
wichtig, dass der angewendete GA aus JGAP eine Maximierung der Fitnessfunktion vornimmt.
Der erste Fall betrifft jegliche Leistungskennzahlen, die maximiert werden müssen, wie beispiels-
weise die Anlagenauslastung. Als Normierungsfunktion 𝑉 (𝑣) wird eine Funktion der Form

𝑉 (𝑣) = 𝑥𝑎 (6.2)

verwendet. Eine schematische Darstellung ist in Abbildung 6.4 dargestellt.

Abbildung 6.4: Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion für zu maximie-
rende Leistungskennzahlen

Mittels der Randbedingungen

𝑉 (0) = 0 und (6.3)

𝑉 (𝑣𝑖,50 ) = 0.5 resultiert (6.4)

𝑎 = 𝑙𝑜𝑔𝑣𝑖,50 (0.5) . (6.5)

Somit ergibt sich die Normierungsfunktion für zu maximierende Leistungskennzahlen in Ab-


hängigkeit der Konstanten 𝑣𝑖,50 zu

𝑉 (𝑣) = 𝑥𝑙𝑜𝑔𝑣𝑖,50 (0.5) . (6.6)

128
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

Die Konstante 𝑣𝑖,50 bestimmt also die Steigung der Normierungsfunktion und muss für jede
Leistungskennzahl individuell festgelegt werden.
Der zweite Fall ist für jegliche zu minimierende Leistungskennzahlen zutreffend, wie beispiels-
weise die Durchlaufzeit (DLZ). Als Normierungsfunktion 𝑉 (𝑣) wird hierbei eine natürliche
Exponentialfunktion der Form

𝑉 (𝑣) = 𝑎 · 𝑒𝑏·𝑣 + 𝑐 (6.7)

angewendet. Abbildung 6.5 zeigt eine schematische Darstellung der Normierungsfunktion.

Abbildung 6.5: Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion für zu minimie-
rende Leistungskennzahlen

Mittels der Randbedingungen

𝑉 (0) = 1 und (6.8)

𝑉 (𝑣𝑖,50 ) = 0.5 resultieren (6.9)

𝑎=1 , (6.10)

𝑙𝑛(0.5)
𝑏= und (6.11)
𝑣𝑖,50

129
6 Simulationsbasierte Umsetzung

𝑐=0 . (6.12)

Somit ergibt sich die Normierungsfunktion 𝑉 (𝑣) für zu minimierende Leistungskennzahlen in


Abhängigkeit der Konstanten 𝑣𝑖,50 zu
𝑙𝑛(0.5)
·𝑣
𝑉 (𝑣) = 𝑒 𝑣𝑖,50
. (6.13)

Der dritte Fall ist ein Sonderfall und betrifft lediglich die Prozessdichte, d.h. die durchschnitt-
liche Anzahl an Prozessfähigkeiten je Fertigungsstation. Hierbei wird eine Sigmoidfunktion der
Form

1
𝑉 (𝑣) = (6.14)
1 + 𝑒𝑎·𝑥+𝑏

verwendet. Der Verlauf der Normierungsfunktion ist in Abbildung 6.6 skizziert. Aufgrund des

Abbildung 6.6: Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion anhand einer
Sigmoidfunktion

langen Plateaus und des nachfolgend steilen Abstiegs bietet sich diese Funktion an, um den
Wertebereich in zwei Bereiche mit einem schmalen Übergangsbereich zu unterteilen. Der ers-
te Bereich befindet sich beim Plateaus und verstärkt die dazugehörigen Funktionswerte. Im
zweiten Bereich, nachdem der steile Abfall im Übergangsbereich stattgefunden hat, werden
jegliche Funktionswerte stark abgeschwächt bzw. sehr schlecht bewertet. Die Funktionsweise
ähnelt einer Sprungfunktion mit dem Unterschied, dass die Sigmoidfunktion stetig ist. Für den

130
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

vorliegenden Fall ergeben sich mittels der Randbedingungen

𝑉 (0) = 1 und (6.15)

𝑉 (𝑣𝑖,50 ) = 0.5 die Parameter zu (6.16)

𝑎 = 1 und (6.17)

𝑏 = −𝑣𝑖,50 . (6.18)

Der Parameter 𝑣𝑖,50 entspricht in diesem Fall dem Wendepunkt der Sigmoidfunktion und be-
schreibt somit den Grenzwert, ab dem die Leistungskennzahl der Prozessdichte niedrig bewertet
wird. Die Normierungsfunktion 𝑉 (𝑣) für die Prozessdichte wird letztendlich durch

1
𝑉 (𝑣) = . (6.19)
1 + 𝑒𝑥−𝑣𝑖,50

abgebildet. Zusammenfassend ist in Tabelle 6.1 eine Übersicht der verwendeten KPIs inklusive
einer Zuordnung zu den drei Kategorien der Normierungsfunktionen abgebildet. Da insgesamt
zehn KPIs verwendet werden, jede KPI ihre Optimalität bei einem normierten Fitnesswert von
1 besitzt und eine Gewichtungssumme von 100 auf die verschiedenen KPIs verteilt wird, liegt
der Wertebereich der Fitnessfunktion zwischen 1 und 100. Die Null ist im Wertebereich der Fit-
nessfunktion nicht enthalten, da JGAP ansonsten Berechnungsfehler verursacht. Jede Lösung
bzw. jedes Chromosom, dass eine harte Randbedingung, wie z.B. das Vorhandensein aller für
die Abarbeitung des Auftragspools notwendigen Prozessfähigkeiten, verletzt, wird automatisch
mit einem Fitnesswert von 1 bewertet. Somit wird für unzulässige Lösungen kein Simulations-
durchlauf benötigt und die Optimierung ist effizienter.

Die Fitnesswerte einer Generation des GAs werden gesammelt, verglichen und dienen als Ent-
scheidungsgrundlage für die Anwendung der genetischen Operatoren - Selektion, Mutation und
Rekombination (Kreuzung) - bei der Bildung der nachfolgenden Generation an Layoutlösungen.
Das beschriebene Vorgehen wird solange wiederholt, bis der Genetische Algorithmus terminiert,
d.h., dass eine Abbruchbedingung erfüllt ist. Es ist wichtig an dieser Stelle zu verstehen, dass
nicht zwingend eine optimale Lösung erreicht sein muss. Aufgrund der hohen Komplexität, ge-
schuldet durch die Kombination von drei an sich bereits komplexen Optimierungsproblemen,

131
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Tabelle 6.1: Übersicht der für die Optimierung mittels des genetischen Algorithmus verwende-
ten KPIs inklusive einer Zuordnung zu den drei Kategorien der Normierungsfunk-
tionen

Normierungsfunktion KPIs
Minimierende Funktion Durchschnittliche Durchlaufzeit, Standardabweichung
der Durchlaufzeit, Standardabweichung der Anla-
genauslastung, Investitionskosten, Standardabweichung
der technischen Prozessverfügbarkeit, Durchschnittliche
Transportzeit, Standardabweichung der Transportzeit
Maximierende Funktion Durchschnittliche Anlagenauslastung, Durchschnittliche
technische Prozessverfügbarkeit
Sigmoidfunktion Prozessdichte

existieren ebenfalls Abbruchbedingungen, die an die Laufzeit oder auch die Verbesserungsrate
der Optimierung geknüpft sind. Somit kann nach einer gewissen Gesamtlaufzeit des Algorith-
mus oder bereits nach einem definierten Zeitraum ohne signifikante Verbesserung der Lösung
das Verfahren terminieren. In diesem Fall wird die aktuell beste Lösung als optimale Lösung
zurückgegeben.

Nachdem der logische Ablauf der Simulation bekannt ist, wird nun auf die detaillierte Softwa-
rearchitektur der Simulation eingegangen. Als Grundlage dient hierbei das in Abbildung 6.7
dargestellte Klassendiagramm der Simulation. Bei den im Diagramm enthalten Klassen han-
delt es sich um Java-Klassen. Für das entwickelte Simulationstool wurde hauptsächlich die
Programmiersprache Java (Version 8.1) verwendet. Die Wahl der Programmiersprache ist mit
der hohen Verbreitung, der guten Universalität und der starken Objektorientierung von Java
begründet. Das Klassendiagramm beinhaltet nicht alle Klassen der Simulation, sondern zeigt
nur die zentralen Klassen und deren Beziehung untereinander. So wurden beispielsweise jegli-
che Klassen des Graphical User Interface (GUI) in der Darstellung ignoriert. In den folgenden
Unterabschnitten werden die einzelnen Klassen beschrieben. Anschließend wird noch das im
Klassendiagramm nicht enthaltene GUI erläutert. Die folgenden Erläuterung sind angelehnt an
Schumann [96] und wurden mit dem aktuellen Stand der Simulation erweitert.

Klasse Simulation
Die Klasse 𝑆𝑖𝑚𝑢𝑙𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛 ist der zentrale Baustein der Architektur der Simulation. Sie beinhaltet
die Logik zum Starten, Stoppen und Berechnen der einzelnen Zeitschritte der Simulationslogik.
Die Berechnung der Simulation erfolgt in diskreten Zeitschritten. In jedem einzelnen Zeitschritt
werden einzelne Aktivitäten abgearbeitet, wie das Hinzufügen von neuen Aufträgen in die
Fertigung, das Erstellen von Materialaufträgen im Lager und das Ausführen von Aktionen auf

132
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

ProductionPlanningPlaner ProductionPlanningSolution Database

allVariants

ViewController Variant MainGA

simPlanned

allOrders

Simulation Order
activeOrders

Path
ignoredAGV, activeAGV path

AGV

navmesh execution

Navmesh
navmesh

Storage storage
Layout layout
Station nextExecutions, executionHistory
Execution
stations

layout nextStation

Abbildung 6.7: Klassendiagramm der Simulation, erweitert von Schumann [96]

Stationen, Aufträgen sowie FTS in Abhängigkeit von deren Status.

Klasse ViewController
Übergeordnet zur Logik der Simulation in der Klasse Simulation existiert die Klasse View-
Controller, die als Schnittstelle zwischen der visuellen Darstellung, der grafischen Benutzer-
schnittstelle (engl.: Graphical User Interface (GUI)), und der Simulationslogik dient. Beide
Bestandteile werden in unterschiedlichen Threads ausgeführt, die mittels dem ViewController
gesteuert und koordiniert werden.

Klasse Database
Die Klasse Database entspricht einer Datenbank, die jegliche benötigten Produkt- und Produk-
tionsinformationen enthält. Kernelement der Klasse sind alle Informationen über die verschiede-
nen Produktvarianten. Hierzu zählen die zur Fertigstellung erforderlichen Prozesse je Variante,
die dazugehörigen Prozesszeiten je Fertigungsprozess und auch die Vorranggraphen der einzel-
nen Varianten, durch die die Reihenfolgeflexibilität beschrieben wird (vgl. Abbildung 5.1).

133
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Klasse Variant
Die in der Datenbank gespeicherten Produkt- und Produktionsinformationen werden in der
Klasse Variant für die verschiedenen Varianten, die in dem aktuellen Simulationsdurchlauf
betrachtet werden, variantenspezifisch gebündelt. Hieraus resultiert für jede Variante eine Re-
präsentanz mit eindeutiger ID und allen dazugehörigen Informationen, wie beispielsweise dem
Vorranggraph und den Prozesszeiten.

Klasse Layout
Die Fertigungsumgebung wird in der Klasse 𝐿𝑎𝑦𝑜𝑢𝑡 beschrieben. Das 𝐿𝑎𝑦𝑜𝑢𝑡 besitzt eine be-
stimmte Höhe und Breite, kennt die Stationen (𝑆𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛), die in der Fertigungsumgebung exis-
tieren, sowie deren Position, Höhe und Breite. Zusätzlich zu den Stationen befindet sich das
Lager, repräsentiert durch die Klasse 𝑆𝑡𝑜𝑟𝑎𝑔𝑒, im Layout an einer bestimmten Position mit
definierte Breite und Höhe. Weiterhin werden vom 𝐿𝑎𝑦𝑜𝑢𝑡 Start- und Zielposition der Aufträge
(Klasse 𝑂𝑟𝑑𝑒𝑟) bereitgestellt.

Klasse Order
Die Klasse 𝑂𝑟𝑑𝑒𝑟 repräsentiert in der Programmlogik einen Auftrag, der in der Fertigung
abgearbeitet werden muss. Dieser Auftrag kann zum Beispiel die Montage eines Fahrzeugs sein.
Die Abarbeitung eines solchen Auftrags erfordert die Abarbeitung einer Liste an Prozessen, die
teils in festgelegter und teils in beliebiger Reihenfolge abgeschlossen werden können. Wurden
alle Prozesse abgearbeitet, so ist ein Auftrag abgeschlossen und kann nach Ankunft an der
Zielposition aus der Liste der aktiven Aufträge entfernt werden. Ein Auftrag kann mehrere
Zustände haben, von denen abhängt, welche Aktionen in einem Zeitschritt ausgeführt werden:

• Free
Der Auftrag wird weder an einer Station bearbeitet, noch zum nächsten Ziel bewegt. Es
wird daher der nächste Prozess und die nächste Station ausgewählt, an der der gewählte
Prozess bearbeitet werden kann.

• Transport
Der Auftrag soll zur nächsten Station transportiert werden, nachdem diese Station gewählt
wurde. In diesem Zustand erfolgt die Bewegung der Order auf dem kürzesten Weg von
der momentanen Position zur Position der nächsten Station. Hierbei kommt die in Ab-
schnitt 5.5 beschriebene Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung zum Einsatz.

• Waiting
Der Auftrag ist bereits an der Station angekommen, an der der nächste Prozess ausgeführt
wird. Allerdings befindet sich der Auftrag momentan noch in der Warteschlange, da ein
anderer Auftrag die Station momentan in Anspruch nimmt.

134
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

• Occupied
Ist der Auftrag an der Station angekommen und innerhalb der Warteschlange an oberster
Stelle, so wechselt er in den Status 𝑂𝑐𝑐𝑢𝑝𝑖𝑒𝑑. Es erfolgt die Bearbeitung des Prozesses an
der Station.

