Amanda und Amara: oder der Weg zur Schönheitsquelle
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Der Weg zur Schönheitsquelle
"Als ich eines Tages darüber nachsann, wie es im frühen Altertum, jener goldenen Zeit, von der die Dichter so häufig sprechen, gewesen sein muss - und besonders, wie man damals
unterrichtete, als es noch keine Schriften gab und der Mensch über das Wahre und Heilige bei offenem, geistigem Gesichte und durch den Verkehr mit Engeln belehrt wurde, die ihm die Wahrheiten des Himmels mitteilten, - fiel ich in einen festen und sehr angenehmen Schlaf und es träumte mir, ich lebe selbst in jenen glücklichen und friedvollen Tagen."
Mit dieser Einleitung beginnt diese gleichnishafte Erzählung, die in der irdischen und himmlischen Welt spielt. Wir begegnen zwei ungleichen Schwestern, während die eine liebenswürdig und schön ist, ist die andere boshaft, neidisch, zänkisch und hässlich.
Ebenfalls nach Schönheit sich sehnend, begibt sie sich unter der Führung und Belehrung von Engeln auf den Weg durch die himmlischen Welten zur Quelle der Schönheit, die sie aber erst nach vielen Prüfungen und Läuterungen erreichen wird.
Der Weg zur Vollkommenheit wird in dieser Parabel in eindrucksvollen Bildern geschildert, er führt in und durch unsere eigenen inneren, lichten und dunklen Seelenwelten, in deren Tiefen das Wasser des Lebens aus der wahren, göttlichen Quelle entspringt.
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Amanda und Amara - Books on Demand
„Ohne Gleichnis aber redete er nicht zu ihnen."
(Mk. 4,34)
Der Weg zur Schönheitsquelle
Als ich eines Tages darüber nachsann, wie es im frühesten Altertum, jener goldenen Zeit, von der die Dichter so häufig sprechen, gewesen sein muss – und besonders, wie man damals unterrichtete, als es noch keine Schriften gab und der Mensch über das Wahre und Heilige bei offenem, geistigem Gesichte und durch den Verkehr mit Engeln belehrt wurde, die ihm die Wahrheiten des Himmels mitteilten, - fiel ich in einen festen und sehr angenehmen Schlaf und es träumte mir, ich lebe selbst in jenen glücklichen und friedvollen Tagen.
Es kam mir vor, ich befände mich in einer der schönsten Gegenden der Erde, welche ich je gesehen. Die Sonne erhob sich in großer Pracht über die östlichen Höhen, auf den grünen Wiesen perlten noch Tautropfen und als die Lichtstrahlen sich darin spiegelten, schien es, als ob die Erde mit Edelsteinen besät wäre. In der Ferne dehnte sich eine ansehnliche, hin und wieder mit schönen großen Bäumen besetzte Hügelkette aus.
Am Fuße derselben hatten die silberklaren Wasser eines leicht abfallenden kleinen Stromes ihren Lauf, in dessen melodisches Rauschen die lieblichen Stimmen von tausend befiederten Sängern einfielen. Auf einer leichten Anhöhe sah man ein eigentümlich gebautes schönes Haus, umgeben von den prächtigsten Obstbäumen, welche in voller Blüte standen. Es befand sich inmitten eines weit ausgedehnten Gartens, dessen belaubte Gänge in kühle Grotten ausliefen, wohin der Eigentümer des Hauses mit den Seinigen während der Hitze des Tages sich zurückzog, um über Gegenstände von ewigem Werte sich mit ihnen zu unterhalten.
Der Besitzer dieses Gutes hatte zwei Töchter, Amanda und Amara genannt. Amanda war ebenso liebenswürdig als schön. Eine gewisse kindliche Unschuld vereinte sich bei ihr mit weiblicher Würde und Verständigkeit und verlieh ihrem ganzen Wesen eine unaussprechliche Anmut und einen Liebreiz, der nur Zutrauen erweckend und herzgewinnend sein konnte und sie zu jedermanns Liebling machte. Aber Amara war gerade das Gegenteil. Sie war immer mürrisch und bei übler Laune; immer fehlte ihr etwas und wenn sie erhielt was sie wünschte, war sie doch nicht zufrieden, sondern über sich und über andere verdrießlich. Durch ihre beständige Verstimmung hatte ihr Körper seine natürliche Schönheit verloren und war ganz der Ausdruck und die Form ihrer hässlichen Gesinnung geworden, denn es ist der Geist, welcher dem Körper sein Gepräge verleiht. Ein sanftmütiger Geist bildet stets in der einen oder anderen Weise einen schönen Körper; und obgleich wir bisweilen eine schöne und tugendhafte Seele in einem missgestalteten Körper finden, wird doch die unschöne Form völlig in Schatten gestellt und gleichsam unserem Anschauen entrückt durch die Lieblichkeit und Schönheit der Gesinnung, welche aus derselben hervorleuchtet.
Amaras größter Wunsch war, ebenso schön und ebenso beliebt zu sein wie Amanda. Weil ihr das aber nicht zu gelingen schien, so fasste sie den Vorsatz, ihre Schwester ebenso hässlich und unliebenswürdig zu machen, wie sie selbst war. Einige Jahre lang hatte sie diesen Plan verfolgt, indem sie bisweilen Amanda schlug und schmähte, bisweilen ihren schönen Anzug zerriss und wenn jene in der Grotte schlief, ihr das liebliche, dunkelbraune Haar abschnitt. Ja einst schlug sie sogar die Schwester ins Gesicht, in der Absicht, dort ein hässliches Merkmal zu hinterlassen, von dem sie hoffte, das es den Reiz desselben zerstören würde. Außerdem war sie beim Stehlen der Spielsachen ihrer Gefährtinnen angetroffen worden