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THESEN ZUR TAKTIKTRAGE

ANGENOMMEN A U T DEM V. KONGRESS DER KOMINTERN.


*

I. IN T E R N A T IO N A LE PROBLEME.

1. Die de: okratisciupazifistische Phase.


II

Das Neue, das bei Betrachtung der gegenwärtigen internatio*


nalen Lage in die Augen springt, ist das Einsetzen einer gewissen
demokratisch^pazifistischen Phase. Das Eintreten einer solchen
Wendung in der Weltpolitik der Bourgeoisie hat der IV. Welt*
kongreß der Komintern, der zu einer Zeit zusammentrat, da die
bürgerliche Weltreaktion ihren Höhepunkt erreicht hatte, voraus*
gesagt.
Die in Erscheinung getretene Verschiebung in der Weltpolitik
der Bourgeoisie zeigt im gegenwärtigen Augenblick folgende Merks:
male: 0

In England ist die sogenannte Arbeiterregierung, mit den


Führern der II. Internationale an der Spitze, an der Macht. In
Frankreich hat der sogenannte Linksblock einen Wahlsieg er*
rungen, wobei die französische sozialistische Partei, eine der Haupt*
Parteien der II. Internationale, in Wirklichkeit ein Bestandteil der
gegenwärtigen französischen Regierung geworden ist. In Deutsch*
land zeigt sich zwar in Verbindung mit der Propaganda für das
Sachverständigengutachten gleichfalls eine Tendenz zur Stärkung
der demokratisch*pazifistischen Illusionen und der Sozialdemo*
kratie, als der Trägerin dieser Politik, zugleich aber macht sich
eine starke Gegentendenz geltend, indem die herrschende Klasse
mit Hilfe der S.P.D. zur praktischen Durchführung des Sachver*
ständigengutachtens eine noch offenere, brutalere Ausbeutungs*
Politik als bisher bei der Unterdrückung der revolutionären Bewe*
gung durchführt. Die deutsche Sozialdemokratie bleibt bei allen
Formwechseln doch unverändert eine mitregierende Partei der
deutschen Bourgeoisie und nimmt in der einen oder anderen Weise
an der Konsolidierung der bürgerlichen Diktatur über das Prole*
tariat teil. In A m erika hat jener Flügel des Imperialismus, der sich
zur Einmischung in die europäischen Angelegenheiten herabläßt
und bereit ist, das sogenannte Sachverständigengutachten zu

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unterstützen, gesiegt. Die wachsende Bewegung zugunsten der
Bildung einer „Dritten“ (kleinbürgerlichen) Partei in Amerika
stellt ebenfalls eine gewisse Verschiebung in der Richtung einer
demokratisch*pazifistischen Phase amerikanischer Politik dar. In
Ja p a n nähert sich die „demokratische“ Bourgeoisie der Macht und
bereitet sich darauf vor, der feudalen Partei die Regierungsgewalt
abzunehmen. Der kürzlich in Japan erfolgte’ Regierungswechsel
wird ebenfalls als ein Sieg der „Demokratie“ und des Pazifismus
gedeutet. In Dänemark ist eine sogenannte Arbeiterregierung an
der Macht, an deren Spitze ein prominenter Vertreter der
II. Internationale steht. In Belgien können im Gefolge der bevor*
stehenden Wahlen die Führer der belgischen Arbeiterpartei zur
M acht gelangen, die de facto schon heute Minister, nur ohne
Portefeuille, sind. In O esterreich hat die Sozialdemokratie einen
7 m

großen Wahlsieg errungen und bildet faktisch ebenfalls eine Stütze


des bürgerlichen Regimes. In der Tschechoslow akei, in Polen und
zum Teil auch auf dem Balkan, wo die Bourgeoisie sich in voll*
kommener Abhängigkeit von den Imperialisten der größten
Ententeländer befindet, beginnen sich die Veränderungen, die sich
in England, Frankreich usw. abgespielt haben, widerzuspiegeln.
*

2. Die wahre Bedeutung der gegenwärtigen Etappe


der internationalen Politik.
Was jetzt vorgeht, ist in Wirklichkeit nicht etwa der Beginn
einer Stabilisierung der kapitalistischen „Ordnung“ auf dem
Boden der „Demokratie“ und des Friedens, sondern lediglich eine
Gestaltung der Herrschaft, die die weitere Verschärfung der
bürgerlichen Weltreaktion maskiert und einen neuen Volksbetrug
vorbereitet.
Die „demokratisch*pazifistische“ Aera hat keine Einschrän*
kung der Rüstungen herbeigeführt und kann sie auch gar nicht
herbeiführen. Die Steigerung der Rüstungen vollzieht sich im
Gegenteil auch weiter in rasendem Tempo. Intrigen der Geheim*
diplomatie florieren mehr denn je. Jede Demokratie rüstet mehr
oder weniger offen zur unversöhnlichsten imperialistischen Aus*
einandersetzung mit der „befreundeten Demokratie“.
Der grundlegende Antagonismus zwischen dem amerikanischen
und japanischen Imperialismus ist keineswegs beigelegt. Die
treibende Kraft dieses Gegensatzes, der unvermeidlich zum Aus*
bruch eines neuen imperialistischen Krieges führen. muß, wirkt
automatisch fort.
Der Interessengegensatz zwischen den imperialistischen
Cliquen Englands und Frankreichs ist durch den Sieg der „Demo*
kratie“ in den beiden Ländern weder gemildert noch beseitigt
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209
worden. Die Form des Wettstreites hat sich geändert, nicht das
Wesen.
Die Ausräubung der Kolonien und der halbkolonialen Länder
bildet nach wie vor eine selbstverständliche Voraussetzung des
,»Fortschrittes“ und der „Zivilisation“.

3. Das Sachverständigengutachten.
Das Evangelium des gegenwärtigen „Pazifismus“ und der
modernen „Demokratie“ stellt das sogenannte Sachverständigen*
gutachten dar. In Wirklichkeit bezweckt das Expertenprogramm
die Ausräubung der werktätigen Massen Deutschlands. Darüber
hinaus stellt es einen Versuch der Imperialisten der gestern noch
im Kriege miteinander gelegenen Länder dar, ihre Geschäfte auf
Kosten der Werktätigen zu verbessern. Die Ruhrbesetzung hat
nicht das Ergebnis gehabt, das die französischen Imperialisten er*
hofften. •Der zynische Versuch einer unverhüllten Raubaktion
blieb erfolglos. Der einzige Weg zur „Lösung“ des Reparations*
Problems ist der Weg einer auf längere Zeit ausgedehnten, mit
„demokratisch*pazifistischen“ Phasen verbrämten Raubmethode.
Diesen Weg sehen wir denn auch nunmehr die Imperialisten der
Entente betreten. Dabei werden sie von den in erster Linie daran
interessierten Schichten der deutschen Bourgeoisie und von der
im Dienste der letzteren stehenden deutschen Sozialdemokratie
unterstützt. Das Sachverständigengutachten, das nun die Billigung
der gesamten internationalen konterrevolutionären Sozialdemo*
kratie gefunden hat, stellt in Wahrheit das schmachvollste Doku*
ment der Gegenwart dar. Es wird zu einer Schlinge um den Hals
nicht nur aller Werktätigen Deutschlands, sondern auch der werk*
tätigen Massen einer ganzen Reihe anderer Länder. Die Unter*
Stützung des Sachverständigengutachtens durch die Sozialdcmo*
kratie ist ein ebensolcher Verrat an der Sache des werktätigen
Volkes wie die Unterstützung des verflossenen imperialistischen
Krieges, da das Sachverständigengutachten nichts anderes ist als
die Fortführung dieses Krieges mit anderen Mitteln.
Doch das Sachverständigengutachten vermag selbst im Falle
seiner entschiedenen Durchführung den Interessengegensatz der
verschiedenen Gruppen des Weltimperialismus unter keinen Um*
ständen zu beseitigen. Je mehr man jetzt diese Interessen auf
dem Papier zu versöhnen sucht, desto stärker wird der sie be*
..herrschende Gegensatz in kurzer Frist wieder zutage treten.