• Completed
Nachdem der letzte Prozess aus der Prozessliste abgearbeitet wurde, ist ein Auftrag ab-
geschlossen und wird in den Status 𝐶𝑜𝑚𝑝𝑙𝑒𝑡𝑒𝑑 überführt. Es erfolgt die Bewegung zur
Endposition der Aufträge, welche im 𝐿𝑎𝑦𝑜𝑢𝑡 definiert ist.

• Finished
Der Auftrag ist an der Endposition angekommen und wurde vollständig bearbeitet. Auf-
träge im Zustand 𝐹 𝑖𝑛𝑖𝑠ℎ𝑒𝑑 werden zur Liste 𝑓 𝑖𝑛𝑖𝑠ℎ𝑒𝑑𝑂𝑟𝑑𝑒𝑟𝑠 hinzugefügt und aus dem
Fertigungssystem entfernt.

Klasse Storage
Das 𝑆𝑡𝑜𝑟𝑎𝑔𝑒 repräsentiert das Teilelager der simulierten Fertigung. Es wird angefragt, wenn
Material für einen neuen Prozess benötigt wird und schickt als Reaktion FTF der Klasse 𝐴𝐺𝑉
zu den Stationen. Ein Prozess benötigt wenigstens ein Material und kann erst beginnen, wenn
dieses Material an die Station geliefert wurde. Die FTF werden an einer bestimmten Stelle
innerhalb des Lagers erstellt, von der aus sie losfahren. Das Ziel der Rückfahrt wird ebenfalls
im Lager hinterlegt. Sind die FTS an diesem Punkt angekommen, werden sie entfernt.

Klasse AGV (Automated Guided Vehicle)


Die Klasse 𝐴𝐺𝑉 repräsentiert die Fahrerlosen Transportfahrzeuge (FTF) der Simulation, die ein
Material vom Lager zur Station liefern. Ähnlich wie die Aufträge haben auch FTF verschiedene
Zustände, die signalisieren, welche Aktionen in einem Zeitschritt ausgeführt werden:

• Transport
Das FTF hat ein Material geladen und fährt auf zu der Station, die mit dem Material
beliefert werden soll.

• Return
Das FTF hat das Material erfolgreich abgeliefert und muss nun zur Eingangsposition des
Lagers zurückfahren.

• Completed
Sind die FTF wieder in der Eingangsposition des Lagers eingegangen, so wird ihr Status
auf 𝐶𝑜𝑚𝑝𝑙𝑒𝑡𝑒𝑑 gesetzt. Es wird dem Lager signalisiert, dass das FTF vom Feld und der
Liste aktiver FTF entfernt werden kann.

135
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Klasse Station
Fertigungsstationen werden durch die Klasse 𝑆𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛 dargestellt und sind der Anlaufpunkt
der Aufträge, um ihre Prozesse abzuarbeiten. Eine 𝑆𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛 besitzt eine begrenzte Menge an
vordefinierten Prozessfähigkeiten, die sich während der Laufzeit der Simulation nicht mehr
ändern. Für die Abarbeitung der einzelnen Prozesse müssen die Aufträge spezielle Stationen
anfahren. Die folgenden Zustände können die Fertigungsstationen besitzen:

• Free
Es wird derzeit kein Auftrag in der Station bearbeitet und es ist auch kein Auftrag zur
Bearbeitung angemeldet. Während dieser Zustand aktiv ist, werden keinerlei Aktionen
ausgeführt.

• Reserved
Die Station wird von einem Auftrag reserviert, wenn dieser sich momentan auf dem Weg
zur Station befindet.

• Occupied
Die Station bearbeitet momentan einen Auftrag und kann erst nach Abschluss dieser
Bearbeitung einen weiteren abarbeiten. Neue Aufträge können sich nur in die Auftrags-
warteschlange der Fertigungsstation einreihen, um nach einer bestimmten Zeit von der
Station bearbeitet zu werden.

• Repair
Der Status 𝑅𝑒𝑝𝑎𝑖𝑟 wird dann erreicht, wenn eine Station ausfällt. Währende der Laufzeit
existiert der konstante Wert 𝑠𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝐴𝑣𝑎𝑖𝑙𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦, der die Verfügbarkeiten der Stationen
darstellt. Unter der Berücksichtigung der Zeit im Status 𝑅𝑒𝑝𝑎𝑖𝑟 wird durch eine Zu-
fallszahl der Ausfall der Station simuliert. Um die 𝑠𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝐴𝑣𝑎𝑖𝑙𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦 einzuhalten, kann
eine Station nur dann ausfallen, wenn die Station länger nicht in 𝑅𝑒𝑝𝑎𝑖𝑟 war als durch
𝑠𝑡𝑎𝑡𝑖𝑜𝑛𝐴𝑣𝑎𝑖𝑙𝑎𝑏𝑖𝑙𝑖𝑡𝑦 angegeben.

Klasse Execution
Ein weiterer Bestandteil des Klassendiagramms ist die Klasse Execution. Diese Klasse ist für
den Prozessfortschritt zuständig. Hierbei wird für jedes Paar bestehend aus einer Station und
einem Auftrag, der an dieser Station bearbeitet werden muss, sobald der Auftrag die Station
erreicht, eine Execution erzeugt, die den Prozessfortschritt berechnet, festhält und weitergibt.
In dem zuvor angesprochenen Black-Box-Model der Fertigungsstationen (siehe Abbildung 6.2)
entsprechen die Executions in vereinfachter Form der Funktionalität der verschiedenen Black-
Boxen.

136
6.2 Ablauf und Architektur der Simulation

Klasse MainGA
Die zuvor beschriebenen Klassen bilden die eigentliche Simulationskomponente ab. Die Klasse
MainGA beinhaltet die gesamte Layoutoptimierung und führt daher die in Abschnitt 5.3 konzi-
pierte und beschriebene Methodik aus. Hierbei werden weitere Klassen und Methoden aufgeru-
fen, die aus Komplexitätsgründen nicht im Klassendiagramm enthalten sind. Kernelemente der
Klasse MainGA sind die Ausführung des Genetischen Algorithmus, die Ermittlung von Trans-
portintensitäten und die Bildung von Layoutlösungen, deren Stationen auf den Schnittpunkten
eines Dreiecksgitters angeordnet sind.

Klassen ProductionPlanningPlanner und ProductionPlanningSolution


Die Klassen ProductionPlanningPlanner und ProductionPlanningSolution zählen ebenfalls nicht
zur eigentlichen Simulationskomponente, sondern werden primär für die Optimierung der Ma-
schinenbelegungsplanung benötigt. Das zugrundeliegende Maschinenbelegungsplanungsproblem,
eine Erweiterung des Flexible Job Shop Scheduling Problems (FJSP), ist in Abschnitt 5.4 be-
schrieben. Die Funktionalität der beiden Klassen ist somit die Durchführung der Tabusuche zur
Ermittlung eines optimalen Maschinenbelegungsplans für jede vom Genetischen Algorithmus
aus der Klasse MainGA erzeugten Layoutlösung.

Klassen Navmesh und Path


Die Erweiterung der Simulation mittels Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung ist an-
hand der Klassen Navmesh und Path realisiert. Die Klasse Navmesh erzeugt aus dem Layout
und den aktiven Aufträgen für jedes bewegliche Objekt der Simulation eine dynamische Karte,
in der alle anderen statischen und dynamischen Objekte berücksichtigt werden. Die in Unter-
abschnitt 5.5 beschriebene Triangulation der Wegfläche als Navigationsstruktur wird hierfür
ausgeführt. Die Klasse Path erhält anschließend die Navigationsstruktur, das Navmesh, und
ermittelt, wie in Unterabschnitt 5.5 beschrieben, zunächst einen Grobpfad, den sogenannten
Channel, der einer Aneinanderreihung von Triangulationselementen entspricht. Der Channel
wird mittels des A*-Algorithmus ermittelt und stellt den kürzesten Weg von der aktuellen
Objekt- zur Zielposition dar. Anschließend wird der Feinpfad, der sogenannte Funnel (vgl. Un-
terabschnitt 5.5), ermittelt, der letztendlich den exakten, von dem Objekt abzufahrenden Weg
darstellt.

Des Weiteren besitzt die Simulation eine grafische Benutzerschnittstelle (engl: Graphical User
Interface (GUI)), die mittels des Frameworks JavaFX programmiert wurde. Wie in Abbil-
dung 6.8 dargestellt, ist die GUI des Simulationstools grundlegend in die drei Bereiche des
Konfigurations- und Steuerungsmenüs, der Visualisierung des Fertigungssystems und den KPI-
Monitor unterteilt.

137
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Abbildung 6.8: Grafische Bedienerschnittstelle (GUI) des Simulationstools mit den drei gekenn-
zeichneten Bereichen (1) des Konfigurations- und Steuerungsmenüs, (2) der Vi-
sualisierung des Fertigungssystems und (3) dem KPI-Monitor

Im Konfigurations- und Steuerungsmenü wird vorrangig der Produktpool, d.h. das Produkti-
onsvolumen und der Produktmix, festgelegt. Außerdem wird die technische Verfügbarkeit der
Fertigungsstationen eingestellt, die Geschwindigkeit der grafischen Visualisierung kann ange-
passt werden und die Simulation kann gestartet, pausiert und gestoppt werden.
Die Visualisierung des Fertigungssystems stellt den aktuellen Zustand des Fertigungssystems
grafisch dar. Hierbei wird eine Aufsicht auf das erzeugte Fertigungslayout angezeigt, das eben-
falls ein fertigungsnahes Lager sowie alle dynamischen Objekte (FTS) beinhaltet. Die in Abbil-
dung 6.8 dargestellten Farben geben Auskünfte über die Zustände der Systemkomponten. Die
einzelnen Zustände wurden bereits zuvor bei den Klassenbeschreibungen erläutert.
Der KPI-Monitor befindet sich im rechten Teil des GUI und visualisiert in Echtzeit wichtige
Leistungskennzahlen sowie Auslegungsgrößen. Über ein Drop-Down-Menü kann zwischen der
aktuellen Auftragspufferbelegung der Stationen, der Anlagenauslastung, der Anzahl an FTS für
Materialtransporte im Fertigungssystem, sowie den Auftragsdurchlaufzeiten ausgewählt wer-
den.

138
6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten

6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten


Bevor eine Validierung des Gesamtkonzepts des entwickelten flexiblen und dezentral gesteu-
erten Fertigungssystems durchgeführt werden kann, werden in diesem Abschnitt die beiden
Optimierungskomponten aus der Simulation, die Layout- und Maschinenbelegungsplanopti-
mierung, verifiziert. Mittels der Verifizierung wird überprüft, ob die Optimierungskomponen-
ten ihre gewünschten bzw. spezifizierten Funktionalitäten besitzen. Hierfür werden die beiden
Komponenten separat bzw. isoliert betrachtet. Im Falle der Layoutplanung wird zusätzlich die
Simulation des Fertigungssystems benötigt, da die ermittelten KPIs zur Bewertung der Güte
des jeweiligen Layouts benötigt werden. Als Datengrundlage für die Verifizierung dienen Daten
aus dem MES sowie Arbeitsplanungssystems der Volkswagen AG für eine Fahrzeugendmontage.

Verifizierung der Layoutplanung


Bei der Layoutoptimierung wird überprüft, ob die Optimierung ein von dem betrachteten Pro-
duktionsszenario abhängiges optimales Layout erzeugt. Die Optimalität hängt jeweils von der
Gewichtung der Fitnessfunktion ab, da hierdurch unterschiedliche Ziele bzw. KPIs in den Vor-
dergrund gerückt werden. Im Vordergrund der Verifizierung der Layoutplanung steht daher die
Überprüfung der Funktionsweise des Genetischen Algorithmus unter Anwendung verschiedener
Gewichtungen der Fitnessfunktion. Es wurden die in Tabelle 6.2 dargestellten vier Szenarios mit
unterschiedlichen Optimierungszielen ausgearbeitet, aus denen unterschiedliche Gewichtungen
der Fitnessfunktion resultieren. Die unterschiedlichen Optimierungsziele lauten:

• Minimierung der Durchlaufzeit

• Maximierung der Anlagenauslastung

• Minimierung der Investitionskosten

• Maximierung der Systemverfügbarkeit (ausgedrückt durch die Prozessdichte)

Die dazugehörigen Fitnessfunktionen basieren auf der in Gleichung 6.1 beschriebenen Grund-
funktion mit den für jedes Optimierungsziel spezifischen Gewichten aus Tabelle 6.2.

Um zufällige Einflüsse zu minimieren, wurden für jedes Szenario der Genetische Algorithmus
und die Simulation fünf mal ausgeführt und die Ergebnisse der Durchläufe gemittelt. Als Ge-
wichtung wurden jeweils 70 % des Gesamtgewichts auf das Hauptkriterien des Szenarios gelegt
und die verbleibenden 30 % wurden unter den restlichen Faktoren gleichverteilt. Die exakte
Verteilung der Gewichte ist in Tabelle 6.2 enthalten. In Szenario 3 wurde das Hauptgewicht zu
gleichen Anteilen auf die Investitionskosten und die Prozessdichte aufgeteilt, da die Prozessdich-
te die Investitionskosten indirekt beeinflusst. In Szenario 4 wurden 60 % des Gesamtgewichts
auf die durchschnittliche Verfügbarkeit und 10 % auf die Standardabweichung der Verfügbarkeit

139
6 Simulationsbasierte Umsetzung

gesetzt, da der Mittelwert wesentlich signifikanter für die Optimierung mittels der Tabusuche
ist.

