Você está na página 1de 7





Schlichtung und Demokratie

Schlichtung zu Stuttgart 21:


Naive Erwartungen an das falsche Verfahren.
von Jens Wutzke, www.mark-seminare.de

Zu Beginn der Schlichtung war angesichts der Liveübertragung im Fernsehen in


der Presse häufig die Rede von einem „Demokratieexperiment“, dem wir als
interessierte Bürger beiwohnen dürfen. Was nun also sollte uns dieses

Schlichtung Stuttgart 21:


Experiment zeigen?

Begonnen wurde es vor dem Hintergrund eines diffusen Gefühls in der in diesem
Fall besonders demonstrationsfreudigen Bevölkerung, der
Entscheidungsfindungsprozess zu S21 sei intransparent abgelaufen, der Plan zu
S21 sei nicht das Ergebnis einer sorgfältigen Kosten-Nutzen-Analyse gewesen

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


und letztendlich sei alles sei „über die Köpfe“ der Bürger hinweg und gegen
deren Willen entschieden worden. Der Beginn der Schlichtung war also bereits
Ausdruck eines demokratietheoretischen Dilemmas: in einer repräsentativen
Demokratie werden alle paar Jahre durch Wahlen Volksvertreter bestimmt, die
im Namen ihrer Wähler delegiert und bevollmächtigt sind, Entscheidungen zu
treffen. Gleichzeitig sollen diese Vertreter bei ihren Entscheidungen aber laut

Unterthema
Parteiengesetzgebung „allein ihrem Gewissen“ unterworfen sein – somit findet
sich hier die erste Sollbruchstelle der Konstruktion, da Gewissensfragen höchst
individuell und einzelfallbezogen sind und kaum objektivierbar in einen
Wahlkampf oder eine Abstimmung über bestimmte Sachverhalte einbezogen
werden können. Die repräsentative Demokratie vertraut nun also darauf, dass
die gewählten Vertreter zum einen dem Willen des Wahlvolkes zur
Durchsetzung verhelfen und dabei zum zweiten stets ihr Gewissen als
regulierendes Element betrachten. Im Fall von S21 muss hier nun
augenscheinlich etwas passiert sein, das dem Wahlvolk den Eindruck vermittelt
hat, sein Wille spiele überhaupt keine Rolle und seine Vertreter würden
eigenmächtig und ohne Auftrag durch die Wähler entscheiden. Das „Experiment“
der Schlichtung und der gleichzeitigen Übertragung im Fernsehen sollte also
dazu dienen, diese Eindrücke zu korrigieren. Dazu sollten sich Befürworter und
Gegner von S21 vor laufenden Kameras konstruktiv im Dialog über die „beste
Lösung“ unterhalten sowie den Wählern verdeutlichen, auf welchen Grundlagen
ihre Argumentationen beruhen, um eine Art von gesellschaftlichem Konsens
über die weitere Vorgehensweise im Bahnhofsbauverfahren herzustellen.

Ist dieses „Experiment“ aber aus politikwissenschaftlich-analytischer Sicht


gelungen – bzw. konnte sie überhaupt gelingen? Die Antwort hierauf lautet: nein!
Das Scheitern der Schlichtung hat mehrere Gründe, auf die ich im Folgenden
eingehen möchte.

© mark 2010

1




Schlichtung und Demokratie

An erster Stelle ist hier die politische Naivität des Wählers zu nennen, die sich
in mehreren Erscheinungsformen manifestiert.

1. Die aktuell in Baden-Württemberg in der Kritik stehenden Parteien traten


in den letzten Landtagswahlen stets mit einem Programm an, in dem der
Bau von S21 ein zentraler Punkt war und befürwortet wurde. Dies hat
jedoch die Wähler nicht davon abgehalten, ihre Stimmen diesen Parteien
zu geben. Genau genommen demonstrieren also viele Bürger

Schlichtung Stuttgart 21:


momentan gegen eine Politik, die sie selbst ermöglicht und deren
Vertreter sie selbst gewählt haben. Die Politiker bzw. die Parteien
hatten von ihren Wählern den Auftrag erhalten, das Wahlprogramm
umzusetzen, was durch den Bau von S21 passieren sollte. Viele
Demonstranten oder Gegner echauffieren sich nun also gegen
Umstände, die sie selbst erst ermöglicht haben und beschweren sich

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


darüber, dass „über ihre Köpfe“ hinweg regiert würde, obwohl sie selbst
den Regierenden die Legitimation verliehen haben, genauso zu agieren
wie geschehen.