4. Die internationale Lage der Sowjetunion.


Das einzige Land, das eine Politik des Friedens folgerichtig
und restlos durchführt, ist die Sowjetunion. Das erste Land der
siegreichen proletarischen Revolution, das rund herum von bürger*
liehen Feinden umringt ist, verfolgt hartnäckig und heldenmütig
eine Politik wahren Friedens. In der verflossenen Periode ist es
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in erheblichem
Maße gelungen, ihre internationale Lage zu befestigen. Das Ans
wachsen des Wohlstandes im Lande, die Unterstützung, die das
Land von seiten alles dessen erfuhr, was es Ehrliches und Bewußtes
in der internationalen Arbeiterklasse gibt, die geschickte Politik
der Sowjetmacht, haben zur de jure*Anerkennung der Sowjets
union seitens einiger der größten Staaten geführt. Dessens
ungeachtet ist es keineswegs ausgeschlossen, daß gerade die
„demokratischspazifistische“ Aera dem ersten proletarischen Staat
neue Schwierigkeiten bringt. Es besteht kein Zweifel, daß der
verräterische Teil der „Demokratie“ jetzt daran arbeitet, auf dem
Gebiet der internationalen Politik eine Einheitsfront gegen die
Sowjetunion zustandezubringen, um die siegreiche proletarische
Revolution auf die Knie zu zwingen und ihr die Bezahlung der
alten Schulden, sei es in einer dem Sachverständigengutachten
analogen oder in einer anderen Form, abzuringen.
Man darf nicht vergessen, daß die „demokratischspazifistische“
Phase eine der letzten Phasen des Kapitalismus darstellt. Je näher
das Ende des Kapitalismus heranrückt, je schwieriger und wider*
spruchsvoller sich die Lage der internationalen Bourgeoisie ge*
staltet, desto wahrscheinlicher wird die Inszenierung eines direkten
Kriegsabenteuers ihrerseits gegen die Sowjetunion. Die Teilnahme
der Sozialdemokraten an den gegenwärtigen „demokratischen“
Regierungen vergrößert nur die Gefahr eines solchen Kriegsaben*
teuers. Die konterrevolutionären Führer der Sozialdemokratie
werden sich in ihrem grenzenlosen Haß gegen die Sowjetmacht
eher zu Kriegsabenteuern entschließen, als selbst mancher offen*
herzige Bourgeois. Die Arbeiterklasse der ganzen Welt muß
darauf vorbereitet sein, daß es der internationalen Reaktion, die
gegenwärtig unter der Flagge des „demokratischen“ Pazifismus
segelt, gelingen kann, eine solche Einheitsfront gegen die Sowjet*
union zu schaffen. Die Arbeiter der ganzen Welt werden eine
solche Politik der herrschenden Klassen mit größter Hingabe be*
kämpfen und ihre ganze Energie einsetzen, um diese Kette zu zer*
reißen, noch ehe sich deren einzelne Glieder zusammenschließen.

5. Die internationale Politik der Sozialdemokratie.


Die konterrevolutionäre internationale Sozialdemokratie, die
der August 1914 zwang, die Maske der Heuchelei abzuwerfen und
die Bourgeoisie „ihres“ Landes offen zu unterstützen, setzt heute
dieselbe auswärtige Politik, nur in einer etwas verhüllteren Form,
fort. In allen Ländern, wo die Sozialdemokratie eine erhebliche
Macht repräsentiert, unterstützt sie nach wie vor die „Imperia*
listen“ ihres Vaterlandes, verdeckt diese verräterische Politik aber
gleichzeitig durch Phrasen über Demokratie und Pazifismus. Es
unterliegt keinem Zweifel, daß gerade die Führer der Sozialdemo*
kratie bei der Durchführung erstens der Politik des Sachverstän*
digengutachtens lind zweitens der Vorbereitung einer neuen inter*
nationalen Isolierung der Sowjetunion, ja selbst eines direkten
Feldzuges des internationalen Kapitals gegen die erste proleta*
rische Revolution der Welt den größten Eifer an den Tag legen.
Um die Wachsamkeit der Massen einzuschläfern, ergehen sich die
Führer der konterrevolutionären Sozialdemokratie auf ihren
Parteitagen gleichzeitig in heuchlerischen Phrasen über die Be*
kämpfung des Krieges auf dem Wege des Generalstreiks und der*
gleichen mehr.
Zwischen den politischen Führern der Bourgeoisie und den
Führern der konterrevolutionären Sozialdemokratie vollzieht sich
eine Arbeitsteilung: erstere schaffen den Anschein einer „demo*
kratisch*pazifistischen“ Aera, letztere setzen alles ein, um die
„demokratisch*pazifistischen“ Illusionen unter den werktätigen
Klassen zu stärken.

//. DAS PROBLEM DER M ACHT.

1. Die Lockerung der bürgerlichen Ordnung.


Die bürgerliche Ordnung hat, trotzdem der erste imperia*
listische Weltkrieg in seiner Endphase einen gewaltigen Ausbruch
elementaren Unwillens der Massen ausgelöst hatte, ihre Existenz
für einen gewissen Zeitabschnitt dennoch aufrechtzuerhalten ver*
mocht. Die Kräfte des internationalen Proletariats erwiesen sich
als nicht genügend organisiert, die Parteien der internationalen
proletarischen Revolution als nicht stark genug, und somit der
Sieg der proletarischen Revolution am Ende des imperialistischen
Krieges als unmöglich. Nichtsdestoweniger hat der erste imperia*
listische Weltkrieg tiefe Erschütterungen hervorgerufen. Die
Folgen dieses Krieges werden sich noch im Laufe einer ganzen
Reihe von Jahren auswirken. Noch sind seine sozialpolitischen
Ergebnisse nicht in vollem Umfange in Erscheinung getreten.
Die imperialistischen Friedensverträge waren, wie auch die
Ruhrbesetzung zeigte, nur eine Fortsetzung des Krieges mit anderen
Mitteln; sie haben die Wunden nicht heilen können, die der Krieg
geschlagen hat. Die Folgen des Krieges sind nicht überwunden
und können mit kapitalistischen Methoden nicht überwunden
werden. Tatsache ist, daß das kapitalistische System aus dem
ersten imperialistischen Weltkriege nicht nur wirtschaftlich, son*

212
T

dem auch politisch gebrochen und zerrüttet hervorgegangen ist.


Die Symptome mangelnder Stabilität des Kapitalismus treten
sogar auf rein politischem Gebiete zuweilen noch deutlicher als
auf ökonomischem Gebiete in Erscheinung. Der unausgesetzte
und rasche Wechsel der Regierungen in einer ganzen Reihe von
Ländern ist eins dieser Symptome. In einer ganzen Reihe von
Ländern steht das Problem der Macht auf der Tagesordnung, dazu
in einer Form, wie es vor dem imperialistischen Kriege nie der
Fall war.
2. Zwei Richtungen in der Politik der Weltbourgeoisie.
Im Laufe der letzten Nachkriegsjahre und teilweise schon vor
dem Kriege haben sich mit voller Deutlichkeit zwei Richtungen in
der Politik der Weltbourgeoisie herausgebildet: eine offen reaktio*
näre und eine demokratisch*reformistische. Der ausgeprägteste
Vertreter der ersten ist Poincare, der der zweiten Lloyd George.
In den Jahren des allmählichen Reifens der revolutionären Krise
ist das Auftreten einer solchen zweifachen Politik innerhalb der
Führung der Weltbourgeoisie kein Zufall. Sobald der Boden unter
I„ den Füßen zu schwanken beginnt, die „normalen“ Zeiten der ge*
sicherten Herrschaft der Bourgeoisie der Vergangenheit anheim*
zufallen drohen, revolutionäre Stürme sich merkbar ankündigen
und die Mächte des proletarischen Umsturzes drohenden Umfang
annehmen, müssen sich unter den Führern der herrschenden
Klasse unvermeidlich zwei Systeme der Politik geltend machen:
eine Politik, die die revolutionären Kräfte durch offene und
wütende Bekämpfung zerschmettern und niederschlagen will, noch
ehe sie herangewachsen sind, und eine andere, weitsichtigere
Politik, die bestrebt ist, durch kleine Zugeständnisse und Be*
stechung der Spitzen der Arbeiterklasse, kurz durch die Methoden
der „Demokratie“, des Pazifismus und Reformismus, das Kräfte*
___ •

Verhältnis zugunsten der Bourgeoisie zu ändern.

3. Zwischen Sozialdemokratie und Faschismus.


Die Bourgeoisie kann schon nicht mehr mit den früheren
Methoden regieren. Darin offenbart sich eines der Symptome
des langsamen aber sicheren Anwachsens der proletarischen Revo*
lution. Die Bourgeoisie bedient sich bald des Faschismus, bald
der Sozialdemokratie. In beiden Fällen ist sie bestrebt, den kapita*
listischen Charakter ihrer Herrschaft zu maskieren, ihr mehr oder
weniger „volkstümliche“ Züge zu verleihen. Sowohl die Faschisten
(die erste Periode des Regiments Mussolini) wie die Sozialdemo*
kraten (die erste Periode des Regiments Noske) stellen sich der
Bourgeoisie im erwünschten Augenblick als offene Kampforgani*

2 13
*
4

sation der Konterrevolution, als bewaffnete Banden, als Knüppel?


garden gegen die wachsende proletarische Umsturzarmee zur Ver?
fügung. Zugleich sucht die Bourgeoisie mit Hilfe des Faschismus
und der Sozialdemokratie eine Umgruppierung der gesellschaft?
liehen Kräfte vorzunehmen, indem sie den Anschein eines
politischen Sieges des Kleinbürgertums und einer Teilnahme des
„Volkes“ an der Ausübung der Macht erzeugt.