Tabelle 6.2: Gewichtung der Fitnessfunktion des Genetischen Algorithmus zur Layoutoptimie-
rung in den vier betrachteten Szenarien, basierend auf Zunino [133]

Gewichtung
Zielgröße Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3 Szenario 4
Durchlaufzeit Auslastung Investitionskosten Verfügbarkeit
[%] [%] [%] [%]
Durchlaufzeit (∅) 70 5 5 5
Durchlaufzeit (𝜎) 5 2,5 2,5 2,5
Auslastung (∅) 5 70 7,5 7,5
Auslastung (𝜎) 1,25 5 2,5 2,5
Prozessdichte (∅) 5 5 35 2,5
Investitionskosten (∅) 5 5 35 2,5
Verfügbarkeit (∅) 5 5 5 60
Verfügbarkeit (𝜎) 1,25 0 0 10
Transportzeit (∅) 2,5 2,5 5 5
Transportzeit (𝜎) 0 0 2,5 2,5
∅: Arithmetischer Mittelwert 𝜎: Standardabweichung

Die Ergebnisse der Verifizierung sind in Abbildung 6.9 grafisch dargestellt. Wie aus den Ergeb-
nissen ersichtlich, resultieren die unterschiedlichen Szenarien in verschiedenen Layoutlösungen.
Anhand von Abbildung 6.9(a) - Abbildung 6.9(d) können die Einflüsse auf die in den Szenarien
direkt adressierten Leistungskenngrößen abgeleitet werden. Abbildung 6.9(e) - Abbildung 6.9(h)
beinhalten weitere charakteristische Kenngrößen der resultierenden Layoutlösungen, die zur
Plausibilisierung der Layouts unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Optimierungssze-
narien verwendet werden.
Die generelle Funktionalität der Layoutoptimierung mittels des angewendeten und modifizier-
ten Genetischen Algorithmus ist anhand von Abbildung 6.9 nachgewiesen, da Abbildung 6.9(a)
- Abbildung 6.9(d) für die verschiedenen Szenarien unterschiedliche Lösungen aufweisen. Dabei
ist entscheidend, dass die Leistungskenngröße, die im jeweiligen Optimierungsszenario im Vor-
dergrund steht, durch die Layoutlösung, die aus dem zugehörigen Szenario resultiert, optimal ist
bzw. die anderen Layoutlösungen übertrifft. Für die Layoutlösungen, die bezüglich Durchlauf-
zeit, Anlagenauslastung und Investitionskosten optimiert sind, wird diese Voraussetzung erfüllt.
Lediglich bei der für eine hohe Systemverfügbarkeit optimierten Lösung weist die Lösung nicht
die höchste Systemverfügbarkeit auf. Die Systemverfügbarkeit der Lösung, die für eine optimale
Durchlaufzeit generiert wurde, besitzt eine um 0,13 % höhere Verfügbarkeit. Da diese Verbes-
serung jedoch sehr gering ausfällt und sehr viele Einflussfaktoren das Optimierungsergebnis
beeinflussen, wird die Verifizierung der Layoutoptimierung weiterhin als erfolgreich angesehen.
Wie bereits erwähnt, dienen Abbildung 6.9(e) - Abbildung 6.9(h) zur Plausibilisierung der

140
6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten

resultierenden Layoutlösungen. Ein interessanter Zusammenhang, der aus den Abbildungen


ersichtlich ist, ist die Beziehung zwischen der Durchlaufzeit, Anlagenauslastung, der Trans-
portzeit und der Stations- und Prozessanzahl, also der Prozessdichte. Für das Layout mit der
geringsten Durchlaufzeit resultiert eine Lösung, die eine Minimierung der Transportzeit er-
reicht. Dieses wird allerdings nicht durch eine möglichst kleine Produktionsfläche mit wenigen
Fertigungsstationen, die eine Vielzahl an Prozessfähigkeiten besitzen, erzielt, sondern bei ei-
ner vergleichsweise großen Produktionsfläche mit vielen Fertigungsstationen und eher geringer
Prozessdichte. Daraus folgt, dass diese Lösung auf Kosten der Anlagenauslastung optimiert
wird, da im Vordergrund ein Fertigungsablauf mit geringen Transportzeiten und minimalen
Wartezeiten aufgrund von Stationsbelegungen steht.
Ein weiterer, plausibler Zusammenhang besteht zwischen den Investitionskosten und der Pro-
zessdichte. So besitzt das Layout, dessen Schwerpunkt auf der Minimierung von Investitions-
kosten liegt, eine geringe Anzahl an Fertigungsstationen, die jedoch eine hohe Vielzahl an Pro-
zessfähigkeiten beherrschen. Die somit erzeugte hohe Prozessdichte ist aus Kostensicht vorteil-
haft, da davon ausgegangen wird, dass der Aufbau einer weiteren Fertigungsstation kosteninten-
siver als die Erweiterung einer bestehenden Fertigungsstation mit einer neuen Prozessfähigkeit
ist.

Verifizierung der Maschinenbelegungsplanung


Zur Verifizierung der Maschinenbelegungsplanung wird ein Design of Experiments (DoE) durch-
geführt. Für weiterführende Informationen zu dem Thema DoE wird an dieser Stelle auf Sie-
bertz et al. [99] verwiesen. Das Ziel der Verifizierung ist die Funktionalität bei der Bildung des
Maschinenbelegungsplans nachzuweisen. Im Rahmen dieser Verifizierung werden die durch-
schnittliche Auftragsdurchlaufzeit (DLZ) sowie die Gesamtanlagenauslastung als Leistungs-
kennzahlen betrachtet. Da das Layout einen konstanten Einfluss auf die Resultate der ver-
schiedenen Experimente haben soll, wird dieses konstant gehalten. Ein 3x3-Matrixlayout mit
beliebig verteilten Prozessfähigkeiten wird daher bei der vorliegenden Verifizierung verwendet.
Ebenfalls konstant bleiben die technischen Verfügbarkeiten der Fertigungsstationen sowie die
Gewichtung der Fitnessfunktion zur Bewertung der Lösungsgüte.
Variiert werden das Auftragsvolumen, der Produktmix und die Optimierungszeit der Tabusu-
che. Jeder dieser Parameter besitzt vier Stufen, die in Tabelle 6.3 aufgeführt sind. Die in dem
Validierungsszenario angenommenen Produktvarianten sind mit P1 - P4 gekennzeichnet. Es
ist wichtig zu verstehen, dass jeder der drei Parameter vier Stufen besitzt und diese Stufen
zwischen den Parametern unabhängig von einander kombinierbar sind.
Zur Reduktion der durchzuführenden Experimente wurde ein Taguchi-Versuchsplan erstellt.
Bei dem vorliegenden DoE mit vier Stufen und drei Parametern existieren 43 = 64 verschie-
den Experimente. Durch die Taguchimethode wird die Anzahl der benötigten Experimente
auf 16 reduziert. Der zugrundeliegende Taguchi-Versuchsplan ist in Tabelle 6.4 abgebildet. Die

141
6 Simulationsbasierte Umsetzung

(a) Durchlaufzeit (b) Anlagenauslastung

(c) Investitionskosten (d) Systemverfügbarkeit

(e) Transportzeit (f) Prozessanzahl

(g) Produktionsfläche (h) Mittlerer Stationsabstand

Abbildung 6.9: Resultate der Verifizierung der Layoutoptimierung anhand verschiedener Sze-
narien, modifiziert von Zunino [133]

tatsächlichen Parameterwerte der zugehörigen Stufe können mittels Tabelle 6.3 nachvollzogen
werden. Zur Minimierung von zufälligen Einflüssen, wie beispielsweise der Auswahlwahrschein-
lichkeit von Fertigungsstationen, wurden für jedes DoE-Experiment des vierstufigen Taguchi-
Versuchsplans zehn Repititionen ausgeführt und deren Ergebnisse gemittelt. Als Vergleich wer-
den ebenfalls die initialen Lösungen mittels der Simulation ausgewertet.

142
6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten

Tabelle 6.3: Parameter und zugehörige Stufen für das DoE zur Verifizierung der Maschinenbe-
legungsplanung, basierend auf Simon [101]

Stufen Auftragsvolumen Produktmix Optimierungszeit


[-] [%] [min.]
P1 P2 P3 P4
Stufe 1 100 100 0 0 0 10
Stufe 2 200 50 50 0 0 20
Stufe 3 400 20 30 40 10 40
Stufe 4 600 25 25 25 25 60

Tabelle 6.4: Taguchi-Versuchsplan für das angenommene Verifizierungsszenario der Maschinen-


belegungsplanung, angepasst von Simon [101]

Experimentnr. Auftragsvolumen Produktmix Optimierungszeit


(Stufe) (Stufe) (Stufe)
1 1 1 1
2 1 2 2
3 1 3 3
4 1 4 4
5 2 1 2
6 2 2 1
7 2 3 4
8 2 4 3
9 3 1 3
10 3 2 4
11 3 3 1
12 3 4 2
13 4 1 4
14 4 2 3
15 4 3 2
16 4 4 1

Die dazugehörigen Resultate sind in Tabelle 6.5 zusammengefasst und zeigen bereits auf, dass
jedes Experiment bei den optimierten Werten für die durchschnittliche DLZ sowie die durch-
schnittliche Anlagenauslastung zu Verbesserungen führt. Dennoch ist es sinnvoll, zusätzlich die
in Abbildung 6.10 und Abbildung 6.11 dargestellten Haupteffektdiagramme aus den Experimen-
ten zu betrachten. Aus dem Haupteffektdiagramm für die durchschnittliche Durchlaufzeit der
Aufträge ist ersichtlich, dass die optimierten Maschinenbelegungspläne wesentlich robuster als
die initialen Lösungen gegenüber Parametervariationen bei dem Auftragsvolumen, Produktmix
und auch der Optimierungszeit sind. Interessanterweise ist die durchschnittliche Durchlaufzeit
in Abhängigkeit von der Optimierungszeit nahezu konstant. Die Vergrößerung des Optimie-
rungszeitraums über zehn Minuten hinaus ist somit nicht effizient und sinnvoll. Aus dem Haupt-

143
6 Simulationsbasierte Umsetzung

Tabelle 6.5: Überblick der Resultate für die Experimente des DoEs mit dem Taguchi-
Versuchsplan, angepasst von Simon [101]

Experiment- ∅ DLZ ∅ Anlagenauslastung ∅ DLZ ∅ Anlagenauslastung


nummer (initial) (initial) (optimiert) (optimiert)
[s] [%] [s] [%]
1 547,87 23,87 409,08 41,54
2 453,07 23,55 413,46 41,54
3 378,86 25,47 340,65 35,19
4 385,71 26,85 365,26 43,59
5 741,42 24,53 422,74 43,46
6 473,40 23,92 408,61 37,64
7 388,81 25,61 348,15 37,60
8 388,36 26,45 360,16 41,47
9 969,97 24,42 421,87 41,82
10 449,70 23,94 410,56 38,92
11 385,25 26,47 352,50 39,35
12 393,61 26,95 361,36 38,78
13 1202,49 24,79 437,58 40,82
14 452,98 24,40 411,90 38,31
15 394,81 26,66 354,56 39,66
16 388,97 26,70 363,34 36,81

effektdiagramm für die durchschnittliche Gesamtanlagenauslastung ist ebenfalls eine deutliche


Verbesserung der optimierten Lösung ersichtlich, wodurch die Funktionalität des implementier-
ten Optimierungsverfahrens erwiesen ist. Die Robustheit gegenüber Parametervariationen ist
beinahe konstant.

Abbildung 6.10: Haupteffektdiagramm der durchschnittlichen Durchlaufzeit für das betrachtete


Verifizierungsszenario, angepasst von Simon [101]

144
6.3 Verifizierung der Simulationskomponenten

Abbildung 6.11: Haupteffektdiagramm der durchschnittlichen Gesamtanlagenauslastung für


das betrachtete Verifizierungsszenario, angepasst von Simon [101]

Die Verifizierung der dritten Komponente, der Transportwegplanung und Kollisionsvermei-


dung, ist nicht auf vergleichbare Art zu den beiden vorgestellten Verifizierungen möglich. Der
Hauptgrund hierfür ist, dass es sich nicht um eine Optimierung mit definiertem Resultat han-
delt, sondern dynamisch kürzeste Wege innerhalb der aktuellen Wegfläche berechnet werden.
Eine grundlegende Verifizierung der verwendeten Softwarebibliothek wurde bereits von Kall-
mann [52, 53] durchgeführt. Kallmann zeigt auf, dass der verwendete Ansatz in einer statischen
Umgebung kürzeste Transportwege unter Berücksichtigung der Größe des Transportobjekts er-
mittelt. In der vorliegenden Implementierung wird, wie in Kapitel 5 detailliert beschrieben,
eine dynamische Umgebung betrachtet. Für jedes dynamische Objekt wird in Abhängigkeit der
Positionen aller anderen dynamischen Objekte der kürzeste Weg ermittelt. Temporär kann, ba-
sierend auf der Verifizierung von Kallmann [52, 53], gezeigt werden, dass tatsächlich der kürzeste
Weg ermittelt wird. Da der Ansatz jedoch zukünftigen Bewegungsinformationen der anderen
Objekte nicht berücksichtigt und daher abhängig vom Systemzustand einen neuen kürzesten
Weg berechnet, kann nicht garantiert werden, dass der Ansatz in einer dynamischen Umgebung
den tatsächlichen kürzesten Weg ermittelt.
Durch die Visualisierung des Fertigungsablaufs in der GUI kann die Funktionalität der Trans-
portwegplanung und Kollisionsvermeidung jedoch sehr gut nachvollzogen werden. Somit kann
sichergestellt werden, dass ein ausreichend gutes Transportverhalten durch die dynamische
Transportwegplanung erreicht wird. Das Verhalten der Transportobjekte ohne die Einbezie-
hung globaler Informationen entspricht ebenfalls in vielen Fällen der praktischen Realität, da
Ansätze mit statischer bzw. globaler Transportwegplanung und dezentraler bzw. lokaler Kol-
lisionsvermeidung in industriellen Anwendungen aufgrund guter Planbarkeit und auch hoher
Robustheit häufig verwendet werden.

145
7 Simulationsbasierte Validierung
Nach der Verifizierung der Simulationskomponenten wird in diesem Kapitel die simulationsba-
sierte Validierung der entwickelten Konzepte anhand eines Praxisbeispiels durchgeführt. Das
Hauptaugenmerk der Validierung liegt auf dem Aufzeigen von Implikationen bei der Einführung
bzw. Nutzung eines nach den zuvor genannten Konzepten entwickelten flexiblen und dezentral
gesteuerten Fertigungssystems. Zunächst wird die Wahl des Anwendungsfalls begründet und
dieser detailliert vorgestellt. Anschließend wird die Implementierung für die Simulation erläutert
und die Resultate werden diskutiert. Im Rahmen der Validierung wird zunächst geprüft, ob aus
der Methodik zur ganzheitlichen Gestaltung und Optimierung basierend auf validen Daten eines
Praxisbeispiels ein Fertigungssystem resultiert, das fähig ist einen realitätsgetreuen Auftrags-
pool zu fertigen. Das Weiteren werden KPIs für das resultierende Fertigungssystem ermittelt
und verglichen, wodurch validiert wird, ob das neu entwickelte mit dem herkömmlichen Fer-
tigungssystem konkurrieren kann und in welchen Aspekten der Einsatz des neu entwickelten
Fertigungssystems vor- bzw. nachteilig ist.