2. Jegliche politische Entscheidungsfindung ist das Ergebnis einer


Abwägung unzähliger Faktoren und damit hochgradig komplex. Nicht

Unterthema
ohne Grund sind daher viele Politiker Spezialisten für bestimmte
Politikbereiche wie z.B. Finanzen, Umwelt, Sicherheit oder auch Verkehr,
da kaum in allen Politikfeldern umfassende Kenntnisse vorhanden sein
können. Bedauerlicherweise jedoch neigen die meisten Wähler dazu,
diesen Umstand zu ignorieren, und sie verhalten sich auch
dementsprechend, wie besonders in Wahlkämpfen festzustellen ist. Nicht
zufällig arbeiten sämtliche Parteien hier mit einfach zu verstehenden
Slogans á la „Steuern senken!“, „Raus aus Afghanistan!“, „Mehr
Gerechtigkeit!“ oder ähnlichem, da nur auf diese Weise der Bürger als
Wähler gewonnen werden kann. Selbstverständlich gibt es auch politisch
höchst interessierte Bürger, doch wie viele sind das? Wer liest sich denn
vor Wahlen die Programme der beteiligten Parteien sorgfältig durch und
bildet sich hierdurch eine Meinung? Richtig: Kaum jemand. Und
dennoch verfügt jedermann über etwas, das er als politische „Meinung“
bezeichnet und geht gleichzeitig davon aus, diese sei nicht nur eine
lediglich subjektiv wahrgenommene Kompetenz in politischen Fragen,
sondern Ausdruck von Ahnung, Wissen und fundierter Kenntnis, ggf.
sogar Resultat sorgfältiger, rational erfolgter Abwägung – und daher in
ihrer Plausibilität über jeden Zweifel erhaben. Leider muss jedoch
festgestellt werden, dass diese „Meinung“ häufig nur ein diffuses Gebilde
subjektiver und nicht begründbarer Ansichten ist und daher dem
Anspruch an Komplexität nicht gerecht werden kann. Vereinfacht gesagt:
der Bürger ignoriert die meisten politischen Faktoren und sonstigen
Rahmenbedingungen, macht sich auf die Suche nach einfach zu
verstehenden Slogans, denen er zustimmen oder widersprechen kann,
übernimmt diese und bezeichnet sie abschließend als seine „Meinung“.
Besonders in Krisenzeiten oder bei kontrovers empfundenen Themen
neigt so der Wahlbürger dazu, sich besonders einfach strukturiert zu © mark 2010

2




Schlichtung und Demokratie

artikulieren bzw. derartigen Artikulationen zuzustimmen, wie die


wechselnden Zustimmungsraten zu Protestparteien zeigen. Letztlich geht
es also nur darum, bei politischen Sachverhalten „ein gutes Gefühl“ zu
erlangen, gleich, ob mit vielen oder wenigen Informationen. Die
Forschung zu Entscheidungsfindungsprozessen hat bisher nicht
nachweisen können, dass Entscheidungen vor dem Hintergrund vieler
Informationen bessere Ergebnisse bringen als z.B. sogenannte
„Bauchentscheidungen“. Hinzu kommt, dass die Informationen aufgrund

Schlichtung Stuttgart 21:


bereits bestehender Wahrnehmungsmuster meist nur unvollständig und
einseitig ins Bewusstsein gelangen. Also wozu eine Fülle an
Informationen generieren, wenn diese doch nur selektiv zur Bestätigung
der bereits am Anfang bestehenden emotional bedingten Einstellung
herangezogen werden?!

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


3. Diese Elemente politischer Naivität führen in ihrem Zusammenspiel
grundsätzlich dazu, dass der Bürger nicht aktiv, sondern reaktiv in
politische Konzeptionen eingreift. Sinkende Mitgliedszahlen von Parteien,
Gewerkschaften und Vereinen und zurückgehende Wahlbeteiligungen
sind nur einige der sichtbaren Faktoren dieser These: solange das lokale
Gemeinleben oder die grundsätzliche Ausrichtung der Gesellschaft so