4. Die Sozialdemokratie als „Dritte“ Partei der Bourgeoisie.


In Amerika wird viel Lärm geschlagen wegen der Gründung
einer „Dritten“ Partei der Bourgeoisie (des Kleinbürgertums). In
Europa ist die Sozialdemokratie in gewissem Sinne bereits zur
„Dritten“ Partei der Bourgeoisie geworden. Das zeigt sich beson?
ders anschaulich in England, wo außer den beiden klassischen
Parteien der Bourgeoisie, die einander in der Herrschaft ablösten,
jetzt die sogenannte Arbeiterpartei zum regierenden Faktor gewor?
den ist, eine Arbeiterpartei, die in Wirklichkeit eine dem einen der
beiden Flügel der Bourgeoisie verwandte Politik verfolgt. Es
unterliegt nicht dem mindesten Zweifel, daß die sozialverräteri?
sehen Führer der englischen Arbeiterpartei nun im Verlaufe einer
ganzen Reihe von Jahren an der einen oder anderen Kombination
zur Befestigung der Macht der englischen Bourgeoisie teilnehmen
werden.
Ebenso unzweifelhaft ist die Tatsache, daß sowohl in Frank?
reich wie in einer Reihe anderer Länder die Führer der II. Inter?
nationale die Rolle bürgerlicher Minister spielen und de facto
Führer einer Fraktion der „demokratischen“ Bourgeoisie sind. Die
Sozialdemokratie ist seit einer Reihe von Jahren in einem Um?
Wandlungsprozeß begriffen, aus einem rechten Flügel der Arbeiter?
bewegung in einen Flügel der Bourgeoisie, stellenweise sogar in
einen Flügel des Faschismus. Darum ist es historisch falsch, von
einem „Siege des Faschismus über die Sozialdemokratie“ zu reden.
Der Faschismus und die Sozialdemokratie sind (soweit es sich um :
ihre führenden Schichten handelt) die rechte und linke Hand des
modernen Kapitalismus, der durch den ersten imperialistischen
Krieg und die ersten Kämpfe der Werktätigen gegen ihn gelockert
worden ist.
5. Die Sozialdemokratie erneut an der Macht.
4

Wir haben die Führer der II. Internationale schon während


des Krieges und unmittelbar nach dem Kriege in einer ganzen Reihe
von Ländern an der Macht gesehen. Die Heranziehung der Sozial?
demokraten zur Teilnahme an der Macht während des Krieges er?
klärte sich ausLden grob?praktischen Bedürfnissen der Imperialisten,

214
0
ft

die Spitzen der Arbeiter „ihres“ Landes der Arbeiterbewegung


der anderen Länder entgegenzustellen.
Gegenwärtig zieht die Bourgeoisie in einer Reihe von Ländern
die Führer der Sozialdemokratie zum zweiten Male zur Teilnahme
an der Macht heran. Jetzt geschieht es in „normalen“ Zeiten, in
denen kein Krieg geführt wird. Gerade das aber beweist die Um
Sicherheit der bürgerlichen Herrschaft. Es bestätigt ferner, daß
die gegenwärtigen „normalen“ Zeiten in Wirklichkeit sehr viel
Unnormales für die Bourgeoisie in sich bergen und mit schweren
Krisen schwanger gehen.

6. Zwischen weißem Terror und „Arbeiterregierungen“.


Trotz der scheinbaren Festigung des bürgerlichen Regimes
wird seine Macht in Wirklichkeit immer mehr und mehr unter*
höhlt.* Die Gesamtlage ist äußerst unsicher. Der Parlamentarismus
geht seinem Ende entgegen. Von Tag zu Tag wächst für die Bour*
geoisie die Schwierigkeit, sich aus den Trümmern des alten Par*
lamentarismus eine einigermaßen feste Position zu schaffen. Der
Ausgang der letzten Wahlen in Frankreich und Deutschland be*
stätigt dies anschaulich. In den bürgerlichen Parlamenten der zwei
wichtigsten Staaten Europas, in Paris und Berlin, gibt es gegen*
wärtig keine einigermaßen sichere Mehrheit. Die Bourgeoisie wird
sich notwendigerweise bald nach der einen, bald nach der anderen
Seite werfen müssen, bald zum offenen weißen Terror greifen, bald
versuchen, sich auf eine sogenannte „Arbeiterregierung“ zu stützen.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß wir in den nächsten Jahren
eine sogenannte „Arbeiterregierung“ nicht nur in einem oder zwei,
sondern bereits in einer ganzen Reihe von Ländern erleben werden.
Diese „Arbeiterregierungen“ sind eine Funktion des Kampfes des
revolutionären Proletariats um die Macht und der Schwankungen
innerhalb der Bourgeoisie, die in der gegenwärtigen Periode unver*
meidbar sind. Objektiv können diese sogenannten Arbeiterregie*
rungen einen Fortschritt insofern bedeuten, als sie von dem fort*
schreitenden Zerfall der bürgerlichen Ordnung, von dem Mangel
an Geschlossenheit in der Politik der herrschenden Klassen zeugen.
In diesem Sinne stellt auch die gegenwärtige konterrevolutionäre
„Arbeiterregierung“ (in Wirklichkeit liberale Regierung) Macdo*
nalds einen historischen Fortschritt dar. Aber die Aufgabe der
wahren Anhänger der proletarischen Revolution darf selbstver*
ständlich nicht darin bestehen, solche „Arbeiterregierungen“ zu
loben, sondern nur darin, die proletarische Armee für den unver*
söhnlichen revolutionären Kampf zu sammeln, und darauf hin*
zuwirken, daß es gelingt, möglichst rasch über die sogenannte

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„Arbeiterregierung“ hinweg zur Diktatur des Proletariats zu
schreiten.
7. Die objektive Bedeutung und die wahrscheinlichen Perspektiven
der demokratisch^pazifistischen Aera.
Der objektive Sinn der gegenwärtigen eigenartigen demo?
kratisch?pazifistischen Phase besteht darin, daß die Bourgeoisie
schon nicht mehr mit den alten Methoden regieren kann. Diese
Aera ist ein Ausdruck für die Unsicherheit der kapitalistischen
Ordnung, für ihren Verfall, ihre Entwicklung in absteigender Linie.
Die gegenwärtigen demokratisch?pazifistischen Regierungen,
wie analoge Regierungen, die noch entstehen können, werden nicht
nur keine wirklich demokratische Friedenspolitik führen, sondern
sich im Gegenteil selbst sehr rasch in der Richtung des Faschismus
entwickeln. Der Klassenkampf wird nicht nur nicht abflauen, son?
dern im Rahmen der „Demokratie“ und des „Pazifismus“ noch
stärker entbrennen. Der Wechsel der Regime (Demokratie — Fa*
schismus — Demokratie) wird das Fundament des angefaulten Ka?
pitalismus noch mehr untergraben. Nach jedem Wechsel werden
die Volksmassen und in erster Linie die proletarischen Massen,
einen größeren Reichtum an politischer Erfahrung aufweisen und
einen gestählteren Willen zum Kampf zeigen, während die Bour?
geoisie und die ihr dienenden Führer der Sozialdemokratie aus
jedem Regimewechsel mit geschwächter Kraft, demoralisierter
und mit geringerem Glauben an sich selbst und an ihre Politik
hnvorgehen werden.
Auf diesem Wege wird die Mehrung der Kräfte der proleta*
rischen Revolution erfolgen bis zum entscheidenden Siege.

IIL DAS PROBLEM DER BILD U N G KOMMUNISTISCHER


M ASSENPARTEIEN ALS KA RD IN A LA U FG A BE DER
KOM INTERN.

1. Die Krise des Kapitalismus und der subjektive Faktor.


Die Weltbourgeoisie ist am Ausgang des imperialistischen
Krieges vor allem deshalb nicht besiegt worden, weil wir in den
ausschlaggebenden Ländern noch keine kommunistischen Massen?
Parteien besaßen, die imstande gewesen wären, die Revolution
zu organisieren und die Massen, die sich spontan gegen die Kriegs?
Verbrecher erhoben, in den Kampf zu führen. Dadurch erhielt der
Kapitalismus eine gewisse Atempause.
In einer Situation, in der der Kapitalismus schon nicht mehr
ohne Unterstützung der Sozialdemokratie herrschen kann, in der

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die Krise des Kapitalismus zwar langwierig, aber immer hoffnungs?
loser wird, ist der „subjektive Faktor“, das heißt die Organisa?
tionshöhe der proletarischen Massen und ihrer kommunistischen
Vorhut (Partei) die Kardiinalfrage der gesamten historischen
Epoche.
2. Die Losung: Heran an die Massen.
Die Losung: heran an die Massen, die vom III. Weltkongreß
der Komintern ausgegeben wurde, bleibt unverändert in Kraft. Die
Erfolge, die die Komintern in der verflossenen Periode errungen
hat, sind erst einleitende Errungenschaften. Die Erfolge der ein*
zelnen Sektionen sind noch nicht verankert. Sofern wir in der Er?
oberung der Massen nicht weiterkommen, kann leicht eine rück?
läufige Bewegung entstehen.

3. Die Eroberung der Mehrheit.


Die Formulierungen des III. und IV. Kongresses zur Frage der
Eroberung der Mehrheit lauten:
„Unter diesen Umständen bleibt die grundlegende Anweisung
des III. Weltkongresses, einen kommunistischen Einfluß unter der
Mehrheit der Arbeiterklasse zu gewinnen und den entscheidenden
Teil dieser Klasse in den Kampf zu führen, voll bestehen.“
Noch mehr als zur Zeit des III. Kongresses hat heute die Auf?
fassung Gültigkeit, daß bei dem jetzigen labilen Gleichgewicht
ganz plötzlich die schärfste Krise ausgelöst werden kann durch
einen großen Streik, einen Kolonialaufstand, einen neuen Krieg
oder selbst eine Parlamentskrise. Aber gerade deshalb gewinnt
der „subjektive“ Faktor ungeheure Bedeutung, das heißt, der Grad
des Selbstbewußtseins, des Kampfeswillens und der Organisation
der Arbeiterklasse unter ihrer Avantgarde.
Die Mehrheit der Arbeiterklasse Amerikas und Europas zu
gewinnen — das ist nach wie vor die Kardinalaufgabe der Kom?
intern.
In den kolonialen und halbkolonialen Ländern hat die Kom?
intern zweierlei Aufgaben:
1. einen Kern von kommunistischen Parteien zu schaffen, die
die Gesamtinteressen des Proletariats vertreten.
2. Mit allen Kräften die national?revolutionäre Bewegung zu
unterstützen, die sich gegen den Imperialismus richtet, zur Avant?
garde dieser Bewegung zu werden und innerhalb der nationalen
Bewegung die soziale Bewegung hervorzurufen und zu steigern
(aus den Beschlüssen des IV. Weltkongresses).
Der V. Weltkongreß der Komintern bestätigt vollauf die For?
mulierungen des III. und IV. Kongresses. Er weist mit Entschie?

