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Lingemann
Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Einleitung
Die Anwendung von Stahlfasern zur Verbesserung der Nachbrucheigenschaften von Beton ist
bereits seit den 1960er Jahren Gegenstand der Forschung. In den 1990er Jahren sind die ersten
offiziellen Bemessungsregeln für Stahlfaserbeton veröffentlicht worden (RILEM
Recommendations, SIA 162/6, DBV-Merkblatt). In den vergangenen Jahren wurde in
Deutschland durch den Deutschen Ausschuss für Stahlbeton die Richtlinie Stahlfaserbeton [1]
erarbeitet. Gegenüber dem DBV Merkblatt von 2001 werden hierin neue Erkenntnisse
berücksichtigt und die Nachweisformate vereinfacht. Die Richtlinie soll voraussichtlich Ende
2009 oder Anfang 2010 veröffentlicht werden. Außerdem ist die bauaufsichtliche Einführung
vorgesehen.
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K. Zilch; J. Lingemann
Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Das Tragverhalten von Stahlfaserbeton wird unter anderem durch folgende Faktoren
beeinflusst:
• Verankerung bzw. Ausziehverhalten der Stahlfasern
• Streuung der Nachrisszugfestigkeit von Stahlfaserbeton
• Orientierung der Stahlfasern
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Faserarten dargestellt, die für normalfeste Faserbetone in der Regel nur selten verwendet
werden, wie Blechfasern, gespante Fasern oder Mikrofasern.
Der Einfluss der Stahlfasern auf das Nachbruchverhalten von Beton ist dadurch zu erklären,
dass die Stahlfasern im Nachbruchbereich Risse im Beton überbrücken und somit Zugkräfte
über Risse hinweg übertragen können (Bild 3). Hierfür ist eine ausreichende Verankerung der
Fasern im Beton erforderlich. Die Lastübertragung vom Beton in die Fasern erfolgt zum Teil
im Bereich des Rissufers, an dem die Stahlfasern umgelenkt werden. Der maßgebende Teil der
Lastübertragung erfolgt bei Endverankerten Fasern jedoch im Bereich der Endverankerung.
Die Wirksamkeit der Fasern hängt wesentlich von der Verankerung ab. Diese wiederum ist
stark von der Faserart, dem Beton sowie dem Zusammenwirken von Fasern und Beton
abhängig.
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Aufgrund der zahlreichen Einflussparameter hinsichtlich der Wirksamkeit der Stahlfasern ist
für jede Betonrezeptur mit einer speziellen Betonzusammensetzung und einer speziellen
Faserart eine neue Erstprüfung erforderlich. Anhand einer pauschalen Angabe von
Fasergehalten ist keine Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Stahlfaserbeton möglich. Die
Gleichung
höherer Fasergehalt = höhere Nachrisszugfestigkeit
ist ebenso nicht in allen Fällen korrekt.
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
1,2
1,0
0,8 Messwerte
Fasern/cm²
0,6
Mittelwert der
0,4 Messwerte
0,2
0,0
0 200 400 600 800 1000 1200
Fläche [cm²]
Bei der Entwicklung der Richtlinie führte dieses zu kontroversen Diskussionen. Würde man
die Nachrisszugfestigkeit an größeren Prüfkörpern ermitteln, würden sich bei gleichen
Mittelwerten der Nachrisszugfestigkeit der Nachrisszugfestigkeit höhere 5 %-Quantilwerte
ergeben als in kleinformatigen Prüfkörpern. Die Ermittlung der Nachrisszugfestigkeit an
größeren Prüfkörpern ist jedoch unhandlicher, aufwändiger und unwirtschaftlicher.
Andererseits würde der Ansatz der in den kleinformatigen Prüfkörpern ermittelten
5 %-Quantilwerte der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung von größeren Bauteilen zu
sehr unwirtschaftlichen Ergebnisse führen.
In die Richtlinie Stahlfaserbeton wurden die für die Durchführung der Prüfungen günstigeren
kleinformatigen Prüfkörper gewählt. Um dennoch auch für größere Bauteile eine
wirtschaftliche Bemessung sicherzustellen, wird bei der Ermittlung des Rechenwertes der
Nachrisszugfestigkeit f fctR,Li der Korrekturfaktor κfG eingeführt. Am Lehrstuhl für Massivbau
der Technischen Universität München wurde wissenschaftlich bestätigt, dass der Ansatz des
Korrekturfaktors κfG eine wirtschaftlichen Bemessung sowie die Einhaltung des erforderlichen
Sicherheitsniveaus ermöglicht [4] (Bild 5).