Unterthema
organisiert sind, dass der Bürger im Großen und Ganzen damit zufrieden
bzw. nicht zu unzufrieden ist, sieht er auch keinen Anlass, etwas zum
Fortbestand dieser Umstände beizutragen. Erst in dem Fall, in dem
etwas „umorganisiert“ wurde, wird oder werden soll, regt sich aktiver
Widerstand – wohlgemerkt Widerstand, deutlich seltener findet aktive
Zustimmung statt. Die Entwicklung der Mitgliederzahlen von Parteien
belegt diese Tendenz eindrucksvoll, sinken diese Zahlen doch stets
dann, wenn die Klientel der Partei verärgert wird und sich damit zum
Austritt gedrängt fühlt. Im Umkehrschluss führt zunehmende
Zufriedenheit mit einer politischen Partei nur in sehr seltenen Fällen zu
einem Eintritt. Interessant hierbei ist jedoch, dass gerade die
austretenden Mitglieder ja aufgrund ihrer Mitgliedschaft lange genug und
auch strukturell legitimiert die Möglichkeit gehabt hätten, an der
Neuausrichtung ihrer Partei teilzuhaben und diese in ihrem Sinne zu
beeinflussen. Doch auch hier zeigt sich die Neigung des Bürgers, sich
eher passiv und reaktiv als aktiv einzubringen.

4. In letzter Konsequenz kann dieser Unwille der Bevölkerung, politische


Komplexität zu akzeptieren und diese mitzugestalten ein politisches
Konzept der Überinformierung und Überforderung des Bürgers nach
sich ziehen. Die Schlichtung zu S21 hat den Effekt, dass der zu
einfachen Lösungen neigende Bürger gewissermaßen dazu „genötigt“
wird, die Schlichtung in ihrer Gänze zu verfolgen, um sich selbst als
qualifizierten Beteiligten zu etablieren und zu zeigen, dass er durchaus
an Details interessiert ist, seine Kritik am Projekt tatsächlich das Ergebnis
sorgfältiger Abwägung ist und er somit nicht einfach in die lange Reihe
von „Meckerern“ einzureihen ist, sondern vielmehr nun „Expertenstatus“
genießt. Schauen wir uns in diesem Zusammenhang die © mark 2010

3




Schlichtung und Demokratie

Rahmenbedingungen und die Outputs der Schlichtung an: es fanden 8


Sitzungen statt (6 davon an Donnerstag und Freitagen), die insgesamt
etwa 50 Stunden dauerten. Pro Sitzung wurde ein Wortprotokoll mit
durchschnittlich etwa 100 Seiten erstellt, zudem finden sich auf
http://www.schlichtung-s21.de/ sämtliche Präsentationen, die während
der Schlichtungsrunden die Argumentationen der Parteien unterstützten.
Allein diese schiere Menge an Informationen lässt den Schluss zu, dass
das Interesse vieler Bürger im Lauf der Schlichtung zwangsläufig

Schlichtung Stuttgart 21:


erlahmen musste, da gesellschaftlich (beruflich, sozial und familiär)
integrierten Bürgern aus zeitlichen und/oder organisatorischen Gründen
kaum möglich sein kann, sämtliche Elemente der Schlichtung zu
würdigen oder sie sogar aufgeben, da sie durch die Vielzahl an
Informationen in schriftlicher oder audiovisueller Form schlichtweg
überfordert sind. Dies kann als Ergebnis den völligen Rückzug aus der

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


Protestbewegung bedeuten.

Weshalb ist an dieser Stelle nun lediglich von einem Rückzug aus der
Protestbewegung die Rede, während die Unterstützerseite nicht angesprochen
wird? Dies hängt direkt mit dem zweiten Punkt zusammen, der für das Scheitern
der Schlichtung verantwortlich ist. Dieser ist das strukturelle Defizit der

Unterthema
Schlichtungskonstruktion.

1. Die juristischen Rahmenbedingungen für S21 waren vor der Schlichtung


bereits klar, und zwar dahingehend, dass S21 gebaut werden kann und
darf. Außerdem ist der Schlichter auch nicht mit der institutionellen Macht
ausgestattet, etwas zu verbieten oder zu befehlen, er kann lediglich
Empfehlungen aussprechen, inwiefern S21 modifiziert werden könnte.
Selbstverständlich muss diesen Empfehlungen aber nicht
nachgekommen werden. Egal, welches Ergebnis die Schlichtung also
haben wird, haben auf der einen Seite die Befürworter in materieller
Hinsicht nichts zu befürchten und die Gegner können nichts Zwingendes
erreichen, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Konstruktion der
Schlichtung ist also deutlich asymmetrisch, da Chancen und Risiken
ungleich verteilt sind und bis auf eine eventuelle Information der
Bevölkerung, eine kenntnisreiche Diskussion und eine Beeinflussung der
öffentlichen „Meinung“ für die Gegner von S21 nicht wirklich etwas
erreichbar ist. Es kann also tatsächlich davon ausgegangen werden,
dass die Schlichtung nicht wirklich ergebnisoffen ist.