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clenheit als unrichtig einerseits die Tendenzen der Rechten zurück,
die eine vorherige Eroberung der statistischen Mehrheit der werk?
tätigen Masse fordern und der Ansicht sind, daß von keinerlei
ernsten revolutionären Kämpfen die Rede sein kann, solange die
Kommunisten nicht womöglich 99 Prozent aller Werktätigen er?
obert hätten, andererseits die Fehler der „Ultralinken“, die bis
auf den heutigen Tag die entscheidende welthistorische Bedeutung
der Losung: heran an die Massen! nicht begriffen haben und sich
zuweilen bis zur Behauptung versteigen, die kommunistischen Par?
teien könnten Parteien „terroristischer Minderheiten“ sein, also
glauben, die kommunistischen Parteien könnten, ohne Massen?
Parteien geworden zu sein, die Massen in jedem Augenblick in den
Kampf führen.

IV. DIE GRU N D LEGEN D EN VORAUSSETZUNGEN FÜR


DIE BILD U N G KOMMUNISTISCHER M ASSENPARTEIEN.

Diese Voraussetzungen sind:


1. Der organisierte Aufbau der Partei auf der Grundlage von
Betriebszeilen der Partei.
Die große Mehrheit der europäischen Kommunistischen Par?
teien hält noch bis heute an den von den Sozialdemokraten über?
nommenen Grundsätzen des organisatorischen Aufbaues der Partei
fest. Das ist ein Ueberbleibsel jener Zeiten, da man die Partei
noch als eine Hilfsmaschine für die Wahlen ansah. Von dem Auf?
bau einer ernsten, innerlich gefestigten kommunistischen Massen?
partei kann keine Rede sein, solange die Partei ihr Fundament
nicht in Parteizellen in den Betrieben selbst hat. Das gilt auch für
die Jugendorganisationen, die Frauenorganisationen usw. Es ist
das nicht nur eine organisatorische, sondern eine ernste politische
Frage. Keine Kommunistische Partei wird ausschlaggebende Massen
des Proletariats in den Kampf führen und die Bourgeoisie besiegen
können, solange sie keine solide Grundlage in den Betrieben hat,
solange nicht jeder Großbetrieb eine Burg der Kommunistischen
Partei geworden ist.

2. Richtige ko] munistische Arbeit innerhalb der Gewerkschaften.


Die Bildung verzweigter kommunistischer Fraktionen in den
Gewerkschaften (wo möglich — legal, wo nicht illegal) nicht nur
auf dem Papier, sondern in Wirklichkeit, und ein systematischer,
hartnäckiger, jahrelanger Kampf um die Eroberung der Gewerk*
schäften, *ein Kampf, der die auf die Spaltung und den Austritt
aus den Gewerkschaften gerichteten Provokationen der sozial?
demokratischen Führer mit einer um so intensiveren Tätigkeit
in den Gewerkschaften für die Einheit der Gewerkschaften be?
antwortet, sind weitere grundlegende Voraussetzungen für die
Bildung gefestigter kommunistischer Massenparteien.

3. Auslösung einer Betriebsrätebewegung.

Die Betriebsräte sind eine neue Organisationsform des Pro?


letariats, die allmählich neue, wahrhaft revolutionäre Gewerk?
schäften erzeugen wird und die unter günstigen Umständen den
Keim für die Bildung von Arbeiterdeputiertenräten bilden können.
Die Kommunistische Partei, der es noch nicht gelungen ist, eine
ernst zu nehmende Betriebsrätebewegung in ihrem Lande hervorzu?
rufen oder in der schon vorhandenen Betriebsrätebewegung sich ,
stärkeren Einfluß zu sichern, kann nicht als ernste kommunistische
Massenpartei angesehen werden.
Die richtige Lösung der in diesen fünf Punkten aufgezählten
Aufgaben bildet die grundlegende und elementare Voraussetzung
für den Aufbau kommunistischer Massenparteien. Ohne richtige
Lösung dieser fünf* Auf gaben kann über andere Fragen der kommu?
nistischen Politik nicht ernst gesprochen werden.

4. Richtiges Verhalten der Partei gegenüber der Bauernschaft,

Nicht nur in den Agrar? und Halbagrarländern, sondern auch


in den typischen Industriestaaten hat die nach dem ersten imperia*
listischen Kriege entstandene Krise erhebliche Schichten des
Bauerntums für die revolutionären Ideen der Kommunisten we?
i

sentlich empfänglicher gemacht, als sie es vor dem Kriege waren.


Das Proletariat kann nicht siegen und die Sowjetmacht aufrichten,
wenn es nicht Jahre hindurch eine Politik der Neutralisierung
der einen Schichten des Bauerntums und der Gewinnung anderer
bäuerlicher Schichten für seine Sache verfolgt. Die Kommunisti?
sehen Parteien, die revolutionäre Massenparteien werden wollen,
können sich nicht mit Leitsätzen zur Bauernfrage begnügen, son?
dern müssen es lernen, eine lebendige Verbindung zwischen der
proletarischen Vorhut und dem besten Teil der Bauernschaft her?
zustellen. Diese Verbindung (sie hat eine ungeheure Bedeutung
auch für die Verbindung mit der Armee, die sich hauptsächlich
aus Bauern rekrutiert) kann hauptsächlich durch Arbeiter herge?
stellt werden. Man muß es zur Regel machen, daß die revolu?
tionären Arbeiter der Betriebe, in denen die Kommunisten großen
Einfluß besitzen, systematisch größere Delegationen aufs Land

4
entsenden, zu diesem Zweck Geldsammlungen veranstalten usw.
Mangelnde Aufmerksamkeit unsererseits für die Frage der Bauern*
schaft ist ein Ueberibleiibsel des Sozialdemokratismus. Kommu*
nistische Parteien, die es nicht gelernt haben, die revolutionäre
Arbeit unter der Bauernschaft zu leisten, können nicht als kommu*
nistische Massenparteien gelten, die die Frage der Eroberung der
Macht ernst behandeln. Selbstverständlich haben dabei unsere
Sektionen marxistische Arbeiterparteien zu bleiben, nicht aber
sich in „Arbeiter* und Bauernparteien“ zu verwandeln.

5. Richtige Politik in der nationalen Frage.


In einer ganzen Reihe von Staaten ist infolge der Neuauftei*
lung der Welt nach dem ersten imperialistischen Kriege die Unter*
drückung der Nationalitäten gewachsen und eine Irredenta ent*
standen. In einer Reihe von Ländern Europas, weit mehr noch
in den Kolonien und Halbkolonien, hat sich eine Menge Zünd*
Stoff angehäuft, der die Herrschaft der Bourgeoisie in die Luft
sprengen kann. Die richtige Politik der Kommunisten in der na*
tlonalen Frage, die in den Leitsätzen des II. Weltkongresses ein*
gehende Begründung erfahren hat, bildet einen der wichtigsten
Bestandteile der Politik der Eroberung der Massen und der Vorbe*
reitung der siegreichen Revolution. Der Nihilismus und die oppor*
tunistischen Entgleisungen in der nationalen Frage, die noch bis
jetzt in einer ganzen Reihe kommunistischer Parteien herrschen,
stellen die schwächste Seite dieser Parteien dar, die ihre historische
Aufgabe niemals erfüllen können, wenn sie diese Schwäche nicht
überwinden.

V. ZW ISCHEN ZW EI W ELLEN DER PROLETARISCHEN


REVOLUTION.

Im Laufe des letzten Jahres machen sich Anzeichen des An*


Wachsens einer neuen Revolutionswelle bemerkbar. Der Beginn
der Revolutionskämpfe in Deutschland, die Aufstände in Bulgarien
und Polen, die großen wirtschaftlichen Streiks in einer ganzen
Reihe von Staaten zeugen vom Heranreifen neuer revolutionärer
Ereignisse.
Gerade die Periode zwischen zwei Revolutionen oder zwei
aufsteigenden revolutionären Wellen fördert meistenteils sowohl
opportunistische rechte Abweichungen wie „ultralinke“ Tendenzen
einer in radikale Phrasen sich hüllenden Passivität, eines umge*
kehrten Menschewismus.
VI. SCHONUNGSLOSER KAMPF G E G E N DIE OPPORTU*
NISTISCH EN RECHTSTENDENZEN.