7.1 Auswahl des Anwendungsfalls


Bei der Auswahl des Anwendungsfalls für die simulationsbasierte Validierung wurde darauf
geachtet, dass die Potentiale der flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigung möglichst gut
ausgeschöpft werden können und durch möglichst wenige praktische Limitationen bereits ein-
geschränkt werden. Aus diesem Grund existieren einige Anforderungen, die ein geeigneter An-
wendungsfall erfüllen muss.
Eine Anforderung bezieht sich auf die vorliegende Variantenvielfalt in dem betrachten Ferti-
gungsabschnitt. Da bei niedrigvarianten Fertigungsaufgaben die getaktete Fließfertigung heute
und höchstwahrscheinlich ebenfalls zukünftig das am besten geeignete Fertigungssystem dar-
stellt, ist eine hohe Variantenvielfalt des betrachteten Anwendungsfalls notwendig, um die Vor-
teile der Flexibilisierung des Materialflusses innerhalb der flexiblen und dezentral gesteuerten
Fertigung zu nutzen. Des Weiteren sollte der Anwendungsfall eine Flexibilisierung der Ferti-
gungsreihenfolge zulassen, d.h., dass die Reihenfolge der durchzuführenden Fertigungsschritte
zur Fertigstellung des Produkts nicht vollständig starr ist. Eine weitere Anforderung, die aus der
mathematischen Komplexität der Simulation bzw. der beiden integrierten Problemstellungen -
des Quadratischen Zuordnungsproblems sowie der Erweiterung des Flexiblen Job Shop Sche-
duling Problems - resultiert, ist, dass die Systemgröße des betrachteten Anwendungsfalls noch
in angemessener Zeit eine ausreichend optimierte Lösung zulässt. Daher müssen die Anzahl
an Stationen, die Auftragspoolgröße sowie auch die Anzahl an Prozessen angemessen gewählt

146
7.2 Anwendungsfall: Vormontage eines Fahrzeugcockpits

werden.

Basierend auf den genannten Anforderungen ergibt sich, dass generell Vor- sowie Endmontagen
adäquate Anwendungsfälle darstellen. Als Begründung dienen hierbei die Tatsachen, dass zum
einen hohe Variantenvielfalten in diesen Fertigungsbereichen existieren, und zum anderen die
Flexibilisierung der Prozessreihenfolge in der Regel höher ist als beispielsweise bei spanenden
Prozessen. Außerdem ist die Systemgröße, besonders bezogen auf Vormontagen, häufig geringer
als in anderen Fertigungsbereichen. Aus den genannten Gründen wird im Rahmen der vorliegen-
den Arbeit die Vormontage eines Fahrzeugcockpits als Anwendungsfall zur simulationsbasierten
Validierung verwendet. Details zu dem Anwendungsfall folgen in Abschnitt 7.2.

7.2 Anwendungsfall: Vormontage eines Fahrzeugcockpits


Bei dem betrachteten Produkt handelt es sich um das in Abbildung 7.1 dargestellte Cockpit
eines Volkswagen Passats.

Abbildung 7.1: 3D-Zeichnung des in dem betrachten Anwendungsfall zu produzierenden Fahr-


zeugcockpits des Volkswagen Passats

Die Vormontage des Cockpits besteht aus dem Zusammenbau von 40 Bauteilen, d.h. diese
Fertigungsaufgabe besitzt einen Gesamtumfang von 40 Prozessschritten. Von diesen 40 Pro-
zessschritten bzw. Bauteilen sind sieben optional und dienen somit der Variantenbildung. Der
zugehörige Vorranggraph des Cockpits ist in Abbildung 7.2 abgebildet. Als zusätzliche Informa-
tion ist der jeweilige Drehwinkel der Gestelle, auf denen die Cockpits während der Vormontage
gelagert werden, angegeben. Diese Information ist notwendig, da bestimmte Prozesse nur in
bestimmten Drehlagen des Cockpits durchgeführt werden können. Zur Vermeidung unnötiger
Drehungen des Gestells wird diese Informationen im Folgenden mit in die Kompatibilitätsmatrix
des genetischen Algorithmus für die Layoutoptimierung einbezogen, so dass nur Prozesse mit
gleichen Drehwinkeln innerhalb einer Station ausgeführt werden können.

147
7 Simulationsbasierte Validierung

20° 45° 90° 45° 0°

9 10
2 3 5 6 14 15 16 18 19
1 11 20
4 7 8 13 17
12

90° 45°
28 27
31
31 30 21
40 39
32
38 32 29 22
35
37
25 23
36
26 24

Abbildung 7.2: Vorranggraph des in dem Anwendungsfall betrachten Cockpits

Im heutigen Vormontageprozess sind die 40 Prozesse auf 31 Stationen verteilt, wie aus Abbil-
dung 7.3 ersichtlich. Die Zusammenlegung einiger Prozesse auf eine Station wird vorgenommen,
um Stationen mit möglichst gleichmäßigen Taktzeiten zu erzielen. Dieser Vorgang wird auch
Abtaktung (engl.: Line Balancing) genannt.

Abbildung 7.3: Aktuelles schematisches Layout der Cockpitvormontage mit 32 Stationen

Aufgrund der mathematischen Komplexität des Problems und der Optimierung muss die Sys-
temgröße weiter reduziert werden. Zur Reduzierung der in diesem Anwendungsfall betrach-
teten Systemgröße kann daher nur ein Ausschnitt der Cockpitvormontage betrachtet werden.
Zunächst wurden einige Prozessschritte zusammengefasst, d.h. es wurde eine Clusterung vorge-
nommen. Der aus der Clusterung resultierende Vorranggraph ist in Abbildung 7.4 dargestellt.
Es ist ersichtlich, dass die Stationsanzahl auf 22 Stationen reduziert werden konnte. Des Wei-

148
7.3 Implementierung des Anwendungsfalls

teren besitzt der dargestellte Vorranggraph eine sehr hohe Reihenfolgeflexibilität, weshalb

𝑛𝑝 = 2! · 3! · 2! · 2! · 4! · 3! · 2! = 13.824 (7.1)

mögliche Fertigungsprozesssequenzen für dieses Produkt exisiteren. Zur weiteren Eingrenzung


des Lösungsraums der Optimierung wird daher nur der erste Teil der Cockpitvormontage bis
einschließlich Prozess 13 betrachtet. Der Vorranggraph bis einschließlich Prozess 13 besitzt

𝑛𝑝 = 2! · 3! · 2! · 2! = 48 Pfade, (7.2)

die mögliche Fertigungsprozesssequenzen darstellen, und ist somit wesentlich besser handhab-
bar.

14

6 18
4 9 11 15 21
1 2 3 7 13 19
5 10 12 16 22
8 20

17

Legende: 20° 45° 90° 0° -45° Optional

Abbildung 7.4: Aus der Prozessclusterung resultierender reduzierter Vorranggraph der Cock-
pitvormontage

Der dargestellte Vorranggraph beinhaltet verschiedene Produktvarianten, da einige Prozesse


abhängig von der zu fertigenden Variante optional sind. Zur Validierung wird zum einen eine
voll ausgestattete Produktvariante berücksichtigt, die alle möglichen Prozesse inklusive der op-
tionalen Prozesse durchlaufen muss. Als zweite Variante wird eine Basisvariante angenommen,
die keinen der optionalen Prozesse benötigt. Die Anzahl möglicher Fertigungsprozesssequenzen
ist bei der Basisvariante auf acht reduziert.

7.3 Implementierung des Anwendungsfalls


Durch eine Betrachtung der Kompatibilitäten der verschiedenen Prozessfähigkeiten, die in Ab-
bildung 7.4 dargestellt sind, kann zunächst der zulässige Lösungsraum für die Stationsbildung
analysiert werden. In dem vorliegenden Anwendungsfall existieren unter Berücksichtigung des
Montagewinkels vier kompatible Mengen aus Stationen

𝑆1 = {1, 2, 3} , (7.3)

149
7 Simulationsbasierte Validierung

𝑆2 = {4, 5, 9, 10} , (7.4)

𝑆3 = {6, 7, 8} und (7.5)

𝑆4 = {11, 12, 13} . (7.6)

Für jede der Mengen 𝑆1 , 𝑆2 , 𝑆3 und 𝑆4 ergeben sich die Mengen zulässiger Stationen bzw.
Prozesskombinationen aus den Potenzmengen

𝒫(𝑆𝑖 ) = {𝑈 | 𝑈 ⊆ 𝑆𝑖 } . (7.7)

Somit folgt für die Menge an möglichen Stationen

𝑆 = 𝒫(𝑆1 ) ∪ 𝒫(𝑆2 ) ∪ 𝒫(𝑆3 ) ∪ 𝒫(𝑆4 ) . (7.8)

Die Anzahl möglicher Stationen bei der Stationsbildung errechnet sich wiederum aus der
Mächtigkeit der einzelnen Potenzmengen, wobei hierbei darauf geachtet werden muss, dass
die leere Menge in allen Potenzmengen enthalten ist und daher die Mächtigkeit jeweils um 1
reduziert werden muss. Die Mächtigkeit einer Potenzmenge berechnet sich somit aus

𝒫(𝑆𝑖 ) = 2|𝑆𝑖 | − 1 . (7.9)

Da im Rahmen der simulationsbasierten Optimierung eine maximale Anzahl an Stationen fest-


gelegt wird, die jedoch nicht zwingend ausgenutzt werden muss, d.h., dass auch Lösungen mit
einer geringeren Anzahl an Stationen zulässig sind, ist es wichtig, dass die leere Menge in der
Lösungsmenge enthalten ist, weshalb das Resultat aus der Summe der Mächtigkeiten in Glei-
chung 7.10 am Ende um eins erhöht wird. In dem betrachteten Anwendungsfall resultiert somit
für die Anzahl an möglichen Stationen

𝑛 = 2|𝑆1 | − 1 + 2|𝑆2 | − 1 + 2|𝑆3 | − 1 + 2|𝑆4 | − 1 + 1 = 23 + 23 + 24 + 23 − 3 = 37 . (7.10)

Der zulässige Lösungsraum der Layoutoptimierung ist deutlich größer als im Falle der Sta-
tionsbildung. Das Optimierungsproblem kann als Verteilung von m Objekten, in diesem Fall
Stationen, auf k potenzielle Plätze, in diesem Fall räumliche Positionen, mit Zurücklegen und
unter Beachtung der Reihenfolge beschrieben werden. Durch das Zurücklegen ist berücksichtigt,

150
7.3 Implementierung des Anwendungsfalls

dass jede Station beliebig oft vorkommen kann, und durch die Reihenfolgebeachtung werden die
verschiedenen räumlichen Anordnungen miteinbezogen. Die Größe des gesamten Lösungsraums
entspricht der Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten des Problems und resultiert zu

𝑛𝑆𝑜𝑙𝑢𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠 = 𝑚𝑘 . (7.11)

Im betrachteten Anwendungsfall mit 𝑚 = 37 Stationsmöglichkeiten und beispielsweise einer


maximalen Stationsanzahl von 𝑘 = 15 beträgt die Größe des Lösungsraum somit

𝑛𝑆𝑜𝑙𝑢𝑡𝑖𝑜𝑛𝑠 = 3715 = 3, 33446 · 1023 . (7.12)

Die Anteile des zulässigen sowie des unzulässigen Lösungsraums sind stark problemspezifisch
und können nicht einfach ermittelt werden. Durch die Eingrenzung des Problems anhand der zu-
vor beschriebenen Stationsbildung konnte der Lösungsraum der Optimierung bereits um einen
großen unzulässigen Lösungsraum reduziert werden. Die Stationen entsprechen nun bereits der
Kompatibilitätsmatrix und lediglich das Vorhandensein aller benötigter Prozesse im Gesamt-
layout ist als Restriktion für zulässige bzw. unzulässige Lösungen weiterhin vorhanden.

Als Auftragspool wird ein gemischter Auftragspool bestehend auf 200 Aufträgen der beiden
zuvor beschriebenen Varianten mit Anteilen von jeweils 50% verwendet. Es wird eine Optimie-
rung für einen ausgeglichen Mix aus einer voll ausgestatteten Variante und einer Basisvariante
durchgeführt. Die verwendeten Prozesszeiten sind aus Vertraulichkeitsgründen lediglich an Re-
alwerte angelehnt, wobei ebenfalls eine realitätsnahe Varianz von ± 10 % angenommen wird.

Für die anschließende Layoutoptimierung, bei der, basierend auf der zuvor erklärten Stations-
bildung, die räumliche Position sowie die Häufigkeit der jeweiligen Station optimiert wird, wird
der in Abschnitt 5.3 konzipierte genetische Algorithmus angewendet. Die verwendeten Para-
meter des genetischen Algorithmus für den betrachteten Anwendungsfall sind in Tabelle 7.1
beschrieben. Es werden zwei verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Optimierungszielen
betrachtet. In dem ersten Szenario - Szenario A - steht die Optimierung der Durchlaufzeit
(DLZ) im Vordergrund. In dem zweiten Szenario - Szenario B - liegt der Fokus hingegen auf
der Optimierung der Anlagenauslastung. Die Gewichtungen der Fitnessfunktionen, die eben-
falls in Tabelle 7.1 beschrieben sind, zeigen die verschiedenen Optimierungsziele für Szenario A
und B auf. Die jeweilige Fitnessfunktion wird anhand der spezifischen Gewichte aus Tabelle 7.1
und der Grundformel der gewichteten multikriteriellen Zielfunktion aus Gleichung 6.1 gebildet.
Für beide Szenarien wurde eine Generationsanzahl von 100 und eine Populationsgröße von 30
ausgewählt. Somit wurden im Laufe des GAs 3.000 Lösungsvarianten evaluiert. Das jeweilige
Hauptziel der Szenarien ist mit einem Gewicht von 75 mit Abstand am stärksten gewichtet
und bezieht sich jeweils auf den Durchschnittswert. Die Streuung der jeweiligen Hauptziele
ist mit 9 gewichtet, also um den Faktor 8.3 geringer. Das Hauptziel des jeweils anderen Op-

151
7 Simulationsbasierte Validierung

timierungsszenarios ist mit einer Gewichtung von 5 auf den Durchschnittswert und auch die
Standardabweichung ebenfalls enthalten, jedoch nur zweitrangig. Die weiteren möglichen Op-
timierungsziele sind mit der Minimalgewichtung von 1 gewichtet.