2. Theoretisch ist außerdem nicht die Realisierung von S21 ein


undemokratischer Akt, sondern die Schlichtung selbst. Lediglich die
an der Schlichtung teilnehmenden Politiker haben eine, wenn auch sehr
unterschiedlich ausgeprägte Legitimation durch den Wähler erhalten -
diese reicht vom Stadtratsmitglied aus Stuttgart über den
Oberbürgermeister von Tübingen bis hin zu Mitgliedern des Landtags
aus Baden-Württemberg. Alle anderen Beteiligten, seien sie nun der
Schlichter, Sachverständige oder Vertreter irgendwelcher
Interessenvertretungen pro oder kontra S21, sind im Gegensatz hierzu
© mark 2010

4




Schlichtung und Demokratie

überhaupt nicht oder nur in verschwinden geringem Maße demokratisch


legitimiert. Dies trifft in gewisser Hinsicht auch auf die teilnehmenden
Minister zu, da diese lediglich in ihrer Funktion als Abgeordnete
legitimiert sind, zum Minister jedoch werden sie ernannt. Vielfach – vor
allem von den Gegnern des Projekts - eingeforderte demokratische
Prinzipien werden durch die Wahl dieses Verfahrens also geradezu
konterkariert, da die Frage „Wer spricht hier für wen?“ hier genauso gut
oder schlecht beantwortet ist wie beim bisherigen demokratischen

Schlichtung Stuttgart 21:


Verfahren.

3. Diese Untergrabung demokratischer Entscheidungsprozesse setzt


sich in rechtsstaatlicher Hinsicht fort, da außer der demokratisch
erfolgten Legitimation von S21 in den Parlamenten vielfach Gerichte mit
dem Sachverhalt beschäftigt waren und S21 somit auch rechtlich

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


abgesichert ist. Zwar ist es durchaus legitim, politische und gerichtliche
Entscheidungen zu kritisieren und zu diskutieren, doch ein Element der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Bundesrepublik ist eben
auch die Rechtsstaatlichkeit. Urteile – auch unverständliche und
vermeintlich skurrile – erfolgen im Namen des Volkes und sind
rechtskräftig, sobald vorhandene und vorgegebene Klagewege und –

Unterthema
möglichkeiten ausgeschöpft worden sind. Gerade ein Land wie
Deutschland und damit auch seine Bevölkerung sollten sich aufgrund
einer unglückseligen Vergangenheit der Gefahr bewusst sein, die in einer
Negation demokratischer und gerichtlicher Legitimation durch einen wie
auch immer gearteten öffentlichen Protest liegen kann.

4. Der größte Kritikpunkt jedoch ist der falsche Zeitpunkt der


Schlichtung. Selbstverständlich ist es begrüßenswert, wenn Projekte,
die eine derartige Relevanz wie S21 haben, ausführlich öffentlich
diskutiert werden, wenn jede Seite all ihre Argumente darstellen kann,
wenn konstruktiv um die beste Lösung gerungen wird. Doch dies sollte
vor einer Entscheidung stattfinden und nicht danach. Am 18. April 1994
– also vor über 16 Jahren - stellten Bahnchef Heinz Dürr,
Ministerpräsident Erwin Teufel, Oberbürgermeister Manfred
Rommel sowie die Verkehrsminister Matthias Wissmann (Bund)
und Hermann Schaufler (Land) das Projekt S21 auf einer
Pressekonferenz offiziell vor. Seit diesem Zeitpunkt war die Öffentlichkeit
also darüber informiert, dass ein neues Bahnhofskonzept in Stuttgart
umgesetzt werden soll und hätte darauf angemessen reagieren können.
Dies wäre auch der Zeitpunkt gewesen, ab dem ein öffentliches Ringen
um die beste Lösung hätte stattfinden können oder sogar müssen.
Weshalb ist dies nun nicht geschehen, jedenfalls nicht in der Weise, in
der wir es momentan betrachten können und konnten? Die Antwort
hierauf ist einfach und ergibt sich aus den bisherigen Beobachtungen:
zum einen sahen Bahn und Befürworter keinen Anlass zu einer
Schlichtung, da es in ihren Augen nichts zu schlichten hab, und zum
anderen war das Projekt S21 in den Augen der Gegner zeitlich noch zu
weit entfernt, in der Konstruktion zu abstrakt und in der persönlichen © mark 2010

5




Schlichtung und Demokratie

Betroffenheit zu unbedeutend, um effektiv tätig zu werden bzw. sich zu


organisieren.