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
1,8
1,6
1,4
κ fG bzw. κ fG,cal [-]
1,2
0,8
0,4 f
genauer Ansatz für κ
kfGG,cal (bei Log-Normalverteilung)
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich der Richtlinie umfasst:
• Bemessung und Konstruktion von Tragwerken des Hoch- und Ingenieurbaus aus
Stahlfaserbeton sowie Stahlfaserbeton mit Betonstahlbewehrung.
• Stahlfaserbeton bis einschließlich zur Druckfestigkeitsklasse C50/60.
• Verwendung von Stahlfasern mit formschlüssiger, mechanischer Verankerung. Glatte,
gerade Stahlfasern sind somit nicht zulässig. Als verankert gelten gewellte Fasern, Fasern
mit Endabkröpfungen und Fasern mit aufgestauchten Köpfchen.
Grund für diese Einschränkungen ist, dass bislang nur wenig Experimentelle und praktische
Erfahrungen mit den ausgeschlossenen Anwendungsbereichen vorliegen. Die letztgenannte
Einschränkung ist durch den Ausfall der Stahlfasern infolge von Korrosion bei Einwirkung
von Chloriden aus Meerwasser bzw. aus Tausalzen begründet.
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Grundsätzliches
Wie oben gezeigt weist Stahlfaserbeton in der Regel ein entfestigendes Materialverhalten auf.
Da die Risslast nicht allein durch die Stahlfasern aufgenommen werden kann, gilt gemäß der
Richtlinie folgender Grundsatz für die Bemessung:
Nach Ausbildung von Rissen bis zum Erreichen des Grenzzustandes der
Tragfähigkeit am Gesamttragsystem (Systemgleichgewicht) muss ein
Gleichgewichtssystem nachgewiesen werden, z.B. durch:
- Schnittgrößenumlagerung innerhalb statisch unbestimmter Systeme
- Kombination mit Betonstahlbewehrung
- Normaldruckkräfte infolge äußerer Einwirkungen
Die Anwendung von Stahlfaserbeton ohne Betonstahlbewehrung wird hierdurch auf Fälle
eingeschränkt, in denen nach einer Momentenumlagerung ein Systemgleichgewicht
nachweisbar ist oder in denen die Zugzone durch Normaldruckkräfte klein gehalten wird
(insbesondere im Hinblick auf Tübbinge aus Stahlfaserbeton). Im Regelfall werden
Stahlfasern als Ergänzung zur Betonstahlbewehrung vorgesehen.
Für Stahlfaserbeton müssen die Fasern nach Teil 2 der Richtlinie im Herstellwerk zugegeben
werden. Hierdurch soll eine kontrollierte Zugabe der Fasern mit exakter Dosierung und unter
Verhinderung von lokalen Faseransammlungen (Igeln) sichergestellt werden.
Da die Abstimmung der Fasern auf den Beton wesentlich für die Leistungsfähigkeit eines
Stahlfaserbetons ist, darf Stahlfaserbeton nicht als Beton nach Zusammensetzung geliefert
werden. Stahlfaserbeton ist somit grundsätzlich Beton nach Eigenschaften. Die Eigenschaften
des Betons – im Fall des Stahlfaserbetons die Leistungsklassen – sind durch den
Betonhersteller sicherzustellen. Dieser muss für jede Betonsorte eine Erstprüfung durchführen.
Die Einhaltung der Anforderungen entsprechend der Erstprüfung wird durch jährliche erneute
Prüfung sichergestellt.
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Es ist zu beachten, dass Stahlfaserbeton als Beton mit eingebettetem Metall eingestuft wird
und daher nicht der Expositionsklasse X0 zugeordnet werden darf. In den Expositionsklassen
XS2, XD2, XS3 und XD3 darf die Stahlfaserwirkung nach der Richtlinie nicht angesetzt
werden.
Hinsichtlich des konstruktiven Brandschutzes müssen für Stahlfaserbeton nach der Richtlinie
die Anforderungen nach DIN 4102-4:1994-03, Abschnitte 3 oder 4 (Wände) bzw.
DIN 4102-22:2004-11 eingehalten werden.