Die zwischen dem IV. und V. Kongreß der Komintern liegende


Periode hat gezeigt, daß die opportunistischen Tendenzen in der
kommunistischen Bewegung stärker sind, als man voraussetzen
konnte. Eine Reihe von Sektionen der Komintern ist aus dem
Schoß der sozialdemokratischen Parteien hervorgegangen. Dabei
haben diese Sektionen einige bisher noch nicht überwundene
Ueberbleibsel sozialdemokratischer Traditionen mitgebracht. In
dem Maße, wie die Parteien der Komintern zu Massenparteien
werden, können die Rechtstendenzen einen besonders gefährlichen
Charakter annehmen.
Auf dem V. Kongreß hat sich in voller Klarheit herausgestellt,
daß in einigen der in der Arbeiterbewegung wichtigsten Länder
die Vertreter der rechten Tendenz in der verflossenen Periode
den Versuch unternommen hatten, die Taktik der Einheitsfront
und der Arbeiter* und Bauernregierung vollkommen zu verdrehen,
und zwar in der Richtung einer Auslegung dieser Taktik im Sinne
eines engen politischen Bündnisses, einer organischen Koalition
„aller Arbeiterparteien“, das heißt eines politischen Bündnisses
der Kommunisten mit der Sozialdemokratie. Während für die
Komintern der Hauptzweck der Taktik der Einheitsfront in dem
Kampf gegen die Führer der konterrevolutionären Sozialdemokratie
und in der Befreiung der sozialdemokratischen Arbeiter vom Ein*
fluß dieser konterrevolutionären Führer bestand, versuchten die
Vertreter der rechten Tendenzen, diese Taktik im Sinne eines
politischen Bündnisses mit der Sozialdemokratie auszulegen.
Der V. Weltkongreß der Komintern verurteilt entschieden
diese kleinbürgerliche Tendenz, lehnt kategorisch die Verzerrung
der Idee der Einheitsfronttaktik, die sich in einigen Sektionen der
Komintern gezeigt hat, ab, und erklärt, daß er diese Politik, die
den Beschlüssen der Kommunistischen Internationale grundsätzlich
widerspricht, schonungslos bekämpfen wird.

VII. KLA RSTELLU N G DER „U LTRA LIN KEN “ TEN DENZEN.

Der Bolschewismus als Bewegung des revolutionären Proleta*


riats Rußlands entwickelte sich nicht nur im schonungslosen Kampf
gegen den Menschewismus und Zentrismus, sondern auch im
Kampf gegen „ultralinke“ Tendenzen. Die Komintern als inter*
nationale bolschewistische Organisation führte vom ersten Tage
ihres Bestehens an einen schonungslosen Kampf nicht nur gegen

221
den rechten Opportunismus, sondern auch gegen die „ultralinken“
Tendenzen, die häufig nur die Kehrseite des Opportunismus dar*
stellen. In der Periode zwischen dem IV. und V. Kongreß nahmen
die „ultralinken“ Tendenzen einen besonders bedrohlichen Cha*
rakter in der Frage des Arbeitens in den reaktionären Gewerk*
schäften an. Die Bewegung zugunsten des Austritts der Kommu*
nisten aus den Gewerkschaften ist für den Kommunismus mit den
größten Gefahren verbunden. Wenn die Komintern diese Ten*
denzen, die nur den konterrevolutionären Führern der Sozialdemo*
kratie, die sich der Kommunisten in den Gewerkschaften entledigen
möchten, Vorschub leisten, nicht immer wieder aufs entschiedenste
zurückweist, werden wir niemals wahrhaft bolschewistische Par*
teien schaffen können.
Die „ultralinken“ Tendenzen fanden ferner ihren Ausdruck
in der „prinzipiellen“ Verwerfung der Taktik des Manövrierens
als solcher, insbesondere auch in der Verständnislosigkeit für die
Taktik der Einheitsfront, der Ablehnung ihrer praktischen Durch*
führung, oder in Versuchen, die Taktik der Einheitsfront nur für
das wirtschaftliche, nicht aber auch für das politische Gebiet gelten
zu lassen und ähnliches mehr. Das Manövrieren darf zu opportu*
nistischen Methoden nicht ausgenützt werden.
In dem die Komintern die rechten opportunistischen Ten*
denzen schonungslos bekämpft, muß sie gleichzeitig systematisch
die Fehlerhaftigkeit und Verderblichkeit der „ultralinken“ Ten*
denz, die den Aufbau kommunistischer manövrierfähiger Massen*
Parteien unmöglich macht, darlegen.

VIII. ZUR EIN H EITSFRO N TTAKTIK.


*

Trotz der großen opportunistischen Fehler und Verzerrungen


der Einheitsfronttaktik seitens der Rechten — Verzerrungen, die
mancherorts beinahe den direkten Verfall der Kommunistischen
Parteien herbeigeführt hätten — hat die Anwendung der Einheits*
fronttaktik in der Zeit zwischen dem IV. und V. Kongreß der
Komintern alles in allem uns zweifellos genützt und den Prozeß
der Verwandlung einer Reihe von Sektionen der Komintern in
Massenparteien gefördert.
In einer Periode, in der die Kommunistischen Parteien in einer
Reihe der wichtigsten Länder noch in der Minderheit sind, die
Sozialdemokratie infolge bestimmter geschichtlicher Umstände
noch bedeutende Massen des Proletariats hinter sich hat, die
Offensive des Kapitals in verschiedener Form andauert, die Ar*
beiterklasse noch nicht einmal genügend Energie zur Führung

222
i

ernstlicher Abwehrkämpfe aufbringt, war und ist die Einheits?


fronttaktik richtig und notwendig.
Die Erfahrungen mit der Anwendung der Einheitsfronttaktik,
auf die die Kommunistische Internationale schon des öfteren hin?
gewiesen hat, bleiben bestehen. Es hat sich gezeigt, daß man mit
einer bloßen Rahmenformel nicht mehr auskommt, und daß die
Parteien der Komintern in der gegenwärtigen Periode häufig mit
der Taktik der Einheitsfront „an sich“ nichts anzufangen ver?
stehen, und daß dabei diese Taktik zu einer opportunistischen
Taktik und zum Quell des Revisionismus zu werden drohte.
Die Einheitsfronttaktik ist nur eine Methode der Agitation
und der revolutionären Mobilisierung der Massen für die Dauer
einer ganzen Periode. Alle Versuche, diese Taktik als politische
Koalition mit der konterrevolutionären Sozialdemokratie auszu?
legen, sind Opportunismus, der von der Kommunistischen Inter?
nationale verworfen wird.
Die revolutionäre Einheitsfronttaktik kann nur dann richtig
angewandt werden, wenn jede einzelne Sektion in vollem Bewußt?
sein der Gefahren dieser Taktik ohne jede Uebernahme mecha?
nischer Formeln, konkret sich die Aufgabe stellt, für bestimmte
Tagesziele und Teilforderungen die Massen zum Kampfe zu er?
fassen, zu organisieren, um sich zu sammeln, immer mit der Orien?
tierung auf die Revolution und mit dem Ziel, die Mehrheit der
ausschlaggebenden Schichten des Proletariats in den Kampf zu
bringen, um dadurch den Uebergang zum Angriff auf die Bour?
geoisie zu bewerkstelligen.
1. Die Anwendung der Einheitsfronttaktik von unten ist über?
all und immer notwendig, mit Ausnahme vielleicht seltener Mo?
mente im Feuer der Entscheidungskämpfe, in denen die revolu?
tionären kommunistischen Arbeiter genötigt werden, mit der Waffe
in der Hand selbst gegen Gruppen des Proletariats zu kämpfen,
die infolge mangelnden Klassenbewußtseins- beim Feinde stehen.
Doch selbst in diesen Ausnahmefällen muß alles getan werden, um
die Einheit von unten mit Arbeitern, die den Kommunisten noch
nicht folgen, zu verwirklichen. Die Erfahrungen der russischen
Revolution und des Revolutionskampfes in Deutschland haben ge?
zeigt, daß auch das möglich ist.
2. Einheit von unten und gleichzeitig Spitzenverhandlungen.
Diese Methode muß ziemlich oft in den Ländern angewandt wer?
den, in denen die Sozialdemokratie noch eine bedeutende Macht
ist. Diese Spitzenverhandlungen dürfen die Partei in ihrer kommu?
nistischen Selbständigkeit nicht binden. Die Grundlage für die
Durchführung der Binheitsfronttaktik muß jedoch auch in diesem
Falle die Einheit von unten bilden. Die Aufforderung an die offi?
ziellen Organe der Sozialdemokratie (offene Briefe und ähnliches)