Als letzten, jedoch nicht minder wichtigen Punkt möchte ich anführen, dass die
Schlichtung das unausgesprochene, jedoch nicht widerlegbare Ziel hatte, die
erodierende Akzeptanz der Regierungs- und Volksparteien in Baden-
Württemberg aufzuhalten, um ein Desaster bei den anstehenden
Landtagswahlen zu verhindern. Aufgrund der geschilderten Naivität des

Schlichtung Stuttgart 21:


Wahlvolkes wurde und wird der Bau von S21 direkt der Landesregierung aus
CDU und FDP angelastet, ein Großteil der Gegner fühlt sich aktuell von den
GRÜNEN am besten vertreten. Aus wahltaktischer Perspektive konnte die
schwarz-gelbe Landesregierung durch die Schlichtung nur gewinnen und die
GRÜNEN nur verlieren, da die wahlberechtigte Bevölkerung wirkungsvoll
besänftigt – fast könnte man sagen: eingelullt – werden konnte, ihre Aggression

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


und Frustration konnte eingedämmt werden, und nach und nach wird das Thema
S21 bei der persönlichen Prioritätensetzung hinsichtlich der Wahlentscheidung
bei der nächsten Landtagswahl wieder in den Hintergrund rücken und zumindest
der CDU den Machterhalt sichern. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die
Schlichtung dazu beitragen kann, den Wählern zu verdeutlichen, dass
andauerndes Engagement und umfassendes Interesse an gesellschaftlichen

Unterthema
Zusammenhängen eine derartige Eskalation verhindern kann und für eine
gedeihliche Fortentwicklung der Gesellschaft unerlässlich ist.

Es ist zu betonen, dass sich dieses Interesse und Engagement nicht nur auf
Großprojekte und die „große Politik“ beschränken darf, sondern sich auch und
gerade auf den (vermeintlich) kleinen individuellen gesellschaftlichen bzw.
sozialen Rahmen beziehen muss. Ob in der Nachbarschaft, in Kita bzw. Schule,
im Betrieb oder Verein: hier bestehen die Möglichkeiten der aktiven Gestaltung
der unmittelbaren Lebensumstände. Und so muss es eine stetige Forderung der
Aktiven in Mieterinitiative, Elternbeirat, Betriebsrat oder Vorstand an die „Bürger“
sein: „Bringt Euch ein!“, oder, um es mit den Worten eines genervten
Klassenlehrers zu sagen: „Wer seinen Hintern nicht bewegt, verliert die
Lizenz zum Motzen!“

Für den Betriebsrat folgt daraus, dass


• bei Unzufriedenheit der Belegschaft mit seiner Amtsführung auch ein
Hinweis auf seine demokratische Legetimierung erlaubt ist,
• die ihm zugänglichen Informationen zusammengefasst und vereinfacht an
die Belegschaft weitergegeben werden müssen,
• er seine praktischen und rechtlichen Möglichkeiten bei
Entscheidungsprozessen allen Mitarbeitern bekannt sein sollten,
• den Mitarbeitern ihre praktischen und rechtlichen Möglichkeiten der
Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse bekannt sind,
• eine offensive und detailreich-überladende Informationspolitik Proteste
ermüden kann, © mark 2010

6




Schlichtung und Demokratie

• nur das Vertrauen der Belegschaft in die fachliche und betriebspolitische


Kompetenz des Gremiums Unterstützung für die getroffenen
Entscheidungen sichert,
• Auswirkungen von geplanten Veränderungen frühzeitig antizipiert und für
jeden einzelnen Betroffenen nachvollziehbar dargestellt werden müssen,
• die Einbindung der Betroffenen bei gleichzeitiger Verdeutlichung der Folgen
fehlenden Engagements aktiv und herausfordernd betrieben werden muss.

Schlichtung Stuttgart 21:


Für den Arbeitgeber folgt daraus, dass
• eine klare Trennlinie zwischen unternehmerischer Freiheit und gesetzlich
legetimierter Mitbestimmung bzw. Mitarbeiterbeteiligung gezogen werden
kann und ggf. auch muss,

Naive Erwartungen an das falsche Verfahren


• eine Schwächung der demokratischen Vertreter der Belegschaft zur
Stärkung der Basisbewegung führt,
• die offensive und überdimensionierte Informationspolitik
Protestbestrebungen eher verhindert als „Geheimniskrämerei“,
• Einigungsversuche mit dem Betriebsrat außerhalb des gesetzlich definierten

Unterthema
Rahmens zeitlich vor gerichtlichen Entscheidungen erfolgen und
sinnvollerweise auch bindenden Charakter haben sollten.

©Jens Wutzke, 29.10.2010

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Dann senden Sie eine Mail an: wutzke@mark-seminare.de


© mark 2010

7

Você também pode gostar