Tabelle 7.1: Übersicht der für die Optimierung mittels des genetischen Algorithmus verwende-
ten Parameter

Parameterbeschreibung Szenario A Szenario B


Durchlaufzeit Anlagenauslastung
Generationsanzahl 100 100
Populationsgröße 30 30
Gewicht ∅ DLZ 75 5
Gewicht 𝜎 DLZ 9 5
Gewicht ∅ Anlagenauslastung 5 75
Gewicht 𝜎 Anlagenauslastung 5 9
Gewicht ∅ technische Prozessverfügbarkeit 1 1
Gewicht 𝜎 technische Prozessverfügbarkeit 1 1
Gewicht Investitionskosten 1 1
Gewicht Prozessdichte 1 1
Gewicht ∅ Transportzeit 1 1
Gewicht 𝜎 Transportzeit 1 1
∅: Durchschnitt, 𝜎: Standardabweichung

Bei der Implementierung des Anwendungsfalls der Cockpitvormontage in das entwickelte Opti-
mierungs- und Simulationstool ist eine wesentliche Limitation aufgetreten. Die in Abschnitt 5.5
beschrieben Transportwegplanung für dynamische Objekte basiert, wie in Abschnitt 6.2 be-
schrieben, auf dem Tripath Toolkit. Da dieses Toolkit eine C++ -Bibliothek darstellt, wurde es
mittels des Java Native Interfaces (JNI)1 in die mit Java programmierte Optimierungs- und
Simulationsumgebung eingebunden. Die häufigen Aufrufe des Tripath Toolkits zur dynami-
schen Transportwegplanung führen allerdings bei einer großen Anzahl dynamischer Objekte
und bei hohen Generationsanzahlen sowie Populationsgrößen zu hohen Auslastungen des Ar-
beitsspeichers. Da für den vorliegenden Anwendungsfall die zuvor genannten Parameter hoch
gewählt wurden, findet während der Optimierung mittels des genetischen Algorithmus keine
Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung statt, da die Optimierung in der aktuellen
Implementierung ansonsten nicht durchführbar ist. Für die optimierte Lösung wird am Ende
des Verfahrens ein weiterer Simulationsdurchlauf ausgeführt, bei dem die Transportwegplanung
und Kollisionsvermeidung aktiv ist. Somit können Transportzeitschwankungen, beispielsweise
ausgelöst durch eine hohe Anzahl an Systemteilnehmer, dennoch berücksichtigt werden.

1
www.docs.oracle.com/javase/7/docs/technotes/guides/jni

152
7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate

7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate


In Abbildung 7.5 ist für beide Optimierungsszenarien die Entwicklung der multikriteriellen Fit-
nessfunktion über die Generationen des GAs dargestellt. Abbildung 7.5(a) zeigt einen nahezu
idealen Verlauf der Fitnessfunktion für das Optimierungsszenario A auf: Zu Beginn der Opti-
mierung wird jeweils nach bereits wenigen Generationen eine große Verbesserung der Fitness-
funktion erzielt und nach einigen Generationen flacht die Kurve ab, da nach vielen Generationen
nur noch geringe Verbesserungen erzielt werden können. Die in Abbildung 7.5(b) dargestellte
Entwicklung der Fitnessfunktion für Szenario B ist charakterisiert durch einen große Verbes-
serung von der dritten zu vierten Generation. Anschließend flacht die Kurve ab, da, wie im
Fall von Szenario A, nach vielen Generationen nur noch geringe Verbesserungen erzielt werden
können. Bei einem Vergleich der beiden Entwicklungen der Fitnessfunktionen ist wichtig zu
beachten, dass die Skalen der y-Achsen nicht identisch sind, da die Fitnesswerte der initialen
sowie der finalen Generationen nicht identisch sind. Für Optimierungsszenario B wurde eine
Verbesserung von einem Fitnesswert von ca. 25 auf einen Fitnesswert von ca. 90 erzielt. Für
Optimierungsszenario A ist diese Spanne deutlich kleiner, da von einem initialen Fitnesswert
von ca. 62, 25 eine Verbesserung auf einen Fitnesswert von ca. 65, 45 erzielt wurde. Die Spanne
der Fitnesswerte ist aber nicht zwangsweise ein Indikator für die Güte der Optimierung, da die
initiale Generation aus zufällig gebildeten Chromosomen besteht. Somit kann, wie beispielswei-
se im Verlauf von Szenario B dargestellt, ein sehr niedriger Fitnesswert der initialen Generation
dazu führen, dass die Spanne sehr groß wird, obwohl nicht zwangsweise eine Lösung mit einem
besonders hohem und somit gutem Fitnesswert erzielt wird. Im Fall von Szenario B liegt der
erreicht Fitnesswert von ca. 90 allerdings sehr hoch, da 100 die maximale Fitness darstellt (vgl.
Abschnitt 6.2).
Genetic Algorithm − Fitness Value Genetic Algorithm − Fitness Value
65.5 100

90
65

80
64.5
Bester Fitnesswert [−]
Bester Fitnesswert [−]

70
64

60

63.5
50

63
40

62.5
30

62 20
10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Generation [−] Generation [−]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.5: Entwicklung der Fitnessfunktion des besten Chromosoms je Generation

Die resultierenden optimierten Layouts für die Optimierung der Durchlaufzeit (Szenario A)

153
7 Simulationsbasierte Validierung

sowie der Anlagenauslastung (Szenario B) sind in Abbildung 7.6 dargestellt. Die jeweilige Iden-
tifikationsnummer der Fertigungsstation ist links neben der Station dargestellt. Mittels Tabel-
le 7.2 und den Identifikationsnummern können den Fertigungsstationen die Prozessfähigkeiten
zugeordnet werden. Beide Layouts bestehen aus 15 Fertigungsstationen. Diese Anzahl an Sta-
tionen wurde aufgrund praktischer Limitationen als maximale Anzahl festgelegt und wird in
beiden Optimierungsszenarien komplett ausgeschöpft.

Facilities Layout (2D) Facilities Layout (2D)


35
35

8
30
30 7

14
25 15 1
25 2
9 5
Layout Höhe [m]

Layout Höhe [m]


6 4
20 12 10
20 11
14 8
13 12

15 3 2
15 3

1 9 11

10 10 6 13
10

5 7

5 15 5 4

0 0
−10 −5 0 5 10 15 20 25 30 35 0 5 10 15 20 25 30 35 40
Layout Breite [m] Layout Breite [m]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.6: Optimierte Layouts für das betrachtete Anwendungsszenario der Cockpitvor-
montage basierend auf den beiden Optimierungsszenarien

Tabelle 7.2: Zuordnung der Prozessfähigkeiten zu den verschiedenen Fertigungsstationen für die
optimierten Lösungen aus Szenario A und B

Szenario Station ID aus Layout


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
A 6 5 4 1 8 5 11 11 6 6 9 1 9 12 6
8 10 10 2 9 13 7 10 3 10 13 7
8
B 1 4 5 4 1 5 6 4 11 3 6 11 6 13 12
2 10 10 5 2 10 7 9 13 7 12 8 13
8 10 8

Die Auftragsdurchlaufzeiten der 200 Aufträge sind in Abbildung 7.7 dargestellt. Die gestrichel-
te rote Linie repräsentiert die durchschnittliche DLZ des gesamten Auftragpools. Die durch-
schnittliche DLZ beträgt in Szenario A 1, 578 s mit einer Standardabweichung von 146 s (siehe
Abbildung 7.7(a)) und in Szenario B 1, 685 s mit einer Standardabweichung von 239 s (siehe
Abbildung 7.7(b)). Wie erwartet, sind die durchschnittliche DLZ und die Standardabweichung

154
7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate

der DLZ in Szenario A geringer als in Szenario B. Die durchschnittliche Durchlaufzeit in Sze-
nario B liegt um 6, 8 % höher mit einer um 63, 7 % vergrößerten Standardabweichung als in
Szenario A. Somit war die Optimierung der Durchlaufzeit in Szenario A erfolgreich.

Order Cycle Times Order Cycle Times


2500 2500

2000 2000
Durchlaufzeit [s]

Durchlaufzeit [s]
1500 1500

1000 1000

500 500

0 0
200 220 240 260 280 300 320 340 360 380 400 200 220 240 260 280 300 320 340 360 380 400
Order ID [−] Order ID [−]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.7: Darstellung der Auftragsdurchlaufzeiten für die beiden Optimierungsszenarien


inklusive der durchschnittlichen Auftragsdurchlaufzeit (rot)

Die angesprochene Reduzierung der durchschnittlichen DLZ und der Standardabweichung der
DLZ sind ebenfalls aus Abbildung 7.8 ersichtlich. Im Vergleich zu der angenäherten Normalver-
teilung aus Abbildung 7.8(b) befindet sich der Mittelwert der angenäherten Normalverteilung
aus Abbildung 7.8(a) bei einer geringeren DLZ und die Breite der angenäherten Normalvertei-
lung ist geringer, da die Standardabweichung geringer ist.

Abbildung 7.9 zeigt die Anteile der Betriebszustände der verschiedenen Anlagen bzw. Stationen
an der Gesamtbetriebszeit auf. Als Betriebszustände existieren die Zustände Belegt“, Repara-
” ”
tur“, Reserviert“und Frei“, die bereits in Abschnitt 6.2 genauer erläutert wurden. Die durch-
” ”
schnittliche Anlagenauslastung beträgt für Szenario A 39, 7 % mit einer Standardabweichung
von 17, 5 % (vgl. Abbildung 7.9(a)). In Szenario B, der Optimierung der Anlagenauslastung,
beträgt die durchschnittliche Anlagenauslastung 57, 5 % mit einer Standardabweichung von
12, 5 % (vgl. Abbildung 7.9(b)). Verglichen mit Szenario A, erzielt Szenario B eine Verbesse-
rung der Anlagenauslastung um 17, 8 % bei einer gleichzeitigen Reduzierung der Standardab-
weichung um 5, 0 %.

In Abbildung 7.10 sind für alle Aufträge die Zeitanteile in den jeweiligen Orderstatus bezogen
auf die Auftragsdurchlaufzeit für beide Optimierungsszenarien dargestellt. In den Abbildungen
wird deutlich, dass die Transportanteile der verschiedenen Aufträge relativ konstant bleiben.
Auffallend ist, dass der Anteil des Status Warten“ in Szenario A (vgl. Abbildung 7.10(a)) si-

155
7 Simulationsbasierte Validierung

Histogram of Order Cycle Times Histogram of Order Cycle Times


35 35

30 30

25 25

Anzahl an Aufträgen [−]


Anzahl an Aufträgen [−]

20 20

15 15

10 10

5 5

0 0
800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 2200 2400 2600
Durchlaufzeit [s] Durchlaufzeit [s]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.8: Darstellung der Auftragsdurchlaufzeiten als Histogramm für die beiden Opti-
mierungsszenarien inklusive einer der Daten angenäherten Normalverteilungs-
kurve (rot)
Station Utilization Station Utilization
100 100

90 90

80 80

70 70
Auslastung [%]

Auslastung [%]

60 60
Belegt Belegt
Reparatur Reparatur
50 50
Reserviert Reserviert
Frei Frei
40 40

30 30

20 20

10 10

0 0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Station ID [−] Station ID [−]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.9: Darstellung der anteiligen Betriebszustände der verschiedenen Fertigungssta-


tionen für die beiden Optimierungsszenarien sowie der durchschnittlichen Ge-
samtanlagenauslastung (rot)

gnifikant geringer ist als in Szenario B (vgl. Abbildung 7.10(b)). Diese Beobachtung kann damit
erklärt werden, dass zur Erzielung einer hohen Anlagenauslastung größere Warteschlangen vor
den jeweiligen Fertigungsstationen erzeugt werden, damit nach Beendigung einer Operation di-
rekt der nächste Auftrag bearbeitet werden kann und somit kein Leerlauf der Station vorliegt.
Mit den Informationen bezüglich der Auftragswarteschlange aus Tabelle 7.3 ist die genannte
Begründung gestützt, da ein Anstieg der durchschnittlichen Auftragswarteschlange um 30, 6 %
in Szenario B verglichen mit Szenario A resultiert.

156
7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate

Order Status Order Status


100 100

90 90

80 80

70 70

Completed Completed
60 60Finished Finished
Status [%]

Status [%]
Free Free
Occupied Occupied
50 50
PCompleted PCompleted
Transport Transport
40 TransportWait TransportWait
40
Waiting Waiting

30 30

20 20

10 10

0 0
200 250 300 350 400 200 250 300 350 400
Order ID [−] Order ID [−]

(a) Szenario A (b) Szenario B

Abbildung 7.10: Darstellung der Zeitanteile an der Auftragsdurchlaufzeit der verschiedenen Or-
derstatus für die beiden Optimierungsszenarien

Zur Übersicht sind in Tabelle 7.3 die wichtigsten KPIs der beiden Optimierungsszenarien und
die jeweiligen Vergleiche zwischen den Szenarien zusammengefasst. Eine weitere bisher noch
nicht genannte KPI ist die Prozessdichte, die das Verhältnis von Prozessen je Station wider-
spiegelt. In Szenario A beträgt die durchschnittliche Prozessdichte 1, 87 Prozesse je Station mit
einer Standardabweichung von 0, 51 Prozessen je Station. In Szenario B liegt die durchschnittli-
che Prozessdichte um 10, 7 % höher bei 2, 07 Prozessen je Station mit einer um 15, 7 % gesteiger-
ten Standardabweichung von 0, 59 Prozessen je Station. Zusammenfassend ergibt sich, dass der
Ressourceneinsatz bei Szenario A geringer ist als in Szenario B, da weniger Prozessfähigkeiten
pro Station benötigt werden und dennoch der gleiche Auftragspool schneller fertiggestellt wird.
Die Produktivität des Fertigungssystems aus Szenario A ist somit höher. Szenario B ist aus
ökonomischer Sicht nicht sinnvoll, kann jedoch bei Beachtung soziotechnischer Aspekte, wie
beispielsweise der Arbeitsgestaltung manueller Tätigkeiten in der Montage, bei der häufig eine
gleichmäßige Auslastung des Personals gefordert wird, vorteilhaft sein.