223
dürfen nicht zur Schablone herabsinken. Das wichtigste hierbei ist,
zuvor in den Arbeitermassen (auch unter den sozialdemokratischen
Arbeitern) eine Stimmung zugunsten dieser oder jener Aktion, den
Eintritt in diesen oder jenen Kampf zu erzeugen, um darauf erst
an die offiziellen Organe der Sozialdemokratie heranzutreten, sie
so bereits vor die vollendete Tatsache der Existenz bestimmter
Stimmungen in der Arbeiterklasse stellend, und um sie im Falle
ablehnenden Verhaltens vor den Massen zu entlarven.
Es versteht sich von selbst, daß die kommunistischen Par?
« teien ihre volle und absolute Selbständigkeit aufrechtzuerhalten
und in jeder Phase der Verhandlungen unter allen Umständen ihr
kommunistisches Gesicht zu wahren wissen müssen. Zu diesem
Zweck müssen alle Verhandlungen mit den Spitzen der Sozial?
demokratie öffentlich geführt werden. Zudem müssen die Kommu?
nisten alles tun, um das Interesse der Arbeitermassen an diesen
Verhandlungen lebendig zu erhalten.
3. Einheitsfronttaktik nur von oben. Diese Methode wird
von der Kommunistischen Internationale kategorisch und entschied
den verworfen. Die größte Bedeutung kommt der Einheitsfront?
taktik von unten zu, das heißt eine Einheitsfront, die unter der
Führung der Kommunistischen Partei unter den kommunistischen,
sozialdemokratischen und parteilosen Arbeitern im Betrieb, Be?
triebsrat, der Gewerkschaft und darüber hinaus in einem Industrie?
Zentrum oder einem ganzen Gebiete, einem ganzen Lande oder
einem ganzen Berufe und so fort verwirklicht wird.
Selbstverständlich kann und muß die Art der Anwendung der
Einheitsfronttaktik entsprechend der konkreten Lage in jedem
Lande und jeder Zeitpeniode wechseln. Eine allgemeine schab?
ionenmäßige Durchführung der Einheitsfronttaktik beraubt diese
Taktik jeglicher Bedeutung und verwandelt sie in ihr direktes
Gegenteil.
Bei der Konkretisierung der taktischen Methoden müssen alle
Umstände des betreffenden Landes, seine Struktur, der Zustand
der betreffenden Sektionen in Betracht gezogen werden, unter
Verlegung des Schwergewichtes auf* die Mobilisierung der Massen
von unten, die Schaffung von Kampforganen, die Verbindung mit
den wichtigsten Schichten der werktätigen Massen (Proletariat,
Bauern, Landproletariat), die in Kämpfe hinemgezogen werden
sollen.
Die Einheitsfronttaktik war und bleibt eine Methode der Re?
volution, nicht aber eine Taktik der friedlichen Evolution. Die
Einheitsfronttaktik war und bleibt die Taktik eines revolutionären
strategischen Manövers der von Feinden umringten kommunisti?
sehen Vorhut in ihrem Kampfe vor allem gegen die verräterischen
Führer der konterrevolutionären Sozialdemokratie. Sie ist keines?
*
224
falls eine Taktik des Bündnisses mit diesen Führern. Die Einheits*
fronttaktik war und bleibt die Taktik eines allmählichen Herüber*
Ziehens der sozialdemokratischen und des besten Teiles der par*
teilosen Arbeiter auf unsere Seite, darf dagegen unter keinen Um*
ständen zu einer Taktik der Herabsetzung unserer Ziele ent*
sprechend dem Niveau des Verständnisses der letzteren degradiert
werden.

IX . DIE A RBEITER* UND BA U ER N R EG IER U N G .

Die Losung der Arbeiter* und Bauernregierung wurde und


wird von der Komintern als Folgerung aus der Einheitsfrönttaktik
in ihrem obengeschilderten Inhalt aufgefaßt.-Die opportunistischen
Elemente der Komintern haben in der verflossenen Periode ver*
sucht, auch die Losung der Arbeiter* und Bauernregierung zu ent*
stellen, indem sie sie als eine Regierung „im Rahmen der bürger*
liehen Demokratie“ und als ein politisches Bündnis mit der Sozial*
demokratie auslegten. Der V. Weltkongreß der Komintern ver*
wirft eine solche Auslegung ,auf das entschiedenste. Die Losung
der Arbeiter* und Bauernregierung ist für die Komintern, in die
Sprache der Revolution, in die Sprache der Volksmassen übersetzt,
die Losung der Diktatur des Proletariats. Die Formel, Arbeiter*
und Bauernregierung, die der Erfahrung der russischen Revolution
entstammt, war nichts anderes und kann nichts anderes sein als
eine Methode der Agitation und Mobilisation der Massen zum
Zwecke des revolutionären Sturzes der Bourgeoisie und der Auf*
richtung der Sowjetmacht. Um eine wirkliche Arbeiterregierung
oder Arbeiter* und Bauernregierung zu errichten, muß man in
erster Reihe die Bourgeoisie, die heute noch überall außerhalb
der Sowjetunion an der Macht ist, stürzen. Der Sturz und die Un*
schädlichmachung der Bourgeoisie, die Ueberwindung ihres Wider*
Standes und wirkliche Voraussetzungen für eine wahre Arbeiter*
und Bauernregierung sind zu erreichen nur auf dem Wege des be*
waffneten Aufstandes des auch den besten Teil der Bauernschaft
führenden Proletariats, ist nur zu verwirklichen von den Werk*
tätigen im Bürgerkrieg.
Die Losung der Arbeiter* und Bauernregierung war und ist
die beste Formel, um sich den Zutritt zu den Massen, den breiten
Schichten der Werktätigen zu verschaffen.
In der gegenwärtigen Periode, wo die Führer der Sozialdemo^
kratie sich immer fester in Regierungskombinationen mit der
Bourgeoisie verstricken, während die breiten Schichten der der
Sozialdemokratie noch folgenden Arbeiter immer mehr verelenden,
ergibt sich eine Lage, die der Durchführung der Einheitsfront*
15
225
taktik und der Anwendung der Losung der Arbeiter* und Bauern*
regierung oft besonders günstig ist.
Gelingt es uns, just in der jetzigen Periode, da die offizielle
Sozialdemokratie sich in eine „Dritte“ Regierungspartei der Bour*
geoisie verwandelt und die Führer der Sozialdemokratie sich immer
mehr in Regierungskombinationen mit der Bourgeoisie ergehen,
durch geschicktes Operieren mit der Einheitsfronttaktik um«
fassende Massen einfacher sozialdemokratischer Arbeiter in die
wirtschaftlichen und darüber hinaus auch in die politischen Kämpfe
zu gemeinsamen Aktionen mit uns hineinzuziehen, so wird das für
die Liquidierung des Einflusses der konterrevolutionären Führer
der Sozialdemokratie und die Gewinnung erheblicher Schichten der
Werktätigen für den Kommunismus die denkbar günstigste Lage
schaffen.
Die Losung der „Arbeiter* und Bauernregierung“ ist für die
Kommunisten niemals eine Taktik parlamentarischer Ueberein*
künfte und Kombinationen mit den Sozialdemokraten. Im Gegen*
teil, auch die parlamentarische Tätigkeit der Kommunisten muß
auf die Entlarvung der konterrevolutionären Rolle der Sozialdemo*
kratie gerichtet sein und den Zweck verfolgen, den breitesten
Massen der Werktätigen die verräterische Natur und den Surro*
gatcharakter der sogenannten „Arfoeiterregierungen“, die ihre Ent*
stehung der Bourgeoisie verdanken und de facto liberale bürger*
liehe Regierungen darstellen, klarzumachen.

X. TEILFO RD ERU N G EN .

Die Taktik der Kommunistischen Internationale schließt die


Einfügung von Teilforderungen in unsere Agitation und Politik
nicht nur nicht aus, sondern umgekehrt, setzt sie sogar voraus.
Hierbei muß jedoch dreierlei im Auge behalten werden:
a) Die von uns aufgestellten Teilforderungen müssen der leben*
digen Wirklichkeit entspringen, das heißt, sie müssen derart sein,
daß mit Unterstützung derselben durch die breiten Massen der
werktätigen Bevölkerung gerechnet werden kann.
b) Solche Forderungen müssen in der Richtung der revolutio*
nären Entwicklung liegen.
c) Solche Forderungen müssen stets mit dem Endziel verknüpft
werden. Wir müssen vom Speziellen zum Allgemeinen, von Teil*
forderungen zum Gesamtsystem jener Forderungen schreiten, die
zusammengefaßt die sozialistische Revolution bedeuten.
Während die Teilforderungen der Reformisten den Zweck
verfolgen, die proletarische Revolution zu ersetzen, verfolgen die
Kommunisten mit der Aufstellung von Teilforderungen gerade
umgekehrt den Zweck, die proletarische Revolution erfolgreicher
vorzubereiten. Die gesamte Agitation der Kommunisten für Teil*
forderungen verknüpft jede dieser Teilforderungen aufs engste
mit dem Programm des revolutionären Umsturzes. Das gilt beson*
ders für diejenigen Länder, in denen die Krise der bürgerlichen
Ordnung eingesetzt hat.

XL DIE D EM O KRA TISCH TAZIFISTISCH EN ILLU SIO N EN .

Im Zusammenhang mit der internationalen Lage entstehen


zeitweilig in gewissen Schichten der Werktätigen demokratisch*
pazifistische Illusionen. Die Führer der Sozialdemokratie werden
nichts unterlassen, um diese Illusionen neu zu beleben.
Der Kampf gegen diese Illusionen, der für die Kommunisten
eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Periode bilden wird,
schließt die Anwendung der Einheitsfronttaktik keineswegs aus.
Im Gegenteil, gerade eine geschickte Anwendung der Einheits*
. fronttaktik (Heranziehung breiter Schichten der Sozialdemokratie
sehen Arbeiter zum ökonomischen Kampf gemeinsam mit den
Kommunisten und Aufstellung elementarer politischer Forde*
rungen, die von den gegenwärtigen demokratischen „Arbeiterre*
gierungen nicht erfüllt werden können) kann zum besten Mittel
der Ueberwindung demokratisch*pazifistischer Illusionen werden.
Die Anwendung der Einheitsfronttaktik wird nur unter der
Bedingung erfolgreich ausfallen, wenn die demokratisch^pazifisti*
sehen Illusionen nicht in unsere eigenen Reihen eindringen, und die
Kommunisten alle Gefahren bei der Anwendung der Einheitsfront*
taktik und der Losung der Arbeiter* und Bauernregierung, auf die
die Komintern wiederholt hingewiesen hat, berücksichtigen.

