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I.
Inzwischen merkte ich, dass zwischen der Ausgabe der Grammatik
des deutschen Dudens und meiner Vorstellung, Satzanalysen
seien sowohl inhaltlich, als formal genormt, viele Fische im
Meer des Möglichen schwammen und davon einige bittere,
schlammige oder tote.
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II.
Mein künstlerischer Auftrag ist es an Auschwitz zu erinnern,
an die „Dialektik von Kultur und Barbarei“. Zuerst, weil es
nicht vergessen werden darf, weil ich mich gegen das Vergessen
und Verdrängen wehren will, dann, weil es verschiedene Wege
gibt, Auschwitz zu gedenken. Neben der schriftlichen
Überlieferung gibt es auch die mündliche und bildliche. Die
mündliche ist an Person und persönliches Schicksal gekoppelt
und stirbt aus. Die schriftliche ist abstrakt. Es sind
Dokumente, Berichte, Artefakte, die auf Verhalten und
Handlungen schließen (die das Bild oder die Geschichte im Kopf
zusammenfügen) – oder wissenschaftliche Untersuchungen und
Urteile – beide Arten erfordern intellektuelles Interesse und
ordnen sich in die Systematik der Wissensvermittlung ein.
Grundlegend ist die Emotionalität, die moralische und ethische
Verfasstheit, die die Einordnung und Beurteilung vollzieht.
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wir nicht zuerst an die Vergänglichkeit des Lebendigen – wir
denken an Feuerqualen, an den Geruch verbrannten Fleisches und
an Qualm – wir sehen zugleich die Diskrepanz in der
Landschaft, mittels der Einrichtung (Funktion und Architektur)
an das Tabu Tod und Sterben ermahnt zu werden – daran, dieses
nicht vollständig aus der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
verbannen zu können. Wir sehen die Möglichkeiten, Architektur
und Funktion zueinanderzustellen, dass Häuser gebaut werden,
um Leichen zu verbrennen. Und wenn wir weiter denken,
assoziieren wir Auschwitz und industrielle Massenvernichtung.
Industrielle Massenvernichtung, die trotz oder wegen Kultur
geschah, die immer wieder geschehen kann, sobald sie
affirmativ in gesellschaftliche Entwicklung eingegliedert wird
oder andererseits an die Orte der Erinnerung, die die
Bewusstseinsindustrie für sie vorsieht (weswegen
konzeptionelle Arbeit mir in diesem Zusammenhang sinnvoll
erschien) verbannt ist.
Mit dem Potential der sinnlichen Assoziation ausgestattet,
bergen Bilder die Chance der Manipulation. Da vergisst der
wache Verstand oft zu fragen, was ist wirklich, was
inszeniert, sind die Informationen im Bild oder zum Bild wahr?
Da lassen wir unser Herz erweichen, wiegen in sentimentalen
Melodien, gedenken der Jugend/der Liebe und seiner
Verbindungen – kurzum lassen der Kritik ihren
Dornröschenschlaf und atmen entspannte Ferien vom Ich.
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Adorno verwendet Auschwitz als Symbol für den Holocaust und
für die gesellschaftliche Entwicklung zu ihrer Totalität des
Zählbaren und Organisierten, des „falschen Lebens“.
Adorno ist Zeitzeuge, und als derjenige, der von der Masse der
Opfer ausgenommen war, verpflichtet, Auschwitz auf andere
Weise zu „ertragen“. In der Rolle des Intellektuellen – der in
mehrfacher Hinsicht, dem nationaldeutschen Ideal zuwider lief:
aus musischem, gebildeten Elternhaus, finanziell unabhängig,
jüdisch: ein „Abgesandter der etablierten Mächte“ (Adorno:
Minima Moralia, 20. Auflage, Frankfurt am Main 1991, S. 15).
Es ist die Schuld an der Gruppe, der er via Geburt zugeteilt
war – es ist die dunkle Seite der Kultur, ihre Barbarei zu
perfektionieren, groschenromanhaft könnte man es Schicksal
nennen, was Adorno zeit seines Werkes um Auschwitz kreisen
ließ.
Es ist aber auch die Gelegenheit zu widersprechen, sich der
Opferrolle zu fügen, die von Seiten der Opfer als auch von
Seiten der Täter erwartet wird, sie anzunehmen, aber nicht
einverstanden zu sein.
Auschwitz ist nicht das goldene Kalb der Erinnerung/ der
Mahnung, darf es nicht sein. Das Mahnmal kann bröckeln, das
Gold abblättern, es kann auf seine bloße Ikonenhaftigkeit
reduziert werden. Es kann seine Bedeutung verlieren, mit dem
Verlust des Wissens um das, was es bedeutet. Wir dürfen das
Symbol nicht für unberührbar, für heilig halten. Seine
Bedeutung wandelt sich mit dem semantischen Schatz, den es
birgt – die Bedeutung verändert sich ohne unser Zutun, die
Präferenz seiner Deutung liegt im gesellschaftlichen Wind, der
gerade weht.
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III.
Die formale Methode ist in Anlehnung an Elementare Typografie
entstanden, um den funktionalen Aspekt des Satzes, der durch
seine Zergliederung schon inhaltlich obsolet zu werden droht,
hervorzuheben und an den Gebrauchswert des Satzes zu erinnern.
Geometrische Formen liefern einen neues Ordnungsmodell, wie
durch die Satzanalyse begonnen wurde. Die Abhängigkeiten der
Satzglieder werden unter das Gesetz des Winkels gestellt. Dies
dient der Veranschaulichung und der Abstraktion.
Eine schöne Variante, Schrift den Charakter eines
künstlerischen Mittels zu verleihen ohne in Ornamentik zu
verfallen, eine Mahnung an die Maschine – die Schreibmaschine,
den Drucker, welche Vervielfältigung erlauben und
Standardisierung. Dem entgegen ist das Mittel des Collagierens
gewählt. Die Arbeitsschritte des Schreibens, Druckens,
Schneidens, Klebens, erneuten Schneidens und wieder Klebens
sollen nachvollziehbar sein. Die Materialien reduzieren sich
auf Tinte, Pappe und Papier, Symbole der Bürokratie, der
Dokumentation und des Überschreibens von Erinnerung. Die
Wiederverwendung eines Materials, das eine eindeutige Funktion
ausgeübt hat und wird nun in einen neuen Zusammenhang
gebracht.