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Mit der Angabe der Leistungsklassen des Stahlfaserbetons kann aus Tabelle R.3 der Richtlinie
(Bild 7) der Grundwert der ansetzbaren zentrischen Nachrisszugfestigkeit f fct0,Li für die
jeweilige Leistungsklasse Li ermittelt werden. Hieraus wird der Rechenwert der zentrischen
Nachrisszugfestigkeit f fctR,Li gemäß Bild 8 ermittelt.
f fctR,Li = κ fF · κ fG · f fct0,Li
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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton
Der Bemessungswert der Nachrisszugfestigkeit wird gemäß Bild 9 aus dem Rechenwert der
Nachrisszugfestigkeit bestimmt. Für die Bemessung darf einerseits eine Spannungs-
Dehnungs-Linie mit einem von abfallendem Ast entsprechend dem tatsächlichen Verhalten
von Stahlfaserbeton angesetzt werden. Hierbei ist bei kleinen Dehnungen die
Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 1 (Index L1) und bei höheren Dehnungen die
Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 2 (Index L2) ansetzbar. Alternativ darf mit einem
rechteckigen Spannungsblock gerechnet werden (Index u bzw. s).
Biegebemessung
Bei der Biegebemessung von Bauteilen aus Stahlfaserbeton darf die rechnerische Spannungs-
Dehnungs-Linie gemäß Bild 9 angesetzt werden (siehe auch Bild 10). Es muss jedoch darauf
hingewiesen werden, dass die Wirkung der Stahlfasern bei der Biegebemessung im Vergleich
zur Betonstahlbewehrung sehr gering ist.
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Querkraftbemessung
Bei der Bemessung für Querkraft darf der Stahlfasertraganteil VRd,cf zu den Tragfähigkeiten
des Betons ohne Bügel VRd,ct bzw. des Betons mit Bügeln VRd,sy hinzuaddiert werden (Bild 11).
Bei Verwendung von Stahlfaserbeton darf auch bei balkenartigen Bauteilen (b ≤ 5h) die
Mindestquerkraftbewehrung aus Betonstahl auf null reduziert werden. Bei der Ermittlung des
Mindestquerkraftbewehrungsgrades darf die Stahlfasertragwirkung nach Bild 11 angesetzt
werden.
mit:
Bild 11: Formeln für die Querkraftbemessung von Bauteilen aus Stahlfaserbeton
(aus [1])
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Rissbreitenbeschränkung
Bei den Nachweisen der Rissbreitenbeschränkung wird die Stahlfasertragwirkung durch den
Ausdruck (1 - αf) berücksichtigt. Hierin ist αf das Verhältnis zwischen dem Rechenwert der
zentrischen Nachrisszugfestigkeit und dem Mittelwert der zentrischen Zugfestigkeit des
Betons. Der Ausdruck (1 - αf) beschreibt somit den Anteil der Beanspruchung, der nicht durch
die Stahlfasern aufgenommenen werden kann und mit Betonstahlbewehrung abzudecken ist.
mit:
Bild 12: Ermittlung der Mindestbewehrung zur Beschränkung der Rissbreite (aus [1])
Zusammenfassung
Die Richtlinie „Stahlfaserbeton“ des Deutschen Ausschusses für Stahlfaserbeton steht kurz vor
der Veröffentlichung. Im Anschluss ist die bauaufsichtliche Einführung der Richtlinie geplant.
Die Gliederung der Richtlinie ist direkt an die Gliederung der DIN 1045 angelehnt. In der
Richtlinie werden dabei nur solche Absätze ausformuliert, in welchen sich durch
Berücksichtigung der Stahlfasertragwirkung Änderungen gegenüber der DIN 1045 ergeben.
Mit der Richtlinie wird somit ein durchgehend konsistentes Konzept sowohl zur Bemessung
als auch zur Überwachung des Baustoffes Stahlfaserbeton verfügbar sein.
Literatur
[1] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb): Richtlinie Stahlfaserbeton.
Schlussfassung Juli 2009
[2] Holschemacher, K.; Klug, Y.; Dehn, F.; Wörner, J.-D.: Faserbeton. In: Betonkalender
2006, Band 1. Berlin: Ernst und Sohn
[3] Deutscher Betonverein: Merkblatt Stahlfaserbeton. 2001
[4] Lingemann, J.; Zilch, K.: Zum Einfluss der Bauteilgröße auf das Tragverhalten von
Bauteilen aus Stahlfaserbeton. In: Münchener Massivbau Seminar 2009
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