Als abschließende Betrachtung wird der folgende Vergleich mit dem Realsystem durchgeführt.
Das Realsystem stellt eine starr-verkettete Fliessfertigung ohne Zwischenpuffer bestehend aus
𝑛𝑟 = 13 Fertigungsstationen mit technischen Verfügbarkeiten der einzelnen Prozesse 𝑉𝑝,𝑖 von
95% dar. Die Taktzeit 𝑡𝑐,𝑟 des Realssystems besträgt 60 Sekunden. Die technische Verfügbarkeit
des Gesamtsystems einer starr-verketten Fliessfertigung ergibt sich aus
𝑛𝑟
𝑉𝑠 = (7.13)
∏︁
𝑉𝑝,𝑖 .
𝑖=1

157
7 Simulationsbasierte Validierung

Tabelle 7.3: Zusammenfassung der wichtigsten KPIs für die Lösungen der beiden Optimierungs-
szenarien

KPI Szenario A Szenario B Vergleich*


DLZ (∅) 1578 s 1685 s +6, 8 %
DLZ (𝜎) 146 s 239 s +63, 7 %
Auslastung (∅) 39, 7 % 57, 5 % +17, 8 %
Auslastung (𝜎) 17, 5 % 12, 5 % −5, 0 %
Prozessdichte (∅) 1, 87 2, 07 +10, 7 %
Prozessdichte (𝜎) 0, 51 0, 59 +15, 7 %
Auftragswarteschlange (∅) 1, 21 1, 58 +30, 6 %
Auftragswarteschlange (𝜎) 0, 15 0, 38 +153, 3 %
*
∅: Durchschnitt, 𝜎: Standardabweichung Szenario A dient als Berechnungsreferenz

Somit resultiert eine technische Verfügbarkeit des realen Gesamtsystems von


𝑛𝑟
𝑉𝑠 = 𝑉𝑝,𝑖 = 0, 9513 = 0, 5133 (7.14)
∏︁
.
𝑖=1

Die ideale Durchlaufzeit 𝐷𝐿𝑍𝑖 kann mittels

𝐷𝐿𝑍𝑖 = 𝑛𝑟 · 𝑡𝑐,𝑟 (7.15)

berechnet werden und ergibt sich somit zu

𝐷𝐿𝑍𝑖 = 13 · 60𝑠 = 780𝑠 . (7.16)

Um den Einfluss der technischen Verfügbarkeit des Gesamtsystems auf die Durchlaufzeit zu
berücksichtigen, wird die reale Durchlaufzeit mittels

𝐷𝐿𝑍𝑟 = 𝐷𝐿𝑍𝑖 · (1 + 𝑉𝑠 ) (7.17)

berechnet und resultiert somit zu

𝐷𝐿𝑍𝑟 = 780𝑠 · (1 + 0, 5133) ≈ 1180𝑠 . (7.18)

Verglichen mit dem Fertigungssystem aus Szenario A, bei dem eine Optimierung der Durch-
laufzeit im Vordergrund stand, ist die Durchlaufzeit des Realsystems um 25, 2 % geringer. Die
Anlagenauslastung des Realsystems entspricht maximal der technischen Verfügbarkeit des Ge-
samtsystems und beträgt somit bestenfalls 51, 33 %. Die Anlagenauslastung des Realsystems
liegt somit um 6, 2 % niedriger als bei dem Fertigungssystem aus Szenario B, bei dem eine
Optimierung der Anlagenauslastung im Vordergrund stand.

158
7.4 Optimierungs- und Simulationsresultate

Ein qualitativer Vergleich der Investitionskosten zeigt auf, dass diese im entwickelten flexiblen
und dezentral gesteuerten Fertigungssystems höher liegen als beim Realsystem. Die Steigerung
der Investmentkosten ist zum einen auf die Erhöhung der Anlagenanzahl um 15 % und zum
anderen auf die Erhöhung der Prozessanzahl aufgrund Redundanzen in Szenario A um 107 %
und in Szenario B um 146 % zurückzuführen. Ein weiterer zu beachtender Kostenfaktor sind
die Investitionskosten für Transportmittel. Im flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungs-
system werden die Transportaufgaben mittels FTS durchgeführt. Im Realsystem wird hierfür
eine verkettete Fördertechnik verwendet. Die aktuellen Marktpreise für frei navigierende FTS
liegen sehr hoch, weshalb diese Kosten einen weiteren wesentlichen Kostentreiber in dem neu
entwickelten Fertigungssystem darstellen.

Aus dem Vergleich der zuvor betrachteten Kenngrößen ist ersichtlich, dass beide Fertigungssys-
teme Vor- sowie auch Nachteile besitzen. Das flexible und dezentral gesteuerte Fertigungssystem
besitzt jedoch noch weitere qualitative Eigenschaften, die in dem Vergleich nicht vollständig
berücksichtigt werden. So ermöglicht das Fertigungssystem beispielsweise die Integration der
entstehenden Nacharbeit in das bestehende Fertigungssystem und -programm. Natürlich verzögern
sich durch das erneute Einschleusen eines Produkts, bei dem ein bestimmter Prozess nicht
vollständig oder korrekt abgeschlossen wurde, einige Arbeiten und die Gesamtleistung des Sys-
tems sinkt etwas, jedoch ist weder ein Stillstand des Produktionssystems noch eine Auslage-
rung der Nacharbeit in einen anderen Fertigungsbereich und somit der Aufbau eines weiteren
Fertigungssystems notwendig. Des Weiteren besitzt das entwickelte flexible und dezentral ge-
steuerte Fertigungssystem aufgrund der hohen Flexibilität des Materialtransports sowie red-
undanter Prozesse und ggf. sogar Anlagen eine höhere Robustheit gegenüber Prozess- und
Anlagenausfällen. Außerdem weist das neu entwickelte Fertigungssystem eine gesteigerte Er-
weiterungsfähigkeit auf, sodass die Fertigung neuer Produktvarianten oder auch Produkte auf-
wandsärmer in das bestehende Fertigungssystem integriert werden kann. Hierzu können entwe-
der die bestehenden Anlagen mit weiteren Prozessfähigkeiten ergänzt oder auch einzelne neue
Anlagen hinzugefügt werden. Die Entscheidung, welche Variante sinnvoller ist, kann beispiels-
weise mithilfe des entwickelten Optimierungs- und Simulationstool getroffen werden.

Insgesamt ist aus dem vorgestellten Vergleich des entwickelten flexiblen und dezentral ge-
steuerten Fertigungssystems mit dem vorhandenen Realsystem ersichtlich, dass eine bewusste
Abwägung von Vor- und Nachteilen stattfinden muss bei der Entscheidung, welches der Ferti-
gungssysteme eingesetzt werden soll. Die Durchlaufzeit des neu entwickelten Fertigungssystems
ist aufgrund des erhöhten Transportzeitanteils nachteilig, wobei jedoch einige Vorteile bezüglich
der Anlagenauslastung, Robustheit und Erweiterungsfähigkeit des Fertigungssystems gegenüber
der klassischen Fließfertigung bestehen.

159
8 Abschluss
Abschließend werden in diesem Kapitel zunächst die Ergebnisse zusammengefasst, reflektiert
und kritisch gewürdigt. Anschließend werden potentielle Implementierungs- und Umsetzungs-
möglichkeiten des entwickelten Fertigungssystems sowie der Methodik zur ganzheitlichen Be-
wertung des Fertigungssystems diskutiert. Im letzten Abschnitt wird ein Ausblick auf weitere
Arbeiten gegeben. Hierbei liegt ein Schwerpunkt auf dem Aufzeigen weiterer Forschungsaufga-
ben und Verbesserungspotenziale, damit die Vorteile von flexiblen und dezentral gesteuerten
Fertigungssystemen zukünftig noch besser genutzt und real implementiert werden können.

8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische


Würdigung
Anhand der durchgeführten Experteninterviews innerhalb diverser Gewerke der Geschäfts-
bereiche Fahrzeugproduktion sowie Komponentenfertigung der Volkswagen AG wurden praxis-
relevante Herausforderungen sowie Zielvorstellungen (Visionen) identifiziert. Basierend auf den
aufgenommenen IST-Zuständen konnten im Abgleich mit diesen Zielvorstellungen Handlungs-
bedarfe abgeleitet werden. Diese Handlungsbedarfe stammen größtenteils aus dem Kontext von
Industrie 4.0. Die praktischen Herausforderungen sowie die identifizierten Handlungsbedarfe
können als Teilergebnis gesehen werden, da notwendige Forschungsaktivitäten von diesen ab-
geleitet werden können.

Eines der Hauptresultate der vorliegenden Arbeit ist die konzipierte, verifizierte und validierte
Methodik zur ganzheitlichen Auslegung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssys-
tem mit den Schwerpunkten der Layoutplanung (Groblayout), der Maschinenbelegungsplanung
sowie der Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung. Somit werden eine Systemauslegung
eines solchen Fertigungssystems sowie eine ganzheitliche Optimierung ermöglicht. Diese Stärke
ist ein Alleinstellungsmerkmal der entwickelten Methodik, da in anderen Arbeiten in der Regel
lediglich eines der betrachteten Teilprobleme isoliert gelöst bzw. optimiert wurde.
Der von Bochmann et al. [13] erforschte und eingeführte Vorranggraph zur Identifikation und
Abbildung von Prozessreihenfolgeflexibilitäten dient als Grundlage für die Optimierung so-
wohl des Fertigungslayouts als auch für die der Maschinenbelegungsplanung. Besonders bei der
Maschinenbelegungsplanung resultieren aus der Nutzung der technischen Prozessreihenfolgefle-
xibilität sehr viele Freiheitsgrade, weshalb eine Erweiterung des flexiblen Job Shop Scheduling
Problems (FJSP) eingeführt und eine Lösungsmethodik entworfen wurde. Das auf einer Ta-
busuche basierende entwickelte Lösungsverfahren ist auf statische Auftragspools mit exakten

160
8.2 Implementierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten

Planungsinformationen, wie beispielsweise exakte Transportzeiten, beschränkt. Eine Weiterent-


wicklung bzw. Modifikation dieses Ansatzes zur Berücksichtigung dynamischer Auftragspools
und unsicherer Planungsinformationen ist daher sinnvoll. Da große Abhängigkeiten von der
Layoutplanung und auch der Maschinenbelegungsplanung zur Transportwegplanung und Kolli-
sionsvermeidung, also dem Verhalten von FTS auf dem Shopfloor, existieren, wurde durch die
Integration eines Lösungsalgorithmus für dieses Problem ein weiterer wichtiger Baustein zur
ganzheitlichen Betrachtung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystems mit-
einbezogen.

Ein weiteres Hauptergebnis der Arbeit ist die Entwicklung eines integrierten Optimierungs-
und Simulationsverfahrens basierend auf den zuvor entwickelten Konzepten zur ganzheitli-
chen Optimierung von flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen. Hierbei werden
eine Variante des quadratischen Zuordnungsproblems (QAP) und eine Erweiterung des fle-
xiblen Job Shop Scheduling Problems (FJSP), die beide an sich bereits NP-hart sind, simultan
optimiert. Des Weiteren werden noch praxisrelevante Einflüsse auf die Leistungskennzahlen,
wie beispielsweise Transportzeitschwankungen fahrerloser Transportsysteme (FTS), mittels der
Berücksichtigung der Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung mit einbezogen. Das ent-
wickelte Tool bietet somit die Möglichkeit, die Auslegung sowie auch die operativen Abläufe
innerhalb des konzipierten Fertigungssystems zu optimieren und zu simulieren, wodurch in ers-
ten Entwicklungsschritten nicht zwangsweise Hardware benötigt wird und somit Kosten gesenkt
werden können. Des Weiteren ermöglicht das Tool Vergleiche zwischen verschieden Fertigungs-
systemen und unterstützt somit bei der Entscheidungsfindung im Fertigungsplanungsprozess.

Abschließend zeigt die Validierung des entwickelten Fertigungskonzepts sowie der Auslegungs-
methodik anhand des Praxisbeispiels einer Cockpitvormontage bei der Volkswagen AG auf,
welche Auslegungsspielräume im Design eines solchen Fertigungssystems vorhanden sind und
in welchen Größenordnungen sich zu erreichende Leistungskennzahlen eines flexiblen und dezen-
tral gesteuerten Fertigungssystem befinden. Durch die Validierung kann außerdem nachgewie-
sen werden, dass mittels des entwickelten Konzepts praxistaugliche Fertigungssysteme gestaltet
werden können.

8.2 Implementierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten


Das entwickelte Konzept zur Gestaltung von flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssys-
temen ist primär für Neubauprojekte ausgelegt, da bauliche Einschränkungen zunächst nicht
beachtet werden. Die Modifikation des Konzepts zur Anwendbarkeit bei Umbau- bzw. Erweite-
rungsprojekten ist jedoch ohne große Aufwände möglich, da lediglich das bei der Platzierung der
Stationen verwendete Dreiecksgitter so angepasst werden muss, dass potentielle Positionen der
Stationen, die aufgrund baulicher Einschränkungen nicht belegt werden können, nicht mehr im

161
8 Abschluss

Gitter enthalten sind. Bezüglich der Transportwegplanung können bauliche Einschränkungen


durch statische Objekte bereits abgebildet werden.
Die Implementierungsmöglichkeiten eines derartig gestalteten Fertigungssystems sind vielfältig,
wobei jeweils bezogen auf das Produktionsszenario (Ausbringungsmenge, Produktmix und be-
nötigte Prozessfähigkeiten) differenziert werden muss, ob die Vorteile bezüglich Flexibilität,
Adaptierfähigkeit und Robustheit im Vergleich zur konventionellen Fliessfertigung mögliche
Einbussen bezogen auf die Ausbringungsmenge rechtfertigen. Generell bietet sich die Umset-
zung dieses Fertigungssystems bei Produktionsszenarien mit geringen bis mittleren und schwan-
kenden Ausbringungsmengen, einem hohen Produktmix und Produkten mit hoher Prozessrei-
henfolgeflexibilität an.