XII. DER W ESTEN UND DER OSTEN.

Die Kommunistische Internationale ist eine Organisation für


die Weltrevolution. Nun ist aber infolge einer Reihe besonderer
Umstände die Aufmerksamkeit der Komintern allzu sehr vom
Westen in Anspruch genommen. Der Arbeit im Osten, im breite*
sten Sinne des Wortes, muß bedeutend größere Aufmerksamkeit
als bisher gewidmet werden. In Indien, Japan, China und der
Türkei sind in der verflossenen Periode erste Keime kommunisti*
scher Bewegungen entstanden. In allen diesen Ländern setzt ein
umfassender wirtschaftlicher Kampf der Arbeiter ein. Die
Komintern muß dieser Bewegung die größte Aufmerksamkeit zu*
wenden. Sie muß gleichzeitig die gegen den Imperialismus gerich*
15
*
227
tete Bewegung aller unterdrückten Nationalisten im Geiste der
Resolution des II. Weltkongresses allseitig unterstützen, dessen
eingedenk, daß die Bewegung einen der wichtigsten Bestandteile
der großen Befreiungsbewegung bildet, die allein den Sieg der Re*
volution, nicht nur im europäischen, sondern auch im Weltmaß?
stab zu gewährleisten vermag.

XIII. ZW EI PERSPEKTIVEN.

Die Epoche der internationalen Revolution hat begonnen. Das


Tempo ihrer Gesamtentwicklung, wie insbesondere das Entwick?
lungstempo der revolutionären Ereignisse auf dem einen oder an?
deren Kontinent, in dem einen oder anderen Lande, kann nicht
mit Bestimmtheit vorausgesagt werden. Die Gesamtlage ist eine
solche, daß zwei Perspektiven möglich sind:
a) Möglichkeit einer langsameren und schleppenden Entwick?
lung der proletarischen Revolution und
b) infolge der Tatsache, daß der Kapitalismus bereits stark
unterminiert ist und seine inneren Widersprüche sich im allge?
meinen außerordentlich rasch verschärfen, kann die Katastrophe
in dem einen oder anderen Lande in sehr kurzer Zeit eintreten.
Die Taktik der Komintern muß mit der Möglichkeit beider
Perspektiven rechnen. Die Manövrierfähigkeit der Komintern muß
sich auch darin zeigen, daß sie in der Lage ist, sich dem Tempo?
Wechsel rasch anzupassen. Unter allen Umständen aber hat die •
Komintern selbst bei einem verlangsamten Tempo der Entwicklung
als die unversöhnliche internationale kommunistische Massenpartei
der proletarischen Revolution, die Massen um sich zu sammeln
und für den revolutionären Machtkampf vorzubereiten.

XIV. BOLSCHEWIS1ERUNG DER PARTEIEN UND BILD U N G


EIN ER EIN H EITLICH EN KOM M UNISTISCHEN W ELT?
PA RTEI.

Die wichtigste Aufgabe in der gegenwärtigen Periode der


K.I. ist die Bolschewisierung der Sektionen der K.I. Diese Losung
darf jedoch keineswegs als eine mechanische Uebertragung der
gesamten Erfahrung der bolschewistischen Partei in Rußland auf
alle übijgen Parteien aufgefaßt werden. Die grundlegenden Züge
einer wirklich bolschewistischen Partei sind folgende:
1. Die Partei muß eine wirkliche Massenpartei sein, das heißt,
sie muß sowohl, wenn sie legal, wie, wenn sie illegal ist, verstehen,

228 %
\

den engsten und festesten Kontakt mit der Masse der Arbeiter
aufrechtzuerhalten und deren Nöten und Erwartungen Ausdruck zu
verleihen.
2. Sie muß manövrierfähig sein, das heißt ihre Taktik darf keine
dogmatische, sektiererische sein. Sie muß es verstehen, alle jene
strategischen Manöver gegen den Feind in Anwendung zu bringen,
die es ihr ermöglichen, dabei ihren eigenen Charakter unverändert
zu erhalten. Es ist ein Hauptfehler unserer Parteien, daß sie dies
sehr häufig nicht verstehen.
3. Sie muß ihrem Wesen nach revolutionärsmarxistisch sein,
unentwegt ihrem Ziele zustreben, in jeder Situation das Maximum
an Energie zur Förderung der Vorbereitung des Sieges des Prole?
tariats über die Bourgeoisie entwickeln.
«

4. Sie muß eine zentralisierte Partei sein, die keine Fraktionen,


Strömungen oder Gruppierungen zuläßt, muß wie aus einem Gusse
sein.
5. Sie muß eine regelmäßige und beharrliche Propaganda und
. Organisation in der bürgerlichen Armee durchführen.
Die Bolschewisierung der Parteien bedeutet, daß sich unsere
Sektionen alles das aneignen, was am russischen Bolschewismus
von internationaler Bedeutung ist.
Nur in dem Maße, wie die ausschlaggebenden Sektionen der
K. I. sich tatsächlich in bolschewistische Parteien verwandeln, wird
die Komintern nicht in Worten, sondern in Taten zu einer einheit?
liehen, von den Ideen des Leninismus durchdrungenen bolsche?
wistischen Weltpartei werden.

XV. KO N KRETE A U FG A BEN DER W IC H TIG STEN


SEKTIO N EN DER K. I.

Die Aufgaben dieser Sektionen sind im wesentlichen folgende:


1. England. Infolge der jetzigen Weltlage spielt England mit
seinen Besitzungen gegenwärtig die erste Rolle in allen internatio?
nalen Fragen. Daraus folgt, daß auch die KPE. außerordentlich
an Bedeutung gewinnt. Die KPE. zur Erfüllung ihrer Pflichten zu
erziehen, bildet eine der wichtigsten Aufgaben der K. I. Die KPE.
hat in ihrem Verhalten gegenüber der Labour?Regierung einige
ideologische und taktische Abweichungen gezeigt. Die KPE. muß
in der kommenden Periode ihre Kraft auf folgende Fragen konzen?
trieren:
a) Innerhalb der Labour Party den linken Flügel so zu unter?
stützen und weiterzutreiben, daß er zu einem wirklich revolu?
tionären Flügel innerhalb der Labour Party sich herausbildet und

229
intensivste Arbeit in der Minoritätsbewegung der Gewerkschaften
leistet;
b) die sogenannte „Arbeiterregierung“ Macdonalds klar und
eindeutig in den Massen zu bekämpfen durch Aufzeigung ihres
bürgerlichen und arbeiterfeindlichen Charakters;
c) bei allen etwaigen Nachwahlen und in der kommenden Wahl*
kampagne eine klare, entschiedene, eindeutige kommunistische
Linie zu beziehen;
d) die wirtschaftlichen Kämpfe so zu führen, daß die Haupt*
kraft auf die Schaffung von Einheitsfrontorganen von unten
(Streikkomitee, Betriebsräte usw.) gelegt wird, um den Arbeiter*
massen den politischen Sinn dieser wirtschaftlichen Kämpfe klar*
zumachen;
e) die K.P.E. muß eine aktive Kampagne durchführen zur
Schaffung von Aktionskomitees in den Betrieben und Gewerk*
schäften, um einen Druck auf die sogenannte Arbeiterregierung
auszuüben zur Durchführung desjenigen Teiles des Programms
der sogenannten „Arbeiteregierung“, der von ihr fallen gelassen
worden ist, nämlich der Sozialisierung der Eisenbahnen und Berg*
werke, der Erhöhung der Unterstützung der Arbeitslosen, Bau von
Arbeiterwohnungen usw. Nur, wenn die KPE. an Hand der täg*
liehen Nöte der Arbeiterklasse den Verrat der „Arbeiterregierung“
aufzeigt, und wenn sie versucht, die breiten Arbeitermassen in
den Kampf für diese Ziele zu führen, wird sie in den Arbeiter*
massen die Illusionen über die sogenannte „Arbeiterregierung“
zerstören;
f) eine besondere Bedeutung muß die KPE. der Verbindung mit
den Kolonien, der Unterstützung der nationalrevolutionären Bewe*
gungen der Kolonialländer, der Frage des Militarismus und Marinis*
mus, der Abrüstung, der Beziehungen Englands zu Sowjetrußland,
zu dem imperialistischen Frankreich, dem Sachverständigengut*
achten beilegen;
g) ferner muß die KPE. eine besonders sorgfältige Arbeit zur
Beeinflussung der Erwerbslosen beginnen;
h) die KPE, muß ferner ihr besonderes Augenmerk richten
auf die innere Durchorganisierung der Partei, auf die Bildung von
Betriebszellen, auf die kommunistische Durchbildung der Mit*
glieder, auf die Verbreitung von Kenntnissen über die internatio*
nale Arbeiterbewegung.
2. Frankreich. Der Kongreß stellt mit Genugtuung die bedeut*
samen Erfolge der französischen Partei fest, die alle zweifelhaften
Elemente aus ihrer Mitte vertrieben hat und zu einer wirklichen
proletarischen Partei heranreift. Gleichzeitig aber weist der Kon*
greß die französische Bruderpartei auf die unaufschiebbare Not*
wendigkeit der Durchführung folgender Aufgaben hin:

2 3 0
a) Aufbau eines wirklichen Parteiapparates, ohne den das
Bestehen einer proletarischen Partei unmöglich ist;
b) gründliche Arbeit der Partei in den Industriezentren des
Landes neben Paris, in jenen großen Industriezentren, in denen,
wie die jüngsten Wahlen gezeigt haben, die Sozialisten noch einen
großen Einfluß besitzen. Paris ist für das Land selbstverständlich
von ungeheurer Bedeutung. Dennoch ist ein Sieg der proletarischen
• Revolution ohne Gewinnung der übrigen wichtigsten Industrie*
Zentren ausgeschlossen;
c) ernste Massenarbeit unter den breiten Schichten der Bauern?
schaft;
d) Durchführung der Einheitsfronttaktik in entsprechender
Form. Zwar haben es die Führer der französischen Sozialisten
nicht gewagt, offen in die HerriotsRegierung einzutreten, bilden
aber dessenungeachtet einen faktischen Bestandteil dieser Regie*
rung. Daraus ergibt sich für uns eine Modifikation unserer Agi*
tation unter strenger Befolgung der Einheitsfronttaktik;
e) die Partei muß der Bildung von Parteizellen in den Betrieben
ernsteste Beachtung schenken. Ohne Parteizellen kann es keine
kommunistische Massenpartei geben;
f) Werbung neuer Parteimitglieder unter den Arbeitern. Das
Departement Seine muß sich für die nächste Zukunft die Aufgabe
stellen, seinen Mitgliederbestand auf nicht weniger als 25 000 Par*
teimitglieder zu bringen. Eine gleiche Werbekampagne ist im ganzen
Lande zu entfalten;
g) die Partei muß alles daran setzen, eine Massenbewegung
im ganzen Lande zugunsten der Bildung von Betriebsräten wach?
zurufen;
h) die Partei muß danach streben, die Ueberreste rechter
Stimmungen zu überwinden, ihre gesamte Organisation unter dem
Banner der Komintern fest zusammenzuschließen und einen wirk?
liehen arbeitsfähigen, festen Kern im Zentrum zu schaffen. Alle
Reibungen zwischen der Linken und dem früheren „Zentrum“
haben zu verschwinden. Die gesamte Partei muß zu einer
geschlossenen K. I.*Linken werden;
i) die internationalen Verbindungen der französischen kommu?
nistischen Partei müssen intensiver werden. Vor allem ist ein
dauernder, ununterbrochener Kontakt mit der KPD. zu schaffen;
Die französische Schwerindustrie gewinnt immer größere
Bedeutung für die imperialistische Auseinandersetzung und für die
innerpolitischen Verhältnisse. Die KPF. hat den Kampf gegen den
zunehmenden Einfluß der Schwerindustrie, vor allem in Verbind
düng mit dem Kampf gegen die Durchführung des Sachverstän*
digengutachtens und in engster Kampfgemeinschaft mit der KPD.
zu führen;
t r .

k) die Aufnahme aller klassenbewußten kommunistischen Eie* v


■O
mente der CGTU., die bisher der Partei fernstanden, in die Partei
ist zu beschleunigen;
l) die Führer der CGTU. müssen im Kampfe gegen den t
Anarchismus und den vulgären Syndikalismus der alten Schule
einen klaren Standpunkt einnehmen. In diesem Kampfe dürfen der
falschen Theorie der „Neutralität“ der CG TU . in den den Kom*
munismus betreffenden Grundfragen keine Konzessionen gemacht
werden;
m) es darf nie aus dem Auge verloren werden, daß trotz
aller Erfolge, die die französische Kommunistische Partei und die
CGTU. erzielt haben, bisher weder die Partei, noch die revolutio*
nären Gewerkschaften die Massen tatsächlich erobert und ihren
Einfluß organisatorisch gefestigt haben, sie somit noch zu keinem
wirklichen Vortrupp des französischen Proletariats geworden sind;
n) die Losung der Arbeiter* und Bauernregierung behält für
das gesamte Frankreich ihre besondere Bedeutung. Die Agitation
für diese Losung im Sinne des Beschlusses des V. Kongresses der >

K. I. muß zum Mittelpunkt der gesamten Agitation der franzö*


sischen kommunistischen Partei gemacht werden.
3. Deutschland. Die Hauptperspektive der deutschen Revo*
lution, wie sie im Exekutivkomitee der K. I. im Herbst 1923 gegeben
wurde, bleibt bestehen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Sieg
des „demokratischen Pazifismus“ in England und Frankreich der
deutschen Bourgeoisie und der deutschen Sozialdemokratie vor*
übergehend eine gewisse Kraft verleiht. Die „demokratisch*pazi*
fistischen“ Illusionen werden von England und Frankreich auch
auf Deutschland überspringen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß
Macdonald und die Herriot*Regierung vorübergehend das parla*
mentarische Gewicht der deutschen Sozialdemokratie erhöhen, ja
sie sogar für eine gewisse Zeit in den Sattel heben werden. All
das kompliziert die politische Lage in Deutschland und ergibt die
Möglichkeit einer langsameren Entwicklung. Trotzdem bleibt die
internationale Lage der deutschen Bourgeoisie und der deutschen
Sozialdemokratie ihrem Wesen nach hoffnungslos. Daran wird
auch all ihre Bereitwilligkeit, die Interessen des „Vaterlandes“
immer von neuem zu verraten, dem Sachverständigengutachten
ihren Segen zu erteilen usw., nichts ändern. Die innere Krise
kann sich sehr schnell zuspitzen. Das beweisen die großen
Klassenschlachten der letzten Zeit.
Die Krise der Partei ist überwunden. Um aber die restlose
Ueberwindung der Krise zu gewährleisten und der Entstehung
neuer Gefahren vorzubeugen, muß die gegenwärtige Zentrale der
Partei verstehen,

232
a) jedwede Neigung zum Austritt aus den Sozialdemokrat
tischen Gewerkschaften aufs energischste mit eiserner Faust zu
bekämpfen, alle Parteimitglieder, ohne Ausnahme zu verpflicht
ten, die Taktik der K.I. und des Frankfurter Parteitages in der
Gewerkschaftsfrage zu verwirklichen, entschieden und energisch
die Umorganisierung der Partei auf der Grundlage von Betriebst
zellen durchzuführen, was für die Partei von ungeheurem Nutzen
beim Uebergang zur Illegalität sein wird.
b) den Tendenzen, die unter der Maske des Radikalismus in
die Partei theoretischen Revisionismus und menschewistische Abt
weichungen einschmuggeln wollen, entschieden und schonungslos
entgegenzutreten;
c) die Linie der K.I. in der Frage des Verhältnisses zur
Bauernschaft mit Festigkeit und Energie durchzuführen;
d) dasselbe in der nationalen Frage zu tun;
e) in ihrer parlamentarischen Tätigkeit entschiedene, unvert
söhnliche prinzipielle kommunistische Haltung mit Sachlichkeit zu
verbinden;
f) der Betriebsrätebewegung eine weit größere Beachtung als
bisher zu widmen.
Das Exekutivkomitee der K.I., wie sämtliche Brudersektionen,
müssen der gegenwärtigen Zentrale der KPD. eine unbegrenzte
Unterstützung gewähren. Dann wird die KPD. die rechten
Tendenzen, die der Partei einen so ungeheuren Schaden zugefügt
haben und hier und da Wiedererstehen können, mit Leichtigkeit
überwinden.
4. T schechoslow akei. Rechte Tendenzen, die sich in Deutsch*
land konsequent zu Ende entwickelt und erst dadurch ihre Halt*
losigkeit vollauf offenbart haben, gab und gibt es auch in der
tschechoslowakischen Partei. Wenn dieselben Tendenzen hier
nicht denselben Bankrott erlebten wie in Deutschland, so nur
darum, weil das politische Entwicklungstempo in der Tschecho*
Slowakei ein langsameres war. Die Komintern hat neben ihren
anderen Funktionen auch die Aufgabe, dahin zu wirken, daß die
Sektionen voneinander lernen, daß Fehler einzelner Sektionen
nicht von anderen wiederholt werden. Das sollte im vorliegenden
Falle auch die tschechoslowakische Partei tun. Die tschechoslo*
wakische Kommunistische Partei, die in ihrer überwiegenden
Mehrheit aus vortrefflichen proletarischen Elementen besteht, ver*
mochte ungeachtet dieses Umstandes bisher keine wirkliche
bolschewistische Partei zu werden. Daher muß man:
a) vor allem die theoretische Linie der Partei korrigieren;
b) die Fehler in den Formulierungen des Prager Parteitages
und der jüngstens Konferenz in Brünn als solche anerkennen;

2 3 3
*ft
' 1

c) die ganze Partei darauf einstellen, daß es nicht allein genügt,


die Massen zu erfassen, sondern daß es notwendig ist, sie zu
revolutionären Teilkämpfen zu führen und ideologisch und orga*
nisatorisch auf die Führung des Endkampfes vorzubereiten;
d) bei der Durchführung der Einheitsfronttaktik die rechten
Tendenzen bekämpfen und entschieden die Beschlüsse des V. Welt*
kongresses vertreten und ausführen;
e) eine erhöhte Aktivität bei der Arbeit unter der Bauern*
tej schaft entfalten;
v .. ‘ -
f) das nationale Programm der Partei und die zu verstärkende
\f
^ % *
nationale Politik in klar leninistischem Sinne einstellen;
V" ' g) die parlamentarische Tätigkeit der Partei im Sinne des
V > revolutionären Parlamentarismus führen;
r ^ h) die Tätigkeit des Z.K. reger gestalten, die Führung steti*
;; ger, angespannter, energischer machen;
.ß .

i) dem ZJC. frische Kräfte aus der Mitte der wertvollsten


Arbeiter zuführen;
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r j) in kameradschaftlicher Weise und ohne Voreingenommen*


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heit den begründeten Forderungen der auf dem V. Kongreß her*
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V vorgetretenen Minderheit, besonders auch der Jugendbewegung,


entgegenkommen.

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