In Anbetracht des aktuell stattfindenden Wandels der Automobilindustrie von Verbrennungs-


motoren hin zu einer stärkeren Fokussierung auf Elektromobilität ergeben sich ebenfalls viel-
fältige Möglichkeiten zum Einsatz von flexiblen und dezentral gesteuerten Fertigungssystemen.
Dieser Wandel erfordert diverse Fabrikplanungsprojekte in der Automobilindustrie, sowohl bei
OEMs als auch bei Zulieferern. Durch die gleichzeitigen Bestrebungen der Einführung und Um-
setzung von Lösungen aus dem Kontext von Industrie 4.0 rücken intelligente Fertigungssysteme,
zu denen das hier entwickelte zählt, nochmals weiter in den Fokus. Somit besteht eine große
Chance für die Umsetzung von Fertigungssystemen nach der in dieser Arbeit konzipierten und
entwickelten Auslegungsmethodik, da alternative Methoden zur Auslegung von intelligenten
Fertigungssystemen nicht oder nur sehr spärlich existieren und heutige Planungsabteilungen
großes Wissen für Planungsprojekte von Fliessfertigungen besitzen, jedoch nicht von intelligen-
ten Fertigungssystemen.
Eine weitere Begründung für die gute Eignung eines intelligenten Fertigungssystems in der Pro-
duktion von Elektrofahrzeugen ist die Verwendung von fahrerlosen Transportsystemen (FTS)
zum Transport von Produkten und auch Materialien. Elektrofahrzeuge bieten hier den einmali-
gen Vorteil, dass sie ab einem gewissen Verbauzustand die Funktionalität eines FTS selbstständig
übernehmen können und somit gegebenenfalls eine geringere Anzahl an FTS benötigt wird.

Die zuvor genannten Implementierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten haben sich auf das kon-
zipierte Fertigungssystem bezogen. Ein weiteres wichtiges Resultat ist jedoch ebenfalls das
entwickelte integrierte Optimierungs- und Simulationstool der Layoutplanung, Fertigungssteue-
rung und Transportwegplanung sowie Kollisionsvermeidung von flexiblen und dezentral gesteu-
erten Fertigungssystemen. Dieses Tool kann zum einen, wie vorgesehen, zur ganzheitlichen
Optimierung des Auslegungsprozesses eines intelligenten Fertigungssystems verwendet werden,
wobei lediglich grundlegende Informationen über das Produktionsszenario vorliegen müssen.
Zum anderen können die genannten Komponenten ebenfalls eigenständig verwendet werden,
um bereits anderweitig durchgeführte Planungsaktivitäten, wie beispielsweise erzeugte Ferti-
gungsgroblayouts, abzusichern bzw. weiter zu optimieren. Besonders die Komponenten der

162
8.3 Ausblick und Aufzeigen weiterer Forschungsbedarfe

Layoutoptimierung und der Maschinenbelegungsplanung eignen sich hervorragend für diesen


Zweck. Die Transportwegplanung und Kollisionsvermeidung kann auch gekapselt verwendet
werden. Es ist sogar möglich, die Softwarekomponente, die im Zusammenhang mit der Op-
timierung und Simulation zur Steuerung fiktiver FTS verwendet wurde, zur Navigation von
realen FTS zu verwenden.

8.3 Ausblick und Aufzeigen weiterer Forschungsbedarfe


Zuletzt wird in diesem Abschnitt ein Ausblick der weiteren Arbeiten innerhalb des Themenge-
biets dieser Doktorarbeit gegeben. Aufbauend auf den Resultaten werden weitere Forschungs-
bedarfe aufgezeigt. Für eine bessere Übersichtlichkeit ist dieser Abschnitt im Folgenden in
zwei Bereiche, zum einen die Auslegungsmethodik und zum anderen das Optimierungs- und
Simulationstool, gegliedert. Im Teil der Auslegungsmethodik werden Ausblicke auf weitere kon-
zeptionelle Verbesserungen und Erweiterungen des entwickelten Konzepts erläutert. Im Teil des
Optimierungs- und Simulationstools werden implementierungsspezifische Verbesserungen und
Ergänzungen angesprochen.

Auslegungsmethodik
Vorgelagert zur entwickelten Methode zur Auslegung von flexiblen und dezentral gesteuerten
Fertigungssystemen kann eine Methode zur idealen Kapazitätsabschätzung sinnvoll ergänzt
werden. Das Ziel der Methode ist die Ermittlung (exakt oder approximiert) der idealen An-
zahl an Fertigungsstationen für das betrachtete Fertigungsszenario, um somit zum einen den
Lösungsraum einzuschränken und zum anderen die Lösungsgüte zu steigern.

Die Methodik zur Fertigungssteuerung bzw. Maschinenbelegungsplanung berücksichtigt aktuell


einen statischen und im Vorfeld definierten Auftragspool. Die aktuell betrachtete Herausforde-
rung lag in der Berücksichtigung des sehr großen Lösungsraums resultierend aus den nicht-
linearen Vorranggraphen der Prozesse, um die Prozessreihenfolgeflexibilität zu nutzen. Zur
Steigerung der Praxistauglichkeit sollte die Methodik um die Berücksichtigung eines dyna-
mischen Auftragspools erweitert werden. Somit könnten beispielsweise Eilaufträge oder auch
Nacharbeiten direkt im Prozess eingesteuert und ad-hoc vom Algorithmus in einem neuen Ma-
schinenbelegungsplan berücksichtigt werden.

Des Weiteren zeigt sich aktuell in der Praxis, dass in dem in der Arbeit konzipierten Fer-
tigungssystem eine große Menge an Unsicherheiten existiert, weshalb kein reines determinis-
tisches Problem vorliegt. Eine Unsicherheit stellen beispielsweise variierende Transportzeiten
der fahrerlosen Transportsysteme aufgrund von Kollisionsvermeidungen bei hohem Verkehrs-
aufkommen dar. Aufgrund dieser Unsicherheiten kann der aktuell statisch generierte Ferti-
gungsablauf nicht über einen großen Zeitraum eingehalten werden und verliert somit seine

163
8 Abschluss

Gültigkeit und Optimalität. Zur Behebung dieses Problems existieren verschiedene Ansätze. Es
kann beispielsweise eine robuste Optimierung der Maschinenbelegungsplanung vorgenommen
werden, d.h., dass große Zeitpuffer bei der Einplanung von zeitlichen Größen mit Unsicher-
heiten vorgesehen werden. Um einen möglichst effizienten Maschinenbelegungsplan trotz der
genannten Unsicherheiten zu erstellen, bieten sich ebenfalls Onlineschedulingverfahren an. Die-
se Lösungen sind ereignis-gesteuert und ermöglichen die Berücksichtigung von Unsicherheiten
und auch Veränderungen im Auftragspool unter Beachtung des aktuell vorliegenden Systemzu-
standes. Suwa und Sandoh [108] zeigen die verschiedenen Methoden des Onlineschedulings auf
und geben eine gute Übersicht.

Optimierungs- und Simulationstool


Eine mögliche sinnvolle Erweiterung des Tools stellt die Einbeziehung von hardwarespezifi-
schen Aspekten, wie z.B. Sensordaten, in die Simulation des Fertigungssystems dar, um die
Realitätstreue der Simulationsergebnisse weiter zu erhöhen. Die stärkere Einbeziehung von
Sensordaten ermöglicht eine weitere Reduzierung von Unsicherheit und trägt somit zur Stei-
gerung der Simulationsgenauigkeit bei. Hierbei wird aktuell geprüft, inwiefern eine Integration
des Optimierungs- und Simulationstools in Open Source Simulationstools für hardwarenahe
Simulationen, wie z.B. Gazebo1 und V-REP2 , möglich und sinnvoll ist. Eine Einbettung in ein
Software-Framework für Roboter, wie beispielsweise das Robot Operating System (ROS)3 oder
das Robot Construction Kit (ROCK)4 , kann eine weitere sinnvolle Erweiterung des entwickel-
ten Tools darstellen, da somit die Hürden zur Anbindung realer Hardware, wie z.B. fahrerloser
Transportsysteme, stark reduziert werden könnten.

1
http://gazebosim.org/
2
http://www.coppeliarobotics.com/
3
http://www.ros.org/
4
http://rock-robotics.org

164
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2.1 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Werkstattfertigung . . . . . . . . . . 8
2.2 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Inselfertigung . . . . . . . . . . . . . 9
2.3 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Zellfertigung . . . . . . . . . . . . . 10
2.4 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts einer Reihenfertigung . . . . . . . . . . . 11
2.5 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts der Fliessfertigung . . . . . . . . . . . . . 12
2.6 Prinzipsskizze des Fertigungskonzepts des rekonfigurierbaren Fertigungssystems . 15
2.7 Darstellung von Veränderungstypen in Produktionssystemen in Abhängigkeit
vom Produktions- sowie Produktlevel, modifiziert von Wiendahl [123] . . . . . . 17
2.8 Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Flexibilitätsarten von Fertigungs-
systemen, angepasst von Sethi und Sethi [97] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.9 Verständnis und Abgrenzung zwischen den Eigenschaften Wandlungsfähigkeit
und Flexibilität von Fertigungssystemen, basierend auf Zah et al. [128] . . . . . 21
2.10 Darstellung der hierarchischen Strukturierungsebenen einer Fabrik nach Henn und Kühnle [44] 23
2.11 Darstellung der Strukturierungsprinzipien für die Bereichsstruktur nach Schenk und Wirth [90] 25
2.12 Phasenmodell der Fabrikplanung nach der VDI-Richtlinie 5200 [111] . . . . . . . 26
2.13 Darstellung der hierarchischen Gliederung der Layoutplanung nach Wirth et al. [124] 29
2.14 Darstellung des Layoutplanungsprozesses nach Wirth et al. [124] . . . . . . . . . 30
2.15 Darstellung des Layoutplanungsprozesses nach Muther [76] . . . . . . . . . . . . 32
2.16 Darstellung des Generalbebauungsplanes aus dem Standardlayout einer Volu-
menfabrik des Automobilbaus, angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.17 Vorgesehene Möglichkeiten zur Kapazitätserweiterung des Standardlayouts einer
Volumenfabrik des Automobilbaus und Darstellung des Standardlayouts in der
Endausbaustufe III, angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
2.18 Luftaufnahme des Automobilwerks der Volkswagen AG in Chattanooga, Tennes-
see, Vereinigte Staaten von Amerika, zur Veranschaulichung des Standardfabri-
klayouts der Volkswagen AG [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
2.19 Ideales Layoutschema eines Presswerks einer Volumenfabrik des Automobilbaus,
angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.20 Ideales Layoutschema eines Karosseriebaus einer Volumenfabrik des Automobil-
baus, angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.21 Ideales Layoutschema einer Lackiererei einer Volumenfabrik des Automobilbaus,
angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
2.22 Ideales Layoutschema einer Montage einer Volumenfabrik des Automobilbaus,
angelehnt an [116] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

176
Abbildungsverzeichnis

2.23 Übersicht zur Einteilung von Lösungsverfahren für Optimierungsprobleme, mo-


difiziert von Bölte [17] und Domschke und Drexl [27] . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.24 Schematische Darstellung der konzeptionellen Herausforderungen bei der Trans-
portwegplanung in dezentral gesteuerten Fertigungssystemen . . . . . . . . . . . 54
2.25 Beispielhafte Darstellungen der Navigationsstrukturen für ein Umgebungsmodell
mit vier identischen, quadratischen, statischen Hindernissen und einem rechte-
ckigen, statischen Hindernis mittels (a) eines Gitternetzes und (b) einer LCT-
Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.26 Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung der Breitensuche . 58
2.27 Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung der Tiefensuche . . 59
2.28 Schematische Darstellung der Graphensuche bei Anwendung des Dijkstra-Algorithmus 59

4.1 Übersicht der im Rahmen der Experteninterviews betrachteten Gewerke entlang


der Wertschöpfungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
4.2 Umsetzungsgrad der bei der Volkswagen AG identifizierten Handlungsfelder im
Themengebiet Industrie 4.0 als Resultat der Standortbestimmung . . . . . . . . 81

5.1 Ergebnis einer Analyse der Reihenfolgeflexibilität basierend auf technischen Abhängigkeiten
zwischen Prozessen in der Automobilmontage [13] . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.2 Beispielhafte Darstellungen eines Vorranggraphens mit technischen Vorgänger-
und Nachfolgerbeziehungen als (a) UND-Graph und (b) ODER-Graph . . . . . 95
5.3 Das Konzept eines dezentral gesteuerten Fertigungssystems wird charakterisiert
durch (1) räumlich verteilte Fertigungszellen mit erweiterten Prozessfähigkeiten,
(2) flexible und nicht vordefinierte Materialflusspfade der Produkte, (3) autono-
me Materialflusseinheiten für Materialien und Produkte und (4) die Kommuni-
kationsfähigkeit aller Fertigungseinheiten in Echtzeit, modifiziert von [21] . . . . 96
5.4 Ablaufdiagramm des siebenstufigen Konzepts zur Layoutplanung eines flexiblen
und dezentral gesteuerten Fertigungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
5.5 Vergleich zwischen der Unterteilung der Fertigungsfläche mittels (a) eines Drei-
ecksgitters aus gleichschenkligen Dreiecken und (b) eines Kreuzgitters. Die grau-
en Punkte stellen potentielle Positionen für Fertigungsstationen dar, die jeweils
betrachtete Position ist in grün und die äquidistanten Nachbarn zu der betrach-
teten Position sind in blau dargestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
5.6 Darstellung des Grobablaufs der angewendeten Tabusuche für die Optimierung
der Maschinenbelegungsplanung eines flexiblen und dezentral gesteuerten Ferti-
gungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
5.7 Beispielhafte Darstellung der Logik zur Bildung des Gantt-Digrammes de Ma-
schinenbelegungsplanung für die vorliegende Problembeschreibung, angepasst
von Simon [101] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

177
Abbildungsverzeichnis

5.8 Skizzierte Darstellung des Überfahrens eines Triangulationselements abc bei Vor-
handensein einer begrenzenden Kante 𝑠 mit einem Objekt der Größe 𝑑, modifi-
ziert von [52] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
5.9 Beispiel zur Definition von Disturbances . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
5.10 Behebung der Disturbance durch Verfeinerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
5.11 Darstellung des Vorgehens beim Auftreten von Störungen zur Behebung dieser,
modifiziert von [52] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.12 Vergleich zwischen CDT und LCT bei der Transportwegplanung mit lokalen
Tests auf Clearance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5.13 Darstellung eines durch den Funnel Algorithmus berechneten Pfades innerhalb
eines Channels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
5.14 Darstellung eines beispielhaften Zwischenzustandes bei der Ermittlung des Fein-
pfades mit dem Funnel Algorithmus [52] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

6.1 Abstrahierte Darstellung der in der Simulation angenommenen Systemgrenze


innerhalb einer beispielhaften Supply Chain aus der Automobilindustrie . . . . . 124
6.2 Black-Box-Modell der Fertigungsstationen in der Simulationen mit Inputs, Funk-
tionalitäten und Outputs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
6.3 Schematische Darstellung des logischen Gesamtablaufs des Simulationstools in-
klusive der integrierten Optimierungsprobleme, angelehent an Bochmann et al. [12]126
6.4 Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion für zu maximie-
rende Leistungskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
6.5 Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion für zu minimie-
rende Leistungskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.6 Schematische Darstellung der Normierung der Fitnessfunktion anhand einer Sig-
moidfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.7 Klassendiagramm der Simulation, erweitert von Schumann [96] . . . . . . . . . . 133
6.8 Grafische Bedienerschnittstelle (GUI) des Simulationstools mit den drei gekenn-
zeichneten Bereichen (1) des Konfigurations- und Steuerungsmenüs, (2) der Vi-
sualisierung des Fertigungssystems und (3) dem KPI-Monitor . . . . . . . . . . . 138
6.9 Resultate der Verifizierung der Layoutoptimierung anhand verschiedener Szena-
rien, modifiziert von Zunino [133] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
6.10 Haupteffektdiagramm der durchschnittlichen Durchlaufzeit für das betrachtete
Verifizierungsszenario, angepasst von Simon [101] . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
6.11 Haupteffektdiagramm der durchschnittlichen Gesamtanlagenauslastung für das
betrachtete Verifizierungsszenario, angepasst von Simon [101] . . . . . . . . . . . 145

7.1 3D-Zeichnung des in dem betrachten Anwendungsfall zu produzierenden Fahr-


zeugcockpits des Volkswagen Passats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
7.2 Vorranggraph des in dem Anwendungsfall betrachten Cockpits . . . . . . . . . . 148

178
Abbildungsverzeichnis

7.3 Aktuelles schematisches Layout der Cockpitvormontage mit 32 Stationen . . . . 148


7.4 Aus der Prozessclusterung resultierender reduzierter Vorranggraph der Cockpit-
vormontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
7.5 Entwicklung der Fitnessfunktion des besten Chromosoms je Generation . . . . . 153
7.6 Optimierte Layouts für das betrachtete Anwendungsszenario der Cockpitvor-
montage basierend auf den beiden Optimierungsszenarien . . . . . . . . . . . . . 154
7.7 Darstellung der Auftragsdurchlaufzeiten für die beiden Optimierungsszenarien
inklusive der durchschnittlichen Auftragsdurchlaufzeit (rot) . . . . . . . . . . . . 155
7.8 Darstellung der Auftragsdurchlaufzeiten als Histogramm für die beiden Optimie-
rungsszenarien inklusive einer der Daten angenäherten Normalverteilungskurve
(rot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
7.9 Darstellung der anteiligen Betriebszustände der verschiedenen Fertigungsstatio-
nen für die beiden Optimierungsszenarien sowie der durchschnittlichen Gesamt-
anlagenauslastung (rot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
7.10 Darstellung der Zeitanteile an der Auftragsdurchlaufzeit der verschiedenen Or-
derstatus für die beiden Optimierungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

179
Tabellenverzeichnis
2.1 Grundprinzipien zur Einteilung von Fertigungskonzepten, basierend auf Schul-
te [95] und Wannenwetsch [118] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2.2 Ausprägungen der Fertigungsart, basierend auf Schuh [94] . . . . . . . . . . . . 7
2.3 Vor- und Nachteile einer Werkstattfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118] 8
2.4 Vor- und Nachteile einer Inselfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118] . . . 9
2.5 Vor- und Nachteile einer Zellfertigung, basierend auf Eversheim [32] . . . . . . . 11
2.6 Vor- und Nachteile einer Reihenfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118] . . 12
2.7 Vor- und Nachteile einer Fliessfertigung, basierend auf Wannenwetsch [118],
Schuh [94] und Eversheim [32] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

4.1 Ursachen für Produktivitätsverluste nach abnehmender Nennungshäufigkeit ge-


ordnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
4.2 Ursachen für Qualitätsmängel nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet . 77
4.3 Kostentreiber nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet . . . . . . . . . . 77
4.4 Benötigte Flexibilitätsarten nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet . . 78
4.5 Einschränkungen der Flexibilität nach abnehmender Nennungshäufigkeit geordnet 79
4.6 Auswirkungen der gestiegenen Variantenvielfalt nach abnehmender Nennungshäufigkeit
geordnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.7 Eingesetzte Maßnahmen zur Beherrschung des Variantenanstiegs nach abneh-
mender Nennungshäufigkeit geordnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.8 Beschreibung der im Rahmen der Standortbestimmung genannten Aktivitäten
inklusive Zuordnung zu den Handlungsfeldern von Industrie 4.0 . . . . . . . . . 81
4.9 Zukünftige Trends und beeinflussende Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.10 Zielvorstellungen der verschiedenen Fachbereiche unter dem Einfluss von Indus-
trie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

5.1 Beispielhafte Kompatibilitätsmatrix für fünf Prozesse zur Festlegung von zulässigen
und unzulässigen Prozesskombinationen innerhalb einer Fertigungsstation . . . . 100
5.2 Beispielhafte Fertigungszeiten der verschiedenen Prozesse, die im Folgenden für
Beispielrechnungen verwendet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
5.3 Ermittelte Wahrscheinlichkeiten der verschiedenen Fertigungssequenzen für das
in diesem Kapitel angenommene Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.4 Transportintensitätsmatrix je Prozess und Produktvariante für das betrachtete
Beispiel bestehend aus den Fertigungszeiten aus Tabelle 5.2 und dem Vorrang-
graph aus Abbildung 5.2(b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

180
Tabellenverzeichnis

5.5 Beispielhafte Zuordnung von Prozessen zu den Fertigungsstationen . . . . . . . . 108

6.1 Übersicht der für die Optimierung mittels des genetischen Algorithmus verwen-
deten KPIs inklusive einer Zuordnung zu den drei Kategorien der Normierungs-
funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
6.2 Gewichtung der Fitnessfunktion des Genetischen Algorithmus zur Layoutopti-
mierung in den vier betrachteten Szenarien, basierend auf Zunino [133] . . . . . 140
6.3 Parameter und zugehörige Stufen für das DoE zur Verifizierung der Maschinen-
belegungsplanung, basierend auf Simon [101] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
6.4 Taguchi-Versuchsplan für das angenommene Verifizierungsszenario der Maschi-
nenbelegungsplanung, angepasst von Simon [101] . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
6.5 Überblick der Resultate für die Experimente des DoEs mit dem Taguchi-Versuchsplan,
angepasst von Simon [101] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

7.1 Übersicht der für die Optimierung mittels des genetischen Algorithmus verwen-
deten Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
7.2 Zuordnung der Prozessfähigkeiten zu den verschiedenen Fertigungsstationen für
die optimierten Lösungen aus Szenario A und B . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
7.3 Zusammenfassung der wichtigsten KPIs für die Lösungen der beiden Optimie-
rungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

181
Listings
2.1 Pseudo-Code für das Tabu Search Verfahren, modifiziert von Bölte [17] . . . . . 43
2.2 Pseudo-Code für das Simmulated Annealing Verfahren, modifiziert von Bölte [17] 44
2.3 Pseudo-Code für genetische Algorithmen, modifiziert von Bölte [17] . . . . . . . 46
2.4 Pseudo-Code für die Label Correcting Methode (LCM), basierend auf Bertsekas [8] 57

182
Lebenslauf
Name: Lennart Sören Bochmann
Geburtsdatum: 26. Februar 1990
Geburtsort: Reinbek, Deutschland

Akademische und professionelle Erfahrungen

02/2017 - heute Smart.Production:Lab, Volkswagen AG, Deutschland


Technische Leitung des Handlungsfelds Future Production Eco-

system“
04/2014 - 09/2017 ETH Zürich, Schweiz
Doktorand am Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigung
04/2014 - 01/2017 Smart.Production:Lab, Volkswagen AG, Deutschland
Doktorand im Smart.Production:Lab der Volkswagen Konzern IT
zum Themenschwerpunkt Smart Factory
09/2013 - 02/2014 University of California Berkeley, USA
Masterarbeit am Laboratory for Manufacturing and Sunstainabi-
lity (LMAS) über Additive Manufacturing
02/2013 - 08/2013 Alstom AG, Schweiz
Semesterarbeit und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Rekon-
ditionierung von Turbinen Schaufeln mittels additiver Fertigungs-
verfahren
09/2012 - 02/2014 ETH Zürich, Schweiz
Master of Science in Maschineningenieurwissenschaften, Schwer-
punkte in Produktionstechnik und Energietechnologien
06/2012 - 09/2012 Daimler AG, Deutschland
Industriepraktikum im Lean Production Office am Standort Ham-
burg
02/2012 - 06/2012 Meyer Burger AG, Schweiz
Bachelorarbeit über eine Kostenanalyse des Klebeprozesses in der
Waferproduktion und der Optimierung der Prozesskette
11/2011 − 04/2012 ETH Zürich, Schweiz
Wissenschaftliche Hilfskraft, Institut für Werkzeugmaschinen und
Fertigung (IWF)

183
Lebenslauf

09/2009 - 06/2012 ETH Zürich, Schweiz


Bachelor of Science in Maschineningenieurwissenschaften, Schwer-
punkt in Produktionstechnik und -optimierung
06/2009 - 08/2009 Hauni Maschinenbau AG, Deutschland
Werkstattpraktikum am Standort Hamburg

Publikationen

Fachjournale L. Bochmann, L. Gehrke, A. Böckenkamp, F. Weichert, R. Albers-


mann, C. Prasse, C. Mertens, M. Motta, K. Wegener. Towards
Decentralized Production: A Novel Method to Identify Flexibility
Potentials in Production Sequences Based on Flexibility Graphs.
International Journal of Automation Technology, 2015, Band 9, Nr.
3, pp. 270 - 282.
L. Bochmann, C. Bayley, M. Helu, R. Transchel, K. Wegener, D.
Dornfeld. Understanding Error Generation in Fused Deposition
Modeling. Surf. Topogr.: Metrol. Prop. 3 (2015) 014002.
C. Dold, M. Henerichs, L. Bochmann, K. Wegener. Comparison of
ground and laser machined polycristalline diamond (PCD) tools in
cutting carbon fibre reinforced plastics (CFRP) for aircraft struc-
tures. CIRP Proceedia No. 1C: 5th CIRP Conference on High Per-
formance Cutting, 2012, Zurich, Switzerland.
Buchbeiträge L. Bochmann, L. Gehrke, N. Gehrke, C. Mertens, O. Seiss. In-
novative Konzepte einer sich selbstorganisierenden Fahrzeugmon-
tage am Beispiels des Forschungsprojekts SMART FACE. In:
Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0 - Grundlagen, Vorge-
hensmodell und Use Cases aus der Praxis. A. Roth (Hrsg.), Sprin-
ger Verlag, Berlin-Heidelberg, 2016, pp. 173 - 192.
Konferenzen L. Bochmann, T. Bänziger, A. Kunz, K. Wegener. Human-robot
collaboration in decentralized manufacturing systems: An ap-
proach for simulation-based evaluation of future intelligent produc-
tion. Procedia CIRP, 10th International Conference on Intelligent
Computation and Manufacturing Engineering, 2017.

184
Lebenslauf

C. Bayley, L. Bochmann, C. Hurlbut, M. Helu, R. Transchel, D.


Dornfeld. Understanding Error Generation in Fused Deposition
Modeling, ASPE Spring Topical Meeting: Dimensional Accuracy
and Surface Finish in Additive Manufacturing, 2014, UC Berkeley,
USA.
Fachtagungen K. Wegener, A. Kunz, L. Bochmann, T. Bänziger. Industrie 4.0 für
den Maschinen- und Anlagenbau. 3. Wiener Produktionstechnik
Kongress, Wien, 2016.
L. Bochmann. Layout Planning and Production Scheduling in Fu-
ture Intelligent Manufacturing Systems. Mathematical Optimiza-
tion in the Automotive Industry, Arbeitsgruppe Praxis der Ma-
thematischen Modellierung, Gesellschaft für Operations Research
e.V., 2016.
Abschlussarbeiten G. Zunino. Layout Planning and Optimization in Decentralized
Manufacturing Systems. Masterarbeit, ETH Zürich, 2016.
F. Schumann. Konzipierung und Implementierung von Wegfin-
dungsalgorithmen und Kollisionsvermeidung in einer flexiblen und
dezentral gesteuerten Fertigung. Bachelorarbeit, Ostfalia Hoch-
schule für angewandte Wissenschaften, 2016.
R. Simon. Entwicklung eines Produktionssteuerungsverfahrens für
ein flexibles und dezentral gesteuertes Fertigungssystem auf Basis
von Optimierungsverfahren. Bachelorarbeit, Ostfalia Hochschule
für angewandte Wissenschaften, 2016.
F. Schumann. Simulation einer flexiblen und dezentral gesteuer-
ten Fertigung. Praxisarbeit, Ostfalia Hochschule für angewandte
Wissenschaften, 2015.
R. Simon. Vorstudie zur Losung von Scheduling-Problemen in
einer dezentral gesteuerten und flexiblen Fertigung. Praxisar-
beit,Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, 2015.
N. Gehrke. Bewertung der industriellen Anwendbarkeit innovativer
Technologien der Industrie 4.0 in Montage- und Logistikprozessen
der Automobilproduktion. Bachelorarbeit, Technische Universität
Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2015.

185

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